VwGH 2010/03/0001

VwGH2010/03/000119.4.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerden der Ö GmbH & Co KG in W, vertreten durch Dr. Norbert Wiesinger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rudolfsplatz 3, gegen die Bescheide des Bundeskommunikationssenates vom 1.) 16. November 2009, Zl 611.188/0003-BKS/2009, 2.) 16. November 2009, Zl 611.188/0004- BKS/2009, 3.) 16. November 2009, Zl 611.189/0002-BKS/2009, betreffend Auskunftspflicht gemäß § 90 Abs 1 Z 4 TKG 2003 (weitere Partei: Bundeskanzler), zu Recht erkannt:

Normen

32002L0021 Rahmen-RL Kommunikationsnetze Art4;
32002L0021 Rahmen-RL Kommunikationsnetze Art5 Abs1;
32002L0021 Rahmen-RL Kommunikationsnetze ;
B-VG Art139 Abs1;
B-VG Art139;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art144 Abs2;
B-VG Art89 Abs2;
DSG §1;
EMRK Art6;
RFMVO 2009;
TKG 2003 §120 Abs1 Z4;
TKG 2003 §36 Abs2;
TKG 2003 §36;
TKG 2003 §37;
TKG 2003 §90 Abs1 Z4;
TKG 2003 §90 Abs1;
32002L0021 Rahmen-RL Kommunikationsnetze Art4;
32002L0021 Rahmen-RL Kommunikationsnetze Art5 Abs1;
32002L0021 Rahmen-RL Kommunikationsnetze ;
B-VG Art139 Abs1;
B-VG Art139;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art144 Abs2;
B-VG Art89 Abs2;
DSG §1;
EMRK Art6;
RFMVO 2009;
TKG 2003 §120 Abs1 Z4;
TKG 2003 §36 Abs2;
TKG 2003 §36;
TKG 2003 §37;
TKG 2003 §90 Abs1 Z4;
TKG 2003 §90 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden hat die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 37 Abs 6 iVm mit § 90 Abs 1 Z 4 Telekommunikationsgesetz 2003 (TKG 2003) die Vorlage bestimmter Unterlagen aufgetragen. Die Vorlage sollte der Durchführung von Marktanalysen hinsichtlich der gemäß Rundfunkmarktdefinitionsverordnung 2009 (RFMVO 2009) als relevant festgelegten Märkte für den Zugang zu Sendeanlagen und für die digitale terrestrische Übertragung von TV-Signalen zum Endkunden (erstangefochtener Bescheid), für den Zugang und die digitale terrestrische Übertragung von Signalen zum Endkunden über die Multiplex-Plattformen MUX A und MUX B (zweitangefochtener Bescheid) und für analoge terrestrische Übertragung von Hörfunksignalen zum Endkunden mittels UKW (drittangefochtener Bescheid) dienen. Vorzulegen seien jeweils näher bezeichnete Verträge über die Verbreitung von Programmen, Daten betreffend Entgelte für die Programmabstrahlung, das Multiplexing und die Übertragung von Hörfunksignalen sowie jeweils Kostenkalkulationen für diese Entgelte.

Begründend führte die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges aus, dass die beschwerdeführende Partei die Rechtswidrigkeit des bescheidmäßigen Auftrages der erstinstanzlichen Behörde zur Vorlage der angeforderten Informationen und Unterlagen ausschließlich aufgrund des Umstandes gerügt habe, dass die den Verfahren nach § 37 TKG 2003 zu Grunde liegende RFMVO 2009 aus mehreren materiellen und verfahrensrechtlichen Gründen rechtswidrig sei.

Der beschwerdeführenden Partei sei darin zu folgen, dass die sich aus § 37 Abs 6 iVm § 90 Abs 1 Z 4 TKG 2003 ergebenden Mitwirkungsverpflichtungen nur in jenem Marktanalyseverfahren bestehen, für die ein entsprechender Markt gemäß § 36 Abs 1 TKG 2003 definiert worden sei. Das Bestehen einer Mitwirkungspflicht eines Betreibers von Kommunikationsnetzen und - diensten bemesse sich danach, inwieweit gemäß § 90 Abs 1 TKG 2003 die verlangten Informationen für die Vollziehung des Gesetzes erforderlich seien.

Es sei unstrittig, dass die beschwerdeführende Partei auf den gemäß § 1 Z 1 bis 3 RFMVO 2009 jeweils definierten Märkten tätig sei. Der erstinstanzlichen Behörde sei zuzustimmen, dass die angeforderten Informationen und Unterlagen benötigt werden, um die in § 35 Abs 2 TKG 2003 angeführten Indikatoren zu beurteilen.

Der belangten Behörde sei es aber verwehrt, die Frage der Rechtmäßigkeit der RFMVO 2009 und davon abhängend die Frage, ob überhaupt ein Marktanalyseverfahren nach § 37 TKG 2003 unter Beteiligung der beschwerdeführenden Partei durchzuführen sei und dieser darin die Verpflichtung zur Vorlage von Informationen und Unterlagen hätte erteilt werden dürfen, zu prüfen.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerden mit den Anträgen, sie kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erklärte, von der Erstattung einer Gegenschrift abzusehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:

1. Mit den angefochtenen Bescheiden wurde der beschwerdeführenden Partei die Vorlage näher bestimmter Unterlagen und Daten im Hinblick auf nach § 37 TKG 2003 in der Fassung BGBl I Nr 65/2009 von der Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) geführte Marktanalyseverfahren auf den Märkten gemäß § 1 Z 1 bis 3 RFMVO 2009 aufgetragen.

Die maßgebenden Bestimmungen des TKG 2003 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl I Nr 65/2009 lauteten auszugsweise:

"Marktdefinitionsverfahren

§ 36. (1) Die Regulierungsbehörde hat durch Verordnung die der sektorspezifischen Regulierung unterliegenden relevanten Märkte entsprechend den nationalen Gegebenheiten und im Einklang mit den Grundsätzen des allgemeinen Wettbewerbsrechts unter Berücksichtigung allfälliger geographischer Besonderheiten in Bezug auf die Wettbewerbssituation sowie der Erfordernisse sektorspezifischer Regulierung festzulegen. Diese Verordnung ist regelmäßig, längstens aber in einem Abstand von zwei Jahren, zu überprüfen.

(2) Die Festlegung der relevanten Märkte durch die Regulierungsbehörde hat unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen der Europäischen Gemeinschaften zu erfolgen.

(3) Beabsichtigt die Regulierungsbehörde sachliche oder räumliche Märkte festzulegen, die von denen in der Empfehlung der Europäischen Kommission abweichen, hat sie die in den §§ 128 und 129 vorgesehenen Verfahren anzuwenden.

Marktanalyseverfahren

§ 37. (1) Die Regulierungsbehörde führt von Amts wegen unter Berücksichtigung der Bestimmungen der Europäischen Gemeinschaften in regelmäßigen Abständen, längstens aber in einem Abstand von zwei Jahren, eine Analyse der durch die Verordnung gemäß § 36 Abs. 1 festgelegten relevanten Märkte durch. Ziel dieses Verfahrens ist nach der Feststellung, ob auf dem jeweils relevanten Markt ein oder mehrere Unternehmen über beträchtliche Marktmacht verfügen oder aber effektiver Wettbewerb gegeben ist, die Aufhebung, Beibehaltung, Änderung oder Auferlegung von spezifischen Verpflichtungen.

(…)

(6) Nutzer und Betreiber von Kommunikationsdiensten oder - netzen sind verpflichtet, in dem in § 90 festgelegten Umfang in den Verfahren nach § 36 und § 37 mitzuwirken.

(…)

Informationspflichten

§ 90. (1) Betreiber von Kommunikationsnetzen oder -diensten sowie Inhaber von Nutzungsrechten an Frequenzen oder Kommunikationsparametern, sind verpflichtet, dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie und der Regulierungsbehörde auf schriftliches Verlangen die Auskünfte zu erteilen, die für den Vollzug dieses Gesetzes und der relevanten internationalen Vorschriften notwendig sind. Dies sind insbesondere

(…)

4. Auskünfte für ein Verfahren gemäß § 37,

(…).

Diese Informationen sind binnen der hiefür gesetzten Frist und nach dem Zeitplan und in den Einzelheiten vorzulegen, die verlangt werden. Informationen gemäß Z 3 dürfen von Unternehmen auch vor Aufnahme ihrer Tätigkeit verlangt werden. Die verlangten Informationen müssen in angemessenem Verhältnis zur Wahrnehmung der Aufgaben stehen. Das Verlangen ist zu begründen und dem Betroffenen mitzuteilen, für welchen konkreten Zweck die bereitgestellten Informationen benutzt werden sollen.

(…)

Aufgaben der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH

§ 115. (1) Die Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH hat sämtliche Aufgaben, die durch dieses Bundesgesetz und durch die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen der Regulierungsbehörde übertragen sind, wahrzunehmen, sofern hierfür nicht die Telekom-Control-Kommission (§ 117) oder die KommAustria zuständig ist.

(…)

Zuständigkeit der KommAustria

§ 120. (1) Abweichend von der in §§ 115 und 117 vorgenommenen Zuständigkeitsverteilung nimmt die KommAustria, soweit

a) ein verfahrenseinleitender Antrag sich auf die Nutzung eines Kommunikationsnetzes, einer zugehörigen Einrichtung oder die Inanspruchnahme eines Kommunikationsdienstes zur Verbreitung von Rundfunk im Sinne des BVG-Rundfunk oder Rundfunkzusatzdiensten im Sinne des § 2 Privatfernsehgesetzes, BGBl. I Nr. 84/2001, bezieht oder

b) eine Regulierungsmaßnahme sich auf einen Markt für die Verbreitung von Rundfunk im Sinne des BVG-Rundfunk oder Rundfunkzusatzdiensten bezieht,

folgende Aufgaben der Regulierungsbehörde im Sinne dieses Bundesgesetzes wahr:

(…)

4. Aufgaben der Wettbewerbsregulierung nach dem 5. Abschnitt dieses Bundesgesetzes,

(…)"

Mit Verordnung der Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) über die gemäß dem Telekommunikationsgesetz 2003 - TKG 2003, BGBl I Nr 70/2003 idF BGBl I Nr 133/2005, der sektorspezifischen Regulierung unterliegenden relevanten nationalen Märkte für Rundfunk-Übertragungsdienste zur Bereitstellung von Sendeinhalten für Endnutzer (Rundfunkmarktdefinitionsverordnung 2009 - RFMVO 2009) vom 27. April 2009 wurden in deren § 1 folgende - in geografischer Hinsicht jeweils das Bundesgebiet der Republik Österreich umfassende - relevante Märkte festgelegt:

"1. der Markt für analoge terrestrische Übertragung von Hörfunksignalen zum Endkunden mittels UKW,

2. der Markt für den Zugang und die digitale terrestrische Übertragung von TV-Signalen zum Endkunden über die Multiplex-Plattformen MUX A und MUX B sowie

3. der Markt für den Zugang zu Sendeanlagen und die digitale terrestrische Übertragung von TV-Signalen zum Endkunden"

Die RFMVO 2009 wurde gemäß § 135 Abs 2 TKG 2003 kundgemacht; die Bekanntmachung im Sinne dieser Bestimmung im Amtsblatt zur Wiener Zeitung erfolgte am 30. April 2009.

2. Mit Erkenntnis vom 24. Februar 2011,V 62/10, hat der Verfassungsgerichtshof den Antrag eines Betreibers elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste auf Aufhebung (unter anderem) des § 1 Z 11 der Telekommunikationsmärkteverordnung 2008 (TKMV 2008), mit dem auf Grund des § 36 Abs 1 und 2 TKG 2003 ein sachlich relevanter Markt (Breitbandvorleistungsmarkt für die Bereitstellung von Anschlüssen an Nichtprivatkunden) festgelegt worden war, abgewiesen.

Die TKMV 2008 unterschied sich hinsichtlich ihrer gesetzlichen Grundlagen nur insoweit von der in den hier vorliegenden Beschwerdefällen maßgeblichen RFMVO 2009, als eine andere Behörde zur Erlassung der Verordnung zuständig war (für die TKMV 2008 gemäß § 115 Abs 1 TKG 2003 die Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH, für die RFMVO 2009 gemäß § 120 Abs 1 TKG 2003 die KommAustria).

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 24. Februar 2011 unter anderem Folgendes ausgeführt:

"Gegen die gesetzlichen Grundlagen zur Erlassung der TKMV 2008 bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken:

1. Nach Art 6 EMRK hat jedermann Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Tribunal gehört wird, das über seine zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen zu entscheiden hat.

1.1. Art 6 EMRK ist nicht nur auf Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche ieS anwendbar, sondern auch auf Verwaltungsverfahren, die Auswirkungen auf zivilrechtliche Rechtspositionen haben (vgl. VfSlg. 11.500/1987). Diese Auswirkungen können in solchen Fällen nicht nur von Bescheiden, sondern unter spezifischen Voraussetzungen im Einzelfall (wenn etwa 'civil rights' unmittelbar durch Verordnungen berührt sind) auch unmittelbar von generell-abstrakten Verwaltungsakten wie Verordnungen ausgehen (vgl. EGMR 27.11.1991, Fall Oerlemans, Appl. 12.565/86).

1.2. Entgegen dem Vorbringen der antragstellenden Gesellschaft wird - selbst unter der Annahme, dass durch den Wegfall einer Telekommunikationsmärkteverordnung 'civil rights' der antragstellenden Gesellschaft berührt sind - das Recht auf Zugang zu einem unabhängigen Gericht nicht verletzt. Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist Art 6 EMRK auch dann Genüge getan, wenn zunächst eine Instanz entscheidet, die nicht die Anforderungen an ein Gericht erfüllt, wenn deren Entscheidung der Überprüfung durch ein Gericht iSd Art 6 EMRK unterliegt, das über eine volle Kognitionsbefugnis in Rechts- und Sachverhaltsfragen verfügt (VfSlg. 11.500/1987; EGMR 21.9.1993, Fall Zumtobel, Appl. 12.235/86, Z27 ff.). Art 139 B-VG sieht die Überprüfung der Gesetzwidrigkeit von Verordnungen unter anderem auf Antrag einer Person vor, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. In der vom Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vorgenommenen Auslegung dieser Bestimmung eröffnet diese einen Zugang zu Gericht auch in jenen Fällen, in denen eine Verordnung eine Person unmittelbar in 'civil rights' berührt.

Zwar ist die verordnungserlassende Behörde RTR-GmbH selbst kein Gericht iSv Art 6 EMRK. Die von ihr erlassenen Verordnungen können jedoch vor dem Verfassungsgerichtshof, der jedenfalls in Verfahren nach Art 139 B-VG ein Gericht mit voller Kognitionsbefugnis iSv Art 6 EMRK ist, bekämpft werden: Dem Unternehmen, dem Verpflichtungen gemäß § 37 Abs2 TKG 2003 auferlegt wurden und den anderen am Markt befindlichen Unternehmen, wie in diesem Verfahren der antragstellenden Gesellschaft, steht in solchen Fällen der Weg eines Individualantrags nach Art 139 B-VG offen, mit dem sie sich gegen die Erlassung bzw. die Aufhebung einer Verordnung nach § 36 Abs1 TKG 2003 und damit auch gegen den ex-lege-Wegfall der Verpflichtungen nach § 37 Abs2 TKG 2003 wenden können. Der Verfassungsgerichtshof kann die Gesetzmäßigkeit der Verordnung und damit auch des Wegfalls der Verpflichtungen des (vormals) marktbeherrschenden Unternehmens in jeder Hinsicht prüfen und im Fall der Gesetzwidrigkeit die Verordnung aufheben.

(…)

3. Ebenso wenig ist dem Vorbringen der antragstellenden Gesellschaft, die Bestimmungen der §§ 36 und 37 TKG 2003 würden gegen das im Antrag so genannte 'Verbot des Rechtsformenmissbrauchs' verstoßen, zu folgen: Die Festlegung der der sektorspezifischen Regulierung unterliegenden Märkte durch Verordnung richtet sich allenfalls an einen nur nach Gattungsmerkmalen bestimmten Adressatenkreis; es erfolgt dadurch eine verbindliche Festlegung relevanter Märkte für alle Marktteilnehmer, auch etwa für solche künftigen Teilnehmer, die zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung noch nicht existieren.

(…)

5. Auf die Behauptung eines Verstoßes gegen die Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie) war nicht näher einzugehen, da ein solcher vom Verfassungsgerichtshof überhaupt nur aufzugreifen wäre, wenn er offenkundig wäre (vgl. VfSlg. 14.886/1997). Dafür, dass ein offenkundiger Verstoß gegen das Recht der Europäischen Union vorliegt, besteht angesichts der Eröffnung eines Zugangs zu Gericht iSd Art 6 EMRK (oben 1.2.) kein Anhaltspunkt.

6. Angesichts dessen, dass in dem Verfahren zur Erlassung der angefochtenen Verordnung keine Verletzung von Art 6 EMRK zu erkennen ist, liegt auch keine Verletzung des Gebotes zur Gewährung eines Mindestmaßes an faktischer Effizienz des Rechtsschutzes vor. Im Übrigen genügt das Verfahren nach Art 139 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof diesem Gebot."

Die beschwerdeführende Partei hat gegen die hier angefochtenen Bescheide auch Beschwerden an Verfassungsgerichtshof gerichtet. Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung dieser Beschwerden mit Beschlüssen vom 9. März 2011, B 1594/09, B 1595/09 und B 1596/09, abgelehnt. In diesen Beschlüssen hält der Verfassungsgerichtshof fest, dass, soweit die Beschwerden insofern verfassungsrechtliche Fragen berühren, als die Rechtswidrigkeit der die angefochtenen Bescheide tragenden Rechtsvorschriften behauptet wird, ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sowie der vorliegenden Fälle die behaupteten Rechtsverletzungen, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen lasse, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg haben. Die RFMVO 2009 sei gemäß § 36 iVm § 120 Abs 1 Z 4 TKG 2003 von der zuständigen Behörde und im Übrigen unter Bedachtnahme auf die Empfehlung der Europäischen Kommission vom 17. Dezember 2007 ABl 2007 L 344, S 65ff, (Märkteempfehlung) erlassen worden.

3. Die beschwerdeführende Partei macht nicht geltend, dass die mit den angefochtenen Bescheiden verlangten Auskünfte für die von der KommAustria geführten Verfahren gemäß § 37 TKG 2003 nicht iSd § 90 Abs 1 TKG 2003 notwendig wären; die Beschwerden enthalten auch keine konkretisierten Einwendungen gegen bestimmte Auskünfte, die der beschwerdeführenden Partei aufgetragen wurden.

Die beschwerdeführende Partei rügt vielmehr pauschal eine Verletzung des Grundrechts auf Datenschutz, erachtet die RFMVO 2009 als "nicht richtlinienkonform" und gesetzwidrig und meint schließlich, in ihrem Recht auf Parteistellung im Zusammenhang mit der Erlassung der RFMVO 2009 verletzt zu sein.

Nach Ablehnung der gegen die auch hier angefochtenen Bescheide an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerden hat die beschwerdeführende Partei eine ergänzende Äußerung erstattet, in der sie ausführt, dass der Verfassungsgerichtshof die Übereinstimmung der Verordnung mit europäischem Recht überhaupt nicht geprüft habe und auch keine Feinprüfung dahingehend vorgenommen habe, ob die Verordnung "inhaltlich richtig" sei. Nach Art 4 der Rahmenrichtlinie (Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, ABl L 108 vom 24. April 2002, S 33) müsse ein Unternehmen, das durch eine Entscheidung der Regulierungsbehörde betroffen ist, dagegen ein wirksames Rechtsmittel erheben können. Die RFMVO 2009 sei für die angefochtenen Bescheide präjudiziell. Damit ein Rechtsmittel gegen die Bescheide wirksam sei, müsse es sich auch gegen jenen Teil der RFMVO 2009 richten können, der den Inhalt der angefochtenen Bescheide determiniere. Da der Verfassungsgerichtshof die RFMVO nur grob prüfe und die Verwaltungsbehörden gar keine Prüfung durchführten, müsse dies nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 22. Mai 2003, C-462/99 , Connect Austria) konsequenterweise zur Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes für die entsprechende Prüfung führen.

4. Soweit die beschwerdeführende Partei Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz geltend macht, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass gemäß Art 133 Z 1 B-VG die Angelegenheiten, die zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gehören, von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen sind.

Ausgehend von der Ablehnung der gegen die auch hier angefochtenen Bescheide an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerden hegt der Verwaltungsgerichtshof auch keine Bedenken gegen die Vereinbarkeit der für die angefochtenen Bescheide und die darin angeordnete Auskunftspflicht herangezogenen Rechtsvorschriften - insbesondere § 37 Abs 2 und § 90 Abs 1 Z 4 TKG 2003 - mit Art 8 EMRK oder, wenngleich von der beschwerdeführenden Partei nicht angesprochen, § 1 DSG 2000.

Dass die verlangten Informationen in den hier zu beurteilenden konkreten Fällen entgegen der - in Umsetzung des Artikel 5 Abs 1 Rahmenrichtlinie geschaffenen - gesetzlichen Vorgaben gemäß § 90 Abs 1 Z 4 TKG 2003 nicht in angemessenem Verhältnis zu den von der Behörde wahrzunehmenden Aufgaben stünden oder zur Führung der Marktanalyseverfahren nach § 37 TKG 2003 nicht erforderlich wären, hat die beschwerdeführende Partei nicht dargelegt. Schon aus diesem Grunde ist auch nicht zu erkennen, dass durch die in den angefochtenen Bescheiden konkret festgelegten Auskunftsverpflichtungen eine Verletzung des von der beschwerdeführenden Partei ausdrücklich auch als "Gemeinschaftsgrundrecht" angesprochenen Rechts auf Schutz der personenbezogenen Daten erfolgt wäre.

5. Das wesentliche Beschwerdevorbringen richtet sich gegen die in der RFMVO 2009 getroffenen Marktdefinitionen, die von der beschwerdeführenden Partei als "nicht richtlinienkonform" angesehen werden.

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die Festlegung der relevanten Märkte (unter anderem) durch die RFMVO 2009 gemäß § 36 Abs 2 TKG 2003 "unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen der Europäischen Gemeinschaften" zu erfolgen hatte. Nach dieser Bestimmung sind also insbesondere die Leitlinien der Kommission zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht, ABl C 165 vom 11. Juli 2002, die Märkteempfehlung und die Rahmenrichtlinie zu berücksichtigen (vgl die hg Erkenntnisse vom 17. Dezember 2008, Zl 2008/03/0116, und vom 28. Februar 2007, Zl 2004/03/0210). Eine im Sinne des Vorbringens der beschwerdeführenden Partei "nicht richtlinienkonforme" Festlegung der relevanten Märkte in der RFMVO 2009 würde diese Verordnung daher gesetzwidrig machen.

Die Prüfung der Gesetzwidrigkeit einer Verordnung obliegt - etwa aufgrund eines Individualantrages oder von Amts wegen, wenn er die Verordnung in einer anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte - gemäß Art 139 B-VG dem Verfassungsgerichtshof. Eine derartige Prüfung konnte der Verfassungsgerichtshof aufgrund der an ihn gerichteten Beschwerden der beschwerdeführenden Partei gegen die auch hier angefochtenen Bescheide vornehmen. In seinen die Beschwerden, in denen die auch in den Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof ausgeführten Normbedenken vorgebracht worden waren, ablehnenden - bereits oben zitierten - Beschlüssen hat der Verfassungsgerichtshof festgehalten, dass die RFMVO 2009 gemäß § 36 iVm § 120 Abs 1 Z 4 TKG 2003 von der zuständigen Behörde und im Übrigen unter Bedachtnahme auf die Empfehlung der Europäischen Kommission vom 17. Dezember 2007 ABl 2007 L 344, S 65ff, erlassen wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof ist davon geleitet, dass der Verfassungsgerichtshof seine Ablehnungsbeschlüsse erst nach intensivem Studium des Falles und nach entsprechend sorgfältigen Überlegungen fasst (vgl das hg Erkenntnis vom 24. Oktober 1988, Zl 88/10/0046).

Vor dem Hintergrund der Ablehnungsbeschlüsse sowie des bereits zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Februar 2011,V 62/10, sowie der in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegenüber den Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof nicht erweiterten Normbedenken sieht sich der Verwaltungsgerichtshof daher nicht veranlasst, einen Normprüfungsantrag hinsichtlich der RFMVO 2009 oder der ihr zugrundeliegenden Bestimmungen des TKG 2003 an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.

6. Die beschwerdeführende Partei rügt in ihren Beschwerden wie auch in der nach Ablehnung der Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof erstatteten ergänzenden Äußerung zusammengefasst weiters, dass ihr gegen die durch die RFMVO 2009 erfolgte Marktdefinition kein wirksames Rechtsmittel im Sinne des Art 4 der Rahmenrichtlinie zur Verfügung gestanden sei und dass der Verfassungsgerichtshof keine "Feinprüfung" der Verordnung vornehme.

Dem ist zunächst zu entgegnen, dass nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes allein die Festlegung eines relevanten Marktes in einer Verordnung nach § 36 TKG 2003 nicht unmittelbar in die Rechtssphäre der Marktteilnehmer eingreift; auch in gemeinschaftsrechtlich begründete Rechte wird allein durch die Marktdefinition nicht eingegriffen (vgl das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 2009, V 33/09).

Soweit aber durch eine Marktdefinitionsverordnung - etwa aufgrund des damit verbundenen Wegfalls spezifischer Verpflichtungen - in die Rechtssphäre der beschwerdeführenden Partei unmittelbar eingegriffen würde, ist auf das bereits zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Februar 2011, V 62/10, zu verweisen, wonach der Verfassungsgerichtshof für die Prüfung der Gesetzmäßigkeit von Verordnungen ein Gericht mit voller Kognitionsbefugnis iSv Art 6 EMRK ist, das in einem Verfahren nach Art 139 B-VG die Gesetzmäßigkeit der Verordnung in jeder Hinsicht prüfen und im Fall der Gesetzwidrigkeit (die in den hier maßgebenden Fällen auch bei mangelnder "Bedachtnahme auf die Bestimmungen der Europäischen Gemeinschaften" vorläge) auch die Verordnung aufheben kann.

Ausgehend von dieser Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist daher auch nicht zu erkennen, dass der beschwerdeführenden Partei gegen die RFMVO 2009, soweit damit in ihre Rechtssphäre unmittelbar eingegriffen würde, kein wirksames Rechtsmittel offen gestanden wäre; soweit aber der Eingriff erst mit den hier angefochtenen Bescheiden erfolgte, konnten die Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit im Rahmen der Bescheidbeschwerden an den Verfassungsgerichtshof herangetragen werden.

7. Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am 19. April 2012

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte