VwGH 2009/09/0298

VwGH2009/09/029826.1.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des Dipl. Ing. GT in S, vertreten durch die Dr. Wolfgang Schimek Rechtsanwalt GmbH in 3300 Amstetten, Graben 42, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 27. Oktober 2009, Zl. Senat-SB-08-0020, betreffend Bestrafung nach dem AuslBG (weitere Parteien: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Bundesministerin für Finanzen), zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §2 Abs2 idF 2005/I/101;
AuslBG §2 Abs2 litb idF 2005/I/101;
AuslBG §2 Abs4;
AuslBG §2;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
EMRK Art6;
VwGG §39 Abs2 Z6;
AuslBG §2 Abs2 idF 2005/I/101;
AuslBG §2 Abs2 litb idF 2005/I/101;
AuslBG §2 Abs4;
AuslBG §2;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
EMRK Art6;
VwGG §39 Abs2 Z6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der T. GmbH in Scheibbs als Arbeitgeberin den tschechischen Staatsangehörigen Martin G. in der Zeit vom 11. September 2006 bis zum 13. Juli 2007 (gestaffelt in zwölf näher ausgeführte Zeitabschnitte) ohne entsprechende arbeitsmarktrechtliche Bewilligungen beschäftigt. Er habe § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG verletzt, weshalb er nach dem ersten Strafsatz der letztgenannten Bestimmung mit einer Geldstrafe von EUR 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe vier Tage) bestraft werde.

Der Bauleiter der T. GmbH, Ing. G., habe am 29. Juni 2006 nach Tschechien an Martin G. ein Schreiben gerichtet, worin für diverse Baustellen um Facharbeiter-Beistellung (Pflasterer) zu einem Stundeneinheitspreis von EUR 18,-- ersucht werde. Martin G. habe anlässlich einer Kontrolle durch das Finanzamt Lilienfeld/St. Pölten vom 30. Juli 2007 angegeben, er erhalte für seine Arbeiten bei der T. GmbH, für die er ausschließlich tätig sei, EUR 18,-- pro Stunde. Er führe Stundenausweise und schreibe alle 14 Tage eine Rechnung, die er der T. GmbH vorlege. Seine Arbeitszeiten seien die gleichen wie jene der Arbeiter der T. GmbH, mit denen er auch zusammenarbeite. Das Arbeitsmaterial stamme von der T. GmbH. In einem ausgefüllten Personalblatt habe sich Martin G. als Arbeiter (Pflasterer) der T. GmbH deklariert. Er habe V. (richtig: W.) als seinen Chef bezeichnet. Die T. GmbH habe sich damit gerechtfertigt, dass sie Martin G. (der nach der Gewerbeordnung berechtigt gewesen sei, das Pflasterhandwerk auszuüben) als Subunternehmer beschäftigt habe. Bei Pflasterungsaufträgen für kleine, verwinkelte Pflasterflächen mit einem erheblichen Mehraufwand sei eine Abrechnung nach Stunden, bei Verfugungs- und Verlegearbeiten größeren Ausmaßes eine Abrechnung nach Lauf- oder Quadratmetern vorgenommen worden. Die T. GmbH habe Subunternehmeraufträge vom 13. August bis zum 27. August 2007 vorgelegt, aus denen sich insbesondere ergebe, dass die für "Pönale", "Deckungsrücklass", "Haftrücklass" und "Haftzeit" vorgesehenen Passagen durchgestrichen worden seien. Martin G. habe in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde angegeben, dass er vom 11. September 2006 bis zum 13. Juli 2007 ausschließlich für die T. GmbH tätig gewesen sei und Pflasterarbeiten verrichtet habe. Er habe als selbständiger Gewerbetreibender mit Firmensitz in Z. (Tschechien) gearbeitet. Er habe nur selbst gearbeitet und keine Dienstnehmer beschäftigt. Er habe für jede Baustelle ein Angebot gelegt und dann einen Vertrag abgeschlossen. Er hafte nicht für die durchgeführten Arbeiten. Die T. GmbH habe Wert darauf gelegt, dass er persönlich die Arbeit verrichte. Im Krankheitsfall wäre erst wieder gearbeitet worden, wenn er wieder gesund geworden wäre. Er hätte niemand anderen auf die Baustelle schicken dürfen. Die Verrechnung sei manchmal stundenweise, manchmal aber auch nach Quadratmetern oder Laufmetern erfolgt. Er habe über jede Baustelle Rechnung gelegt. Er habe auch Kilometergeld bekommen, wenn die Anreise zur Baustelle zu weit gewesen wäre. Dies sei im Einzelfall ausgemacht worden. Das verarbeitete Material habe von T. GmbH gestammt, das Werkzeug sei von ihm selbst mitgebracht worden. Er sei auf der Baustelle regelmäßig, so alle zwei, drei Tage, von einem Polier oder Bauleiter der T. GmbH kontrolliert worden. V. (richtig: W) sei wahrscheinlich der Bauleiter auf der Baustelle in Lilienfeld gewesen. Dieser sei wahrscheinlich gerade für eine Kontrolle auf der Baustelle gewesen, weshalb er ihn bei der Befragung durch den Finanzbeamten als "Chef" bezeichnet habe. Sein Werkzeug habe aus einem Hammer und einer Wasserwaage bestanden. Die Pflastertätigkeit habe er alleine durchgeführt. Die Mitarbeiter der T. GmbH hätten Material gebracht, den Untergrund gefertigt und wenn es so weit gewesen sei, habe er pflastern können. Er sei damals als selbständiger Gewerbetreibender in Tschechien zur Sozialversicherung angemeldet gewesen.

Die belangte Behörde führte weiter aus, die Finanzbeamtin H. habe in der Berufungsverhandlung vom 22. April 2009 ihre Beobachtung bezeugt, dass neben Martin G. auch Leute der Firma T. Pflastersteine verlegt hätten. Es liege eine Eingliederung in den Betrieb der T. GmbH vor, zumal Martin G. auch angegeben habe, mit dem Personal der T. GmbH zusammenzuarbeiten und die gleichen Arbeitszeiten einzuhalten. Das Vorliegen eines selbständigen Werkes sei zu verneinen. Zwar habe Martin G. vor der Berufungsbehörde eine selbständige Tätigkeit als Pflasterer angegeben, jedoch eingeräumt, dass seine früheren Angaben (im Gedächtnisprotokoll vom 30. Juli 2007) zutreffen würden. Er habe ausgeführt, dass er in keiner Weise hafte und er die Arbeit persönlich zu verrichten hatte. Nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt der von Martin G. ausgeübten Tätigkeit handle es sich nicht um eine selbständige Werktätigkeit, sondern um eine arbeitnehmerähnliche Beschäftigung. So habe Martin G. während des inkriminierten Tatzeitraumes ausschließlich für die T. GmbH gearbeitet. Er sei wirtschaftlich unselbständig gewesen, was auch die Stundenlohnzahlung sowie das Kilometergeld im Sinne eines arbeitnehmerähnlichen Beschäftigungsverhältnisses zum Ausdruck bringen würden. Im Übrigen führte die belangte Behörde ihre Strafzumessungsgründe aus.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG in der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 101/2005 gilt als Beschäftigung u. a. die Verwendung in einem Arbeitsverhältnis (lit. a) oder in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis (lit. b).

Die Beschwerde bringt vor, Martin G. sei "als selbständiger Unternehmer im Rahmen eines Werkvertrages tätig" geworden. Er sei Subunternehmer der T. GmbH gewesen, die selbst über keine Berechtigung zur Durchführung von Pflasterarbeiten verfügt habe. Es liege ein Werkvertrag vor und sei branchenüblich, dass das Pflastermaterial von der T. GmbH zur Verfügung gestellt werde. Das Werkzeug habe ohnedies von Martin G. gestammt. Wäre der gegenständliche Auftrag an einen ortsüblichen Vertragspartner vergeben worden, so wäre die Vorgangsweise völlig ident gewesen. Martin G. sei nicht in den Arbeitsprozess der T. GmbH eingegliedert und auch in seiner Zeiteinteilung völlig frei gewesen. Es sei nicht von einer arbeitnehmerähnlichen Beschäftigung des Martin G. auszugehen, zumal keine wirtschaftliche Abhängigkeit vorgelegen sei.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Nach § 2 Abs. 4 AuslBG ist für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung iSd § 2 Abs. 2 AuslBG vorliegt, der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Nach den grundsätzlichen Ausführungen der zur Arbeitnehmerähnlichkeit ergangenen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. Juli 2011, Zl. 2008/09/0196, mwN) ist nicht die Rechtsnatur der Vertragsbeziehung (zwischen der arbeitnehmerähnlichen Person und dem Arbeitsempfänger) entscheidend, sondern die wirtschaftliche Unselbständigkeit des "Arbeitnehmerähnlichen", die darin zu erblicken ist, dass er unter ähnlichen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen wie ein Arbeitnehmer tätig ist. Maßgebend ist dabei der "organisatorische Aspekt der wirtschaftlichen Unabhängigkeit". In dieser Hinsicht bedarf es der Prüfung, ob das konkrete Gesamtbild der Tätigkeit des "Arbeitnehmerähnlichen" so beschaffen ist, dass dieser trotz fehlender persönlicher Abhängigkeit nicht mehr in der Lage ist, seine Arbeitskraft - insoweit er durch das konkrete Rechtsverhältnis in der Verfügung über seine Arbeitskraft gehindert ist - anderweitig für Erwerbszwecke einzusetzen.

Martin G. war nicht von einer (unbegrenzten) ständig wechselnden Anzahl von Unternehmen, sondern nur von einem bestimmten Unternehmer, der T. GmbH, abhängig. Seine Tätigkeit für die T. GmbH erfolgte darüber hinaus in einer gewissen Regelmäßigkeit. Er war schon dadurch in Bezug auf die von ihm ausgeübte Tätigkeit in seiner Entschlussfähigkeit auf ein Mindestmaß beschränkt. Der wirtschaftliche Erfolg seiner Tätigkeit kam diesem Unternehmen zu. Er verfügte weder über eigene Mitarbeiter noch über eine eigene unternehmerische Struktur. Er leistete seine Arbeit in wirtschaftlicher Unterordnung für die Zwecke eines anderen und war zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes (jedenfalls auch) auf die daraus resultierende Entlohnung angewiesen. Seine Tätigkeit erfolgt somit unter ähnlichen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen wie die eines persönlich abhängigen Arbeitnehmers. Aus der damit vorliegenden wirtschaftlichen Abhängigkeit des Ausländers (in ihrem organisatorischen Aspekt) folgt, dass er in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis iSd § 2 Abs. 2 lit. b AuslBG verwendet wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 2000, Zl. 98/09/0153). Dazu kommt, dass er persönlich für die T. GmbH tätig werden sollte (eine generelle Vertretungsbefugnis sohin nach dem tatsächlich gelebten Vertragsverhältnis ausgeschlossen war), was sogar für eine persönliche Abhängigkeit und damit für das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses sprechen würde. Ausgehend davon kann die Beurteilung der belangten Behörde nicht als rechtwidrig erkannt werden, dass im Beschwerdefall eine Beschäftigung des Ausländers durch das vom Beschwerdeführer vertretene Unternehmen, sohin eine bewilligungspflichtige Beschäftigung iSd § 2 AuslBG vorlag (vgl. etwa zu Tätigkeiten von Fliesenlegern die hg. Erkenntnisse vom 29. April 2011, Zl. 2008/09/0207, und vom 30. Mai 2011, Zl. 2010/09/0179, sowie zu Trockenbauarbeiten das hg. Erkenntnis vom 12. Juli 2011, Zl. 2009/09/0079; zu zahlreichen weiteren Beispielen arbeitnehmerähnlicher Beschäftigung vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 2010, Zl. 2007/09/0261, mwN).

Die Beschwerde macht als Verfahrensmangel schließlich Folgendes geltend:

"Zur Klärung des tatsächlichen Sachverhaltes hätten sowohl die Erstbehörde als auch die nunmehr belangte Behörde den durch den Beschwerdeführer gestellten Beweisanträgen folgen müssen, insbesondere hätte die Durchführung des beantragten Sachverständigenbeweises zu erfolgen gehabt, zumal sich nach Durchführung der gestellten Beweisanträge insbesondere herausgestellt hätte, dass gegenständlich ein eigenständiges Werk des Martin G. vorgelegen ist, welches dieser im Rahmen eines Werkvertrages auf eigenes unternehmerisches Risiko zu erbringen hatte."

In der Beschwerde wird weder darlegt, um welche Beweisanträge es sich gehandelt hat noch zu welchen konkreten Beweisthemen diese Beweise von der belangten Behörde hätten aufgenommen werden sollen. Bei dem aufgezeigten Beweisthema, dass ein Werkvertrag vorgelegen sei, handelt es sich überdies um eine Rechtsfrage, die der Beantwortung im Rahmen einer Zeugenvernehmung oder eines Sachverständigenbeweises nicht zugänglich ist. Dasselbe gilt für das Vorbringen, bei Durchführung der Beweise hätte sich ergeben, "dass gegenständlich eine den Bestimmungen des AuslBG unterliegende Beschäftigung des Martin G. nicht vorgelegen ist".

Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Der Anforderung des Art. 6 EMRK wurde im gegenständlichen Fall durch die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, einem Tribunal iSd EMRK, Genüge getan.

Wien, am 26. Jänner 2012

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