VwGH 2008/18/0497

VwGH2008/18/049722.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des SJ, vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 24. April 2008, Zl. E1/249.217/2007, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §55 Abs3 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §55 Abs3 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §66;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, ein auf § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes unbefristetes Aufenthaltsverbot.

In ihrer Begründung stellte die belangte Behörde - zum Teil unter Verweis auf die im erstinstanzlichen Bescheid enthaltenen Ausführungen - darauf ab, dass der Beschwerdeführer in der Zeit von 4. September 1992 bis 9. Juli 1993 in W aufrecht gemeldet gewesen sei. Zu dieser Zeit habe er sich auf Grund eines Sichtvermerkes in Österreich aufgehalten. Er sei jedoch dann wieder in sein Heimatland verzogen.

Erst am 30. August 1998 sei der Beschwerdeführer mit einem bis 27. September 1998 gültigen Visum C wieder in Österreich eingereist. Am 29. September 1998 habe er einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck der Familienzusammenführung mit seiner Mutter, die österreichische Staatsbürgerin sei, gestellt.

Schon am 20. Jänner 1999 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen § 83 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Seinen ursprünglich gestellten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung habe der Beschwerdeführer zurückgezogen. Am 16. Februar 1999 habe er die österreichische Staatsbürgerin J geheiratet. Daraufhin habe er neuerlich einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung eingebracht. Dieser Antrag sei bewilligt worden. Der dem Beschwerdeführer erteilte Aufenthaltstitel sei in weiterer Folge auch verlängert worden.

Am 14. September 2006 sei die Ehe des Beschwerdeführers geschieden worden. Er habe Sorgepflichten für zwei Kinder. Sein elfjähriger Sohn wohne bei dessen Mutter in xxxx W. Die 20 Monate alte Tochter L wohne in yyyy W. Näheres sei dem Beschwerdeführer hinsichtlich der beiden Kinder aber nicht bekannt. Er wisse auch nicht die genaue Adresse, wo diese wohnten. Die Mutter des Beschwerdeführers sei bereits verstorben. Sein Vater wohne in zzzz W. Weiters wohnten auch noch Geschwister des Beschwerdeführers in W. Vor seiner Inhaftierung sei der Beschwerdeführer selbständig erwerbstätig gewesen.

Hinsichtlich des dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Fehlverhaltens verwies die belangte Behörde in erster Linie auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 8. März 2007, mit dem er rechtskräftig wegen der Verbrechen nach § 28 Abs. 2 vierter Fall, Abs. 3 erster Fall SMG sowie der Vergehen nach § 27 Abs. 1 sechster Fall, Abs. 2 Z 2 erster Fall SMG, § 28 Abs. 1 SMG und nach § 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden sei. Des Weiteren verwies die belangte Behörde auf die - im Bescheid erster Instanz näher dargestellten - diversen Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen Verwaltungsübertretungen, insbesondere wegen Übertretung der Gewerbeordnung, der Sperrzeitenverordnung, des Meldegesetzes und der Straßenverkehrsordnung.

Aus dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien, das einen integrierenden Bestandteil des angefochtenen Bescheides darstellt, ergibt sich (auf das Wesentliche zusammengefasst), dass der Beschwerdeführer den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich Kokain mit zumindest durchschnittlichem Wirkstoffgehalt, in einer großen Menge - zum Teil allein, zum Teil gemeinsam mit einem weiteren Täter - in der Zeit von Oktober 2005 bis September 2006 gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt habe, wobei diese Tathandlungen in zahlreichen Angriffen getätigt worden seien, er weiters eben dieses Suchtgift in einer großen Menge mit dem Vorsatz erworben und besessen habe, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er eine nicht näher bekannte, die Grenzmenge des § 28 Abs. 6 SMG jedenfalls übersteigende Quantität Kokain in einer näher genannten Wohnung deponiert habe, sowie dass er ab Anfang 2005 bis zum 5. September 2006 nicht näher bekannte Mengen Suchtgift zum Eigenkonsum erworben und besessen habe.

In ihrer rechtlichen Beurteilung stellte die belangte Behörde darauf ab, es sei unzweifelhaft der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt. Angesichts des insbesondere der letztgenannten Verurteilung zu Grunde liegenden Fehlverhaltens - das gewerbsmäßige Inverkehrsetzen von Suchtgift wiege dabei schwer - und mit Blick auf die der Suchtgiftkriminalität innewohnenden Wiederholungsgefahr seien auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 FPG erfüllt.

Zur Interessenabwägung nach § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, es sei im vorliegenden Fall angesichts der festgestellten persönlichen Umstände des Beschwerdeführers von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zulässig. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, hier konkret: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Gesundheit Dritter, als dringend geboten anzusehen. Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers verdeutliche augenfällig, dass er offenbar nicht in der Lage oder nicht gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten. Eine positive Verhaltensprognose sei allein schon im Hinblick auf die gewerbsmäßige Tatbegehung nicht möglich gewesen. Die Annahme mangelnder Rechtstreue verstärke sich dadurch, dass der Beschwerdeführer auch schon wegen zahlreicher Verwaltungsübertretungen habe bestraft werden müssen. Somit habe die Interessenabwägung zu Lasten des Beschwerdeführers auszufallen. Im Hinblick darauf, dass die für das Ausmaß jeglicher Integration wesentliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers deutlich beeinträchtigt worden sei, seien seine persönlichen Interessen als gemindert anzusehen. Gegenüber dem hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesse an der Verhinderung von Suchtgiftkriminalität hätten diese in den Hintergrund zu treten.

Ein Sachverhalt im Sinn des § 61 Z 3 FPG liege schon deshalb nicht vor, weil der Beschwerdeführer zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt worden sei.

Im Hinblick auf die Art, die Vielzahl und die Schwere der dem Berufungswerber zur Last liegenden Straftaten sowie die damit verbundene Wiederholungsgefahr könne auch im Rahmen der Ermessensübung nicht von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand genommen werden. Im Übrigen wäre eine Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes infolge der Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines Verbrechens zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von deutlich mehr als einem Jahr offensichtlich nicht im Sinne des Gesetzes gelegen.

Da nicht vorherzusehen sei, wann der Grund für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes wegfallen werde, sei das Aufenthaltsverbot auf unbestimmte Zeit festzusetzen gewesen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Angesichts der Verurteilungen des Beschwerdeführers sowie des festgestellten Fehlverhaltens bestehen - unter Berücksichtigung der Feststellungen zum für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Zeitpunkt des ersten Fehlverhaltens - keine Bedenken gegen die Annahme der belangten Behörde, es sei sowohl der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt, als auch die Annahme gerechtfertigt, es liege eine Gefährdung im Sinne des § 60 Abs. 1 FPG vor. Dies wird in der Beschwerde auch nicht in Frage gestellt.

Der Beschwerdeführer richtet sich gegen die nach § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung der belangten Behörde sowie der von ihr ausgeübten Ermessensentscheidung. In diesem Zusammenhang verweist er darauf, dass er auf Grund seiner Suchtgiftergebenheit keine andere Möglichkeit als den Suchtgifthandel gesehen hätte, um seinen eigenen Bedarf für den Suchtgiftkonsum zu decken. Darüber hinaus macht er geltend, es sei ihm die Möglichkeit einer Suchtgifttherapie eingeräumt worden.

Damit zeigt der Beschwerdeführer aber keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedarf es zur Darlegung des Wegfalls einer von einem Fremden ausgehenden Gefährdung nicht nur der erfolgreichen Absolvierung der Therapie, sondern auch eines entsprechend langen Zeitraumes des Wohlverhaltens (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 17. Dezember 2009, Zl. 2009/22/0317, und vom 31. Mai 2011, Zl. 2011/22/0072, jeweils mwN). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers liegt darin, dass er selbst von einem Suchtgift abhängig und ihm die Möglichkeit einer Therapie eingeräumt worden sei, keine derart maßgebliche Verstärkung seiner persönlichen Interessen, die es im vorliegenden Fall geboten hätte, im Rahmen der Interessenabwägung von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand nehmen zu müssen.

Die in der Beschwerde angesprochenen in Österreich lebenden Familienangehörigen hat die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung ausreichend berücksichtigt. Im öffentlichen Interesse ist aber die (allfällige) Trennung des Beschwerdeführers von seinen Angehörigen in Kauf zu nehmen. Im Übrigen bleiben aber auch die behördlichen Feststellungen, aus denen sich ergibt, dass der Beschwerdeführer ohnedies mit seinen Kindern keinen intensiven Kontakt pflegt, unbestritten.

Soweit der Beschwerdeführer noch geltend macht, die zuvor genannten Gründe hätten auch im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu einem anderen Ergebnis führen müssen, ist ihm entgegenzuhalten, dass es, worauf die belangte Behörde zu Recht hingewiesen hat, der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht, dass angesichts des Fehlverhaltens und der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers (u.a.) wegen eines Verbrechens (§ 55 Abs. 3 Z 1 FPG) eine auf einer Ermessensabwägung beruhende Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes gelegen wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 2011, Zl. 2007/18/0939, mwN). Dass im vorliegenden Fall besondere Gründe vorhanden gewesen wären, infolge derer es ausnahmsweise dennoch geboten gewesen wäre, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes abzusehen, ist nicht erkennbar.

Wenn der Beschwerdeführer noch meint, es hätte mit einem zeitlich befristeten Aufenthaltsverbot das Auslangen gefunden werden können, so zeigt er mit dem Hinweis auf seine Suchtgiftergebenheit nicht auf, weshalb die Annahme der belangten Behörde, im Blick auf sein Fehlverhalten könne nicht vorhergesehen werden, wann die von ihm ausgehende Gefahr weggefallen sein werde, nicht dem Gesetz entspräche.

Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 22. September 2011

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