VwGH 2010/05/0006

VwGH2010/05/000623.8.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten, Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über

I. die Beschwerde des Mag. H B (protokolliert zur hg. Zl. 2010/05/0006) in Wien, vertreten durch Dr. Andreas Frauenberger, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Karlsgasse 15/3, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 24. November 2009, Zl. BOB 105/09, betreffend eine Baubewilligung,

II. die Beschwerde von 1. M W und 2. Mag. H B (protokolliert zur hg. Zl. 2010/05/0100), vertreten durch Weber, Maxl & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Rathausplatz 4, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 12. April 2010, Zl. BOB - 509, 510 und 580/09, betreffend eine Baubewilligung,

III. die Beschwerde von 1. M W und 2. Mag. H B (protokolliert zur hg. Zl. 2010/05/0101), vertreten durch Weber, Maxl & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Rathausplatz 4, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 12. April 2010, Zl. BOB - 506 bis 508/09, betreffend eine Baubewilligung,

IV. die Beschwerde von 1. M W und 2. Mag. H B (protokolliert zur hg. Zl. 2010/05/0103), vertreten durch Weber, Maxl & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Rathausplatz 4, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 12. April 2010, Zl. BOB 312, 427 und 505/09, betreffend zwei Baubewilligungen

(zu I. - IV. jeweils: weitere Partei: Wiener Landesregierung; mitbeteiligte Partei: S KG in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Kogler, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neubaugasse 3/10),

zu Recht erkannt:

Normen

AVG §41 Abs2;
BauO Wr §134a Abs1;
BauO Wr §60 Abs1 lita;
BauO Wr §60 Abs1 litc;
BauO Wr §60 Abs3;
BauRallg;
AVG §41 Abs2;
BauO Wr §134a Abs1;
BauO Wr §60 Abs1 lita;
BauO Wr §60 Abs1 litc;
BauO Wr §60 Abs3;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Zu I.: Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen von EUR 1.106, 40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Zu II. bis IV.: Die Beschwerdeführer haben dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 610,60, insgesamt daher EUR 1.831,80, und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen von jeweils EUR 1.106, 40, insgesamt daher EUR 3.319,20, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte sei auf die beiden hg. Erkenntnisse vom 10. September 2008, Zl. 2008/05/0018 (fortan: "erstes Vorerkenntnis") sowie vom 15. Mai 2012, Zlen. 2009/05/0025 und 0026 (fortan: "zweites Vorerkenntnis") verwiesen.

Im dem ersten Vorerkenntnis zu Grunde liegenden Baubewilligungsverfahren wurde von der damaligen Beschwerdeführerin und jetzigen Mitbeteiligten beantragt, auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft nach Abtragen eines Teiles des rechten Flügeltraktes des Altbestandes ein an der Baulinie liegendes unterkellertes zweistöckiges Wohnhaus mit ausgebautem Dachgeschoss und einem daran anschließenden, an der rechten Grundgrenze liegenden einstöckigen Flügeltrakt, gleichfalls mit ausgebautem Dachgeschoss, zu errichten. Beim linken Seitentrakt des Altbestandes sollten bauliche Änderungen (Änderung des Flachdaches zu einem Pultdach durch Reduktion der Gebäudehöhe, Zusammenlegung zweier Wohnungen durch Einbau einer internen Stiege und Änderung der Raumeinteilung) vorgenommen sowie das Stiegenhaus im ersten Stock abgetragen werden. Die im Verwaltungsverfahren erteilte Bewilligung zur Bauführung hinsichtlich des rechten Seitentraktes blieb unbekämpft und erwuchs in Rechtskraft. Mit näherer Begründung erkannte der Verwaltungsgerichtshof über die Beschwerde der damaligen Beschwerdeführerin und jetzigen Mitbeteiligten, dass das Bauvorhaben in Bezug auf den linken Seitentrakt entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht als Umbau, sondern als bauliche Änderung im Sinne des § 60 Abs. 1 lit c der Bauordnung für Wien (BO) zu bewerten sei, weil die baulichen Maßnahmen nicht als so weitgehend einzustufen seien, dass nach der Änderung das Gebäude als ein anderes anzusehen sei. Ausgehend davon stehe die Ausweisung der gärtnerischen Ausgestaltung im Bebauungsplan, die seitens der belangten Behörde als Hindernis für die begehrte Bewilligung angesehen worden war, dem Bauvorhaben nicht entgegen.

Mit im zweiten Rechtsgang erlassenem Ersatzbescheid vom 3. Dezember 2008 wies die belangte Behörde die Berufungen der Beschwerdeführer der gegenständlich zweiten bis vierten Beschwerdeverfahren ab und erteilte damit - im Instanzenzug - für das gesamte eingereichte Bauvorhaben die baubehördliche Bewilligung. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit dem zweiten Vorerkenntnis abgewiesen. In diesem - ebenfalls nur mehr den linken Seitentrakt des Altbestandes betreffenden - Erkenntnis wurde der Argumentation der Beschwerdeführer unter Verweis auf das erste Vorerkenntnis erwidert, dass die für den linken Seitentrakt beabsichtigten Bauführungen als bloße bauliche Änderung iSd § 60 Abs. 1 lit. c BO zu bewerten seien. Dass der Verwaltungsgerichtshof dabei von einem unrichtig angenommenen Sachverhalt ausgegangen wäre, sei nicht dargelegt worden. Dem Argument des Vorliegens von res iudicata wegen der (rechtskräftigen) Abweisung eines Baubewilligungsantrags betreffend ein mit dem gegenständlichen Projekt vergleichbares früheres Bauansuchen wurde erwidert, dass diesem Einwand schon deshalb keine Berechtigung zukomme, weil nicht dargelegt worden sei, in welchem durch die materielle Rechtslage eingeräumten subjektiv-öffentlichen Nachbarrecht die Beschwerdeführer durch den behaupteten Verstoß gegen die Rechtskraft berührt worden seien. Zum Vorbringen der Beschwerdeführer dahingehend, das Bauvorhaben betreffend den linken Seitentrakt stehe im Widerspruch zum Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, verwies der Verwaltungsgerichtshof erneut auf das erste Vorerkenntnis.

Im dem ersten Beschwerdefall (Zl. 2010/05/0006) zu Grunde liegenden Verwaltungsverfahren wurde der Mitbeteiligten auf ihr Ansuchen vom 22. September 2006 mit Bescheid der MA 37 vom 29. Jänner 2007 die Bewilligung erteilt, auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft im ebenerdigen linken Hoftrakt die bestehende Wohnung durch Einbau eines Dachgeschosses und bauliche Änderungen im Erdgeschoss zu erweitern sowie die Decke über dem Erdgeschoss abzusenken und die Dachkonstruktion zu erneuern. Festgestellt wurde im angefochtenen Bescheid (S. 78), dass der konsensgemäße Gebäudeumriss erhalten bleibe. Nach unbestrittener Erlangung der Parteistellung gemäß § 134 Abs. 4 BO erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid Berufung, welche von der belangten Behörde abgewiesen wurde. Gegen diesen Bescheid richtet sich die in der ersten Beschwerdesache erhobene Beschwerde.

Im dem zweiten Beschwerdefall (Zl. 2010/05/0100) zu Grunde liegenden Verwaltungsverfahren wurde der Mitbeteiligten im Instanzenzug mit Spruchpunkt 1. im Planwechselverfahren eine Abweichung von der dem ersten Beschwerdefall zu Grunde liegenden Baubewilligung betreffend den linken Hoftrakt bewilligt, und zwar die Errichtung der neuen Dachkonstruktion unter geringfügiger Reduzierung der Gebäudehöhe der Feuermauer sowie die Abänderung von Öffnungen der Außenwände, der Fassade und der inneren Einteilung und Widmung der Räume. Mit Spruchpunkt 2. wurde der Neuherstellung des Pultdaches und der Abänderung von Fenster- und Türöffnungen in der nordöstlichen Außenwand die Bewilligung versagt. Erkennbar nur gegen den ersten Spruchpunkt dieses Bescheides richtet sich die in der zweiten Beschwerdesache erhobene Beschwerde.

Im dem dritten Beschwerdefall (Zl. 2010/05/0101) zu Grunde liegenden Verwaltungsverfahren wurde der Mitbeteiligten im Instanzenzug erstens im Planwechselverfahren die Bewilligung zur Abweichung von der den beiden Vorerkenntnissen zu Grunde liegenden Baubewilligung hinsichtlich der Errichtung einer straßen- bzw. hofseitigen Dachgaube, der Abänderung von Fassaden, Öffnungen von Wand und Dach, sowie der inneren Einteilung und Widmung der Räume betreffend das an der Baulinie liegende Wohnhaus erteilt. Zweitens wurde die Anhebung der Feuermauer und des Daches des rechten Flügeltraktes unter Beibehaltung der hofseitigen Gebäudehöhe und die Schließung des Fassadenrücksprungs beim Stiegenhaus als Zubau genehmigt. Drittens wurde betreffend den linken Seitentrakt die Entfernung der Decke über dem Erdgeschoss, die Herstellung einer neuen Decke in geänderter Höhenlage, einer neuen Stiege sowie der Einbau von Bad, WC und Abstellraum - als Planwechsel gemäß § 73 BO - genehmigt. Gegen diesen Bescheid richtet sich die in der dritten Beschwerdesache erhobene Beschwerde.

Im dem vierten Beschwerdefall (Zl. 2010/05/0103) zu Grunde liegenden Verwaltungsverfahren wurde der Mitbeteiligten auf ihre Ansuchen vom 28. August 2008 (zur erstinstanzlichen Zahl MA 37/12- 33552-01/2008) bzw. vom 21. April 2009 (zur erstinstanzlichen Zahl MA 37/12-15056-01/2009) mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid im Instanzenzug betreffend den rechten Hoftrakt die baubehördliche Bewilligung für die Abtragung des bestehenden Pultdaches des Maschinenraums und die Errichtung eines begrünten Flachdaches bzw. für die Abtragung des bestehenden Pultdaches des Maschinenraums und Errichtung eines Flachdaches erteilt. Gegen diesen Bescheid richtet sich die in der vierten Beschwerdesache erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden nach Vorlage der Akten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erwogen:

1. Die beschwerdegegenständlichen Verwaltungsverfahren wurden mit Anträgen vom 22. September 2006 (erster Beschwerdefall), 22. Jänner 2009 (zweiter Beschwerdefall), 27. Jänner 2009 (dritter Beschwerdefall) sowie 28. August 2008 bzw. 21. April 2009 (vierter Beschwerdefall) eingeleitet.

1.2. Für den ersten Beschwerdefall haben demnach § 60 lit. a und c der Bauordnung für Wien (BO) in der Fassung LGBl. Nr. 42/1996, § 134 Abs. 3 BO in der Fassung LGBl. Nr. 41/2005 sowie § 134a Abs. 1 BO in der Fassung LGBl. Nr. 36/2001 zur Anwendung zu gelangen. Für die restlichen Beschwerdefälle sind diese Bestimmungen in der Fassung der Techniknovelle LGBl. Nr. 24/2008 maßgeblich. Mit dieser Novelle wurden jedoch lediglich die Begriffe "Gebäude" bzw. "bauliche Anlage" durch den Begriff "Bauwerk" ersetzt, inhaltlich fanden keine Änderungen statt. Aus diesem Grund beschränkt sich der Verwaltungsgerichtshof auf die Wiedergabe der vorliegend anzuwendenden Bestimmungen der Bauordnung für Wien (BO) in der Fassung der Techniknovelle.

1.3. Diese Bestimmungen lauten (auszugsweise):

"§ 60. (1) Bei folgenden Bauvorhaben ist, soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70a zur Anwendung kommen, vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken:

a) Neu-, Zu- und Umbauten. Unter Neubau ist die Errichtung neuer Gebäude zu verstehen; ein solcher liegt auch vor, wenn nach Abtragung bestehender Bauwerke die Fundamente oder Kellermauern ganz oder teilweise wieder benützt werden. Ein einzelnes Gebäude ist ein raumbildendes Bauwerk, das in seiner Bausubstanz eine körperliche Einheit bildet und nicht durch Grenzen eines Bauplatzes oder Bauloses oder durch Eigentumsgrenzen geteilt ist, ausgenommen die zulässige Bebauung von Teilen des öffentlichen Gutes. Der Bezeichnung als ein einzelnes Gebäude steht nicht entgegen, dass in ihm Brandmauern enthalten sind oder es auf Grundflächen von verschiedener Widmung, verschiedener Bauklasse oder verschiedener Bauweise errichtet ist. Ein Raum liegt vor, wenn eine Fläche zumindest zur Hälfte ihres Umfanges von Wänden umschlossen und von einer Deckfläche abgeschlossen ist; ein Aufenthaltsraum muss allseits umschlossen sein. Flugdächer mit einer bebauten Fläche von mehr als 25 m2 oder einer lotrecht zur bebauten Fläche gemessenen Höhe von mehr als 2,50 m gelten als Gebäude. Zubauten sind alle Vergrößerungen eines Gebäudes in waagrechter oder lotrechter Richtung, ausgenommen die Errichtung von Dachgauben. Unter Umbau sind jene Änderungen des Gebäudes zu verstehen, durch welche die Raumeinteilung oder die Raumwidmungen so geändert werden, dass nach Durchführung der Änderungen das Gebäude als ein anderes anzusehen ist. Ein Umbau liegt auch dann vor, wenn solche Änderungen selbst nur ein einzelnes Geschoß betreffen. Der Einbau von Wohnungen oder Teilen davon in das Dachgeschoß gilt nicht als Umbau.

...

c) Änderungen oder Instandsetzungen von Bauwerken, wenn diese von Einfluss auf die Festigkeit, die gesundheitlichen Verhältnisse, die Feuersicherheit oder auf die subjektivöffentlichen Rechte der Nachbarn sind oder durch sie das äußere Ansehen oder die Raumeinteilung geändert wird, sowie jede Änderung der bewilligten Raumwidmungen oder des bewilligten Fassungsraumes eines Gebäudes oder eines Bauwerks; im Falle einer Änderung der Verwendung von Aufenthaltsräumen in Wohnzonen die rechtmäßig bestehende Benützung der Aufenthaltsräume als Wohnungen oder Betriebseinheiten im gesamten Gebäude, sofern diese unter Berücksichtigung der beantragten Änderung nicht ausdrücklich als Wohnungen oder Betriebseinheiten bereits gewidmet sind.

...

Baubeginn

§ 72. Soweit nicht § 62 oder § 70a zur Anwendung kommt, darf der Bau begonnen und weitergeführt werden, wenn die erstinstanzliche Baubewilligung gegenüber dem Bauwerber und jenen Personen, die spätestens bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen gemäß § 134 Abs. 3 erhoben haben, rechtskräftig ist, oder wenn die zweitinstanzliche Baubewilligung gegenüber dem Bauwerber rechtskräftig ist.

Abweichungen von bewilligten Bauvorhaben

§ 73. (1) Beabsichtigte Abweichungen von Bauplänen, die nach diesem Gesetz ausgeführt werden dürfen, sind wie Änderungen an bereits bestehenden Bauwerken zu behandeln, wobei die Abweichungen den Umfang des § 60 Abs. 1 lit. c nicht überschreiten dürfen; dadurch wird die Gültigkeitsdauer der ursprünglichen Baubewilligung beziehungsweise Bauanzeige nicht verlängert.

...

Parteien

§ 134. ...

3) Im Baubewilligungsverfahren und im Verfahren zur Bewilligung von unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften sind außer dem Antragsteller (Bauwerber) die Eigentümer (Miteigentümer) der Liegenschaften Parteien. Personen, denen ein Baurecht zusteht, sind wie Eigentümer der Liegenschaften zu behandeln. Die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften sind dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre im § 134 a erschöpfend festgelegten subjektivöffentlichen Rechte berührt und sie spätestens, unbeschadet Abs. 4, bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen im Sinne des § 134 a gegen die geplante Bauführung erheben; das Recht auf Akteneinsicht (§ 17 AVG) steht Nachbarn bereits ab Einreichung des Bauvorhabens bei der Behörde zu. Alle sonstigen Personen, die in ihren Privatrechten oder in ihren Interessen betroffen werden, sind Beteiligte (§ 8 AVG). Benachbarte Liegenschaften sind im Bauland jene, die mit der vom Bauvorhaben betroffenen Liegenschaft eine gemeinsame Grenze haben oder bis zu einer Breite von 6 m durch Fahnen oder diesen gleichzuhaltende Grundstreifen oder eine höchstens 20 m breite öffentliche Verkehrsfläche von dieser Liegenschaft getrennt sind und im Falle einer Trennung durch eine öffentliche Verkehrsfläche der zu bebauenden Liegenschaft gegenüberliegen. In allen übrigen Widmungsgebieten sowie bei Flächen des öffentlichen Gutes sind jene Liegenschaften benachbart, die in einer Entfernung von höchstens 20 m vom geplanten Bauwerk liegen.

...

(4) Weist ein Nachbar der Behörde nach, dass er ohne sein Verschulden daran gehindert war, die Parteistellung nach § 134 Abs. 3 zu erlangen, kann er seine Einwendungen im Sinne des § 134a gegen die Bauführung auch nach dem Abschluss der mündlichen Bauverhandlung bis längstens drei Monate nach dem angezeigten Baubeginn (§ 124 Abs. 2) vorbringen und ist vom Zeitpunkt des Vorbringens dieser Einwendungen an Partei; eine spätere Erlangung der Parteistellung (§ 134 Abs. 3) ist ausgeschlossen. Solche Einwendungen sind vom Nachbarn binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses für ihre Erhebung bei der Behörde einzubringen, die die Bauverhandlung anberaumt hat.

...

Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte

§ 134 a. (1) Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, deren Verletzung die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften (§ 134 Abs. 3) im Baubewilligungsverfahren geltend machen können, werden durch folgende Bestimmungen, sofern sie ihrem Schutze dienen, begründet:

a) Bestimmungen über den Abstand eines Bauwerkes zu den Nachbargrundgrenzen, jedoch nicht bei Bauführungen unterhalb der Erdoberfläche;

  1. b) Bestimmungen über die Gebäudehöhe;
  2. c) Bestimmungen über die flächenmäßige Ausnützbarkeit von Bauplätzen, Baulosen und Kleingärten;

    d) Bestimmungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Fluchtlinien;

    e) Bestimmungen, die den Schutz vor Immissionen, die sich aus der widmungsgemäßen Benützung eines Bauwerkes ergeben können, zum Inhalt haben. Die Beeinträchtigung durch Immissionen, die sich aus der Benützung eines Bauwerkes zu Wohnzwecken oder für Stellplätze im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß ergibt, kann jedoch nicht geltend gemacht werden;

    f) Bestimmungen, die den Nachbarn zu Emissionen berechtigen."

    2. In allen - im Wesentlichen gleichlautenden - Beschwerden führen die Beschwerdeführer zunächst aus, für das verfahrensgegenständliche Bauprojekt seien mehrere Baubewilligungsverfahren geführt worden bzw. anhängig. Die Baubehörden wären aber verpflichtet gewesen, all diese Verfahren unter einem zu führen. Das Bauprojekt hätte in Gesamtbeurteilung aller Einzelprojekte als "einheitliches Ganzes" nicht genehmigt werden dürfen.

    Soweit mit diesem Beschwerdevorbringen geltend gemacht werden soll, das Bauvorhaben betreffend den linken Seiten- bzw. linken und rechten Hoftrakt sei bei einheitlicher Würdigung des Bauprojektes nicht bloß als bauliche Änderung iSd § 60 Abs. 1 lit. c BO, sondern als Umbau anzusehen, der aufgrund der - nur in diesen Liegenschaftsbereichen ausgewiesenen - gärtnerischen Ausgestaltung im Bebauungsplan nicht bewilligt werden hätte dürfen, ist den Beschwerdeführern folgendes zu erwidern:

2.1. Es ist dort, wo eine gärtnerisch auszugestaltende Fläche oder eine Baufluchtlinie festgesetzt wurde, zwar eine bauliche Änderung im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. c BO, nicht aber ein Neu-, Zu- oder Umbau im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. a BO zulässig. Es soll kein Bau erfolgen, der der Realisierung des Bebauungsplans auf - weitere - lange Zeit entgegensteht. Auch aus der Sicht des Schutzes des Nachbarn ist es nicht gleichgültig, welches Bauvorhaben auf der gärtnerisch auszugestaltenden Fläche realisiert werden soll, wenn dort nur bestimmte Bauvorhaben erlaubt sind (vgl. das erste Vorerkenntnis bzw. das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 2007, Zl. 2005/05/0088, je mwN). Der Dachgeschossausbau gilt gemäß § 60 Abs. 1 lit. a letzter Satz BO nicht als Umbau (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Mai 2011, Zl. 2008/05/0205). Eine im Bebauungsplan festgesetzte gärtnerische Ausgestaltung einer Grundfläche steht daher einem Dachgeschossausbau bei bereits rechtmäßig bestehenden Gebäuden nicht entgegen (vgl. die bei Geuder, Sammlung des Wiener Baurechts, wiedergegebenen Erläuternden Bemerkungen zur Novelle LGBl. Nr. 42/1996 des § 60 Abs. 3 BO).

2.2. Entscheidend für die Abgrenzung zwischen den beiden Bewilligungstatbeständen ist das Kriterium, ob das Gebäude nach Durchführung der Maßnahmen in seinem äußeren Erscheinungsbild oder in seiner Nutzung als ein anderes anzusehen ist. Für die Annahme eines Umbaus iSd § 60 Abs. 1 lit. a BO muss es sich um so wesentliche Änderungen der Raumeinteilung oder der Raumwidmungen handeln, dass das Gebäude nach ihrer Durchführung als ein anderes anzusehen ist (vgl. erneut das erste Vorerkenntnis).

2.3. Durch das mehrmals zitierte erste Vorerkenntnis wurde mit gemäß § 63 Abs. 1 VwGG bindender Wirkung entschieden, dass die in jenem Verfahren für den linken Seitentrakt bewilligten Bauführungen als bloße bauliche Änderung iSd § 60 Abs. 1 lit. c BO zu bewerten waren. Die damalige Baubewilligung betreffend den rechten Seitentrakt blieb unbekämpft und erwuchs in Rechtskraft.

2.4. Zu prüfen bleibt daher, ob das jeweilige Gebäude nach Durchführung der einzelnen gegenständlichen Maßnahmen am linken Seiten- bzw. am linken und rechten Hoftrakt - nur diese liegen auf einer gärtnerisch auszugestaltenden Fläche - entweder im äußeren Erscheinungsbild oder in der Nutzung als ein anderes anzusehen ist. Zu den für diese Unterscheidung wesentlichen Kriterien ist auf die bei Moritz, BauO für Wien4 (2009) Anm. zu § 60 Abs. 1 lit. a und lit. c zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen.

Im ersten Beschwerdefall sollen Änderungen in der Raumeinteilung im Innenbereich des linken Hoftrakts vorgenommen, eine Waschküche in eine unbeheizte Veranda umgewidmet und der Dachboden ausgebaut werden, wobei letztere Maßnahme keine Erhöhung der Gebäudehöhe mit sich bringt. Im zweiten Beschwerdefall betreffend den linken Hoftrakt sollen - soweit beschwerdegegenständlich - in Abweichung von der dem ersten Beschwerdefall zu Grunde liegenden Baubewilligung eine geringfügige Reduzierung der Höhe der Feuermauer sowie Änderungen der Fenster und der inneren Einteilung der Räume, wobei die Widmung als Wohnräume erhalten bleibt, vorgenommen werden.Die vorliegend relevanten Baumaßnahmen im dritten Beschwerdefall betreffen lediglich eine Änderung der Zwischendecke sowie die Raumeinteilung im linken Seitentrakt. Im vierten Beschwerdefall betreffend den rechten Hoftrakt soll (nach beiden Bewilligungen) die Dachkonstruktion samt Lichtkuppeln erneuert werden. Zudem soll ein kleiner Mauerdurchbruch zum angrenzenden Werkstättengebäude geschaffen bzw. sollen im Maschinenraum selbst zwei Stahlstützen eingebaut werden.

Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kann der Ansicht der belangten Behörde, die soeben dargestellten Baumaßnahmen seien als Änderung iSd § 60 Abs. 1 lit. c BO zu qualifizieren, nicht entgegen getreten werden. Die geplanten Baumaßnahmen erscheinen in ihren Auswirkungen keinesfalls dermaßen umfassend oder weitreichend, dass das jeweilige Gebäude nach Durchführung der Maßnahmen in seinem äußeren Erscheinungsbild oder in seiner Nutzung als ein anderes anzusehen wäre.

3. Soweit die Beschwerdeführer in allen Beschwerdesachen erneut das Vorliegen von res iudicata aufgrund einer vormals auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft erteilten Baubewilligung behaupten, genügt es, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes zu diesem Beschwerdevorbringen im zweiten Vorerkenntnis zu verweisen.

4. Betreffend das wiederholte Vorbringen in allen Beschwerdeverfahren hinsichtlich zahlreicher Wechsel von Bauplänen und die behaupteten Mängel in den Bauplänen genügt es, wiederum auf das zweite Vorerkenntnis zu verweisen, da es die Beschwerdeführer erneut verabsäumt haben darzulegen, inwiefern die Planwechsel und behaupteten Mängel sie daran gehindert hätten, nach § 134a Abs. 1 BO beachtliche Einwände zu erheben, die zu einem anderen Verfahrensergebnis hätten führen können.

5. Dass der Beschwerdeführer im der ersten Beschwerdesache zu Grunde liegenden Verwaltungsverfahren Parteistellung gemäß § 134 Abs. 4 BO erlangt hat, ist unbestritten. Soweit der Beschwerdeführer das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung im erstinstanzlichen Verfahren moniert und rügt, das Verfahren sei "bilateral zwischen Bauwerber und Behörde" geführt worden, ist ihm entgegenzuhalten, dass ihm über seinen Antrag als "übergangenem" Nachbarn gemäß § 134 Abs. 4 leg. cit. am 21. Jänner 2009 der erstinstanzliche Bescheid zugestellt wurde, gegen den er in weiterer Folge Berufung an die belangte Behörde erhoben hat. Im Berufungsverfahren wurde dem Beschwerdeführer dazu ein weiteres Mal die Möglichkeit gegeben, eine Stellungnahme zum Ergebnis des Beweisverfahrens abzugeben, welche von ihm auch genutzt wurde. Somit wurden nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes die Parteienrechte des Beschwerdeführers jedenfalls gewahrt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2005, Zl. 2003/05/0152, mwN).

6. Weiters machen die Beschwerdeführer in der zweiten, dritten und vierten Beschwerdesache die fehlende Bestimmtheit der in den Verwaltungsverfahren ergangenen Ladungen zu den mündlichen Verhandlungen sowie die zu kurzfristige Anberaumung beider Verhandlungen als Verfahrensmängel geltend.

Diesbezüglich ist ihnen zu erwidern, dass die von der Baubehörde erster Instanz in ihren Ladungen zu den mündlichen Verhandlungen vom 13. März 2009 (zur erstinstanzlichen Zahl MA 37/12-33552-01/2008) bzw. 12. Juni 2009 (zu den erstinstanzlichen Zahlen MA 37/12-15056-01/2009, MA 37/12- Pgasse 10/55313-11/05 bzw. MA 37/12-Pgasse 10/36928-07/06) angeführten Gegenstände der Baubewilligungsverfahren im Zusammenhang mit den eingereichten Unterlagen - insbesondere den Bauplänen - jedenfalls ausgereicht haben, den geladenen Beschwerdeführern jene Informationen zu vermitteln, die sie zur Verfolgung ihrer Rechte im Baubewilligungsverfahren benötigt haben (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. September 2007, Zl. 2006/05/0042, mwN). Die Beschwerdeführer sind in allen Ladungen auch ausdrücklich auf die Möglichkeit der Einsichtnahme in die das jeweilige Projekt betreffenden Pläne hingewiesen worden. Im Übrigen wird in den Beschwerden die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan.

Auch die Frist zwischen der Zustellung der Ladungen und den mündlichen Verhandlungen kann - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer - vom Verwaltungsgerichtshof nicht als zu kurz erachtet werden. Vom Termin der mündlichen Verhandlung vom 13. März 2009 erlangten die Beschwerdeführer nach eigenem Vorbringen am 2. März 2009 Kenntnis. Die Ladungen zu den mündlichen Verhandlungen vom 12. Juni 2009 wurden der Erstbeschwerdeführerin laut Rückscheinen am 2. bzw. 3. Juni 2009 zugestellt, der Zweitbeschwerdeführer erlangte nach eigenen Angaben in seiner Stellungnahme vom 7. Juni 2009 ebenso am 2. Juni 2009 Kenntnis von den Verhandlungsterminen. Somit standen den Beschwerdeführern betreffend die mündliche Verhandlung vom 13. März 2009 elf Tage, hinsichtlich der mündlichen Verhandlungen vom 12. Juni 2009 neun bzw. zehn Tage zur Vorbereitung zur Verfügung, was angesichts der nicht als übermäßig hoch zu erkennenden Komplexität der jeweiligen Projekte als ausreichend zu betrachten ist (vgl. zur in der Regel ausreichenden Vorbereitungszeit von acht Tagen zwischen der Zustellung der Ladung und der Verhandlung die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2 (1998), 597, E 43 zu § 41 Abs. 2 AVG zitierte hg. Rechtsprechung). Die Beschwerdeführer haben im Übrigen auch nicht dargetan, was sie vorgebracht hätten, wären die Ladungen früher zugestellt worden.

7. Zuletzt wenden die Beschwerdeführer in der zweiten, dritten und vierten Beschwerdesache ein, dass in Ermangelung einer rechtskräftigen Baubewilligung noch kein Planwechselverfahren zulässig gewesen wäre. Dem ist zunächst entgegen zu halten, dass das vierte Beschwerdeverfahren überhaupt keinen Antrag auf Planwechsel beinhaltet. Im Übrigen ist den Beschwerdeführern zu erwidern, dass die den Planwechseln im zweiten und dritten Beschwerdefall zu Grunde liegenden Bauvorhaben mit Bescheiden der belangten Behörde vom 3. Dezember 2008 (angefochtener Bescheid des ersten Vorerkenntnisses) bzw. vom 24. November 2009 (angefochtener Bescheid in der ersten Beschwerdesache) rechtskräftig bewilligt worden waren. Im für die maßgebende Sach- und Rechtslage relevanten Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidungen (beide vom 12. April 2010) durften diese Bauvorhaben somit gemäß § 72 BO bereits ausgeführt werden, weshalb auch die Anträge auf Planwechsel gemäß § 73 Abs. 1 BO zulässig waren.

8. Aus den dargelegten Gründen waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

9. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 23. August 2012

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