VwGH 2011/17/0112

VwGH2011/17/011215.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, in der Beschwerdesache der C & I GmbH in G, vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 46/6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich vom 18. März 2011, Zl. VwSen-300970/5/WEI/Ba, betreffend Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz (weitere Partei: Bundesministerin für Finanzen), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §56;
GSpG 1989 §53;
GSpG 1989 §54 idF 2010/I/073;
VwGG §26 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
AVG §56;
GSpG 1989 §53;
GSpG 1989 §54 idF 2010/I/073;
VwGG §26 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 30. September 2010 ordnete die Bundespolizeidirektion Linz die Beschlagnahme eines so genannten Hunderennwettapparates mit der Bezeichnung "Tipomat Y-Line", der am 31. August 2010 von Aufsichtsorganen in einem Lokal in Linz vorläufig beschlagnahmt worden war, gemäß § 53 Abs. 1 Z 1 lit. a des Glücksspielgesetzes, BGBl. Nr. 620/1989 in der Fassung BGBl. I Nr. 73/2010 (im Folgenden: GSpG), an. Der Apparat stand im Eigentum der Beschwerdeführerin; der Bescheid wurde an Herrn M W, den Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei, gerichtet (weil er gemäß § 9 Abs. 1 VStG als Beschuldigter im Strafverfahren anzusehen sei).

1.2. M W erhob "als Geschäftsführer der Firma C (d.i. die beschwerdeführende Partei)" Berufung gegen den erstinstanzlichen Beschlagnahmebescheid. Darin wurden insbesondere das Vorliegen eines Glücksspielapparates nach dem GSpG bestritten und europarechtliche Bedenken geltend gemacht.

1.3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde "die Berufung des M W" als unbegründet ab. Die Zustellung erfolgte an "M W, Geschäftsführer der Fa C", zu Handen der für M W eingeschrittenen Rechtsvertreter.

Begründend führte die belangte Behörde insbesondere unter Hinweis auf die Ausführungen des Sachverständigen, der den Spielablauf der mit dem Apparat möglichen "Wetten" dargestellt hatte, aus, dass nach diesen Ausführungen nicht Wetten auf den Ausgang sportlicher Veranstaltungen (in der Zukunft), sondern auf "vom Spielprogramm ausgewählte virtuelle Rennen" angeboten worden seien. Nach Wiedergabe des § 53 Abs. 1 Z 1 lit. a GSpG in der Fassung BGBl. I Nr. 73/2010 und des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG sowie der Regelungen des § 4 Abs. 2 und des § 5 GSpG wird festgehalten, dass im Land Oberösterreich eine an § 5 GSpG anknüpfende Regelung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht bestanden habe. Gemäß § 60 Abs. 25 GSpG sei die Novelle BGBl. I Nr. 73/2010 grundsätzlich am Tag nach ihrer Kundmachung, also am 19. August 2010 und damit vor dem im Beschwerdefall maßgeblichen Zeitpunkt in Kraft getreten. Nach § 60 Abs. 25 Z 2 GSpG dürften allerdings Glücksspielautomaten, hinsichtlich derer im genannten Zeitpunkt eine aufrechte landesrechtliche Bewilligung bestanden habe, längstens bis zum 31. Dezember 2014 (bzw. in Sonderfällen bis zum 31. Dezember 2015) betrieben werden. Im Land Oberösterreich stelle sich die Rechtslage für den Zeitraum nach dem 19. August 2010 daher so dar, dass Ausspielungen mittels Glücksspielautomaten, hinsichtlich derer weder eine Konzession oder Bewilligung nach dem GSpG noch eine solche nach dem Oberösterreichischen Spielapparate- und Wettgesetz, LGBl. Nr. 106/2007, in Verbindung mit § 60 Abs. 25 Z 2 GSpG vorliege, jedenfalls ein Eingriff in das Glücksspielmonopol des Bundes bildeten.

Die Behörde erster Instanz sei auf der Grundlage des dargestellten Sachverhalts mit Recht von einer Ausspielung mittels eines Glücksspielgerätes ausgegangen, das Wetten auf virtuelle Hunderennen ermöglicht habe, bei denen das Rennergebnis von vornherein feststand und von den Spielern nicht habe beeinflusst werden können. Die vorliegenden Wetten auf elektronisch aufgezeichnete Hunderennen fänden real gar nicht in der Zukunft statt. Es handle sich daher um Glücksspiele in Form von Wetten auf virtuelle Hunderennen. Nach Erörterung des Vorbringens der beschwerdeführenden Partei hinsichtlich der bloßen Zurverfügungstellung von Internetterminals, die mit einem Rechner auf Malta verbunden seien, wird festgehalten, dass unabhängig davon, ob die Berufungsbehauptungen tatsächlich zuträfen, alleine durch die Zurverfügungstellung des der beschwerdeführenden Partei gehörenden Internetterminals und die Erzielung von regelmäßigen Einnahmen daraus die beschwerdeführende Partei am Angebot der Wetten und des Glücksspiels mittels der virtuellen Hunderennen in einer Weise beteiligt sei. Sie erfülle daher den Unternehmerbegriff des § 2 Abs. 2 GSpG und falle unmittelbar unter den Straftatbestand des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG.

Nach den Ermittlungen der KIAB habe zumindest der begründete Verdacht bestanden, dass die beschwerdeführende Partei selbst zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen unternehmerisch im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG zugänglich gemacht habe. Da das Internetterminal jedenfalls als Gegenstand, mit dem in das Glücksspielmonopol eingegriffen werde, anzusehen sei und nach den Umständen des Vorfindens mit einem fortgesetzten Verstoß gegen § 52 Abs. 1 GSpG durch das Glücksspielgerät hätte gerechnet werden müssen, sei die Beschlagnahme zu Recht erfolgt.

Abschließend ging die belangte Behörde auf das unionsrechtliche Vorbringen in der Berufung ein. Auch aus dem Urteil des EuGH vom 8. September 2010, Rechtssachen C-316/07 u.a. (Markus Stoß. u.a.), ergebe sich keine Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung von Lizenzen zum Anbieten von Glücksspielen. Im Urteil des EuGH vom 9. September 2010, Rechtssache C-64/08 , Engelmann, habe der EuGH im Wesentlichen erkannt, dass Art. 43 EG einer Regelung eines Mitgliedstaates entgegen stehe, die den Betrieb von Glücksspielen in Spielbanken ausschließlich Wirtschaftsteilnehmern mit Sitz im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaates vorbehalte. Das Transparenzgebot, das sich aus Art. 43 und 49 EG, dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ergebe, stehe einer Vergabe sämtlicher Konzessionen für den Betrieb von Spielbanken ohne Ausschreibung entgegen. Aus diesen Entscheidungen des EuGH sei für den gegenständlichen Sachverhalt jedoch nichts zu Gunsten der beschwerdeführenden Partei zu gewinnen. Es sei im Gegenteil bestätigt worden, dass Österreich das allfällige legale Anbieten von Glücksspielen in Malta durch eine dort niedergelassene Limited nicht anerkennen müsse. Die Berufung habe nach Ansicht der belangten Behörde keine hinreichend schlüssige Argumentation vorgebracht, weshalb die österreichische Rechtslage gemäß dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 73/2010 nicht im Sinne der Judikatur des EuGH verhältnismäßig sein solle.

Im Hinblick auf den hinreichend begründeten Verdacht auf einen Eingriff in das Glücksspielmonopol des Bundes sei die Beschlagnahme gemäß § 53 Abs. 1 GSpG rechtmäßig gewesen.

1.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

1.5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat über die Zulässigkeit der Beschwerde erwogen:

2.1. Der angefochtene Bescheid ist nicht an die Beschwerdeführerin, sondern an M W adressiert. Die Berufung, über die mit dem angefochtenen Bescheid abgesprochen wird, wurde von M W erhoben. Es ist daher zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin legitimiert ist, eine Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid zu erheben.

2.2. Nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann - nach Erschöpfung des Instanzenzuges - gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Für die Beurteilung der Beschwerdeberechtigung im Fall einer auf Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG gestützten Beschwerde kommt es darauf an, ob der Beschwerdeführer nach der Lage des Falles durch den angefochtenen Bescheid unabhängig von der Frage seiner Gesetzmäßigkeit in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt werden kann. Es muss zumindest die Möglichkeit bestehen, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem gesetzlich normierten subjektiven Recht verletzt wurde (vgl. die hg. Beschlüsse vom 30. Juni 2006, Zl. 2003/03/0080, 29. Jänner 2009, Zl. 2008/07/0232, oder vom 15. Februar 2011, Zl. 2008/05/0075).

2.3. Der Verwaltungsgerichtshof ist in seiner Rechtsprechung zur Beschlagnahme nach § 53 GSpG davon ausgegangen, dass die Legitimation zur Erhebung einer Berufung gegen einen Beschlagnahmebescheid - unabhängig davon, ob der Berufungswerber formal als Adressat des Bescheides bezeichnet wurde oder nicht - davon abhängig ist, ob nach der anzuwendenden gesetzlichen Grundlage der Beschlagnahmebescheid (allenfalls: auch) an den Berufungswerber zu richten war (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. November 1993, Zl. 93/02/0259, vom 24. Juni 1997, Zl. 94/17/0388, und zuletzt vom 17. Juni 2009, Zl. 2009/17/0054). Der Verwaltungsgerichtshof hat daher einerseits das Berufungsrecht des Eigentümers der beschlagnahmten Sache bejaht, auch wenn der Bescheid nicht an ihn adressiert war, das Berufungsrecht einer Person, die nicht zum Kreis der vom Gesetz genannten Bescheidadressaten gehört, aber andererseits verneint, selbst wenn der Bescheid an ihn gerichtet war (vgl. - insoweit - den hg. Beschluss vom 28. Juni 2011, Zl. 2011/17/0122, zu einem mit dem Beschwerdefall vergleichbaren Sachverhalt der Zustellung eines Beschlagnahmebescheids an den Geschäftsführer der juristischen Person, in deren Eigentum die beschlagnahmte Sache stand).

An dieser Rechtslage hat sich auch durch die Novellen zum Glücksspielgesetz im Jahre 2010 nichts geändert (das Glücksspielgesetz war im Beschwerdefall im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheids in der Fassung BGBl. I Nr. 73/2010, im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010 anzuwenden). Insbesondere gibt etwa die Neufassung des § 54 GSpG über die Einziehung (durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 73/2010), deren Sicherung die hier gegenständliche Beschlagnahme nach § 53 GSpG dient, keinen Anlass, von der dargestellten Rechtsprechung zur Beschlagnahme abzugehen.

2.4. Der Beschwerdeführerin als Eigentümerin des beschlagnahmten Apparats wäre somit das Berufungsrecht in einem Verfahren betreffend die Beschlagnahme eines in ihrem Eigentum stehenden Apparats grundsätzlich zugekommen.

2.5. Im Beschwerdefall, in dem der erstinstanzliche Bescheid weder an den Eigentümer noch an den Veranstalter oder Inhaber im Sinne des Glücksspielgesetzes ergangen ist, ist jedoch noch zu prüfen, ob einem Beschlagnahmebescheid, der nicht an eine der im Gesetz als Adressaten genannten Personen zugestellt wurde, überhaupt Rechtswirkungen zukommt.

2.5.1. Der erstinstanzliche Bescheid war ebenso wie der angefochtene Berufungsbescheid ausdrücklich an den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin M W adressiert. Dieser war jedoch nach dem Vorgesagten nicht Partei des Beschlagnahmeverfahrens betreffend einen im Eigentum der Beschwerdeführerin (einer juristischen Person) stehenden Apparat (vgl. den bereits genannten Beschluss vom 28. Juni 2011, Zl. 2011/17/0122, und oben unter Punkt 2.3.). Ebenso wie eine Beschwerdeerhebung nach § 26 Abs. 2 VwGG immerhin die Zustellung des Bescheids an eine andere Partei des Verfahrens voraussetzt (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 3. Mai 2011, Zl. 2008/05/0253), kann die oben wiedergegebene hg. Rechtsprechung zum Berufungsrecht des Eigentümers gegen einen Beschlagnahmebescheid, selbst wenn dieser nicht formell an ihn gerichtet wurde, nur in jenen Fällen greifen, in denen der Bescheid zumindest an eine der anderen Parteien des Beschlagnahmeverfahrens nach § 53 GSpG ergangen ist. Einem Bescheid, der ausschließlich an den Geschäftsführer der juristischen Person, die Eigentümerin der zu beschlagnahmenden Sache ist, ergeht, kann keine Beschlagnahmewirkung zukommen (vgl. in diesem Sinne bereits das hg. Erkenntnis vom 24. November 1993, Zl. 93/02/0259; eine andere Frage ist es, ob die Erledigung der Berufung des falschen Adressaten - bei Vorliegen der formalen und inhaltlichen Bescheiderfordernisse - als Bescheid wirksam entsteht, was im Hinblick auf die Erledigung eines Berufungsantrags zu bejahen ist).

Auch die Abweisung der Berufung einer Nichtpartei gegen eine als Beschlagnahmebescheid intendierte Erledigung, die nur dieser Nichtpartei zugestellt wurde, entfaltet nicht die Wirkung, dass eine rechtswirksame Beschlagnahmeanordnung in Bescheidform vorläge.

2.5.2. Damit ergibt sich, dass weder dem erstinstanzlichen Bescheid, noch dem angefochtenen Berufungsbescheid die Rechtswirkung der bescheidmäßigen Beschlagnahme nach § 53 GSpG zukam. Die Beschwerdeführerin kann daher durch den angefochtenen Bescheid (der als Erledigung einer Berufung des Adressaten eines an den falschen Adressaten gerichteten Bescheids ungeachtet der Frage, ob er dem Gesetz entspricht, jedenfalls als Bescheid wirksam entstanden ist) nicht in ihren Rechten verletzt sein.

2.6. Die Beschwerde war daher, ohne dass auf die Frage einzugehen war, ob bei einer Sachlage wie der vorliegenden die Nichterschöpfung des Instanzenzuges der Beschwerdelegitimation entgegen stünde, gemäß § 34 Abs. 1 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.

2.7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 15. September 2011

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