VwGH 2009/07/0172

VwGH2009/07/017217.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Jantschgi, über den Antrag 1. des JD, 2. der MAD, beide in P, und 3. des KR in S, alle vertreten durch Dr. Hubert Maier, Rechtsanwalt in 4310 Mauthausen, Vormarktstraße 17, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 9. September 2009, Zl. WA- 2009-602666/2-Mül/Ka, betreffend schutzwasserbauliche Maßnahmen nach § 41 Abs. 1 WRG 1959, sowie über die mit diesem Antrag verbundene Beschwerde, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

1.) Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

2.) Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 10. Juli 2009 erteilte die Bezirkshauptmannschaft P der Marktgemeinde S die wasserrechtliche Bewilligung für schutzwasserbauliche Maßnahmen an der A von der Eisenbahnbrücke abwärts bis zur Brücke B 3c in F, Marktgemeinde S und Stadtgemeinde P.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung an die belangte Behörde.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 9. September 2009 wurde die Berufung der Beschwerdeführer abgewiesen.

Dieser Bescheid wurde den Beschwerdeführern im Wege ihres Rechtsvertreters am 15. September 2009 zugestellt.

Mit dem nun vorliegenden, am 19. November 2009 zur Post gegebenen Antrag begehren die Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid.

Sie begründen dies damit, dass die Kanzleileiterin des Vertreters der Beschwerdeführer den Posteingang sowie die richtige Zuordnung der Poststücke zu den Bezug habenden Akten kontrolliere und seit Jahren selbständig die Fristen im Fristenbuch eintrage. Dies sei auch im vorliegenden Fall geschehen. Als Nachweis der Fristeintragung werde die jeweilige Frist bei der Rechtsmittelbelehrung - im gegenständlichen Fall auf Seite 5 des angefochtenen Bescheides - mit "rotem Kugelschreiber" abgehakt. Erst danach werde der Akt mit dem eingegangenen Schriftstück dem Vertreter der Beschwerdeführer vorgelegt. Im gegenständlichen Fall sei vom Vertreter der Beschwerdeführer "das Vorhandensein des roten Häkchens" kontrolliert worden. Danach sei der Akt zur Ablage der Kanzleileiterin übergeben worden. In diesem Zusammenhang sei es üblich, dass 10 Tage vor Ablauf der Frist die betreffenden Akte von der Kanzleileiterin dem Vertreter der Beschwerdeführer wiederum zur Bearbeitung vorgelegt würden.

Am 17. November 2009 habe sich herausgestellt, dass durch einen Irrtum der Kanzleileiterin "das Ende der Rechtsmittelfrist" nicht wie richtig am 27. Oktober 2009, sondern fälschlich am 27. November 2009 festgehalten worden sei. Dieser Irrtum sei offensichtlich dadurch zustande gekommen, dass die Kanzleileiterin am 15. September 2009 - dem Tag des Eingangs des angefochtenen Bescheides - alleine in der Rechtsanwaltskanzlei tätig gewesen sei und permanent eingehende Telefongespräche zu beantworten gehabt habe. Im Zuge eines derartigen Telefonates habe sie im Terminkalender weitergeblättert und die Frist falsch eingetragen. Dieser Fehler sei dem Vertreter der Beschwerdeführer erst am 17. November 2009 im Zuge der Vorlage des Aktes zur Verfassung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde aufgefallen. Er sei damit durch "ein unabwendbares und unvorhersehbares Ereignis" an der rechtzeitigen Einbringung der Beschwerde gehindert gewesen. Die Kanzleileiterin trage seit mehr als 5 Jahren selbständig sämtliche Fristen im Fristenbuch ein. Dabei sei ihr bis zum vorliegenden Fall noch nie ein Fehler unterlaufen. Dieser sei offensichtlich auf die Stresssituation bedingt durch den Umstand, dass sie allein in der Kanzlei anwesend und durch permanente Telefonate in der Konzentration beeinträchtigt worden sei, zurückzuführen.

Diese Angaben im Wiedereinsetzungsantrag werden durch eine eidesstättige Erklärung der Kanzleileiterin des Beschwerdeführervertreters vom 19. November 2009 bestätigt.

Unter einem führten die Beschwerdeführer die Beschwerde aus und machten gegen den angefochtenen Bescheid aus näher dargestellten Gründen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist auf Antrag der Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt ein Verschulden von Kanzleibediensteten eines Rechtsanwaltes für diesen und damit für die von ihm vertretene Partei nur dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber dem Kanzleiangestellten nachgekommen ist. Der Rechtsanwalt muss den Kanzleibetrieb so organisieren, dass die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt sind. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Die Überwachungspflicht in Bezug auf die richtige Vormerkung von Fristen ist auch dann gegeben, wenn die mit der Führung des Fristvormerks betraute Kanzleibedienstete überdurchschnittlich qualifiziert und verlässlich ist und es auch nach langjähriger einschlägiger Tätigkeit bisher nicht zu Fehlleistungen bzw. Beanstandungen gekommen sein soll. Art und Intensität der vom Rechtsanwalt insoweit ausgeübten Kontrolle sind im Wiedereinsetzungsantrag darzutun (vgl. dazu etwa den hg. Beschluss vom 23. Juni 2008, Zlen. 2008/05/0081, 0082, mwN).

Die Angaben des Vertreters der Beschwerdeführer lassen in seiner Kanzlei ein solches Kontrollsystem nicht erkennen. Folgt man seiner Darstellung, dann trägt die Kanzleileiterin seit Jahren selbständig die Fristen im Fristenbuch ein. Als Nachweis dieser von der Kanzleileiterin selbständig vorgenommenen Fristeintragung gilt ein "rotes Häkchen", das - wie im vorliegenden Fall - bei der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides angebracht wird. Vom Vertreter der Beschwerdeführer wird lediglich das Vorhandensein dieses "roten Häkchens" auf dem Bezug habenden Bescheid kontrolliert.

In diesem Zusammenhang geht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Rechtsanwalt lediglich rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken ohne nähere Beaufsichtigung einer verlässlichen Kanzleikraft überlassen kann. Hingegen ist für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtsmittelfrist stets der Anwalt selbst verantwortlich. Er selbst hat die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seinen Kanzleiangestellten gegebenen Aufsichtspflicht zu überwachen. Tut er dies nicht oder unterläuft ihm hierbei ein Versehen, ohne dass er dartun kann, dass die Fristversäumung auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten des betreffenden Kanzleiangestellten beruht und in seiner Person keinerlei Verschulden vorliegt, so trifft ihn ein Verschulden an der Versäumung. In diesem Zusammenhang darf der Rechtsanwalt die Festsetzung von Fristen nicht völlig einer Kanzleikraft überlassen und sich nur auf stichprobenartige Kontrollen beschränken. Kommt der Rechtsanwalt somit seiner Aufsichts- und Kontrollpflicht nicht nach, so handelt es sich nicht um einen minderen Grad des Versehens (vgl. dazu etwa den hg. Beschluss vom 18. Februar 2009, Zl. 2009/08/0014, mwN).

Der im Wiedereinsetzungsantrag dargestellte Ablauf überlässt der Kanzleileiterin des Beschwerdeführervertreters eigenverantwortlich die Eintragung der Fristen im Fristenbuch. Das dargestellte System der unkontrollierten Eintragung von Fristen in das Fristenbuch ruft eine Fehlerquelle an jener Stelle des Systems hervor, der die entscheidende Warnfunktion vor Fristablauf zukommt. Die ausschließliche Überprüfung des Vorhandenseins eines "roten Häkchens" auf den jeweiligen Einlaufstücken - im vorliegenden Fall dem Bescheid der belangten Behörde vom 9. September 2009 - wird den dargestellten Kontrollerfordernissen keinesfalls gerecht. Der dargestellte Ablauf einer Kontrolle der Terminwahrnehmung hat die Erstattung des Beschwerdeschriftsatzes vor Ablauf der Frist nicht gewährleistet. Von einem minderen Grad des Versehens kann daher nicht gesprochen werden, weshalb dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 Abs. 1 VwGG nicht stattzugeben war.

Bei diesem Ergebnis ist auch die Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 17. Dezember 2009

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