VwGH 2009/18/0019

VwGH2009/18/001921.11.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der C A (vormals K) in W, vertreten durch Mag. Irene Haase, Rechtsanwältin in 1230 Wien, An der Au 9, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. September 2008, Zl. E1/324.328/2008, betreffend Aufhebung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §66;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer nigerianischen Staatsangehörigen, auf Aufhebung des gegen sie mit Bescheid vom 2. Juni 2003 erlassenen, für die Dauer von zehn Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes gemäß § 65 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ab.

Begründend führte sie im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei am 8. März 1999 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe einen Asylantrag gestellt, der im Instanzenzug mit Bescheid vom 15. März 2000 abgewiesen worden sei. Sie habe ihren Aufenthalt in Österreich unrechtmäßig fortgesetzt und am 5. September 2000 einen österreichischen Staatsbürger geheiratet. Am 12. Februar 2001 sowie am 26. April 2001 sei die Beschwerdeführerin jeweils wegen der illegalen Ausübung der Prostitution nach dem Wiener Prostitutionsgesetz rechtskräftig bestraft worden. Ein am 13. Juli 2001 gestellter Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung sei rechtskräftig abgewiesen worden.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 7. November 2002 sei die Beschwerdeführerin gemäß § 15 StGB und § 28 Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, davon 10 Monate bedingt nachgesehen, rechtskräftig verurteilt worden, weil sie am 28. September 2002 eine große Menge Suchtgift, nämlich 331 Gramm Kokain oder Heroin, erworben und an einen Dritten weitergeben habe wollen, damit das Suchtgift in Verkehr gesetzt werde. Dabei sei sie von der Polizei betreten worden.

Mit Bescheid vom 2. Juni 2003 sei das für die Dauer von zehn Jahren befristete Aufenthaltsverbot erlassenen worden.

Dem nunmehrigen Antrag vom 17. Oktober 2006 liege zugrunde, dass mit Verfügung vom 17. Februar 2006 die endgültige Nachsicht des bedingt nachgesehenen Teils der Freiheitsstrafe verfügt worden sei, das Strafgericht somit von einer positiven Zukunftsprognose überzeugt und von keiner Rückfallgefahr der Beschwerdeführerin auszugehen sei. Laut ergänzendem Berufungsvorbringen sei die Verurteilung getilgt, und die Beschwerdeführerin habe durch ihr Wohlverhalten und ihre regelmäßige Beschäftigung bewiesen, dass sie in der Lage sei, sich durch Integration in Österreich zu verfestigen. Sie habe ein Interesse an einem Verbleib in Österreich, das - so die belangte Behörde in ihrer weiteren Wiedergabe des Vorbringens - in der von ihr zu gewärtigenden Gefahr für ihr Leben in Nigeria begründet sei.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin der durch das Aufenthaltsverbot bestehenden Ausreiseverpflichtung bis dato nicht nachgekommen sei. Auch ihre Festnahme und die rechtmäßig verhängte Schubhaft hätten sie nicht zur Ausreise bewegen können. Die Beschwerdeführerin habe vielmehr einen weiteren Asylantrag eingebracht, das Verfahren sei zwischenzeitig jedoch rechtskräftig eingestellt worden. Mit rechtskräftigem Straferkenntnis vom 24. Jänner 2005 sei die Beschwerdeführerin wegen ihres unrechtmäßigen Aufenthaltes bestraft worden. Demgegenüber erweise sich der Umstand, dass die dem Aufenthaltsverbot zugrunde liegende strafgerichtliche Verurteilung zwischenzeitlich getilgt worden sei, von untergeordneter Relevanz. Einerseits bestehe keine Bindung der Fremdenpolizeibehörde an die Vorschriften des Tilgungsgesetzes, zum anderen sei bei Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes davon auszugehen, dass die Behörden von einem Wohlverhalten während dessen Gültigkeitsdauer ausgingen. Im Hinblick auf das geradezu beharrliche Fehlverhalten seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei die Annahme gerechtfertigt, dass die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG gegeben seien. Daran könne weder die Tilgung des Strafurteiles noch das Wohlverhalten der Beschwerdeführerin in strafgerichtlicher Hinsicht etwas ändern.

Im Rahmen der gemäß § 66 FPG durchzuführenden Interessenabwägung führte die belangte Behörde aus, dass das bisherige Gesamt(fehl)verhalten der Beschwerdeführerin ihre offenbare Ignoranz gegenüber wesentlichen, in Österreich gültigen Rechtsvorschriften erkennen lasse, weshalb eine zu ihren Gunsten ausfallende Verhaltensprognose nicht möglich sei. Dass die Beschwerdeführerin eigenen Angaben zufolge in ihrer Heimat bedroht werde, könne daran nichts ändern. Ein Asylverfahren sei bereits rechtskräftig "negativ beendet" worden, ein weiteres habe eingestellt werden müssen, weil sich die Beschwerdeführerin am Verfahren nicht beteiligt habe. Eine behauptete Gefährdung im Heimatland betreffe nur die Zulässigkeit einer allfälligen Abschiebung der Beschwerdeführerin, stelle jedoch keinen Grund dar, das gegenständliche Aufenthaltsverbot zu beheben. Dafür stünden eigene Verfahren zur Verfügung.

Hinsichtlich des Privat- und Familienlebens der Beschwerdeführerin hätten sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes insoweit maßgebliche Änderungen ergeben, als sie seit 2004 von ihrem österreichischen Ehemann geschieden sei; sonstige familiäre Bindungen im Bundesgebiet seien nicht aktenkundig. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der Unabhängige Verwaltungssenat Wien im Bescheid vom 24. Jänner 2005 (betreffend Bestrafung nach dem Fremdengesetz 1997) zur Überzeugung gelangt sei, dass es sich dabei um eine Aufenthaltsehe gehandelt habe. Die Beschwerdeführerin verfüge zwar über einen Befreiungsschein, sei jedoch laut vorliegendem Sozialversicherungsauszug nur bis 15. Dezember 2006 beschäftigt gewesen. Sie sei offenbar nicht einmal sozialversichert. Von einer Integration am heimischen Arbeitsmarkt könne daher keine Rede sein. Vor diesem Hintergrund habe sich die Interessenlage keineswegs zu Gunsten der Beschwerdeführerin verschoben. Die belangte Behörde habe daher keine Veranlassung gesehen, das Aufenthaltsverbot nunmehr im Hinblick auf § 66 FPG zu beheben.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände habe auch für eine Ermessensübung zu Gunsten der Beschwerdeführerin kein Raum bestanden.

II.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Ein darauf abzielender Antrag kann somit nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung nach § 65 Abs. 1 FPG ist maßgeblich, ob eine Gefährdungsprognose dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 66 FPG zulässig ist. Dabei kann die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem die Maßnahme erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 12. April 2011, Zl. 2007/18/0858, mwN). Darüber hinaus hat die belangte Behörde auch bei dieser Entscheidung das ihr eingeräumte Ermessen zu üben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. April 2010, Zl. 2009/21/0287, mwN).

Mit Blick auf die Interessenabwägung gemäß § 66 FPG bzw. die Ermessensübung bringt die Beschwerde vor, allein die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin ihrer Verpflichtung zur Ausreise aus Österreich nicht nachgekommen sei, vermöge den Eingriff in ein gemäß Art. 8 EMRK geschütztes Recht nicht zu rechtfertigen, "betrifft diese Einschätzung doch den Grundtatbestand für die Zulässigkeit der Verhängung bzw. Aufrechterhaltung eines Aufenthaltsverbotes, wenn ein Eingriff in die Ausübung des Rechtes gemäß Art. 8 EMRK nicht aus besonderen Gründen, wie des verfestigten Aufenthaltes und beruflicher Beziehungen zum Inland, gerechtfertigt werden muss." Seit der Verbüßung der zweimonatigen unbedingten Freiheitsstrafe sei der Beschwerdeführerin kein Fehlverhalten vorzuhalten, das einem durch Art. 8 EMRK verbrieften Recht zuwiderlaufen könnte. Die belangte Behörde hätte das gelindeste Mittel zur Sicherung des von ihr als gegeben angenommenen öffentlichen Interesses vornehmen müssen. Auf Grund des seit der Einreise der Beschwerdeführerin am 8. März 1999 verfestigten Aufenthaltes in Österreich, ihrer über mehrere Jahre dauernden Beschäftigung, ihrer vier Jahre andauernden Ehegemeinschaft mit einer Österreicherin (gemeint wohl: mit einem Österreicher), ihrer sozialen Bindungen und des Bestehens aufrechter polizeilicher Meldungen sowie des Bestrebens nach vollwertiger Integration wäre die Anwendung gelinderer Mittel, nämlich die Beschwerdeführerin auf das ihr angelastete Fehlverhalten aufmerksam zu machen und spezial- sowie generalpräventiv im Sinne des Schutzes des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesens zu wirken, angebracht und im Sinn des Art. 8 EMRK erforderlich gewesen.

Damit zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Der Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen die Beschwerdeführerin lag zugrunde, dass diese im September 2002 versucht hatte, eine große Menge Suchtgift, also eine solche, die geeignet ist, Gewöhnung hervorzurufen und im großen Ausmaß eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen herbeizuführen, zu erwerben und zum Zweck des In-Verkehr-Setzens an Dritte weiterzugeben. Obwohl gegen sie mit Bescheid vom 2. Juni 2003 ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot erlassen worden war, konnten sie weder die Festnahme und Verhängung einer Schubhaft noch eine rechtskräftige Bestrafung wegen ihres unrechtmäßigen Aufenthaltes zum Verlassen des Bundesgebietes bewegen. Angesichts dieser beharrlichen Weigerung, der sie treffenden Ausreiseverpflichtung nachzukommen, kann - worauf die belangte Behörde zutreffend hingewiesen hat - von einem Wohlverhalten (im fremdenrechtlichen Sinn) nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht die Rede sein (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 29. April 2010, mwN).

Zutreffend hat die belangte Behörde auch berücksichtigt, dass die Beschwerdeführerin seit ihrer Scheidung im Jahr 2004 nicht mehr Angehörige eines Österreichers ist und keine familiären Bindungen zum Bundesgebiet mehr aufweist. Das Beschwerdevorbringen betreffend eine "über mehrere Jahre durchlaufenden Beschäftigung" vermag mangels eines Nachweises über ein aktuelles Beschäftigungsverhältnis die im Einklang mit den Verwaltungsakten getroffenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid, wonach die Beschwerdeführerin lediglich bis 15. Dezember 2006 beschäftigt gewesen sei, nicht zu entkräften. Bei Abwägung der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet gegen das große öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ist die von der belangten Behörde vorgenommene Beurteilung gemäß § 66 FPG nicht zu beanstanden.

Ebenso vermag die Beschwerde keine konkreten Aspekte aufzuzeigen, welche die belangte Behörde im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens zu einer Aufhebung des Aufenthaltsverbotes hätten veranlassen müssen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 21. November 2011

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