VwGH 2005/05/0176

VwGH2005/05/017614.10.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde der Regina Schwarz in Wien, vertreten durch Dr. Georg Legat, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 9/11, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 26. April 2005, Zl. BOB - 683/04, betreffend einen Bauauftrag, zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;
B-VG Art130 Abs2;
VwRallg;
BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;
B-VG Art130 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien (in der Folge: BO) als Eigentümerin der Baulichkeit aufgetragen, das auf einer näher bezeichneten Liegenschaft errichtete Kleingartenwohnhaus binnen sechs Monaten nach Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführerin sei mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom 27. Mai 2004, auf der im Kleingartengebiet liegenden Liegenschaft die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Kleingartenwohnhauses mit einer Länge von 5,35 m, einer Breite von 6,80 m und einer Höhe von 5,00 m erteilt worden. Die Beschwerdeführerin habe jedoch abweichend vom Konsens ein Gebäude errichtet, welches um bis zu 2,60 m zu lang und bis zu 1,00 m zu hoch sei. Auf Grund der festgestellten Abweichungen von den bewilligten Gebäudemaßen liege ein "aliud - ein gänzlichen anderes als das bewilligte Kleingartenwohnhaus - vor, dessen Errichtung … einer Bewilligung bedarf".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Nichterteilung eines Bauauftrages verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Grundstück, auf welchem das vom Bauauftrag betroffene Gebäude errichtet wurde, ist als "Grünland - Erholungsgebiet - Kleingartengebiet" gewidmet, auf diese Fläche ist daher das Wiener Kleingartengesetz 1996 anzuwenden.

Gemäß § 8 Abs. 1 Wiener Kleingartengesetz 1996 ist für Neu-, Zu- und Umbauten von auf entsprechend gewidmeten Grundstücken errichteten Kleingartenhäusern eine Baubewilligung erforderlich.

Die Beschwerdeführerin erachtet den angefochtenen Bescheid deshalb für rechtswidrig, weil im Spruch keine Bezugnahme auf die Baubewilligungspflicht nach § 8 Abs. 1 Wiener Kleingartengesetz 1996 enthalten ist. Es fehle auch die Zitierung der Bestimmung des Wiener Kleingartengesetzes 1996 gegen die die beanstandete Bauführung verstoßen soll.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen einen Bescheid der Baubehörde erster Instanz, mit welchem ein baubehördlicher Auftrag zur Entfernung des Kleingartenwohnhauses gemäß § 129 Abs. 10 BO erteilt wurde, gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen. Die Abweisung der Berufung als unbegründet ist so zu werten, als ob die Berufungsbehörde einen mit dem erstinstanzlichen Bescheid übereinstimmenden neuen Bescheid erlassen hätte. Damit hat die Berufungsbehörde den Spruch der Behörde erster Instanz zum Inhalt ihres Bescheides gemacht. In diesem Fall bedarf es keiner Wiederholung des erstinstanzlichen Bescheidspruches (siehe die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), Seite 1301, referierte hg. Rechtsprechung). Die Baubehörde erster Instanz hat in der hier zu beurteilenden Verwaltungsrechtssache die von ihr bei Erlassung des Bauauftrages angewendete Gesetzesbestimmung (§ 129 Abs. 10 BO) - wie in § 59 AVG gefordert -

angeführt. Ein Bescheid ist auch nicht schon dann rechtswidrig, wenn er die tragende Rechtsnorm nicht angibt, sondern nur dann, wenn eine solche überhaupt nicht vorhanden ist. Die fehlende Zitierung des § 8 Abs. 1 Wiener Kleingartengesetz 1996 im Spruch bewirkt daher keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Rechtswidrig wäre der angefochtene Bescheid nur dann, wenn auch seine Begründung allfällige Zweifel über die angewendeten Rechtsvorschriften nicht beseitigen könnte (vgl. die bei Walter/Thienel, a.a.O, Seite 1011, wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die festgestellten Abweichungen der Ausmaße des tatsächlich ausgeführten Baues vom konsentierten Gebäude von einem rechtlichen "aliud" auszugehen ist. Die Baubewilligung wird nämlich für ein durch seine Größe und Lage bestimmtes Vorhaben erteilt, sodass ein solches Abweichen hievon, wie im angefochtenen Bescheid festgestellt, eine neuerliche Baubewilligung erfordert (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Juli 2003, Zl. 2002/05/1517).

Die Beschwerdeführerin hat nie in Zweifel gezogen, dass das von ihr errichtete Gebäude ein Kleingartenhaus im Sinne des § 2 Abs. 7 Wiener Kleingartengesetz 1996 ist. Der Neubau eines solchen Gebäudes ist aber gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. bewilligungspflichtig. Für das beschwerdegegenständliche Gebäude fehlt jedoch die erforderliche baubehördliche Bewilligung.

Gemäß § 129 Abs. 10 BO ist ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erwirkt worden ist, zu beseitigen. Diese Bestimmung ist gemäß § 1 Abs. 2 Wiener Kleingartengesetz 1996 im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzuwenden. Der angefochtene Bauauftrag erfolgte daher zu Recht. Daran ändert auch eine - allenfalls anzunehmende - Vermutung der Rechtmäßigkeit eines Altbestandes, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, nichts. (Nach dem Beschwerdevorbringen war auf dem Baugrundstück bis Juli 2004 ein Haus errichtet). Durch den erfolgten Abbruch ist nämlich der (allenfalls auch vermutete) Konsens dieses Gebäudes untergegangen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 1. September 1998, Zl. 98/05/0060, und vom 17. Februar 1994. Zl. 93/06/0223). Da somit für das gesamte errichtete Gebäude der Konsens fehlt, hatte sich der Auftrag auch auf das gesamte Gebäude zu beziehen.

Auch mit ihrem Einwand, die belangte Behörde hätte die wirtschaftliche Zumutbarkeit bei Erlassung des Beseitigungsauftrages berücksichtigen müssen, zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit auf. Für die Erlassung eines Beseitigungsauftrages gemäß § 129 Abs. 10 BO ist es ausreichend, dass für die bestehende bewilligungspflichtige Baulichkeit eine behördliche Bewilligung nicht vorliegt, obwohl die Baulichkeit sowohl zum Zeitpunkt ihrer Errichtung als auch zum Zeitpunkt der Auftragserteilung einer baubehördlichen Bewilligung bedurft hätte. Eine wirtschaftliche Abwägung sieht die Bauordnung dabei nicht vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. März 2000, Zl. 99/05/0288).

Die belangte Behörde hat mit der Erlassung des Beseitigungsauftrages auch nicht gegen das "Prinzip der Verhältnismäßigkeit" verstoßen, wie in der Beschwerde ausgeführt wird. Die an die Baubehörde gerichtete Anordnung, dass "gegebenenfalls Aufträge erteilt werden können", bedeutet, dass die Behörde von Amts wegen bei jeder Abweichung bzw. Vorschriftswidrigkeit im Sinne des § 129 Abs. 10 erster Satz BO einen Auftrag erteilen muss, sofern nicht der Verpflichtete selbst im Sinne der gesetzlichen Anordnung die Abweichung von den Bauvorschriften behebt oder den vorschriftswidrigen Bau beseitigt. Der Behörde ist nur insofern ein Gestaltungsspielraum bei der Durchführung des Bauauftragsverfahrens nach § 129 Abs. 10 BO eingeräumt, als ihr die Möglichkeit an die Hand gegeben ist, mit der Erlassung des Bauauftrages zuzuwarten und dieses - vorläufige -

Unterbleiben eines Auftrages sachlich gerechtfertigt ist (vgl. die bei Moritz, Bauordnung für Wien, Kurzkommentar samt Durchführungsverordnungen und Nebenbestimmungen, Seite 301, genannten Beispiele für das Zuwarten mit der Erteilung des Bauauftrages, und das hg. Erkenntnis vom 21. Juli 2005, Zl. 2004/05/0023). Die persönliche Situation der Beschwerdeführerin und ihre Motive sind kein im Gesetz vorgesehener Grund, vom Beseitigungsauftrag Abstand zu nehmen, auch dann nicht, wenn keine Gefahr im Verzug besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2005, Zl. 2005/05/0075). Sachliche Gründe für ein Zuwarten mit der Erlassung des Bauauftrages hat die Beschwerdeführerin nicht vorgebracht und sind auch aus den vorliegenden Verwaltungsakten nicht zu entnehmen. Der Antrag der Beschwerdeführerin, eine Widmungsänderung des betroffenen Grundstückes vorzunehmen, ist jedenfalls kein Grund für die Behörde, von der Erlassung eines Bauauftrages gemäß § 129 Abs. 10 BO Abstand zu nehmen.

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, Eigentümerin des errichteten Gebäudes zu sein. Ein Bauauftrag an den vom Gebäude verschiedenen Grundeigentümer kommt nicht in Betracht. In einem solchen Fall ist vielmehr der Auftrag immer an den Eigentümer (alle Miteigentümer) des Gebäudes oder der baulichen Anlage zu richten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1993, Zl. 92/05/0322).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 14. Oktober 2005

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