VwGH 2007/18/0966

VwGH2007/18/096615.9.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des MFH in W, vertreten durch Galanda & Oberkofler, Rechtsanwaltskanzlei in 1120 Wien, Arndtstraße 87/12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. November 2007, Zl. E1/481480/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §3;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
VStG §5 Abs2;
AsylG 2005 §3;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
VStG §5 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 15. November 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen ägyptischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 und 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 8 und § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 25. März 2004 mit einem Touristenvisum legal nach Österreich eingereist und habe am 29. April 2004 einen Asylantrag gestellt, über den noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei. Im Zentralen Melderegister scheine er erst ab 8. Juni 2004 als behördlich gemeldet auf.

Am 25. Juni 2007 sei der Beschwerdeführer im Zuge einer Lokalkontrolle durch Mitarbeiter des Finanzamtes für den 1. und

23. Bezirk in der Küche der Pizzeria R. betreten worden, als er drei Pizzen für den Gassenverkauf zubereitet habe. Er habe angegeben, dass er seit dem 1. Juni 2007 im genannten Lokal als Pizzakoch beschäftigt sei und für das Beschäftigungsverhältnis im Ausmaß von zehn Stunden pro Woche (zwei Stunden pro Tag) EUR 120,--

bezahlt bekomme.

Im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens, aber auch in der Berufung sei die Tatsache der angeführten Beschäftigung nicht in Zweifel gezogen bzw. ausdrücklich zugestanden worden. Nach dem Berufungsvorbringen sei dem Beschwerdeführer seitens des Arbeitgebers (der im Übrigen über keine Gewerbeberechtigung für das Lokal verfüge) versichert worden, dass er auf Grund seines dreijährigen Aufenthaltes in Österreich keine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) benötige. Er habe sich auf diese Auskunft verlassen.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, es könne nach den unbestritten gebliebenen Angaben der Organe des Finanzamtes kein Zweifel bestehen, dass der Beschwerdeführer, dem der Status eines Asylwerbers zukomme, am 25. Juni 2007 im Sinne des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z. 8 FPG illegal beschäftigt worden sei.

Nach dem Akteninhalt habe der Beschwerdeführer keine Verwandten im Bundesgebiet, er verfüge hier über keine beruflichen Bindungen und könne deshalb im Zusammenhalt mit dem kaum vierjährigen inländischen Aufenthalt noch nicht als maßgeblich integriert angesehen werden. Es sei nicht nachzuvollziehen, inwieweit er sich - wie behauptet - durch die angeblich aktive Tätigkeit in der koptischen Kirche in die österreichische Gesellschaft integrieren könne bzw. sich bereits integriert habe, zumal die koptische (also die ägyptische) Kirche in Österreich nicht zu den - auch nach der Mitgliederzahl und der Zahl der Kirchengebäude - bedeutendsten Religionsgemeinschaften zähle.

Das vom Beschwerdeführer relevierte Problem seiner (angeblichen) Verfolgung in Ägypten sei Gegenstand des noch nicht abgeschlossenen Asylverfahrens. Mit dem Rückkehrverbot werde nicht darüber abgesprochen, ob und wann er tatsächlich außer Landes gebracht werde.

Schließlich werde auf § 2 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches hingewiesen, wonach sich niemand - dies gelte auch für Fremde - damit entschuldigen könne, dass ihm ein gehörig kundgemachtes Gesetz, wie es die Fremdengesetze und das AuslBG seien, nicht bekannt geworden sei. Es stelle eine gravierende Nachlässigkeit dar, sich auf die Auskunft seines Arbeitgebers zu verlassen, ohne dessen Auskunft zum Beispiel bei den zuständigen Behörden überprüfen zu lassen.

Selbst wenn man angesichts des kaum vierjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet persönliche Interessen am weiteren Aufenthalt annehmen wollte, stünden diese dem gegenläufigen großen öffentlichen Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens und der Verhinderung von "Schwarzarbeit" gegenüber, sodass die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei. Außerdem sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Arbeitsmarktes dringend geboten.

Aus denselben Gründen und wegen der nicht als sehr stark anzunehmenden Integration des Beschwerdeführers (keine Familie, keine legale Beschäftigung) im Bundesgebiet könnten im Sinne des § 66 Abs. 2 FPG die Auswirkungen des Rückkehrverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.

Mangels besonders berücksichtigungswerter Gründe, die als solche weder erkannt noch vorgebracht worden seien, könne von der Erlassung des Rückkehrverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zukommenden Ermessens Abstand genommen werden.

Die Berufung zeige keine Umstände auf, die den Schluss zuließen, dass der Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe vor Ablauf der festgesetzten fünfjährigen Gültigkeitsdauer erwartet werden könne.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 62 Abs. 1 FPG kann gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen eine der in Z. 1 und 2 dieser Bestimmung umschriebenen Annahmen gerechtfertigt ist. Gemäß § 62 Abs. 2 FPG gelten als bestimmte Tatsachen im Sinn des Abs. 1 insbesondere jene des § 60 Abs. 2 Z. 1 bis 5, 8 bis 10 und 12 bis 14. Nach § 60 Abs. 2 FPG hat als bestimmte Tatsache insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 8) von einem Organ der Abgabenbehörde nach Maßgabe der Bestimmungen des AVOG, der regionalen Geschäftsstelle oder der Landesgeschäftsstelle des Arbeitmarktservice bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht ausüben hätte dürfen.

2.1. Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, am 25. Juni 2007 von Mitarbeitern des Finanzamtes für den 1. und

23. Bezirk in W in der Küche der Pizzeria R. bei der Zubereitung von drei Pizzen für den Gassenverkauf betreten worden und in einem diesbezüglichen Beschäftigungsverhältnis gestanden zu sein.

2.2. Auf Grund der unerlaubten Tätigkeit hat der Beschwerdeführer das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Arbeit, die gegen die Regelung des AuslBG erbracht wird, erheblich beeinträchtigt. Die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, begegnet daher keinem Einwand.

2.3. Das in diesem Zusammenhang erstattete Beschwerdevorbringen gibt zu keiner anderen Beurteilung Anlass.

Das Vorbringen, die belangte Behörde habe es unterlassen, den gesamten entscheidungswesentlichen Sachverhalt sowie die Umstände zu ermitteln, wie es zur Beschäftigung des Beschwerdeführers gekommen sei, zeigt schon deswegen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil § 60 Abs. 2 Z. 8 FPG, dessen Tatbestand unbestritten erfüllt ist, allein auf die Tatsache der Betretung eines Fremden bei einer nach dem AuslBG unzulässigen Beschäftigung abstellt und die Beschwerde überdies nicht darlegt, welche entscheidungswesentlichen Umstände ergänzende behördliche Ermittlungen hervorgebracht hätten.

Auch soweit die Beschwerde vorbringt, die belangte Behörde habe sich nicht mit dem bisherigen Gesamtverhalten des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet auseinandergesetzt, ist ihr zu entgegnen, dass sie nicht konkret darlegt, welcher Aspekt des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers die belangte Behörde zu einer anderen Beurteilung führen hätte müssen. Sie legt damit auch in diesem Zusammenhang die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels nicht dar.

Von einem eine Beschäftigung in Österreich aufnehmenden Fremden muss verlangt werden, sich mit den hiefür einschlägigen Rechtsnormen vertraut zu machen. Dabei genügt es auch nicht, sich auf die Auskunft des Arbeitgebers zu verlassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. März 2010, Zl. 2007/18/0398, mwN). Das Vorbringen, der Beschwerdeführer sei gutgläubig gewesen und er habe sich auf eine entsprechende Auskunft seines Arbeitgebers (nach der ihm als Asylwerber die Ausübung einer Beschäftigung im Ausmaß von zehn Wochenstunden gestattet sei und er für die von ihm anlässlich der Betretung ausgeübte Tätigkeit keine Bewilligung nach dem AuslBG benötige) verlassen, geht daher ins Leere.

Schließlich steht auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer eine wesentliche längere als die nachweisbare Beschäftigung zugestanden habe, der in § 62 Abs. 1 FPG umschriebenen Annahme nicht entgegen.

3. Die Beschwerde bemängelt ferner die im angefochtenen Bescheid gemäß § 66 FPG durchgeführte Interessenabwägung.

3.1. Die belangte Behörde hat ihrer Interessenabwägung neben dem noch nicht vierjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers zugrunde gelegt, dass der Beschwerdeführer - was von der Beschwerde nicht in Abrede gestellt wird - keine Verwandten im Bundesgebiet habe und hier über keine beruflichen Bindungen verfüge. Sie hat ferner die - auch in der Beschwerde geltend gemachte - aktive Tätigkeit des Beschwerdeführers in der koptischen Kirche berücksichtigt.

3.2. Die Beschwerde wirft der belangten Behörde vor, keine Ermittlungen betreffend die privaten Bindungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet geführt zu haben, und bringt vor, dass eine - namentlich nicht genannte - Lebensgefährtin des Beschwerdeführers und deren Kind nunmehr in Österreich mit dem Beschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt lebten.

Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass die erstinstanzliche Behörde den Beschwerdeführer mit Erledigung vom 26. September 2007 zur Darlegung seiner persönlichen Verhältnisse aufgefordert hatte, dieser jedoch in seiner - nur etwa eineinhalb Monate vor Erlassung des angefochtenen Bescheides eingebrachten - Stellungnahme vom 3. Oktober 2007 kein auf eine Lebensgemeinschaft hinweisendes Vorbringen erstattete.

Auch unter Zugrundelegung der Beschwerdebehauptung, dass die Gründung eines gemeinsamen Haushaltes der Lebensgefährtin, ihres Kindes und des Beschwerdeführers nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides erfolgt sei, ist dem Beschwerdeführer anzulasten, weder in der gegen den erstinstanzlichen Bescheid, in dem u.a. seine persönlichen Verhältnisse einschließlich des Nichtbestehens familiärer Bindungen in Österreich thematisiert worden waren, erhobenen Berufung vom 23. Oktober 2007 noch in einem späteren gesonderten Schriftsatz ein entsprechendes Vorbringen erstattet zu haben. In Anbetracht des dargelegten Verfahrensablaufes und des zwischen der Einbringung der Berufung und der Erlassung des angefochtenen Bescheides verstrichenen Zeitraumes von weniger als einem Monat war die belangte Behörde nicht gehalten, ohne konkrete Veranlassung ergänzende Ermittlungen hinsichtlich allfälliger zwischenzeitlicher Änderungen der privaten Verhältnisse des Beschwerdeführers zu tätigen. Bei dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen handelt es sich um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung (vgl. § 41 Abs. 1

erster Satz VwGG).

Dem Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde hätte dem in der Berufung gestellten Beweisantrag auf Vernehmung des Beschwerdeführers - der im Übrigen keinen Hinweis auf den nun behaupteten gemeinsamen Haushalt mit der Lebensgefährtin enthielt -

Folge geben müssen, ist zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch in der Berufung ausreichend Gelegenheit hatte, sich Parteiengehör zu verschaffen. Überdies besteht im fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion kein Recht darauf, von der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 2010, Zl. 2010/18/0056, mwN).

Erweist sich nun das Vorbringen des Beschwerdeführers, mit seiner Lebensgefährtin im gemeinsamen Haushalt zu leben, aus den dargestellten Erwägungen als unbeachtlich, so zeigen auch die Beschwerdeausführungen, die belangte Behörde habe das Recht auf ein gesetzmäßiges Verfahren dadurch verletzt, dass sie dem Beschwerdeführer den maßgeblichen Sachverhalt nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens im Rahmen des Parteiengehörs nicht zur Kenntnis gebracht habe, wobei der Beschwerdeführer in diesem Fall den zwischenzeitlichen Zuzug der Lebensgefährtin darlegen hätte können, keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, zumal der Beschwerdeführer auch nicht darlegt, zu welchem sonstigen der behördlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhaltselement er keine Möglichkeit zur Stellungnahme gehabt habe.

3.3. Hinsichtlich des Vorbringens, dass dem Beschwerdeführer in seiner Heimat aus religiösen Gründen eine asylrelevante Verfolgung drohe, ist festzuhalten, dass darüber nicht im Verfahren zur Erlassung eines Rückkehrverbotes, sondern im Asylverfahren zu entscheiden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2010, Zl. 2010/18/0223, mwN).

3.4. Auf Grund des Gesagten kann die Beurteilung der belangten Behörde, dass die Auswirkungen des Rückkehrverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung und dass sich die Erlassung des Rückkehrverbotes auch im Sinn des § 66 FPG als zulässig erweise, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

4. Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass der belangten Behörde ein (materieller) Ermessensfehler unterlaufen sei; es ergeben sich keine Umstände, die eine Ermessensübung zugunsten des Beschwerdeführers geboten hätten.

5. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

6. Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 15. September 2010

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