VwGH 2008/18/0672

VwGH2008/18/067222.3.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde der D R in W, vertreten durch die DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 14, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 5. Juni 2008, Zl. E1/424.981/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
VStG §5 Abs2;
VwRallg;
AVG §59 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
VStG §5 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug angefochtenen Bescheid wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, gemäß § 62 Abs. 1 iVm Abs. 2 und § 60 Abs. 2 Z. 8 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen.

Die Beschwerdeführerin sei am 9. Dezember 2005 über Italien nach Österreich eingereist, nachdem sie sich zuvor etwa fünf Jahre in Deutschland aufgehalten habe. Am 13. Dezember 2005 habe sie einen Asylantrag eingebracht, der im Berufungsverfahren noch anhängig sei.

Am 27. April 2007 sei die Beschwerdeführerin von Organen der Finanzbehörde bei einer Kontrolle eines Lokales in W bei der Tätigkeit als Reinigungskraft betreten worden. Eine Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) sei jedoch nicht vorgelegen.

In ihrer Stellungnahme vom 17. Juli 2007 habe die Beschwerdeführerin diesbezüglich angegeben, ein Bekannter habe ihr die Tätigkeit als Reinigungskraft vermittelt. Der Geschäftsführer des Lokales habe ihr versprochen, er werde "für sie" eine Beschäftigungsbewilligung beantragen, sie solle jedoch ein paar Tage "auf Probe" arbeiten. Für diese Tätigkeit habe sie kein Geld bekommen und sie wisse nicht, ob ein Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung eingebracht worden sei.

Durch dieses Vorbringen habe die Beschwerdeführerin nicht darlegen können, dass ihre Beschäftigung rechtmäßig und der in § 60 Abs. 2 Z. 8 FPG normierte Sachverhalt nicht verwirklicht sei. Einerseits sei auch ein Arbeitsverhältnis "auf Probe" - unabhängig davon, ob die Beschwerdeführerin dafür ein Gehalt erhalten habe - der Bewilligungspflicht nach dem AuslBG unterworfen. Darüber hinaus sei der Arbeitgeber mit Straferkenntnis vom 18. April 2008 wegen Übertretung des AuslBG in diesem Fall rechtskräftig bestraft worden. Der in § 60 Abs. 2 Z. 8 FPG normierte Sachverhalt sei somit verwirklicht worden, und die Voraussetzungen zur Erlassung des Rückkehrverbotes seien - vorbehaltlich der Bestimmungen des § 66 FPG - im Grunde des § 62 Abs. 1 leg. cit. gegeben.

Die Beschwerdeführerin sei ledig und habe keine Sorgepflichten, es bestünden jedoch familiäre Bindungen zu ihren Eltern und ihrem Bruder, mit denen sie im gemeinsamen Haushalt lebe. Auch diese Familienangehörigen seien auf Grund von Asylanträgen im Bundesgebiet aufhältig, auch deren Asylverfahren befänden sich im Berufungsstadium. Daher sei von einem mit dem Rückkehrverbot verbundenen erheblichen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin auszugehen. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, nämlich zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und des geregelten Arbeitsmarktes, dringend geboten sei. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein ebenso hoher Stellenwert zu wie den die Beschäftigung von Fremden regelnden Bestimmungen des AuslBG. Gegen diese Vorschriften habe die Beschwerdeführerin jedoch gravierend verstoßen. Die von ihr ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung sei von solchem Gewicht, dass sich die Erlassung des Rückkehrverbotes als dringend geboten und somit zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG erweise.

Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 2 leg. cit. sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration der Beschwerdeführerin Bedacht zu nehmen gewesen. Diese wiege jedoch gering, weil der Aufenthalt erst zweieinhalb Jahre dauere und die Beschwerdeführerin lediglich auf Grund des gestellten Asylantrages zum vorläufigen Aufenthalt berechtigt sei. Gleiches gelte für ihre Familienangehörigen. Dass ihre Eltern und ihr Bruder in der Vergangenheit über Beschäftigungsbewilligungen verfügt hätten und tageweise als Straßenreiniger tätig gewesen seien, könne weder die Interessen der Beschwerdeführerin noch die ihrer Familie erheblich stärken, weil nicht aktenkundig sei, dass diese Angehörigen derzeit über eine Beschäftigungsbewilligung oder ein aufrechtes Beschäftigungsverhältnis verfügten. Das Gewicht der familiären Bindungen der Beschwerdeführerin werde auch dadurch relativiert, dass sie längst volljährig sei. Das ihr insgesamt zuzusprechende Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet erweise sich zwar als gewichtig, jedoch keinesfalls besonders ausgeprägt. Dem stehe das hohe öffentliche Interesse an der Verhinderung von Schwarzarbeit gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlagen sei die belangte Behörde zu der Ansicht gelangt, dass die Auswirkungen des Rückkehrverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin keinesfalls schwerer wögen als das in ihrem Fehlverhalten begründete hohe öffentliche Interesse an ihrem Verlassen und Fernbleiben des Bundesgebietes. Die Erlassung des Rückkehrverbotes erweise sich daher auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG als zulässig.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung des Rückkehrverbotes im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen. Über das Vorbringen, die Beschwerdeführerin werde in ihrer Heimat verfolgt, werde die Asylbehörde zu entscheiden haben.

Hinsichtlich der Gültigkeitsdauer des Rückkehrverbotes habe sich die belangte Behörde veranlasst gesehen, dieses nunmehr mit fünf Jahren zu befristen. Im Hinblick auf das dargelegte Gesamt(fehl)verhalten der Beschwerdeführerin könne unter Bedachtnahme auf ihre aktuelle Lebenssituation vor Ablauf dieser Frist jedoch nicht erwartet werden, dass die für die Erlassung des Rückkehrverbotes maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Verfahrensmängeln aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 62 Abs. 1 FPG kann gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen eine der in Z. 1 und 2 dieser Bestimmung umschriebenen Annahmen gerechtfertigt ist. Gemäß § 62 Abs. 2 FPG gilt als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 insbesondere auch jene des § 60 Abs. 2 Z. 8 FPG, wenn ein Fremder von einem Organ der Abgabenbehörde nach Maßgabe der Bestimmungen des AVOG, der regionalen Geschäftsstelle oder der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen.

2. Die Beschwerdeführerin stellt nicht in Abrede, am 27. April 2007 von Organen der Finanzbehörde in einem Kaffeehaus in W bei der Reinigung desselben, ohne dass die für diese Tätigkeit notwendige Bewilligung nach dem AuslBG vorlag, betreten worden zu sein (und dass der Arbeitgeber zudem mit Straferkenntnis vom 18. April 2008 wegen Übertretung des AuslBG in diesem Fall rechtskräftig bestraft wurde).

Auf Grund der unerlaubten Tätigkeit hat die Beschwerdeführerin das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Arbeit, die gegen die Regelungen des AuslBG erbracht wird, erheblich beeinträchtigt. Die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, begegnet daher keinen Bedenken (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. September 2010, Zl. 2007/18/0966).

3. Mit Blick auf § 66 FPG bringt die Beschwerdeführerin vor, sie lebe mit ihren Eltern und ihrem Bruder, deren Asylverfahren ebenfalls noch anhängig seien, im gemeinsamen Haushalt. Ihr Vater sei schwer krank. In Deutschland lebten ein weiterer Bruder und eine Tante. Der Vater und der Bruder der Beschwerdeführerin arbeiteten gemäß den gesetzlichen Rahmenbedingungen bei der Stadt Wien und bei der Caritas. Auch ihre Mutter arbeite für die Caritas. Trotz ihrer Volljährigkeit sei die Beschwerdeführerin "vollständig in ihre Kernfamilie integriert". Außerdem spreche sie fließend Deutsch.

Mit diesem Vorbringen gelingt es der Beschwerdeführerin jedoch nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Die familiären Bindungen zu den Eltern und dem Bruder der - volljährigen - Beschwerdeführerin, mit denen sie im gemeinsamen Haushalt lebt und die ebenfalls nur über vorläufige Aufenthaltsbewilligungen nach asylrechtlichen Bestimmungen verfügen, hat die belangte Behörde ohnedies berücksichtigt. Die Beschwerdeführerin ist jedoch ledig, verfügt über keine Kernfamilie (vgl. § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG) und ist - unbestritten - nicht in den heimischen Arbeitsmarkt integriert. Im Hinblick darauf, dass sie sich erst seit ca. zweieinhalb Jahren im Bundesgebiet aufhält, begegnet die Beurteilung der belangten Behörde, die Erlassung des Rückkehrverbotes erweise sich auch im Sinn des § 66 FPG als zulässig, selbst dann keinen Bedenken, wenn man die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin und ihre Deutschkenntnisse berücksichtigt.

Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, sie leide unter einer höhergradigen posttraumatischen Belastungsstörung auf Grund serieller Traumatisierungen und sei in medizinischer Behandlung, ist darauf hinzuweisen, dass ein solches Vorbringen während des Verwaltungsverfahrens nicht erstattet wurde und somit gegen das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) verstößt. Die diesbezügliche Verfahrensrüge geht somit ins Leere.

4. Die Beschwerde weist auch darauf hin, im Spruch des angefochtenen Bescheides werde das durch die Behörde erster Instanz erlassene Rückkehrverbot für die Dauer von zehn Jahren mit der Maßgabe bestätigt, dass "der Spruchteil 'in Verbindung mit Abs. 5' zu entfallen hat und die Dauer des Aufenthaltsverbotes fünf Jahre beträgt". Da die Beschwerdeführerin noch Asylwerberin sei, dürfe gegen sie kein Aufenthaltsverbot erlassen werden.

Dem ist entgegenzuhalten, dass durch den Spruch des angefochtenen Bescheides eindeutig zum Ausdruck gebracht wird, dass das in erster Instanz erlassene Rückkehrverbot bestätigt wird, jedoch - neben dem Entfall des Spruchteiles "in Verbindung mit Abs. 5" - die Dauer dieser Maßnahme nunmehr mit fünf Jahren befristet wird. Dies wird durch die Ausführungen in der Begründung untermauert. Beim Anführen des Wortes "Aufenthaltsverbot", das in die Abänderung des erstinstanzlichen Spruches aber nicht eingeflossen ist, hat sich die belangte Behörde lediglich im Ausdruck vergriffen, wobei diese Unrichtigkeit klar erkennbar ist (vgl. dazu die in Hengstschläger/Leeb, AVG § 59 Rz 111 zitierte hg. Judikatur). Eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides kann daraus nicht abgeleitet werden.

5. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht liegen auch keine besonderen Umstände vor, die die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, von dem ihr eingeräumten Ermessen zu Gunsten der Beschwerdeführerin Gebrauch zu machen. Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, sie sei der irrigen Annahme gewesen, dass für eine "Arbeit auf Probe" keine Beschäftigungsbewilligung benötigt werde, weil sie sich auf die diesbezüglichen Aussagen des Geschäftsführers verlassen habe, ist ihr entgegenzuhalten, dass von einem eine Beschäftigung in Österreich aufnehmenden Fremden verlangt werden muss, dass er sich mit den hiefür einschlägigen Rechtsnormen vertraut macht. Dabei genügt es nicht, sich auf die Auskunft des Arbeitgebers zu verlassen (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 15. September 2010, mwN).

6. Da die Beschwerde somit unbegründet ist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

7. Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

8. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 22. März 2011

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