Normen
MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3 Z8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §21 Abs3 idF 2009/I/029;
MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3 Z8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §21 Abs3 idF 2009/I/029;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.106,40 (insgesamt von EUR 3.319,20) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Erstbeschwerdeführer ist der Vater des mj. Zweitbeschwerdeführers und der mj. Drittbeschwerdeführerin, alle sind serbische Staatsangehörige.
Mit den angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden wies die belangte Behörde die am 15. März 2007 gestellten Anträge der Beschwerdeführer auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels als Familienangehörige der E.O., der Ehefrau des Erstbeschwerdeführers bzw. Mutter der zweit- und drittbeschwerdeführenden Parteien und ebenfalls serbische Staatsangehörige, gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Dies begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführer im Jahr 2000 mit einem Visum der Kategorie C, gültig von 1. August 2000 bis 30. August 2000, nach Österreich zu E.O. gereist seien, die über einen "Niederlassungsnachweis" verfüge. Nach Ablauf der Visa seien die Beschwerdeführer durchgehend im Bundesgebiet verblieben. Der Erstbeschwerdeführer sei seit 2. August 2000, die Kinder seit 14. Juni 2000 an der Wohnsitzadresse der E.O.
hauptwohnsitzgemeldet. Die am 2. Oktober 2000 durch den damaligen Rechtsvertreter der Beschwerdeführer via Österreichische Botschaft Budapest gestellten Anträge auf erstmalige Erteilung von Aufenthaltstiteln zwecks Familienzusammenführung mit E.O. seien im Instanzenzug mit Bescheiden der belangten Behörde vom 30. September 2005 abgewiesen und darin sei festgestellt worden, dass den Beschwerdeführern der Zuzug nach Österreich unter Einhaltung der üblichen gesetzlichen Bestimmungen zugemutet werden könne. Trotzdem seien die Beschwerdeführer in Österreich verblieben und hätten mit 15. März 2007 die gegenständlichen Anträge gestellt.
Gemäß § 21 Abs. 1 NAG hätten sie ihre Anträge bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einbringen und die Entscheidungen im Ausland abwarten müssen. Ein weiteres Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse, auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK, sei im Fall der Heranziehung von § 21 Abs. 1 NAG entbehrlich. Allerdings könne gemäß § 21 Abs. 3 NAG die Antragstellung im Inland unter anderem dann zugelassen werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten sei. Nach Rechtsbelehrung durch die belangte Behörde hätten die Beschwerdeführer Anträge auf Inlandsantragsstellung gemäß § 21 Abs. 3 NAG eingebracht und darin angegeben, dass E.O. an starkem Übergewicht aufgrund einer Stoffwechselerkrankung leide und dieser Umstand wieder zu Diabetes mellitus Typ 2 führe. E.O. würde es durch ihre Krankheit besonders schwer fallen, die alltäglichen Pflichten selbst zu verrichten und sie sei teilweise auf die Hilfe des Erstbeschwerdeführers angewiesen. Die Anwesenheit der Kinder würde E.O. helfen, diese schwere Phase ohne psychische Probleme zu überstehen. Er, der Erstbeschwerdeführer, hätte mit den Kindern in Serbien alles aufgegeben; ihr Lebensmittelpunkt befände sich in Österreich. E.O. bezöge Sozialhilfe und Pflegegeld der Stufe 3. Er, der Erstbeschwerdeführer, würde auch zum Familieneinkommen beitragen wollen, um die Situation für alle wieder zu erleichtern. Die Kinder wären schon in Österreich integriert und hätten sich hier ihren Freundeskreis aufgebaut.
Die belangte Behörde gestand den Beschwerdeführern zwar zu, dass private und familiäre Interessen durch den Aufenthalt der E.O. bestünden, allerdings genieße das Familienleben eines Fremden nur dann einen erhöhten Schutz, wenn die familiären Beziehungen zu einem Zeitpunkt begründet worden seien, als der Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen gewesen sei, und er mit der Erteilung weiterer Bewilligungen habe rechnen dürfen. Aus diesem Grund sei das Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens höher zu bewerten als die privaten Interessen der Beschwerdeführer, zumal sie es in Kauf genommen hätten, nach Ablauf ihrer Visa unerlaubt im Bundesgebiet zu verbleiben. Eine Verletzung des Art. 8 EMRK durch die Nichtzulassung der Inlandsantragstellung sei zweifelsfrei nicht gegeben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen die angefochtenen Bescheide erhobenen Beschwerden nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Vorweg ist anzumerken, dass im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide (7. Mai 2009) das NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009 zur Anwendung gelangt.
Aus der Aktenlage ist ersichtlich, dass E.O., die Ehefrau des Erstbeschwerdeführers bzw. Mutter der zweit- und drittbeschwerdeführenden Parteien, laut Kopie ihres Reisepasses über eine "unbefristete Niederlassungsbewilligung" verfügt und laut ärztlichen Gutachten infolge ihrer Krankheiten arbeitsunfähig und pflegebedürftig ist und bei der Verrichtung täglicher Pflichten Hilfe bedarf.
Gemäß § 21 Abs. 3 NAG kann die Behörde auf begründeten Antrag die Antragstellung im Inland zulassen, wenn kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG vorliegt und die Ausreise des Fremden aus dem Bundesgebiet zum Zweck der Antragstellung nachweislich (u.a.) zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK (§ 11 Abs. 3 NAG) nicht möglich oder nicht zumutbar ist.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich der Ansicht der belangten Behörde nicht anzuschließen, dass die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK zu Lasten der Beschwerdeführer auszugehen habe. Bereits dem Ansatzpunkt der belangten Behörde kann nicht beigepflichtet werden, dass das Familienleben eines Fremden "nur dann" einen erhöhten Schutz genieße, wenn die familiären Beziehungen im Zeitpunkt der rechtmäßigen Niederlassung im Bundesgebiet begründet worden seien. Es ist zwar gemäß § 11 Abs. 3 Z 8 NAG zu berücksichtigen, ob sich die Beteiligten bei Entstehung des Privat- und Familienlebens in Österreich des unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren; daraus darf aber nicht der Schluss gezogen werden, dass ein während eines unsicheren Aufenthaltsstatus begründetes Familienleben keine Bedeutung hätte.
Im vorliegenden Fall ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich die Ehefrau des Erstbeschwerdeführers und Mutter der zweit- und drittbeschwerdeführenden Parteien mit einem unbefristet geltenden Aufenthaltstitel rechtmäßig in Österreich aufhält. Der Gerichtshof hat bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass einem dauerhaft niedergelassenen Ehepartner im Rahmen der Abwägung nach Art. 8 EMRK große Bedeutung zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2012, Zl. 2008/22/0354, mwH). Die belangte Behörde spricht den Beschwerdeführern auch nicht ab, mit E.O. ein gemeinsames Familienleben zu führen. Im Übrigen halten sich die Beschwerdeführer im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits rund neun Jahre in Österreich auf. Dazu kommt, dass E.O. pflegebedürftig ist und zumindest teilweise auf die Hilfe ihres Mannes, den Erstbeschwerdeführer, angewiesen ist. Es kommt zwar - worauf die belangte Behörde zutreffend hingewiesen hat - dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen ein hoher Stellenwert zu, im vorliegenden Fall ist den gegenläufigen persönlichen Interessen der Beschwerdeführer jedoch ein solches Gewicht zuzumessen, dass demgegenüber die öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten haben.
Insoweit die belangte Behörde auf die gegen die Beschwerdeführer mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 7. Februar 2009 verfügten Ausweisungen verweist, ist dazu zu ergänzen, dass die (damalige) Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien diese Bescheide mit durch die Beschwerdeführer vorgelegten Berufungsbescheiden vom 19. März 2009 aufgrund mangelhafter Ermittlungen, welche im Hinblick auf die "massiven familiären Bindungen" der Beschwerdeführer im Bundesgebiet notwendig seien, gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheiten an die erstinstanzliche Behörde zurückverwiesen hat.
Die angefochtenen Bescheide waren daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 19. Dezember 2012
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