VwGH 2008/21/0164

VwGH2008/21/016414.4.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des E, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. April 2007, Zl. 148.406/3-III/4/06, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

Auswertung in Arbeit!
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Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1985 geborene Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria. Er reiste im April 2003 in das Bundesgebiet ein. Hier stellte er einen - erfolglos gebliebenen (die rechtskräftige Abweisung erfolgte Ende September 2005) - Antrag auf Gewährung von Asyl. Am 14. Oktober 2005 heiratete der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin. Am 16. Februar 2007 wurde ein gemeinsames Kind geboren. Der Beschwerdeführer ist seit Oktober 2005 durchgehend beschäftigt.

Im Hinblick auf diese Ehe hatte der Beschwerdeführer bereits am 22. November 2005, somit noch während der Geltung des am 31. Dezember 2005 außer Kraft getretenen Fremdengesetzes 1997 - FrG, den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gestellt.

Diesen Antrag wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 19. April 2007 gemäß § 21 Abs. 1 des (am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen) Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG ab.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid an ihn erhobenen Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 26. Februar 2008, B 1027/07-7, abgelehnt. Zugleich hat er die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten, der über die ergänzte Beschwerde - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die belangte Behörde begründete den bekämpften Bescheid - auf das Wesentliche zusammengefasst - damit, dass der Versagungsgrund "unzulässiger Inlandsantragstellung" vorliege und der Bewilligung des gegenständlichen Antrages § 21 Abs. 1 NAG entgegenstehe, weil sich der Beschwerdeführer seit dem Inkrafttreten des NAG und somit auch noch im Bescheiderlassungszeitpunkt nicht rechtmäßig in Österreich aufhalte.

Zwar könne die Behörde - so die weitere Begründung des angefochtenen Bescheides - gemäß § 74 NAG die "Inlandsantragstellung" von Amts wegen zulassen, wenn die Voraussetzungen des § 72 NAG erfüllt seien, also in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen. Als derartige Gründe habe der Beschwerdeführer in der Berufung die Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen und eine vollständig gegebene "Familienintegration" geltend gemacht. Unter Berücksichtigung, dass die Einreise des Beschwerdeführers nach Österreich illegal erfolgt und er nur wegen des Asylantrages vorübergehend aufenthaltsberechtigt gewesen sei, könne die belangte Behörde jedoch keine humanitären Gründe iSd § 72 NAG erkennen. Eine "Inlandsantragstellung" bzw. die daraus resultierende Entgegennahme des Aufenthaltstitels im Inland werde daher gemäß § 74 NAG von Amts wegen nicht zugelassen. Der Gesetzgeber habe bereits bei Erlassung des § 21 Abs. 1 NAG auf die persönlichen Verhältnisse der Antragsteller Rücksicht genommen und die Regelung eines geordneten Zuwanderungswesens über die persönlichen Verhältnisse gestellt. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass ein weiteres Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers, auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK, entbehrlich sei.

Ausgehend von dieser Begründung und im Hinblick auf die Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin gleicht der vorliegende Fall in den wesentlichen Gesichtspunkten jenem, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. März 2011, Zl. 2008/21/0238, zugrunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen. Auch im vorliegenden Fall ist der belangten Behörde vorzuwerfen, dass sie - ausgehend von der nicht zu teilenden Ansicht, ein weiteres Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers sei auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK entbehrlich - eine der vorliegenden Konstellation gerecht werdende Interessenabwägung (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. November 2010, Zl. 2007/21/0493, und Zl. 2009/21/0031) unterlassen hat. Es hätte bei der gebotenen Gesamtbetrachtung im Übrigen auch darauf Bedacht genommen werden müssen, dass dem Beschwerdeführer nach der im Zeitpunkt der Eheschließung und der Antragstellung im Jahr 2005 geltenden Rechtslage als Ehemann einer Österreicherin ein Anspruch auf Ausstellung einer Niederlassungsbewilligung und das Recht zur Inlandsantragstellung zugekommen war. Im Übrigen hat die belangte Behörde, trotz eines diesbezüglichen Vorbringens im Berufungsverfahren, die Geburt des gemeinsamen Kindes im Februar 2007 völlig ausgeblendet und auch die seit Herbst 2005 durchgehende Beschäftigung des Beschwerdeführers in ihre Beurteilung nicht einbezogen.

Der angefochtene Bescheid war somit angesichts der auf einer unrichtigen Rechtsauffassung beruhenden Feststellungsmängel gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 14. April 2011

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