VwGH 2010/22/0217

VwGH2010/22/02173.3.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der A, vertreten durch Mag. Britta Schönhart, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Schulerstraße 1-3/3/48, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 10. November 2010, Zl. 148.393/8- III/4/10, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

NAG 2005 §47 Abs3 Z3 lita;
NAG 2005 §47 Abs3 Z3 litc;
NAG 2005 §47 Abs3;
NAG 2005 §8 Abs2 Z5;
VwRallg;
NAG 2005 §47 Abs3 Z3 lita;
NAG 2005 §47 Abs3 Z3 litc;
NAG 2005 §47 Abs3;
NAG 2005 §8 Abs2 Z5;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer philippinischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 47 Abs. 3 Z 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin strebe die Familienzusammenführung mit ihren Wahleltern, die österreichische Staatsbürger seien, an. Es sei sohin zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin ein "sonstiger Angehöriger" im Sinn des § 47 Abs. 3 Z 3 NAG sei, wobei hier nur die lit. a oder b dieser Bestimmung in Betracht kämen. Danach müsste die Beschwerdeführerin vom Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen haben (lit. a) oder mit dem Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt und Unterhalt bezogen haben (lit. b).

Die Beschwerdeführerin habe dazu im Verfahren vorgebracht, seit ihrem siebenten Lebensjahr bis zum Abschluss der Berufsausbildung von den Wahleltern finanziell unterstützt worden zu sein. Einen gemeinsamen Wohnsitz im Herkunftsstaat habe es nie gegeben. Die finanziellen Unterstützungen hätten aber im Jahr 2005 geendet, weil die Beschwerdeführerin in diesem Jahr ihre Berufsausbildung als "EDV-Programmiererin (Informatikstudium)" beendet habe und seitdem über ein eigenes Einkommen verfüge. Auch aktuell leisteten die Wahleltern keinen Unterhalt.

In ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, unter "Unterhalt" seien Leistungen zur Sicherstellung des Lebensbedarfes einer Person zu verstehen. Daraus ergebe sich, dass ein Antragsteller die Unterhaltsleistungen benötigen müsse, um im Herkunftsstaat seine Grundbedürfnisse abdecken zu können, damit die Kriterien des § 47 Abs. 3 NAG erfüllt seien. Es müsse in diesem Sinne ein Bedarf vorliegen, der hier gerade nicht gegeben sei, weil die Beschwerdeführerin seit 2005 über ein eigenes Einkommen verfüge. Zwar seien zweifellos davor von den Wahleltern Unterhaltsleistungen an die Beschwerdeführerin erfolgt. Da diese aber im Jahr 2005 geendet hätten, bestehe kein zeitlicher Zusammenhang zwischen den damaligen Unterhaltsleistungen und der nunmehrigen Antragstellung. Obwohl der Wortlaut des Gesetzes diesen "zeitlichen Zusammenhang" nicht verlange, ergebe sich jedoch aus dem Zweck der Bestimmung über den Familiennachzug, dass nach § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG (nur) jenen Angehörigen der Zuzug ermöglicht werden solle, die auf Unterhaltsleistungen des Zusammenführenden angewiesen seien. Dies bedeute, dass ein Zuzug von Angehörigen, die weder finanziell noch auf Grund von gesundheitlichen Gründen vom Zusammenführenden abhängig seien, von § 47 Abs. 3 Z 3 NAG nicht umfasst werde.

Da es im vorliegenden Fall an einer besonderen Erteilungsvoraussetzung mangle, sei auch eine Prüfung nach Art. 8 EMRK nicht vorzunehmen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde erwogen:

In der Beschwerde wird ausdrücklich eingeräumt, dass die Beschwerdeführerin mit ihren Adoptiveltern nie zusammengelebt hat. Fallbezogen scheidet daher die Erteilung der begehrten Niederlassungsbewilligung aus dem Grund des § 47 Abs. 3 Z 3 lit. b NAG von vornherein aus.

Der hier sohin allein in Betracht kommende § 47 Abs. 3 Z 3

lit. a NAG (samt Überschrift) lautet:

"Familienangehörige und andere Angehörige

von dauernd in Österreich wohnhaften Zusammenführenden Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" und "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger"

§ 47. …

(3) Angehörigen von Zusammenführenden im Sinne des Abs. 1 kann auf Antrag eine quotenfreie "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

3. sonstige Angehörige des Zusammenführenden sind,

a) die vom Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat

Unterhalt bezogen haben.

Unbeschadet eigener Unterhaltsmittel hat der Zusammenführende

jedenfalls auch eine Haftungserklärung abzugeben.

..."

In der Beschwerde werden die behördlichen Feststellungen, wonach seitens der als Zusammenführende anzusehenden Adoptiveltern seit dem Jahr 2005 keine Unterhaltsleistungen mehr an die Beschwerdeführerin erfolgt seien, ausdrücklich bestätigt. Es wird jedoch vorgebracht, ungeachtet dessen, dass die letzte Unterhaltszahlung am 14. März 2005 stattgefunden habe, sei ein zeitlicher Zusammenhang mit der Antragstellung vom 28. April 2005 (via Österreichischer Botschaft Manila) gegeben. Bei der Beurteilung komme es lediglich auf die zuletzt vor Antragstellung gegebenen Verhältnissen an. Änderungen im darauf folgenden Verfahren seien nicht relevant.

Dieser Ansicht kann nicht beigepflichtet werden.

Voranzustellen ist, dass die belangte Behörde grundsätzlich dem angefochtenen Bescheid die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zugrunde zu legen hatte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2010, 2008/22/0882, mwN).

Die belangte Behörde legt ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Auffassung zugrunde, der hier in Betracht kommende § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG umfasse lediglich jene Angehörigen, die - bis zuletzt - auf Unterhaltsleistungen des Zusammenführenden angewiesen seien. Diese Ansicht kann im Ergebnis nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Würde nämlich die Ansicht der Beschwerdeführerin zutreffen, wonach es reiche, dass sie vom Zusammenführenden irgendwann vor Antragstellung (oder bloß im Zeitpunkt der Antragstellung, was aber schon nach dem Beschwerdevorbringen nicht vorlag) im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen hätte, würde dies weder dem Wortlaut der Bestimmung des § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG noch der Intention des § 47 Abs. 3 NAG gerecht. Bei Zutreffen der Beschwerdeansicht würde nämlich das in dieser Bestimmung enthaltene Wort "bereits" überflüssig sein. Darüber hinaus ergibt sich, betrachtet man die Fälle des § 47 Abs. 3 NAG, dass der Gesetzgeber nur jenen Angehörigen - die Angehörigeneigenschaft hat gerade im Rahmen der Z 3 des § 47 Abs. 3 NAG in ihrem familienrechtlichen Verhältnis zwischen Zusammenführenden und Nachziehenden keine Einschränkung erfahren (vgl. zum Begriff des "sonstigen Angehörigen" des Näheren das hg. Erkenntnis vom 3. April 2009, 2008/22/0864) - die Möglichkeit des "Familiennachzuges" einräumen wollte, wenn ein - in den Fällen des § 47 Abs. 3 NAG näher definiertes, aber nicht zwingend finanzielles (vgl. etwa § 47 Abs. 3 Z 3 lit. c NAG) - Abhängigkeitsverhältnis zwischen Zusammenführenden und Nachziehenden gegeben ist.

Dann aber ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber in den Fällen des Familiennachzuges des § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG nicht nur auf eine in der Vergangenheit liegende Unterhaltsleistung ohne jeglichen Zusammenhang mit dem Zeitpunkt des in Aussicht genommenen Nachzuges, sohin regelmäßig mit dem Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels, abstellen wollte, wodurch dann aber auch die Verwendung des Wortes "bereits" in der genannten Bestimmung nicht seiner Bedeutung entkleidet wird.

Eine solche Interpretation wird dadurch erhärtet, dass auch in den Fällen der Z 3 des § 47 Abs. 3 NAG der Zusammenführende - ebenso wie in den Fällen des § 47 Abs. 3 Z 1 und Z 2 NAG, in denen lediglich eine gegenwärtige Unterhaltsleistung gefordert wird, nicht aber (zusätzlich) eine vergangene - der Gesetzgeber angeordnet hat, dass der Zusammenführende unbeschadet eigener Unterhaltsmittel des Nachziehenden eine Haftungserklärung abzugeben hat. Auch dadurch tritt zutage, dass der Gesetzgeber bei der Familienzusammenführung nach § 47 Abs. 3 NAG in erster Linie jene Angehörigen im Blick hatte, die während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet auf Unterhaltsmittel des Zusammenführenden angewiesen sind (vgl. in diesem Zusammenhang auch § 8 Abs. 2 Z 5 NAG, wonach eine "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht berechtigt).

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin steht dieses Ergebnis auch nicht im Widerspruch mit dem von ihr ins Treffen geführten hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2007, 2006/21/0357. Der Verwaltungsgerichtshof führte in diesem Erkenntnis aus, dass es, was die Frage der häuslichen Gemeinschaft bzw. von Unterhaltsleistungen bereits im Herkunftsstaat anlange, nach den in Rede stehenden Bestimmungen - dort war ebenfalls § 47 Abs. 3 NAG gegenständlich - nur auf die zuletzt vor Verlassen des Heimatlandes gegebenen Verhältnisse ankomme. Fallbezogen konnte im damaligen Fall aber nicht festgestellt werden, dass zwischen dem dortigen Beschwerdeführer und dem Zusammenführenden bis zu seiner Ausreise aus seinem Heimatland eine häusliche Gemeinschaft bestanden oder er von jenem noch während seines dortigen Aufenthalts Unterhaltsleistungen bekommen hätte. In diesem Fall war demnach der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung in Österreich aufhältig, wobei - ausschließlich - Unterhaltsleistungen des Zusammenführenden in Österreich behauptet wurden, was aber schon nach dem Wortlaut des § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nicht ausreichend war. Ob allein irgendwann in der Vergangenheit gewährte, später aber dann eingestellte Unterhaltsleistungen für die Erteilung des Aufenthaltstitels hinreichend gewesen wären, war hingegen nicht Inhalt der zitierten Entscheidung.

Demgegenüber hielt sich im vorliegenden Fall die Beschwerdeführerin bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides in ihrem Heimatland auf. Nach dem oben Gesagten hat die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung aber zu Recht - auch bezogen auf die im Heimatland erfolgten Unterleistungen - auf jenen Sachverhalt, wie er sich ihr bis zur Erlassung des Bescheides präsentierte, abgestellt.

Es ist sohin nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde infolge der seit dem Jahr 2005 nicht mehr seitens der Zusammenführenden gewährten Unterhaltsleistungen davon ausging, die Beschwerdeführerin sei nicht als "sonstige Angehörige" im Sinn des § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG anzusehen, weshalb eine für die Erteilung der begehrten Niederlassungsbewilligung geforderte besondere Erteilungsvoraussetzung nicht vorliege.

Soweit die Beschwerdeführerin noch näher ausführt, welche Gründe nach Art. 8 EMRK zu ihren Gunsten zu berücksichtigen gewesen wären, ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde zutreffend festgehalten hat, im Fall des Fehlens besonderer Erteilungsvoraussetzungen habe eine derartige Prüfung nicht stattzufinden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. September 2010, 2008/22/0368, mwN).

Da sohin schon der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Wien, am 3. März 2011

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