VwGH 2011/06/0086

VwGH2011/06/00868.6.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, in der Beschwerdesache des A H in D, vertreten durch Pascher & Schostal Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Zedlitzgasse 1/17, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 26. August 2010, Zl. Ib-333 2009/0001, betreffend Enteignung nach dem Straßengesetz (mitbeteiligte Partei: Stadt D), infolge des Wiedereinsetzungsantrages des Beschwerdeführers vom 4. Mai 2011 und der damit verbundenen Ergänzung seiner Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1 impl;
AVG §71 Abs2 impl;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
AVG §71 Abs2 impl;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;

 

Spruch:

  1. 1) Dem Wiedereinsetzungsantrag wird nicht stattgegeben.
  2. 2) Die Beschwerdeergänzung wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde Grundflächen des Beschwerdeführers zum Zweck der Erwerbes des Eigentums an einer Straße, die durch Verordnung gemäß § 9 Abs. 4 des Vorarlberger Straßengesetzes bedingt zur Gemeindestraße erklärt worden war, ausgesprochen.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 22. Februar 2010, B 1472/10-13, die Behandlung der vom Beschwerdeführer gegen den angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. In der Begründung heißt es unter anderem, die am 4. November 2008 beschlossene am 5. November 2008 kundgemachte Verordnung der Stadtvertretung der Stadt D betreffend die Erklärung zur Gemeindestraße sei nach einer ausreichenden Grundlagenforschung erlassen worden. Aus dem Zustandekommen der Verordnung hätten sich keine Hinweise auf unsachliche Beweggründe für die Erklärung der betreffenden Wege zur Gemeindestraße ergeben.

Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. März 2011 (zugestellt am 11. März 2011) wurde dem Beschwerdeführer zu Handen seiner rechtsfreundlichen Vertreter aufgetragen, näher bezeichnete Mängel der abgetretenen Beschwerde binnen drei Wochen in einem Schriftsatz in dreifacher Ausfertigung zu verbessern. Da der Beschwerdeführer dieser Aufforderung nicht nachkam, wurde das Beschwerdeverfahren mit dem hg. Beschluss vom 27. April 2011, Zl. 2011/06/0034, gemäß § 34 Abs. 2 iVm § 33 Abs. 1 VwGG eingestellt. Dieser Beschluss wurde dem Beschwerdeführer (zu Handen seiner Vertreter) am 4. Mai 2011 zugestellt.

Im nun vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag vom 4. Mai 2011 (zur Post gegeben am 13. Mai 2011), verbunden mit der ausgebliebenen Beschwerdeergänzung, begehrt der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ergänzung der Beschwerde. Daraus und in Verbindung mit der zugleich vorgelegten Erklärung der betreffenden Kanzleikraft vom 9. Mai 2011 heißt es, in der Kanzlei sei die Frist zur Ergänzung der Beschwerde ordnungsgemäß eingetragen und vorgemerkt worden. Die Beschwerdeergänzung sei am 31. März 2011 fertiggestellt und nach Unterfertigung kuvertiert worden. Die betreffende, 19jährige Kanzleikraft sei damit betraut gewesen, die aufzugebenden Poststücke bei einem näher bezeichneten Postamt aufzugeben. Das Poststück sei gemeinsam mit einigen anderen Stücken in ihre Tasche gesteckt worden. Dabei sei es ihr wahrscheinlich passiert, dass die Beschwerdeergänzung in ein anderes Taschenfach gerutscht sei. Dies sei ihr nicht aufgefallen und sie habe nur die anderen Poststücke aufgegeben. Die Beschwerdeergänzung sei in dem anderen Taschenfach unentdeckt geblieben und sei nicht aufgegeben worden (Die Kanzleikraft bringt in ihrer Erklärung dazu ergänzend vor, sie habe wahrscheinlich auf Grund einer Unachtsamkeit den Schriftsatz nicht mit den anderen eingeschrieben aufzugebenden Poststücken in das Hauptfach ihrer Tasche gesteckt, es sei wohl auf Grund einer Unachtsamkeit in ein Nebenfach der Tasche gerutscht, in dem sie sonst nur Dinge aufbewahre, die sie ganz selten benötige. Dies sei ihr nicht aufgefallen und sie habe in diesem Fach auch nicht nachgesehen. Sie sei zur Post gegangen und habe alle eingeschrieben aufzugebenden Poststücke ordnungsgemäß aufgegeben. Da es sich dabei um eine Vielzahl gehandelt habe, sei ihr das Fehlen der Beschwerdeergänzung auch nicht aufgefallen).

Als der Beschluss über die Einstellung des Verfahrens in der Kanzlei der Beschwerdevertreter eingelangt sei und der Aufgabeschein zum Nachweis des Einbringens (der Beschwerdeergänzung) aus dem Akt herausgesucht worden sei, habe festgestellt werden müssen, dass dieser Schein nicht im Akt angebracht worden war. Nachdem der Grund hiefür gesucht wurde, habe sich herausgestellt, dass das Kuvert tatsächlich in der Tasche, welche die betreffende Kanzleikraft am 1. April 2011 zur Arbeit benutzt habe, in ein Seitenfach gerutscht sei.

Dieser Kanzleikraft sei ein solcher Fehler noch nie unterlaufen. Sie habe ihre Tätigkeit als Kanzleiassistentin immer gewissenhaft und sorgfältig ausgeübt. Es sei ihr selbstverständlich bewusst, dass mit der Aufgabe von eingeschriebenen Schriftstücken wichtige gerichtliche und behördliche Fristen verbunden seien und diese nur durch eine rechtzeitige Aufgabe gewahrt werden könnten.

Dieses Versehen der betreffenden Kanzleikraft stelle für den Beschwerdeführer ein unvorhersehbares Ereignis dar und habe ihn an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Verfahrenshandlung, nämlich an der rechtzeitigen Einbringung der Beschwerdeergänzung, gehindert.

Das Versäumnis sei dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 4. Mai 2011 nach der Zustellung des Einstellungsbeschlusses aufgefallen, der Wiedereinsetzungsantrag sei daher rechtzeitig.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn ihr durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach § 46 Abs. 3 VwGG ist der Antrag beim Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Abs. 1 leg. cit. binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

Im Beschwerdefall wird ein Versehen einer Kanzleibediensteten eines Rechtsanwaltes behauptet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt ein Verschulden von Kanzleibediensteten eines Rechtsanwaltes für diesen und damit für die von ihm vertretene Partei nur dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar, wenn der Rechtsanwalt die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht gegenüber den Kanzleiangestellten nachgekommen ist. Der Kanzleibetrieb muss so organisiert sein, dass die fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt ist. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind (für viele siehe beispielsweise den hg. Beschluss vom 17. Dezember 2009, Zl. 2009/07/0172).

Die zweiwöchige Frist zur Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages im Sinne des § 46 Abs. 3 VwGG beginnt mit dem "Aufhören des Hindernisses". Als Hindernis ist dabei jenes Ereignis im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG zu verstehen, das die Fristeinhaltung verhindert hat. Beruht die Versäumung der Frist auf einem Versehen, hört das Hindernis im Sinne des § 46 Abs. 3 VwGG in jenem Zeitpunkt auf, zu welchem dieses Versehen als solches erkannt werden konnte und musste (vgl. dazu beispielsweise den hg. Beschluss vom 18. Februar 2009, Zl. 2009/08/0003 - d.h. in dem Zeitpunkt, indem das Versehen erkannt wurde oder bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte erkannt werden müssen).

Nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag in Verbindung mit der Erklärung der Kanzleiangestellten hat sie den Ergänzungsschriftsatz in ein falsches Fach ihrer Tasche gesteckt, was dazu geführt habe, dass es nicht mit den anderen in der Tasche befindlichen Stücken aufgegeben wurde (dazu ist anzumerken, dass der nunmehrige Ergänzungsschriftsatz ohne das Vorbringen zur Wiedereinsetzung 21 einseitig beschriebene Blätter umfasst, daher in dreifacher Ausfertigung, wie aufgetragen, einen nicht unbeträchtlichen Umfang hat. Aus dem Vorbringen ist weiters abzuleiten, dass dann, wenn Sendungen eingeschrieben aufgegeben werden, der Aufgabeschein zu den Akten genommen wird. Dass dies nicht der Fall war, wurde, so das Vorbringen, (erst) am 4. Mai 2011 nach der Zustellung des Einstellungsbeschlusses bemerkt.

Aus dem Vorbringen ist aber nicht ersichtlich, weshalb es mehr als einen Monat gedauert hat, um das Versehen zu bemerken, insbesondere, warum es nicht früher hervorgekommen ist, dass der zu dem Akt zu nehmende Aufgabeschein nicht vorhanden oder zumindest nicht aufzufinden war.

Damit wurde einerseits kein wirksames Kontrollsystem aufgezeigt, andererseits aber auch nicht dargetan, dass bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt das Versehen erst so spät entdeckt werden konnte, womit auch die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages nicht aufgezeigt wird (zu all dem vgl. die hg. Beschlüsse vom 15. Oktober 2009, Zl. 2009/07/0143, vom 6. März 2008, Zl. 2007/09/0332, wie auch vom 21. November 2001, Zl. 2001/08/0148, und vom 23. April 2003, Zl. 2003/08/0066).

Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher nicht stattzugeben.

Damit erweist sich die Beschwerdeergänzung als verspätet, weshalb sie zurückzuweisen war.

Wien, am 8. Juni 2011

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