VfGH V62/10

VfGHV62/1024.2.2011

Keine Gesetzwidrigkeit von Bestimmungen der Telekommunikationsmärkteverordnung 2008 betreffend den Wegfall des Breitband-Vorleistungsmarktes für die Bereitstellung von Anschlüssen an Privatkunden und den damit verbundenen ex-lege-Wegfall von Verpflichtungen des (vormals) marktbeherrschenden Unternehmens; keine unzulässige Übertragung von Kompetenzen an die RTR-GmbH, kein Rechtsformenmissbrauch

Normen

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
TelekommunikationsG 2003 §36, §37
TelekommunikationsmärkteV 2008 §1 Z11, §3 Abs3, §4
Rahmenrichtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste Art4
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
TelekommunikationsG 2003 §36, §37
TelekommunikationsmärkteV 2008 §1 Z11, §3 Abs3, §4
Rahmenrichtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste Art4

 

Spruch:

I. Der Antrag auf Aufhebung des §4 der Verordnung der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH, mit der der sektorspezifischen Regulierung unterliegende relevante nationale Märkte für den Telekommunikationssektor festgelegt werden (Telekommunikationsmärkteverordnung 2008 - TKMV 2008), BGBl. II 505/2008 idF BGBl. II 468/2009, wird zurückgewiesen.

II. Der Eventualantrag auf Aufhebung des §1 Z11, des §3 Abs3 und des §4 der Verordnung der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH, mit der der sektorspezifischen Regulierung unterliegende relevante nationale Märkte für den Telekommunikationssektor festgelegt werden (Telekommunikationsmärkteverordnung 2008 - TKMV 2008), BGBl. II 505/2008 idF BGBl. II 468/2009, wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.

1. Die antragstellende Gesellschaft bietet als Telekommunikationsunternehmen auf dem Telekommunikationsmarkt breitbandigen Internetzugang sowohl für Privatkunden als auch für Nicht-Privatkunden an.

2. Mit Bescheid der Telekom-Control-Kommission (im Folgenden: TCK) vom 28. Februar 2006, Z M 1/05-59, wurden der T. AG auf Grundlage der Verordnung der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (im Folgenden: RTR-GmbH) vom 15. Oktober 2003, mit der die der sektorspezifischen ex-ante Regulierung unterliegenden relevanten nationalen Märkte für den Telekommunikationssektor festgelegt wurden (im Folgenden: TKMV 2003), u.a. folgende Verpflichtungen auferlegt:

die Gewährung von breitbandigem Bitstream-Zugang im Sinne des §41 Abs2 des Telekommunikationsgesetzes 2003 (im Folgenden: TKG 2003), die Verrechnung eines reduzierten Entgelts im Sinne des §42 TKG 2003, die Gewährung von breitbandigem Bitstream-Zugang unter gleichen Bedingungen im Sinne des §38 Abs1 und 2 TKG 2003 sowie die Stellung eines Standardangebots betreffend breitbandigen Bitstream-Zugang im Sinne des §38 Abs3 TKG 2003.

3. Seit In-Kraft-Treten der Novelle BGBl. II 468/2009 zur Verordnung der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH vom 23. Dezember 2008, mit der der sektorspezifischen Regulierung unterliegende relevante nationale Märkte für den Telekommunikationssektor festgelegt werden (im Folgenden: TKMV 2008), ist der Breitbandvorleistungsmarkt, bei dem die auf Vorleistungsebene erbrachten Vorleistungen auf der Endkundenebene an Privatkunden bereitgestellt werden, nicht mehr von der Regulierung umfasst.

4. Die antragstellende Gesellschaft begehrt mit ihrem auf Art139 B-VG gestützten Antrag, "der Verfassungsgerichtshof möge §4 TKMV 2008 idF BGBl II 468/2009 (Z3 der Verordnung BGBl II 468/2009); in eventu zusätzlich §1 Z11 TKMV 2008 idF BGBl II 468/2009 (Z1 der Verordnung BGBl II 468/2009) und §3 Abs3 TKMV 2008 idF BGBl II 468/2009 (Z2 der Verordnung BGBl II 468/2009) als verfassungswidrig aufheben".

4.1. Zur Antragslegitimation bringt die antragstellende Gesellschaft Folgendes vor:

Die antragstellende Gesellschaft biete als Telekommunikationsunternehmen breitbandigen Internetzugang sowohl für Privatkunden als auch für Nicht-Privatkunden an.

Auf Grundlage der TKMV 2003 idF BGBl. II 117/2005 seien der T. AG, die auf dem "Markt für den breitbandigen Zugang (Vorleistungsmarkt)" im Sinne des §1 Z17 leg. cit. über beträchtliche Marktmacht verfügt habe, mittels Bescheid spezifische Verpflichtungen auferlegt worden. Dadurch seien auf Seiten der übrigen Marktteilnehmer, wie auch der antragstellenden Gesellschaft, Rechte gegenüber der T. AG gewährt worden. Nach In-Kraft-Treten der Novellierung zur TKMV 2008 durch BGBl. II 468/2009 sei nunmehr der Breitbandvorleistungsmarkt, bei dem die auf Vorleistungsebene erbrachten Vorleistungen auf der Endkundenebene an Privatkunden bereitgestellt werden, nicht mehr von der Regulierung erfasst. Auf Grund der Bestimmung des §37 Abs2 letzter Satz TKG 2003 idF BGBl. I 65/2009, die vorsehe, dass bei Wegfall eines durch Verordnung festgelegten Marktes gemäß §36 Abs1 TKG 2003 auch die für diesen Markt auferlegten spezifischen Verpflichtungen entfallen, seien damit die den Marktteilnehmern mit Bescheid gegenüber der T. AG eingeräumten Rechte automatisch weggefallen.

Die angefochtene Verordnung greife aktuell und unmittelbar in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft ein: Die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft werde wesentlich durch diejenigen Rechte bestimmt, die sich aus den der T. AG mittels Bescheid auferlegten Verpflichtungen auf dem Breitbandvorleistungsmarkt ergeben; durch die angefochtene Verordnung in Verbindung mit §37 Abs2 letzter Satz TKG 2003 idF BGBl. I 65/2009 seien diese Verpflichtungen der T. AG und die damit korrespondierenden Rechte der antragstellenden Gesellschaft weggefallen. Für die antragstellende Gesellschaft gebe es - im Unterschied zu marktbeherrschenden Unternehmen, hinsichtlich derer nach dem Marktdefinitionsverfahren noch ein Marktanalyseverfahren geführt werde - kein weiteres Verfahren mehr. Der antragstellenden Gesellschaft stünde somit - mangels Erlassung eines Bescheides - kein zumutbarer "Umweg" offen, ihre Bedenken gegen die angefochtene Verordnung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

Zu dem im Eventualantrag begehrten Anfechtungsumfang bringt die antragstellende Gesellschaft vor, die angefochtenen Bestimmungen stünden in einem untrennbaren Zusammenhang und allein diese Abgrenzung würde gewährleisten, dass durch eine allfällige Aufhebung die belastenden Rechtswirkungen entfallen würden.

4.2. Die antragstellende Gesellschaft behauptet einen Verstoß gegen Art6 EMRK durch die angefochtene Verordnung sowie in verschiedener Hinsicht die Verfassungswidrigkeit des §36 Abs1 iVm §37 Abs2 TKG 2003 und des §36 Abs3 TKG 2003. Der Sache nach richten sich die Bedenken allesamt gegen die gesetzlichen Grundlagen der Erlassung der angefochtenen Verordnung:

4.2.1. Die gesetzliche Grundlage der Verordnung sei deshalb verfassungswidrig, weil sie die Verordnungserlassung durch die RTR-GmbH, welche nicht die Kriterien eines Tribunals iSd Art6 EMRK erfülle, vorsehe und der antragstellenden Gesellschaft im Verfahren zur Verordnungserlassung keine Parteirechte zugestehe.

4.2.2. Ferner sei §37 Abs2 letzter Satz iVm §36 TKG 2003, BGBl. I 70/2003 idF BGBl. I 65/2009, verfassungswidrig, da dieser einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung die Befugnis einräume, durch Verordnung in Rechte Einzelner einzugreifen. §37 Abs2 letzter Satz leg. cit. sei sachlich nicht gerechtfertigt und widerspreche überdies dem für die Übertragung hoheitlicher Aufgaben auf ausgegliederte Rechtsträger geforderten Effizienzgebot; dies zeige sich insbesondere im Hinblick auf die Rechtslage vor der Novellierung des TKG 2003 durch BGBl. I 65/2009, nach der der Entfall von Verpflichtungen durch Bescheid auszusprechen war. Durch die Novellierung würden Marktdefinitionsverordnungen nunmehr weitere rechtliche Wirkungen zukommen als bisher, damit seien die Grenzen der verfassungsrechtlich zulässigen Übertragung von hoheitlichen Aufgaben auf ausgegliederte Rechtsträger überschritten.

4.2.3. Zudem liege ein Verstoß gegen das Verbot des Rechtsformenmissbrauchs vor, da der Adressatenkreis der angefochtenen Verordnung bestimmt bzw. zumindest bestimmbar sei und die Voraussetzungen für die Rechtsform der Verordnung somit nicht vorlägen. In diesem Zusammenhang macht die antragstellende Gesellschaft auch geltend, dass die Möglichkeit der Stellung eines Individualantrages an den Verfassungsgerichtshof nicht dem in Art4 der Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie), ABl. 2002 L 108, S 40, geforderten effektiven Rechtsschutz entspreche.

5. Die RTR-GmbH legte fristgerecht die Verordnungsakten vor und erstattete eine Äußerung, in der sie zunächst das System der Wettbewerbsregulierung nach dem 5. Abschnitt des TKG 2003, innerhalb dessen die von der antragstellenden Gesellschaft bekämpfte Verordnung erlassen worden ist, erläutert und in der Folge den geäußerten Bedenken entgegentritt:

5.1. Nach Ansicht der RTR-GmbH sei die antragstellende Gesellschaft nicht zur Stellung eines Individualantrages nach Art139 B-VG legitimiert: Die antragstellende Gesellschaft habe es verabsäumt, in ihrem Antrag schlüssig darzulegen, inwieweit sie durch die Novelle des TKG 2003, BGBl. I 65/2009, unmittelbar und aktuell betroffen sei. In die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft könne im gegenständlichen Fall lediglich das mögliche rechtsgeschäftliche Handeln der T. AG nach dem ex-lege-Wegfall der ihr mittels Bescheid auferlegten spezifischen Verpflichtungen eingreifen. Der antragstellenden Gesellschaft stünde für den Fall, dass die T. AG ihre auf dem Bescheid beruhende Vereinbarung mit der antragstellenden Gesellschaft kündige, einerseits der Weg zu den ordentlichen Gerichten und andererseits die Möglichkeit offen, ihre Ansprüche in einem Verfahren nach den §§48, 50 TKG 2003 vor der TCK geltend zu machen. Ihre Bedenken gegen die angefochtene Verordnung könnten sodann - würden sie vom Gericht bzw. der TCK als zutreffend erachtet - zur Einleitung eines Verordnungsprüfungsverfahrens führen. Somit stehe der antragstellenden Gesellschaft jedenfalls ein zumutbarer "Umweg", ihre Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, zur Verfügung.

5.2. In der Sache tritt die RTR-GmbH dem Antragsvorbringen wie folgt entgegen:

Die im TKG 2003 für Regulierungsbehörden bestehenden Verordnungsermächtigungen seien der RTR-GmbH, und damit einer der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie gegenüber weisungsgebundenen Einrichtung, eingeräumt. Ferner liege kein Eingriff in "civil rights" der antragstellenden Gesellschaft vor, weshalb kein Verstoß gegen Art6 EMRK angenommen werden könne.

Soweit die antragstellende Gesellschaft ihr Vorbringen auf Art4 der Rahmenrichtlinie stütze, sei dem zu entgegnen, dass die rechtmäßige Auslegung des Begriffs der "Betroffenheit" in Art4 der Rahmenrichtlinie die Einräumung von Parteirechten nur im Verfahren nach §37 TKG 2003 erfordere.

6. Über Ersuchen des Verfassungsgerichtshofes nahm das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst zu den im Antrag vorgebrachten Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der §§36, 37 TKG 2003 idF BGBl. I 65/2009 wie folgt Stellung:

6.1. Soweit die antragstellende Gesellschaft ihr Vorbringen darauf stütze, dass durch die Neuregelung in §37 Abs2 letzter Satz TKG 2003 idF BGBl. I 65/2009 im Ergebnis die RTR-GmbH - somit eine Behörde, die kein Tribunal im Sinne von Art6 EMRK sei - über "civil rights" entscheide, sei dem zu entgegnen, dass die antragstellende Gesellschaft keinen Rechtsanspruch auf (Nicht-)Festlegung bestimmter Märkte als der sektorspezifischen Regulierung unterliegend habe. Ein Recht könne der antragstellenden Gesellschaft allenfalls hinsichtlich der von der Regulierungsbehörde einem marktbeherrschenden Unternehmen im Marktanalyseverfahren nach §37 TKG 2003 auferlegten Verpflichtungen zukommen. Sollte in diesem Fall eine Vereinbarung über bestehende Verpflichtungen trotz Verhandlungen binnen einer bestimmten Frist nicht zustande kommen, stehe es der antragstellenden Gesellschaft frei, gemäß §50 Abs1 TKG 2003 die Regulierungsbehörde - im konkreten Fall die TCK, die wiederum ein Tribunal im Sinne von Art6 EMRK sei - anzurufen. Ferner werde im Fall der Einigung zwischen den betroffenen Unternehmen eine Vereinbarung abgeschlossen, die nach der Kündigung durch einen der Vertragspartner zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens gemacht werden könne; beruhe die Kündigung auf dem Entfall von Verpflichtungen auf Grund einer geänderten Verordnung nach §36 Abs1 TKG 2003 und werde die Gesetzmäßigkeit dieser Verordnung in Zweifel gezogen, könnten diese Bedenken im gerichtlichen Verfahren vorgebracht werden. Aus diesem Grund sei die Erlassung der angefochtenen Verordnung durch die RTR-GmbH, die kein Tribunal im Sinne von Art6 EMRK sei, aus verfassungsrechtlicher Sicht unbedenklich.

6.2. Soweit die antragstellende Gesellschaft die Verfassungswidrigkeit von §37 Abs2 letzter Satz TKG 2003 idF BGBl. I 65/2009 behaupte, verkenne sie nach Ansicht des Bundeskanzleramts-Verfassungsdienstes die Rechtslage: Durch die Novellierung sei diese nicht geändert, sondern lediglich klargestellt worden.

6.3. Dem Vorbringen des Verstoßes gegen das Verbot des Rechtsformenmissbrauchs sei zu entgegnen, dass bei der Festlegung der der sektorspezifischen Regulierung unterliegenden Märkte gerade nicht auf einen bestimmten Adressatenkreis abzustellen sei: Die Frage, ob ein Markt im Sinne des TKG 2003 bestehe oder nicht, solle vielmehr für alle Teilnehmer dieses Marktes verbindlich festgelegt werden.

II.

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes, mit dem ein Telekommunikationsgesetz erlassen wird (Telekommunikationsgesetz 2003 - TKG 2003), BGBl. I 70/2003 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I 65/2009, lauten wie folgt:

"Marktdefinitionsverfahren

§36. (1) Die Regulierungsbehörde hat durch Verordnung die der sektorspezifischen Regulierung unterliegenden relevanten Märkte entsprechend den nationalen Gegebenheiten und im Einklang mit den Grundsätzen des allgemeinen Wettbewerbsrechts unter Berücksichtigung allfälliger geographischer Besonderheiten in Bezug auf die Wettbewerbssituation sowie der Erfordernisse sektorspezifischer Regulierung festzulegen. Diese Verordnung ist regelmäßig, längstens aber in einem Abstand von zwei Jahren, zu überprüfen.

(2) Die Festlegung der relevanten Märkte durch die Regulierungsbehörde hat unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen der Europäischen Gemeinschaften zu erfolgen.

(3) Beabsichtigt die Regulierungsbehörde sachliche oder räumliche Märkte festzulegen, die von denen in der Empfehlung der Europäischen Kommission abweichen, hat sie die in den §§128 und 129 vorgesehenen Verfahren anzuwenden.

Marktanalyseverfahren

§37. (1) Die Regulierungsbehörde führt von Amts wegen unter Berücksichtigung der Bestimmungen der Europäischen Gemeinschaften in regelmäßigen Abständen, längstens aber in einem Abstand von zwei Jahren, eine Analyse der durch die Verordnung gemäß §36 Abs1 festgelegten relevanten Märkte durch. Ziel dieses Verfahrens ist nach der Feststellung, ob auf dem jeweils relevanten Markt ein oder mehrere Unternehmen über beträchtliche Marktmacht verfügen oder aber effektiver Wettbewerb gegeben ist, die Aufhebung, Beibehaltung, Änderung oder Auferlegung von spezifischen Verpflichtungen.

(2) Gelangt die Regulierungsbehörde in diesem Verfahren zur Feststellung, dass auf dem relevanten Markt ein oder mehrere Unternehmen über beträchtliche Marktmacht verfügen und somit kein effektiver Wettbewerb besteht, hat sie diesem oder diesen Unternehmen geeignete spezifische Verpflichtungen nach §§38 bis 46 oder nach §47 Abs1 aufzuerlegen, wobei dem allfälligen Wettbewerb zwischen den unterschiedlichen Märkten im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgebotes bei der Wahl und Ausgestaltung der Verpflichtungen angemessen Rechnung zu tragen ist. Bereits bestehende spezifische Verpflichtungen für Unternehmen werden, sofern sie den relevanten Markt betreffen, von der Regulierungsbehörde nach Maßgabe der Ergebnisse des Verfahrens unter Berücksichtigung der Regulierungsziele geändert oder neuerlich auferlegt. Bei Wegfall eines durch Verordnung festgelegten Marktes gemäß §36 Abs1 entfallen auch die für diesen Markt auferlegten spezifischen Verpflichtungen.

(3) Stellt die Regulierungsbehörde auf Grund des Verfahrens fest, dass auf dem relevanten Markt effektiver Wettbewerb besteht und somit kein Unternehmen über beträchtliche Marktmarkt verfügt, darf sie - mit Ausnahme von §47 Abs2 - keine Verpflichtungen gemäß Abs2 auferlegen; diesfalls wird das Verfahren hinsichtlich dieses Marktes durch Beschluss der Regulierungsbehörde formlos eingestellt und dieser Beschluss veröffentlicht. Soweit für Unternehmen noch spezifische Verpflichtungen auf diesem Markt bestehen, werden diese mit Bescheid aufgehoben. In diesem Bescheid ist auch eine angemessene, sechs Monate nicht übersteigende Frist festzusetzen, die den Wirksamkeitsbeginn der Aufhebung festlegt.

(4) - (7) ...

Anrufung der Regulierungsbehörde

§50. (1) Kommt zwischen einem Betreiber eines öffentlichen Kommunikationsnetzes oder -dienstes, dem von der Regulierungsbehörde spezifische Verpflichtungen nach §§38, 41, 44 Abs1 und 2, 47 oder 46 Abs2 auferlegt worden sind oder der nach §23 Abs2, §48 oder §49 Abs3 verpflichtet ist, und einem anderen Betreiber eines öffentlichen Kommunikationsnetzes oder -dienstes eine Vereinbarung über die nach §§23 Abs2, 38, 41, 44 Abs1 und 2, 46 Abs2, 47, 48 oder §49 Abs3 bestehenden Verpflichtungen trotz Verhandlungen binnen einer Frist von sechs Wochen ab dem Einlangen der Nachfrage nicht zustande, kann jeder der Beteiligten die Regulierungsbehörde anrufen.

(2) In begründeten Fällen kann die Regulierungsbehörde auch von Amts wegen ein Verfahren einleiten.

Konsultationsverfahren

§128. (1) Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie sowie die Regulierungsbehörde gewähren interessierten Personen innerhalb einer angemessenen Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zum Entwurf von Vollziehungshandlungen gemäß diesem Bundesgesetz, die beträchtliche Auswirkungen auf den betreffenden Markt haben werden. Davon ausgenommen sind Maßnahmen gemäß §§91 Abs4, 122 und 130. Die Konsultationsverfahren sowie deren Ergebnisse werden von der jeweiligen Behörde der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, soweit §125 nicht anderes bestimmt.

(2) Allfällige verfahrensrechtliche Fristen sind während der für die Stellungsnahme gewährten Frist gehemmt.

(3) Betrifft der Entwurf eine individuelle Vollziehungsmaßnahme, die auf Antrag einer Partei in Aussicht genommen ist, ist während der für die Stellungsnahme gewährten Frist ausschließlich eine Zurückziehung des Antrages zulässig. In diesem Fall ist das Verfahren einzustellen und der diesbezügliche Beschluss zu veröffentlichen.

(4) Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie sowie die Regulierungsbehörde gewähren interessierten Personen innerhalb einer angemessenen Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu Fragen betreffend Endnutzer- oder Verbraucherrechte in Zusammenhang mit öffentlichen Kommunikationsdiensten. Sie berücksichtigen diese Stellungnahmen soweit dies angemessen ist, insbesondere wenn beträchtliche Auswirkungen auf den Markt zu erwarten sind.

Koordinationsverfahren

§129. (1) Betrifft der Entwurf einer Vollziehungshandlung gemäß §128, die Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten haben wird,

1. die Marktdefinition (§36),

2. eine Marktanalyse (§37),

3. die Zusammenschaltung oder

4. Verpflichtungen, die gemäß §§38 bis 42 auferlegt werden, ist der Entwurf gleichzeitig mit einer Begründung der Europäischen Kommission sowie den nationalen Regulierungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen und die Europäische Kommission sowie die nationalen Regulierungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft davon zu unterrichten.

(2) Die Europäische Kommission sowie die nationalen Regulierungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft können binnen einem Monat zu dem betreffenden Entwurf Stellung nehmen. Diesen Stellungnahmen ist weitestgehend Rechnung zu tragen. Außer in Fällen des Abs3 kann die sich daraus ergebende Vollziehungshandlung in Kraft gesetzt werden. Sie ist der Europäischen Kommission zu übermitteln.

(3) Die Vollziehungshandlung ist um weitere zwei Monate aufzuschieben, wenn

1. sie sich auf Entscheidungen gemäß §§36 Abs3 oder 37 Abs1 bezieht und

2. sie Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten haben wird und

3. die Europäische Kommission mitgeteilt hat, sie sei der Auffassung, die Vollziehungshandlung schaffe ein Hemmnis für den Binnenmarkt oder dass ernsthafte Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere mit den in §1 genannten Zielen, bestünden. Falls die Europäische Kommission unter Angabe objektiver und detaillierter Gründe zur Zurückziehung des Entwurfes auffordert, ist das Normerzeugungsverfahren einzustellen. Verfahrensrechtliche Fristen bleiben während der Durchführung des Verfahrens nach diesem Absatz gehemmt.

(4) Vollziehungshandlungen gemäß Abs1 können ohne Durchführung der Verfahren gemäß Abs1 und 3 für die Dauer von höchstens drei Monaten erlassen werden, sofern die sofortige Vollziehungshandlung bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände erforderlich ist, um den Wettbewerb zu gewährleisten und die Nutzerinteressen zu schützen. Die Europäische Kommission sowie die nationalen Regulierungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft sind unverzüglich unter Anschluss einer vollständigen Begründung zu unterrichten. Vor einer Verlängerung der Geltungsdauer der Vollziehungsmaßnahme sind die Verfahren gemäß Abs1 und 3 durchzuführen.

(5) Aus Zweckmäßigkeitsgründen kann ein normsetzendes Organ die Veröffentlichung des Entwurfes sowie die Veröffentlichung der einlangenden Äußerungen durch die Regulierungsbehörde besorgen lassen.

(6) Die Regulierungsbehörde hat ein Verzeichnis über die anhängigen Verfahren nach Abs1 bis 4 zu führen und dieses zu veröffentlichen."

2. Die Verordnung der RTR-GmbH, mit der der sektorspezifischen Regulierung unterliegende relevante nationale Märkte für den Telekommunikationssektor festgelegt werden (Telekommunikationsmärkteverordnung 2008 - TKMV 2008), BGBl. II 505/2008 idF BGBl. II 468/2009, lautet (die angefochtenen Verordnungsstellen sind hervorgehoben):

"Auf Grund des §36 Abs1 und 2 des Telekommunikationsgesetzes 2003 (TKG 2003), BGBl. I Nr. 70/2003 idF BGBl. I Nr. 133/2005, wird verordnet:

§1. Folgende Märkte werden als sachlich relevant festgelegt:

1. Zugangsleistungen für Privatkunden zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten (Endkundenmarkt);

2. Zugangsleistungen für Nichtprivatkunden zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten (Endkundenmarkt);

3. Physischer Zugang zu Netzinfrastrukturen (Vorleistungsmarkt);

4. Verbindungsaufbau im öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten (Vorleistungsmarkt);

5. Anrufzustellung in einzelnen öffentlichen Telefonnetzen an festen Standorten (Vorleistungsmarkt);

6. Endkundenmietleitungen bis einschließlich 2,048 Mbit/s (Endkundenmarkt);

7. Terminierende Segmente von Mietleitungen mit niedrigen Bandbreiten bis einschließlich 2,048 Mbit/s (Vorleistungsmarkt);

8. Terminierende Segmente von Mietleitungen mit hohen Bandbreiten größer 2,048 Mbit/s bis einschließlich 155,52 Mbit/s (Vorleistungsmarkt);

9. Terminierung in individuellen öffentlichen Mobiltelefonnetzen (Vorleistungsmarkt);

10. Gespräche für Nichtprivatkunden über das öffentliche Telefonnetz an festen Standorten (Endkundenmarkt);

11. Breitbandvorleistungsmarkt für die Bereitstellung von Anschlüssen an Nichtprivatkunden.

§2. (1) Räumlich relevantes Ausdehnungsgebiet der in §1 angeführten sachlich relevanten Märkte ist mit Ausnahme des Marktes gemäß §1 Z8 das gesamte Bundesgebiet.

(2) Der Markt gemäß §1 Z8 umfasst alle marktgegenständlichen (Teil-)Produkte mit Ausnahme solcher, deren beide Enden innerhalb derselben der folgenden Gemeinden liegen: Bregenz, Dornbirn, Feldkirch, Graz, Hallein, Innsbruck, Klagenfurt, Linz, Salzburg, Steyr, Wels und Wien.

§3. (1) Diese Verordnung tritt mit 30. Dezember 2008 in Kraft.

(2) §1 Z10 in der Fassung BGBl. II Nr. 93/2009 tritt mit 2. April 2009 in Kraft.

(3) §1 Z11 in der Fassung BGBl. II Nr. 468/2009 tritt mit 1. Februar 2010 in Kraft.

§4. Die Telekommunikationsmärkteverordnung 2003, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 93/2009, tritt mit Ablauf des 31. Jänner 2010 außer Kraft."

3. Art4 der Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie), ABl. 2002 L 108, S 40, idF der Richtlinie 2009/140/EG zur Änderung der Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, der Richtlinie 2002/19/EG über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung und der Richtlinie 2002/20/EG über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste, ABl. 2009/140/EG, lautet:

"Rechtsbehelf

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass es auf nationaler Ebene wirksame Verfahren gibt, nach denen jeder Nutzer oder Anbieter elektronischer Kommunikationsnetze und/oder -dienste, der von einer Entscheidung einer nationalen Regulierungsbehörde betroffen ist, bei einer von den beteiligten Parteien unabhängigen Beschwerdestelle einen Rechtsbehelf gegen diese Entscheidung einlegen kann. Diese Stelle, die auch ein Gericht sein kann, muss über angemessenen Sachverstand verfügen, um ihrer Aufgabe wirksam gerecht zu werden. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass den Umständen des Falles angemessen Rechnung getragen wird und wirksame Einspruchsmöglichkeiten gegeben sind.

Bis zum Abschluss eines Beschwerdeverfahrens bleibt die Entscheidung der nationalen Regulierungsbehörde wirksam, sofern nicht nach Maßgabe des nationalen Rechts einstweilige Maßnahmen erlassen werden.

(2) Hat die Beschwerdestelle nach Absatz 1 keinen gerichtlichen Charakter, so sind ihre Entscheidungen stets schriftlich zu begründen. Ferner können diese Entscheidungen in diesem Fall von einem Gericht eines Mitgliedstaates nach Artikel 234 des Vertrags überprüft werden.

(3) Die Mitgliedstaaten sammeln Informationen im Zusammenhang mit dem allgemeinen Inhalt der eingelegten Rechtsbehelfe, deren Anzahl, der Dauer der Beschwerdeverfahren und der Anzahl der Entscheidungen über den Erlass einstweiliger Maßnahmen. Die Mitgliedstaaten stellen diese Informationen der Kommission und dem GEREK jeweils auf deren begründetes Ersuchen zur Verfügung."

III.

1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 15.527/1999, 16.425/2002 und 16.426/2002).

2. Wie die antragstellende Gesellschaft in ihrem Eventualantrag zutreffend ausführt, stehen die angefochtenen Bestimmungen der TKMV 2008 in einem untrennbaren Zusammenhang, weshalb der Hauptantrag, der sich ausschließlich gegen §4 der angefochtenen Verordnung richtet, als zu eng gefasst zurückzuweisen ist (vgl. zB VfSlg. 17.594/2005, 17.655/2005).

3. Der Eventualantrag auf Aufhebung des §1 Z11, des §3 Abs3 und des §4 der angefochtenen Verordnung ist zulässig: Mit Bescheid der TCK, Z M 1/05-59, wurden der T. AG auf dem gemäß §1 Z17 TKMV 2003 als der sektorspezifischen Regulierung unterliegenden "Markt für den breitbandigen Zugang (Vorleistungsmarkt)" spezifische Verpflichtungen auferlegt (siehe Pkt. I.2.). Diese Verpflichtungen der T. AG begründeten seitens der übrigen Marktteilnehmer, wie etwa der antragstellenden Gesellschaft, Rechte. Seit In-Kraft-Treten der Novelle zur TKMV 2008, BGBl. II 468/2009, ist der Breitbandvorleistungsmarkt, bei dem die auf Vorleistungsebene erbrachten Vorleistungen auf der Endkundenebene an Privatkunden bereitgestellt werden, nicht mehr von der Regulierung erfasst und sind die der T. AG auf diesem Markt mittels Bescheid auferlegten Verpflichtungen, und damit auch die dadurch begründeten Rechte der antragstellenden Gesellschaft gegenüber der T. AG, gemäß §37 Abs2 letzter Satz TKG 2003 entfallen. Die angefochtene Verordnung greift daher unmittelbar und aktuell in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft ein. Der antragstellenden Gesellschaft steht auch kein zumutbarer Weg offen, ihre Bedenken gegen die angefochtene Verordnung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

IV.

Gegen die gesetzlichen Grundlagen zur Erlassung der TKMV 2008 bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken:

1. Nach Art6 EMRK hat jedermann Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Tribunal gehört wird, das über seine zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen zu entscheiden hat.

1.1. Art6 EMRK ist nicht nur auf Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche ieS anwendbar, sondern auch auf Verwaltungsverfahren, die Auswirkungen auf zivilrechtliche Rechtspositionen haben (vgl. VfSlg. 11.500/1987). Diese Auswirkungen können in solchen Fällen nicht nur von Bescheiden, sondern unter spezifischen Voraussetzungen im Einzelfall (wenn etwa "civil rights" unmittelbar durch Verordnungen berührt sind) auch unmittelbar von generell-abstrakten Verwaltungsakten wie Verordnungen ausgehen (vgl. EGMR 27.11.1991, Fall Oerlemans, Appl. 12.565/86).

1.2. Entgegen dem Vorbringen der antragstellenden Gesellschaft wird - selbst unter der Annahme, dass durch den Wegfall einer Telekommunikationsmärkteverordnung "civil rights" der antragstellenden Gesellschaft berührt sind - das Recht auf Zugang zu einem unabhängigen Gericht nicht verletzt. Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist Art6 EMRK auch dann Genüge getan, wenn zunächst eine Instanz entscheidet, die nicht die Anforderungen an ein Gericht erfüllt, wenn deren Entscheidung der Überprüfung durch ein Gericht iSd Art6 EMRK unterliegt, das über eine volle Kognitionsbefugnis in Rechts- und Sachverhaltsfragen verfügt (VfSlg. 11.500/1987; EGMR 21.9.1993, Fall Zumtobel, Appl. 12.235/86, Z27 ff.). Art139 B-VG sieht die Überprüfung der Gesetzwidrigkeit von Verordnungen unter anderem auf Antrag einer Person vor, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. In der vom Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vorgenommenen Auslegung dieser Bestimmung eröffnet diese einen Zugang zu Gericht auch in jenen Fällen, in denen eine Verordnung eine Person unmittelbar in "civil rights" berührt.

Zwar ist die verordnungserlassende Behörde RTR-GmbH selbst kein Gericht iSv Art6 EMRK. Die von ihr erlassenen Verordnungen können jedoch vor dem Verfassungsgerichtshof, der jedenfalls in Verfahren nach Art139 B-VG ein Gericht mit voller Kognitionsbefugnis iSv Art6 EMRK ist, bekämpft werden: Dem Unternehmen, dem Verpflichtungen gemäß §37 Abs2 TKG 2003 auferlegt wurden und den anderen am Markt befindlichen Unternehmen, wie in diesem Verfahren der antragstellenden Gesellschaft, steht in solchen Fällen der Weg eines Individualantrags nach Art139 B-VG offen, mit dem sie sich gegen die Erlassung bzw. die Aufhebung einer Verordnung nach §36 Abs1 TKG 2003 und damit auch gegen den ex-lege-Wegfall der Verpflichtungen nach §37 Abs2 TKG 2003 wenden können. Der Verfassungsgerichtshof kann die Gesetzmäßigkeit der Verordnung und damit auch des Wegfalls der Verpflichtungen des (vormals) marktbeherrschenden Unternehmens in jeder Hinsicht prüfen und im Fall der Gesetzwidrigkeit die Verordnung aufheben.

2. Entgegen der Behauptung der antragstellenden Gesellschaft erfolgt durch §37 Abs2 TKG 2003 idF BGBl. I 65/2009 auch keine unzulässige Übertragung hoheitlicher Befugnisse an die RTR-GmbH: Im Hinblick auf die zahlreichen Bestimmungen im TKG 2003, die die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie zur Erlassung von Verordnungen ermächtigen (vgl. etwa §§16 Abs3, 17 Abs2, 23 Abs3 u. a.), bestehen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 14.473/1996) gegen die - bloß vereinzelt vorgenommene - Übertragung von hoheitlichen Befugnissen, wie etwa auch die zur Erlassung der TKMV, keine Bedenken.

3. Ebenso wenig ist dem Vorbringen der antragstellenden Gesellschaft, die Bestimmungen der §§36 und 37 TKG 2003 würden gegen das im Antrag so genannte "Verbot des Rechtsformenmissbrauchs" verstoßen, zu folgen: Die Festlegung der der sektorspezifischen Regulierung unterliegenden Märkte durch Verordnung richtet sich allenfalls an einen nur nach Gattungsmerkmalen bestimmten Adressatenkreis; es erfolgt dadurch eine verbindliche Festlegung relevanter Märkte für alle Marktteilnehmer, auch etwa für solche künftigen Teilnehmer, die zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung noch nicht existieren.

4. Auf die von der antragstellenden Gesellschaft behauptete Verfassungswidrigkeit des §36 Abs3 TKG 2003 ist mangels Darlegung konkreter Bedenken nicht einzugehen.

5. Auf die Behauptung eines Verstoßes gegen die Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie) war nicht näher einzugehen, da ein solcher vom Verfassungsgerichtshof überhaupt nur aufzugreifen wäre, wenn er offenkundig wäre (vgl. VfSlg. 14.886/1997). Dafür, dass ein offenkundiger Verstoß gegen das Recht der Europäischen Union vorliegt, besteht angesichts der Eröffnung eines Zugangs zu Gericht iSd Art6 EMRK (oben 1.2.) kein Anhaltspunkt.

6. Angesichts dessen, dass in dem Verfahren zur Erlassung der angefochtenen Verordnung keine Verletzung von Art6 EMRK zu erkennen ist, liegt auch keine Verletzung des Gebotes zur Gewährung eines Mindestmaßes an faktischer Effizienz des Rechtsschutzes vor. Im Übrigen genügt das Verfahren nach Art139 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof diesem Gebot.

V.

1. Die Bedenken der antragstellenden Gesellschaft treffen daher insgesamt nicht zu, weshalb der Eventualantrag als unbegründet abzuweisen ist.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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