VwGH 2010/08/0168

VwGH2010/08/016821.12.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der IH in Wien, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Walfischgasse 12/3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 23. Juni 2010, Zl. 2010-0566-9-001685, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §12 Abs3 lith;
AlVG 1977 §12 Abs3 lith;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine gelernte Restaurantfachfrau, die zuletzt als Kellnerin beschäftigt war, stand vom 3. Januar bis 30. April 2010 im Bezug von Arbeitslosengeld. Am 30. April 2010 gab sie in der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice H (in der Folge: AMS) telefonisch bekannt, dass sie ab dem 1. Mai 2010 in einem Dienstverhältnis stehe.

Mit Bescheid des AMS vom 14. Mai 2010 wurde gemäß § 24 Abs. 2 AlVG der Arbeitslosengeldbezug für den 6. April 2010 sowie den Zeitraum vom 8. bis 30. April 2010 widerrufen und die Beschwerdeführerin gemäß § 25 Abs. 1 leg. cit. zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in Höhe von EUR 619,44 verpflichtet. Dies wurde damit begründet, dass die Beschwerdeführerin in jenem Zeitraum bei der Firma S-OG in einem Dienstverhältnis gestanden sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wendete die Beschwerdeführerin ein, die Beschäftigungsmöglichkeit bei der S-OG selbst gefunden zu haben. Sie habe am 6. April 2010 bei dieser Firma lediglich Schnupperstunden absolviert; ab 8. April sei ein geringfügiges Dienstverhältnis vereinbart worden, welches sie dem AMS unverzüglich gemeldet habe, seit 1. Mai sei sie bei derselben Firma vollversichert beschäftigt.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. In der Bescheidbegründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens aus, dass die Beschwerdeführerin laut einer Abfrage beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger am 6. April 2010 in einem voll versicherungspflichtigen, vom 8. April 2010 bis 30. April 2010 in einem geringfügigen Dienstverhältnis sowie ab 1. Mai 2010 wieder in einem vollversicherten Dienstverhältnis bei der Firma S-OG gestanden sei. In einem Rückruf der belangten Behörde bei der Firma S-OG seien diese Anmeldungszeiträume bestätigt und angegeben worden, dass am 6. April ein Schnuppertag vereinbart gewesen, dieser auf jeden Fall voll versicherungspflichtig anzumelden gewesen sei und die Beschwerdeführerin auch das entsprechende Entgelt für diesen Tag erhalten habe.

Davon ausgehend kam die belangte Behörde neben Zitierung der maßgeblichen Bestimmungen zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin nicht als arbeitslos nach § 12 Abs. 3 lit. h AlVG anzusehen sei, weil sie nach dem erwähnten eintägigen Dienstverhältnis (am 6. April) innerhalb eines Monats vom 8. bis 30. April 2010 beim selben Arbeitgeber als geringfügiger Dienstnehmer beschäftigt gewesen sei. Eine rechtzeitige Meldung seitens der Beschwerdeführerin sei weder hinsichtlich dieses Schnuppertages spätestens am 7. April, noch betreffend das geringfügige Dienstverhältnis spätestens am 9. April in dem zur Person der Beschwerdeführerin aufliegenden Papierakt und den über EDV geführten Aufzeichnungen des AMS ersichtlich. Die Berufungsangabe der unverzüglichen Meldung der Tätigkeit gegenüber dem AMS beziehe sich offensichtlich auf die Meldung der Beschwerdeführerin am 30. April; diese Meldung sei somit jedenfalls zu spät. Tatsächlich sei dem AMS das voll versicherungspflichtige Dienstverhältnis vom 6. April 2010 jedoch erst am 11. Mai 2010 bekannt geworden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 ist arbeitslos, wer eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat (Z. 1), nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt oder dieser ausschließlich auf Grund des Weiterbestehens der Pflichtversicherung für den Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt oder eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt oder eine Urlaubsabfindung gewährt wird (§ 16 Abs. 1 lit. k und l), unterliegt (Z. 2) und keine neue oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt (Z. 3).

Nach Abs. 3 dieser Bestimmung gilt als arbeitslos insbesondere nicht, wer in einem Dienstverhältnis steht (lit. a) sowie, wer beim selben Dienstgeber eine Beschäftigung aufnimmt, deren Entgelt die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, es sei denn, dass zwischen der vorhergehenden Beschäftigung und der neuen geringfügigen Beschäftigung ein Zeitraum von mindestens einem Monat gelegen ist (lit. h).

Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist, wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen.

Nach § 25 Abs. 1 erster Satz leg. cit. ist bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

Gemäß § 50 Abs. 1 AlVG sind Bezieher von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung verpflichtet, die Aufnahme einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 AlVG unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle anzuzeigen. Diese Verpflichtung besteht selbst dann, wenn nach Auffassung des Leistungsempfängers diese Tätigkeit den Leistungsanspruch nicht zu beeinflussen vermag (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 26. November 2008, Zl. 2007/08/0191, mwN).

Die Beschwerdeführerin rügt eine unrichtige Anwendung von § 12 Abs. 3 lit. h AlVG. Dazu bringt sie vor, dass sie im Rahmen des absolvierten "Schnuppertages" während einer Zeit von acht Stunden (nur) einfache Hilfsdienste (wie Tellertragen) zur Unterstützung des Stammpersonals verrichtet habe, um so den Betrieb kennenzulernen, wofür sie eine einmalige Zahlung von EUR 35,-- erhalten habe. Die Beschwerdeführerin vermeint, dass es sich somit dabei um keine die Arbeitslosigkeit beendende Beschäftigung gehandelt habe, sodass in Folge der Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung bei der gleichen Firma nicht die Rechtsfolgen der von der belangten Behörde angewendeten Bestimmung ausgelöst werden können.

Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden:

Soweit sich die Beschwerdeführerin zu ihrer Argumentation zur "Schnuppertätigkeit" auf das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 2007, Zl. 2006/08/0260, stützt, wonach "nicht jedes Dienstverhältnis bereits mit seinem Antritt die Arbeitslosigkeit beendet, sondern vielmehr eine gewisse Dichte in zeitlicher und einkommensmäßiger Hinsicht erreicht werden muss, um Arbeitslosigkeit auszuschließen", ist ihr entgegenzuhalten, dass sie nach ihrem Beschwerdevorbringen - im Gegensatz zu dem Fall, der dem von ihr ins Treffen geführten Erkenntnis zu Grunde lag - nicht bloß ein paar, sondern durchgehend acht Stunden und somit einen ganzen Arbeitstag lang bei der S-OG (einem Gastronomie- und Cateringservice) diese (Hilfs)Dienste (zum Kennenlernen) verrichtet habe. Selbst vor diesem Hintergrund begegnet es keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde hinsichtlich dieses Tages das Vorliegen eines der Vollversicherungspflicht (gemeint wohl: nach dem ASVG) unterliegendes Dienstverhältnisses bejaht hat (und deshalb vom genannten Unternehmen zu Recht eine entsprechende Anmeldung der Beschwerdeführerin als Arbeiterin beim Sozialversicherungsträger vorgenommen wurde).

Demnach stand die Beschwerdeführerin am 6. April 2010 in einem vollversicherten Beschäftigungsverhältnis, an welches sich zwei Tage später eine geringfügige Beschäftigung beim selben Dienstgeber anschloss. Damit ist aber die vom Gesetzgeber angenommene Missbrauchsmöglichkeit des vom jeweiligen Bedarf des Arbeitgebers abhängigen Wechsels des Arbeitnehmers in ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis bei (teilweiser) Substitution des Entgeltausfalles durch Arbeitslosengeld indiziert. Für eine dahingehend einschränkende Interpretation des § 12 Abs. 3 lit. h AlVG, dass - wie von der Beschwerdeführerin angestrebt - ganztägige "Schnuppertätigkeiten" unberücksichtigt bleiben, besteht in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts dieser verfassungsrechtlich unbedenklichen (mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201, als § 12 Abs. 3 lit. i AlVG in Kraft gesetzten) Bestimmung (vgl. dazu auch die hg. Erkenntnisse vom 23. Februar 2000, Zl. 98/08/0179 und vom 5. November 2003, Zl. 99/08/0078) kein Raum.

Den (weiteren) Feststellungen der belangten Behörde, wonach die Beschwerdeführerin weder dieses eintägige vollversicherte Beschäftigungsverhältnis noch in weiterer Folge ihre (innerhalb eines Monats bei demselben Arbeitgeber begonnene) geringfüge Beschäftigung rechtzeitig dem AMS gemeldet habe und die Beschäftigung vom 6. April 2010 dem AMS erst am 11. Mai (und damit nachträglich) bekannt geworden sei, wird in der Beschwerde nicht entgegengetreten.

Mit der Unterlassung dieser Meldungen hat die Beschwerdeführerin maßgebliche Tatsachen für das Bestehen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld verschwiegen und dadurch offenkundig den (unberechtigten) Bezug herbeigeführt. Die belangte Behörde ist daher insgesamt im Recht, wenn sie sowohl die Voraussetzungen für den Widerruf der Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gemäß § 24 Abs. 2 iVm § 12 Abs. 3 lit. h AlVG als auch für die Rückforderung des Arbeitslosengeldes nach § 25 leg. cit. für den 6. April und für den Zeitraum vom 8. bis 30. April 2010 als gegeben sah.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 21. Dezember 2011

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