Normen
12010E258 AEUV Art258;
31971R1408 WanderarbeitnehmerV Art14a Abs1 lita;
31971R1408 WanderarbeitnehmerV Art14a Abs2;
31972R0574 WanderarbeitnehmerV DV Art11 Abs1 lita;
31972R0574 WanderarbeitnehmerV DV Art11a;
31972R0574 WanderarbeitnehmerV DV Art12a Abs2;
61997CJ0178 Banks VORAB;
61997CJ0202 Fitzwilliam VORAB;
62005CJ0002 Herbosch Kiere VORAB;
12010E258 AEUV Art258;
31971R1408 WanderarbeitnehmerV Art14a Abs1 lita;
31971R1408 WanderarbeitnehmerV Art14a Abs2;
31972R0574 WanderarbeitnehmerV DV Art11 Abs1 lita;
31972R0574 WanderarbeitnehmerV DV Art11a;
31972R0574 WanderarbeitnehmerV DV Art12a Abs2;
61997CJ0178 Banks VORAB;
61997CJ0202 Fitzwilliam VORAB;
62005CJ0002 Herbosch Kiere VORAB;
Spruch:
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.
Ein Aufwandersatz findet nicht statt.
Begründung
Der Mitbeteiligte betreibt ein Zimmereiunternehmen, in dessen Rahmen er mit der Durchführung der Dachstuhlkonstruktion und der Schalung in einem Einfamilienhaus beauftragt wurde. Auf der Baustelle war vom 2. bis 4. September 2008 neben drei zur Sozialversicherung angemeldeten Arbeitnehmern des Mitbeteiligten auch der ungarische Staatsangehörige K. tätig, der dort am 4. September 2008 bei einer Kontrolle von Organen des beschwerdeführenden Finanzamtes angetroffen wurde. Das Finanzamt erstattete Anzeige wegen des Verdachts der Übertretung des § 111 Abs. 1 iVm § 33 Abs. 1 ASVG, weil K. auf der Baustelle des Mitbeteiligten bei Zimmererarbeiten angetroffen worden sei, ohne zur Sozialversicherung angemeldet zu sein.
Bei seiner Vernehmung durch die Strafbehörde (die Bezirkshauptmannschaft O) am 10. November 2008 erklärte der Mitbeteiligte, dass K. einen holzverarbeitenden Betrieb in Ungarn besitze. Der Mitbeteiligte habe ihn als Subunternehmer beauftragt. Da K. somit im Rahmen seines Unternehmens beim Mitbeteiligten gearbeitet habe, sei eine Anmeldung bei der Gebietskrankenkasse nicht erforderlich gewesen, sondern es sei ihm "bei der Sozialversicherung" gesagt worden, dass nur das Formular E 101 erforderlich sei. Die Bescheinigung mit dem Formular E 101, ausgestellt am 10. September 2008 von der West-Transdanubischen Regionalen Krankenkasse, wurde zum Akt genommen. Darin wird bescheinigt, dass K. seit dem 14. September 2007 eine selbständige Tätigkeit in Ungarn ausübe, dass er voraussichtlich für die Zeit vom 8. September 2008 bis 7. September 2009 entsandt werde oder eine selbständige Tätigkeit ausüben werde, und zwar beim Unternehmen des Mitbeteiligten, und dass er während dieser Zeit gemäß Art. 14a Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 den ungarischen Rechtsvorschriften unterliege.
In der Folge verhängte die Bezirkshauptmannschaft O über den Mitbeteiligten eine Strafe in der Höhe von EUR 730,-- wegen Übertretung des § 33 Abs. 1 iVm § 111 ASVG. Die Rechtfertigung, dass K. in Ungarn als selbständiger Unternehmer tätig sei und über eine Gewerbeberechtigung verfüge, gehe ins Leere, weil zur rechtmäßigen Ausübung in Österreich auch eine österreichische Gewerbeberechtigung erlangt werden müsse.
Dagegen erhob der Mitbeteiligte Berufung an die belangte Behörde. Im Verfahren legte er u.a. eine weitere Bescheinigung E 101 vom 16. März 2009 für den Zeitraum 1. September 2008 bis 7. September 2008 vor, die ansonsten mit der ersten Bescheinigung vom 10. September 2008 übereinstimmte.
Mit Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides behob die belangte Behörde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung das erstinstanzliche Straferkenntnis und stellte das Strafverfahren ein. (Mit Spruchpunkt I bestätigte sie die Bestrafung des Mitbeteiligten nach dem AuslBG. Soweit sich die Beschwerde auch gegen diesen Spruchpunkt richtet, wurde sie mit Beschluss vom 14. Oktober 2011, Zl. 2009/09/0199, zurückgewiesen).
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Mitbeteiligte habe im Rahmen seines Unternehmens eine näher bezeichnete Baustelle betrieben. Da einer seiner Arbeiter ausgefallen sei, habe er den ungarischen Staatsangehörigen K. gebeten, ihm zu helfen. K. sei in Ungarn selbständig tätig und betreibe dort ein Unternehmen für Stiegenbau und Einbau von Fenstern und Türen. Er habe von 2. bis 4. September 2008 auf der Baustelle gearbeitet, und zwar gemeinsam mit dem Mitbeteiligten und drei zur Sozialversicherung angemeldeten Arbeitnehmern des Mitbeteiligten. Er sei in Österreich nicht zur Sozialversicherung angemeldet gewesen. Im Verfahren sei eine von der West-Transdanubischen Regionalen Krankenkasse ausgestellte E 101- Bescheinigung vom 16. März 2009 vorgelegt worden, die bescheinigte, dass K. voraussichtlich in der Zeit vom 1. September 2008 bis zum 7. September 2008 für das Unternehmen des Mitbeteiligten "entsandt/eine selbständige Tätigkeit vorübergehend ausüben" werde und während dieser Zeit weiterhin den ungarischen Rechtsvorschriften gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 unterliege.
Bei einer Kontrolle nach dem AuslBG durch Organe des beschwerdeführenden Finanzamtes am 4. September 2008 seien auf der Baustelle der Mitbeteiligte, drei seiner Arbeitnehmer und K. angetroffen worden.
Die Behauptung, dass K. auf der Baustelle selbständig tätig gewesen sei, widerspreche den Erstangaben des Mitbeteiligten und des Zeugen K. und werde lediglich als Schutzbehauptung angesehen. Sie sei überdies nicht durch die Aussagen der genannten Personen vor der belangten Behörde bestätigt worden.
Mit der im Verfahren vorgelegten E 101-Bescheinigung werde aber bescheinigt, dass der ungarische Selbständige für einen bestimmten Zeitraum, während dessen er im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates eine Arbeit ausführe, den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften des Herkunftslandes unterstellt bleibe. Solange eine derartige Bescheinigung nicht vom ausstellenden Träger zurückgezogen oder für ungültig erklärt worden sei, binde sie den zuständigen Träger des Mitgliedstaates, in den sich der Selbständige zur Ausführung seiner Arbeit begebe. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass darin der Sachverhalt insofern unrichtig angegeben worden sei, als angeführt sei, dass K. "entsandt/eine selbständige Tätigkeit ausüben" werde, was feststellungsgemäß nicht der Fall gewesen sei. Binde aber die genannte E 101-Bescheinigung den zuständigen Träger, sodass dieser an die Feststellungen des Entsendestaates gebunden sei, müsse dies auch für andere Behörden des Beschäftigungsstaates gelten, die das Bestehen der Versicherungspflicht als Vorfrage zu beurteilen hätten. Da sohin keine Versicherungspflicht des K. bestanden habe, sei dieser auch nicht vom Mitbeteiligten zur Sozialversicherung anzumelden gewesen, sodass gegen keine Meldepflicht verstoßen worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Art. 14a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, (im Folgenden: VO 1408/71 ) lautet auszugsweise:
"Artikel 14a
Sonderregelung für andere Personen als Seeleute, die eine
selbständige Tätigkeit ausüben
Vom Grundsatz des Artikels 13 Absatz 2 Buchstabe b) gelten folgende Ausnahmen und Besonderheiten:
1. a) Eine Person, die eine selbständige Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet eines Mitgliedstaats ausübt und die eine Arbeit im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ausführt, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet;
b) geht eine solche Arbeit, deren Ausführung aus nicht vorhersehbaren Gründen die ursprünglich vorgesehene Dauer überschreitet, über zwölf Monate hinaus, so gelten die Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats bis zur Beendigung dieser Arbeit weiter, sofern die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sich der Betreffende für die Arbeit begeben hat, oder die von dieser Behörde bezeichnete Stelle dazu ihre Genehmigung erteilt; diese Genehmigung ist vor Ablauf der ersten zwölf Monate zu beantragen. Sie darf nicht für länger als zwölf Monate erteilt werden.
2. Eine Person, die eine selbständige Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, wenn sie ihre Tätigkeit zum Teil im Gebiet dieses Mitgliedstaats ausübt. Übt sie keine Tätigkeit im Gebiet des Mitgliedstaats aus, in dem sie wohnt, so unterliegt sie den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie ihre Haupttätigkeit ausübt. Die Kriterien zur Bestimmung der Haupttätigkeit sind in der in Artikel 98 vorgesehenen Verordnung festgelegt.
..."
Art. 11, Art. 11a und Art. 12a der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, (im Folgenden: VO 574/72 ) lauten auszugsweise:
"Artikel 11
Formvorschriften bei Entsendung eines Arbeitnehmers gemäß
Artikel 14 Absatz 1 und Artikel 14b Absatz 1 der Verordnung und bei Vereinbarungen gemäß Artikel 17 der Verordnung
(1) Der Träger, den die zuständige Behörde desjenigen Mitgliedstaats bezeichnet, dessen Rechtsvorschriften weiterhin anzuwenden sind, stellt
a) auf Antrag des Arbeitnehmers oder seines Arbeitgebers in den Fällen des Artikels 14 Absatz 1 und des Artikels 14b Absatz 1 der Verordnung,
b) in den Fällen des Artikels 17 der Verordnung eine Bescheinigung darüber aus, dass und bis zu welchem Zeitpunkt diese Rechtsvorschriften weiterhin für den Arbeitnehmer gelten.
(2) Die in Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe b) und Artikel 14b Absatz 1 der Verordnung vorgesehene Genehmigung ist vom Arbeitnehmer zu beantragen.
Artikel 11a
Formvorschriften gemäß Artikel 14a Absatz 1 und Artikel 14b Absatz 2 der Verordnung und im Falle von Vereinbarungen gemäß
Artikel 17 der Verordnung bei Ausübung einer Tätigkeit im Gebiet eines anderen als des Mitgliedstaats, in dem die betreffende Person gewöhnlich eine selbständige Tätigkeit ausübt
(1) Der Träger, den die zuständige Behörde desjenigen Mitgliedstaats bezeichnet, dessen Rechtsvorschriften weiterhin anzuwenden sind, stellt
a) auf Antrag des Selbständigen in den Fällen des Artikels 14a Absatz 1 und des Artikels 14b Absatz 2 der Verordnung,
b) in den Fällen des Artikels 17 der Verordnung eine Bescheinigung darüber aus, dass und bis zu welchem Zeitpunkt diese Rechtsvorschriften weiterhin für den Selbständigen gelten.
(2) Die in Artikel 14a Absatz 1 Buchstabe b) und Artikel 14b Absatz 2 der Verordnung vorgesehene Genehmigung ist vom Selbständigen zu beantragen.
Artikel 12a
Vorschriften für die in Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe b),
Artikel 14 Absatz 3, Artikel 14a Absätze 2 bis 4 und Artikel 14c der Verordnung genannten Personen, die eine Beschäftigung und/oder selbständige Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausüben
Für die Anwendung des Artikels 14 Absatz 2 Buchstabe b), des Artikels 14 Absatz 3, des Artikels 14a Absätze 2 bis 4 und des Artikels 14c der Verordnung gilt folgendes:
- 1. …
- 2. a) Gelten nach Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe b) Ziffer i) oder nach Artikel 14a Absatz 2 Satz 1 der Verordnung für eine Person, die gewöhnlich im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten beschäftigt oder selbständig tätig ist und die einen Teil ihrer Tätigkeit in dem Mitgliedstaat ausübt, in dessen Gebiet sie wohnt, die Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats, so stellt der von der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats bezeichnete Träger der betroffenen Person eine Bescheinigung darüber aus, dass die Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats für sie gelten, und übermittelt eine Abschrift dieser Bescheinigung dem Träger, der von der zuständigen Behörde jedes anderen Mitgliedstaats bezeichnet wurde,
i) in dessen Gebiet die Person einen Teil ihrer Tätigkeit ausübt und/oder,
ii) falls sie Arbeitnehmer ist, in dessen Gebiet ihr Unternehmen oder Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat.
b) Der letztgenannte Träger erteilt erforderlichenfalls dem Träger, der von der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats bezeichnet wurde, dessen Rechtsvorschriften gelten, die Auskünfte, die für die Festsetzung der Beiträge notwendig sind, welche der oder die Arbeitgeber und/oder die betreffende Person nach diesen Rechtsvorschriften schulden.
…"
2. Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, dass die mit dem Formblatt E 101 ausgestellte Bescheinigung des zuständigen ungarischen Sozialversicherungsträgers, wonach K. im Zeitraum 1. September 2008 bis 7. September 2008 weiterhin ungarischem Sozialversicherungsrecht unterliegt, die österreichischen Behörden bindet.
- 2. a) Gelten nach Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe b) Ziffer i) oder nach Artikel 14a Absatz 2 Satz 1 der Verordnung für eine Person, die gewöhnlich im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten beschäftigt oder selbständig tätig ist und die einen Teil ihrer Tätigkeit in dem Mitgliedstaat ausübt, in dessen Gebiet sie wohnt, die Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats, so stellt der von der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats bezeichnete Träger der betroffenen Person eine Bescheinigung darüber aus, dass die Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats für sie gelten, und übermittelt eine Abschrift dieser Bescheinigung dem Träger, der von der zuständigen Behörde jedes anderen Mitgliedstaats bezeichnet wurde,
2.1 Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat hinsichtlich der gemäß Art. 11a VO 574/72 auszustellenden Bescheinigung E 101 ausgesprochen, dass sie den zuständigen Träger des Mitgliedstaats, in den sich der Selbständige zur Ausführung einer Arbeit begibt, in Bezug auf die anzuwendenden sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften bindet, solange sie nicht zurückgezogen oder für ungültig erklärt worden ist (vgl. das auch von der belangten Behörde zitierte Urteil vom 30. März 2000, Rs C-178/97 - Banks u.a., insb. Rz 39 ff und den Urteilstenor). Eine ebensolche Bindungswirkung hat der EuGH einer Bescheinigung E 101 auch zugesprochen, wenn sie gemäß Art. 11 Abs. 1 lit. a VO 574/72 ausgestellt wird (vgl. die Urteile vom 10. Februar 2000, Rs C-202/97 - Fitzwilliam FTF, Rz 52 ff, und vom 26. Jänner 2006, Rs C-2/05 - Herbosch Kiere NV, Rz 23 ff, wo (in Rz 32 und im Urteilstenor) ausdrücklich auch von einer Bindung der Gerichte die Rede ist; s. auch das hg. Erkenntnis vom 16. März 2011, Zl. 2010/08/0231). Im Urteil in der Rechtssache Banks hat der EuGH weiters festgehalten, dass eine Bescheinigung E 101 auch Rückwirkung entfalten kann. Der an die Bescheinigung gebundene Mitgliedstaat kann bei Zweifeln an der Richtigkeit des der Bescheinigung zugrunde liegenden Sachverhalts oder dessen rechtlicher Bewertung eine Überprüfung durch den ausstellenden Träger verlangen und - sofern es zu keiner Übereinstimmung kommt - die Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer um Vermittlung anrufen. Führt dies nicht zum Erfolg, kann er schließlich ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 ff AEUV anstrengen.
2.2 Im Beschwerdefall hat der zuständige ungarische Sozialversicherungsträger in der Bescheinigung E 101 angegeben, dass sich die Geltung ungarischer Rechtsvorschriften auf Art. 14a Abs. 2 VO 1408/71 gründe; demnach handelt es sich um eine Bescheinigung nach Art. 12a Abs. 2 VO 574/72 (und nicht, wie die belangte Behörde anscheinend angenommen hat, nach Art. 11a dieser Verordnung). Es ist aber davon auszugehen, dass eine Bescheinigung E 101 nach Art. 12a Abs. 2 VO 574/72 - ungeachtet dessen, dass auf Grund dieser Bestimmung eine Abschrift auch dem zuständigen Träger des anderen Mitgliedstaates zu übermitteln wäre, was im Beschwerdefall nicht festgestellt wurde - hinsichtlich des anwendbaren Rechts die gleiche Bindungswirkung entfaltet wie eine Bescheinigung E 101 nach Art. 11 Abs. 1 lit. a oder Art. 11a VO 574/72 , weil die vom EuGH für die Bindungswirkung angeführten Gründe - insbesondere der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten sowie der Grundsatz des Anschlusses der Arbeitnehmer und Selbständigen an ein einziges System der sozialen Sicherheit, verbunden mit der Vorhersehbarkeit des anwendbaren Systems - hier gleichermaßen zutreffen.
2.3 Das beschwerdeführende Finanzamt wendet sich gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass K. ungarischem Sozialversicherungsrecht unterlegen sei, mit dem Argument, dieser habe nicht "in Ausübung seiner in Ungarn ausgeübten selbständigen Tätigkeit als Stiegenbauer und Fenster- und Türeneinbauer in der Firma des (Mitbeteiligten)" in Österreich gearbeitet, sondern lediglich "als unselbständige Aushilfe beim Abladen, Zuschneiden, Zugeben, Zusammenräumen und Holzabfälle wegräumen in Bezug zu Dachdeckerarbeiten" mitgeholfen. Diese Tätigkeit habe offensichtlich nichts mit der in Ungarn ausgeübten selbständigen Tätigkeit als "Stiegenbauer" zu tun. Keinesfalls sei mit der E 101- Bescheinigung eine "Blanko"-Ermächtigung für jedwede andere selbständige oder unselbständige Betätigung in einem anderen Mitgliedstaat erteilt worden. Das von der belangten Behörde ins Treffen geführte Urteil des EuGH in der Rechtssache Banks besage lediglich, dass dann, wenn in zwei Mitgliedstaaten dieselbe Tätigkeit ausgeübt werde, die in einem Mitgliedstaat als unselbständig und in dem anderen Mitgliedstaat als selbständig zu bewerten wäre, und eine E 101-Bescheinigung vorliege, die Rechtsvorschriften des die Bescheinigung ausstellenden Mitgliedstaates für die Beurteilung der Selbständigkeit oder Unselbständigkeit der Tätigkeit anzuwenden seien. Im gegenständlichen Fall sei jedoch K. in Österreich nicht als - selbständiger oder unselbständiger - "Stiegenbauer" tätig gewesen, sondern habe eine nach österreichischem Recht gänzlich andere unselbständige Arbeit geleistet. Somit liege im Beschwerdefall eine selbständige Tätigkeit in Ungarn als "Stiegenbauer" und eine davon differenziert zu betrachtende unselbständige Beschäftigung bei Dachdeckarbeiten für das Unternehmen des Mitbeteiligten vor. Auf diese Konstellation sei nicht Art. 14a Abs. 1 lit. a VO 1408/71 anzuwenden, sondern deren Art. 14c lit. a.
Mit diesem Vorbringen verkennt das beschwerdeführende Finanzamt die vom EuGH angenommene Bindungswirkung einer Bescheinigung E 101. Diese bezieht sich nach den unter Punkt 2.1 zitierten Urteilen auf die bescheinigte Anwendbarkeit der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften des betreffenden Mitgliedstaates hinsichtlich einer bestimmten Tätigkeit und nicht bloß darauf, welche Rechtsvorschriften für die Beurteilung der Selbständigkeit oder Unselbständigkeit der Tätigkeit maßgeblich sind. Bei Zweifeln an der Richtigkeit des der Bescheinigung zugrunde liegenden Sachverhalts bzw. der vorgenommenen Subsumtion unter die unionsrechtlichen Vorschriften wäre, wie oben dargestellt, an den die Bescheinigung ausstellenden Sozialversicherungsträger heranzutreten und allenfalls ein Verfahren vor der Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer oder letztlich vor dem EuGH anzustrengen. Im Übrigen lässt sich weder Art. 14a Abs. 1 lit. a noch Art. 14a Abs. 2 VO 1408/71 entnehmen, dass die im zweiten Mitgliedstaat ausgeübte (selbständige oder unselbständige) Tätigkeit mit jener im ersten Mitgliedstaat identisch sein müsste. Das bedeutet aber entgegen der Ansicht des beschwerdeführenden Finanzamtes nicht, dass mit der Bescheinigung E 101 eine "Blanko"-Ermächtigung für jedwede andere selbständige oder unselbständige Betätigung in einem anderen Mitgliedstaat erteilt werden kann, weil jedenfalls die Voraussetzung einer "gewöhnlich" (auch) im ersten Mitgliedstaat ausgeübten selbständigen Tätigkeit erfüllt sein muss und es sich in den Fällen des Art. 14a Abs. 1 lit. a außerdem nur um eine zeitlich begrenzte Tätigkeit im zweiten Mitgliedstaat handeln darf (vgl. dazu auch das Urteil in der Rechtssache Banks, Rz 25 ff).
2.4 Die österreichischen Behörden waren nach dem Gesagten an die mit dem Formular E 101 erfolgte Bescheinigung, dass K. im Zeitraum 1. September 2008 bis 7. September 2008 gemäß Art. 14a Abs. 2 VO 1408/71 den ungarischen Rechtsvorschriften unterliege, gebunden. Die belangte Behörde ist daher im Ergebnis richtig davon ausgegangen, dass K. im Zeitraum 2. bis 4. September 2008 in Österreich nicht der Pflichtversicherung unterlegen ist und den Mitbeteiligten daher nicht die Pflicht getroffen hat, ihn zur Sozialversicherung anzumelden. (Den Angaben der belangten Behörde in der Gegenschrift zufolge wurde im Übrigen mit nach Erlassung des angefochtenen Bescheides in Rechtskraft erwachsenem Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland festgestellt, dass K. im fraglichen Zeitraum nicht der Pflichtversicherung unterlegen ist.)
3. Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf § 47 Abs. 4 VwGG, wonach in den Fällen (u.a.) des Art. 131 Abs. 2 B-VG für den Beschwerdeführer und die belangte Behörde kein Aufwandersatz stattfindet.
Wien, am 23. Mai 2012
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