VwGH 2011/22/0110

VwGH2011/22/011022.7.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des H, vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 1. Juni 2010, Zl. 156.075/2-III/4/10, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §43 Abs2 idF 2009/I/029;
NAG 2005 §44 Abs4 idF 2009/I/029;
NAG 2005 §44b Abs1 idF 2009/I/029;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1 idF 2009/I/029;
MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §43 Abs2 idF 2009/I/029;
NAG 2005 §44 Abs4 idF 2009/I/029;
NAG 2005 §44b Abs1 idF 2009/I/029;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1 idF 2009/I/029;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" gemäß § 43 Abs. 2 iVm § 44b Abs. 1 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zurück.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, sei am 30. Juni 2004 unrechtmäßig in Österreich eingereist. Am gleichen Tag habe er einen Asylantrag eingebracht. Dem Asylantrag sei im Instanzenzug letztlich mit Erkenntnis vom 19. Oktober 2009, welches seit 21. Oktober 2009 rechtskräftig sei, keine Folge gegeben worden. Unter einem sei gegen den Beschwerdeführer eine - ebenfalls seit 21. Oktober 2009 rechtskräftige - Ausweisung erlassen worden. Einer gegen diese Entscheidung beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde sei aufschiebende Wirkung bislang nicht zuerkannt worden.

Im asylrechtlichen Verfahren sei über die Zulässigkeit der Ausweisung des Beschwerdeführers abgesprochen worden. Dabei sei eine Abwägung nach Art. 8 EMRK erfolgt.

Am 11. Dezember 2009 (richtig: am 21. Dezember 2009) habe der Beschwerdeführer den Antrag (vom 11. Dezember 2009) auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen" eingebracht.

Im Hinblick auf den dem Ausweisungsbescheid zu Grunde liegenden Sachverhalt komme unter Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers kein maßgeblich geänderter Sachverhalt hervor. Somit habe die Behörde erster Instanz zutreffend die Zurückweisung des vom Beschwerdeführer gestellten Antrages nach § 44b Abs. 1 Z 1 NAG vorgenommen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 9. März 2011, B 955/10-12, ablehnte und die Beschwerde über gesonderten Antrag dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - im Verfahren ergänzte - Beschwerde erwogen:

Der Beschwerdeführer hat einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 43 Abs. 2 NAG (in der hier maßgeblichen Fassung des BGBl I Nr. 29/2009) gestellt. Gemäß dieser Bestimmung ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen (§ 44a NAG) oder auf begründeten Antrag (§ 44b NAG), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" zu erteilen, wenn 1. kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG vorliegt, 2. dies gemäß § 11 Abs. 3 NAG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist, und 3. der Drittstaatsangehörige die Integrationsvereinbarung nach § 14 Abs. 5 Z 2 bis 5 oder 7 NAG erfüllt hat (oder im Falle der Minderjährigkeit - was fallbezogen nicht zutrifft - andere die Erfüllung der Integrationsvereinbarung ersetzende Voraussetzungen erbringt). Gemäß § 44b Abs. 1 Z 1 NAG (in der Fassung des BGBl I Nr. 29/2009) sind, wenn kein Fall des § 44a NAG vorliegt, Anträge gemäß (u.a.) § 43 Abs. 2 NAG als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer mit am 21. Oktober 2009 in Rechtskraft erwachsenem Erkenntnis des Asylgerichtshofes ausgewiesen wurde. Sein - schon kurz darauf eingebrachter - Antrag vom 11. Dezember 2009 nach § 43 Abs. 2 NAG war daher gemäß § 44b Abs. 1 Z 1 NAG zurückzuweisen, es sei denn, es wäre im Hinblick auf maßgebliche Sachverhaltsänderungen seit der ergangenen Ausweisung eine Neubeurteilung im Hinblick auf Art. 8 EMRK erforderlich (vgl. das Erkenntnis vom 14. April 2011, 2010/21/0294).

Die belangte Behörde gelangte zu dem Ergebnis, dass eine derartige Sachverhaltsänderung nicht eingetreten sei. Diese Ansicht erweist sich als zutreffend. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die gegen den Beschwerdeführer erlassene Ausweisung am 21. Oktober 2009 in Rechtskraft erwachsen ist und er den hier gegenständlichen Antrag bereits kurz darauf am 11. Dezember 2009 gestellt hat. Auf Grund des in diesem Antrag und im erstinstanzlichen Verfahren erstatteten Vorbringens kann unter Bedachtnahme auf den Inhalt des sich im Verwaltungsakt befindlichen Erkenntnisses des Asylgerichtshofes nicht davon ausgegangen werden, der Beschwerdeführer hätte Umstände geltend gemacht, die nicht bereits im Zeitpunkt der Ausweisung vorgelegen wären. Insbesondere ist sowohl den vorgelegten Verwaltungsakten als auch dem Beschwerdevorbringen zu entnehmen, dass die Lebensgemeinschaft mit der österreichischen Staatsbürgerin H schon im März 2009, also schon während des Asylverfahrens aufgenommen wurde.

Soweit in der Beschwerde aber auch noch weitere - neu entstandene - Tatsachen betreffend eine Erkrankung des Beschwerdeführers angesprochen werden, die der Aktenlage zufolge allerdings erst im Rahmen der Berufung ins Treffen geführt wurden, ist darauf hinzuweisen, dass im Grunde des § 44b Abs. 1 letzter Halbsatz NAG nach der Erlassung der erstinstanzlichen Entscheidung eingetretene Umstände keinen Einfluss auf die Beurteilung haben, ob die auf § 44b Abs. 1 Z 1 NAG gegründete Antragszurückweisung von der Erstbehörde zu Recht vorgenommen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2010, 2010/21/0142).

Wenn der Beschwerdeführer mit seinem Antrag, der schon kurz nach Erlassung der Ausweisung eingebracht wurde, und der nunmehr an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde erkennbar aber auch bezweckt, die im Asylverfahren erfolgte Beurteilung hinsichtlich der Zulässigkeit seiner Ausweisung in Frage zu stellen, ist darauf hinzuweisen, dass dies nicht Gegenstand des Verfahrens vor der Niederlassungsbehörde ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 7. April 2011, 2011/22/0066, 0067, und 2011/22/0030 bis 0034).

Schließlich regt der Beschwerdeführer noch an, § 44 Abs. 4 (in der vor 1. Juli 2011 in Geltung gestandenen Fassung) - zum Teil - sowie § 44b Abs. 1 NAG beim Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig anzufechten. Dazu ist zunächst anzumerken, dass die Bestimmung des § 44 Abs. 4 NAG im gegenständlichen Fall nicht anzuwenden war. Im Übrigen hat aber auch schon der Verfassungsgerichtshof, an den der Beschwerdeführer die gegenständliche Beschwerde ursprünglich gerichtet hatte, und von dem die Beschwerde nach Ablehnung der Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten wurde, keinen ausreichenden Grund gesehen, der Anregung des Beschwerdeführers, diese Bestimmungen einem Gesetzesprüfungsverfahren zu unterziehen, näherzutreten.

Da sohin die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG unterbleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 22. Juli 2011

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte