VwGH 2009/22/0317

VwGH2009/22/031717.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des N, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Plainstraße 23, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 15. Oktober 2009, Zl. E1/1614/12/2009, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen georgischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 und 7 sowie § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei Anfang 2002 unrechtmäßig in Österreich eingereist. Am 27. März 2002 habe er einen Asylantrag gestellt. Dieser sei im Instanzenzug "mit rechtskräftiger Wirkung vom 9.12.2005 abgewiesen" worden. Einer dagegen eingebrachten Beschwerde sei zwar vom Verwaltungsgerichtshof aufschiebende Wirkung zuerkannt worden, jedoch sei die Behandlung der Beschwerde mittlerweile mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. April 2008 (richtig: mit Beschluss vom 9. April 2008, 2006/19/0639) abgelehnt worden. Zumindest seit dieser Zeit (gemeint: dem Zeitpunkt der Zustellung des hg. Beschlusses vom 9. April 2008) halte sich der Beschwerdeführer rechtswidrig im Bundesgebiet auf.

Der Beschwerdeführer sei insgesamt fünfmal rechtskräftig verurteilt worden:

1. Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 2. Oktober 2002 wegen versuchten Diebstahles zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen

2. Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 9. August 2007 wegen Sachbeschädigung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 1 Monat

3. Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 16. Juni 2008 wegen versuchten Diebstahles zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten

4. Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 11. Dezember 2008 wegen gewerbsmäßigen teils vollendeten und teils versuchten Diebstahls zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 10 Monaten sowie

5. Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 13. Jänner 2009 wegen Diebstahls; unter Bedachtnahme auf das unter 4. genannte Urteil sei keine Zusatzstrafe ausgesprochen worden.

Dem am 11. Dezember 2008 ergangenen Urteil sei zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer in mehrfachen - im angefochtenen Bescheid näher dargestellten - Angriffen an verschiedenen Orten anderen gewerbsmäßig fremde beweglichen Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, teils weggenommen und teils wegzunehmen versucht habe.

Insbesondere auf Grund der Verurteilung vom 11. Dezember 2008 lägen die Voraussetzungen nach § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 FPG vor. Der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers gefährde wegen der bei ihm gegebenen Wiederholungsgefahr massiv die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit.

Weiters verfüge der Beschwerdeführer über kein eigenes Einkommen und kein Vermögen. Einen Nachweis zur Bestreitung seines "nicht bloß kurzfristigen Unterhaltes" sei er schuldig geblieben. Sein "finanzieller Aufenthalt" in Österreich sei nicht sichergestellt. Sohin sei auch der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 7 FPG erfüllt. Auch im Hinblick auf die aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultierende Gefahr der Begehung strafbarer Handlungen sowie die Gefahr der finanziellen Belastung der Republik Österreich sei die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt.

Wegen der Vielzahl der vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten wegen "einfacher" und gewerbsmäßig begangener Diebstähle sowie der Sachbeschädigung sei eine aufenthaltsbeendende Maßnahme "nicht abwendbar". Den gegen den Beschwerdeführer ergangenen Urteilen sei seine permanente und strikte Missachtung der österreichischen Rechtsordnung zu entnehmen. Sein Verhalten stelle auf Grund seiner kriminellen Aktivitäten und wiederkehrenden Begehung von Straftaten eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr für das Vermögen anderer Personen dar. Eine besondere Gefährlichkeit sei schon deswegen anzunehmen, weil beim Beschwerdeführer trotz mehrfacher gerichtlicher Verurteilungen "überhaupt keine Einsicht wahrzunehmen" sei.

Zu den privaten Interessen des Beschwerdeführers sei anzuführen, dass er sich seit dem Jahr 2002 auf Grund eines zu Unrecht gestellten Asylantrages im österreichischen Bundesgebiet aufhalte. Sein Aufenthalt sei jedenfalls seit Ablehnung der Behandlung der (das Asylverfahren betreffenden) Beschwerde durch den Verwaltungsgerichtshof unrechtmäßig. Seit November 2007 bestehe eine Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin. Aus einem aktuellen Sozialversicherungsauszug habe sich "unter Berücksichtigung der sonstigen Aktenlage" ergeben, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2006 unter einem Aliasnamen für einige Monate rechtmäßig einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Jedoch habe er weder vorher noch nachher in Österreich eine weitere erlaubte Beschäftigung ausgeübt. Infolge der sehr kurzen beruflichen Tätigkeit sei sohin eine berufliche Integration nicht gegeben. Der sechs Jahre währende, zum Großteil rechtmäßige Aufenthalt "wirk(e)" insofern "interessensmindernd", als der rechtmäßige Aufenthalt nur auf einen unbegründeten Asylantrag zurückzuführen sei.

Laut eigenen Angaben führe der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiter - zumindest seit November 2007 eine Lebensgemeinschaft mit der österreichischen Staatsbürgerin F. Diese sei vorerst noch verheiratet gewesen und erst später von ihrem Ehemann geschieden worden. Zu den zwei "gemeinsamen Kindern" habe der Beschwerdeführer guten Kontakt. Er verstehe sich auch mit dem ältesten Sohn von F. Jedoch habe eine Überprüfung im Zentralen Melderegister ergeben, dass der Beschwerdeführer "sich zuletzt von 29.01.2009 bis 30.07.2009 in 1190 Wien, H(...)gasse (...) in einer Justizanstalt zur Verbüßung einer Haftstrafe polizeilich angemeldet" habe. Beim Vergleich der Wohnadressen des Beschwerdeführers mit jenen der "angeblichen Lebensgefährtin" F sei auffällig, dass es zu keinem Zeitpunkt eine "gemeinsame Adresse" mit F gegeben habe. Daher stehe fest, dass "unter Berücksichtigung der getrennten Wohnsitze" mit F zu keinem Zeitpunkt eine Lebensgemeinschaft geführt worden sei und es sich bei den vom Beschwerdeführer und von F gemachten Aussagen "um reine Schutzbehauptungen" handle.

Die von der Lebensgefährtin F vorgelegte ärztliche Bestätigung, wonach diese einen Kleinhirntumor habe, sei "bei der zeitlichen Reduzierung der Gültigkeitsdauer" des Aufenthaltsverbotes berücksichtigt worden. Dem Akteninhalt seien "starke private oder familiäre Bindungen zu Österreich" entnehmbar. Diese seien allerdings insofern relativiert, als der Beschwerdeführer sechs Jahre lang als Asylwerber in Österreich aufhältig und sein Aufenthalt in Österreich lediglich auf Grund "des Asylgesetzes" bis 28. April 2008 "legalisiert" gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei in Georgien geboren und 35 Jahre alt. Er sei auf Grund seiner Volljährigkeit (in Georgien) als selbsterhaltungsfähig einzustufen. Er sei auch in der Lage, in Georgien allfällige soziale Kontakte wieder herzustellen. Das Familienleben (in Österreich) sei während des "laufenden Asylverfahrens" im Jahr 2007 (gemeint: während jener Zeit, als die das Asylverfahren betreffende Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof anhängig war) entstanden. Es habe sich dabei um eine Phase des unsicheren Aufenthalts gehandelt. Das vom Beschwerdeführer "behauptete und tatsächlich nicht existierte (gemeint: existente) Familienleben" sei durch die Verbüßung einer Strafhaft jedenfalls unterbrochen worden.

Eine Verletzung des Art. 8 EMRK sei im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen. Die Verhängung des Aufenthaltsverbotes sei erforderlich und unabdingbar, um den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich zu beenden und die öffentliche Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten. Auf Grund des rücksichtslosen Verhaltens des Beschwerdeführers gegenüber fremdem Eigentum sei ein massives Übergewicht der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich gegeben.

Jedoch sei das Aufenthaltsverbot, welches in erster Instanz unbefristet ausgesprochen worden sei, im Hinblick auf die behauptete aktuelle Lebensgemeinschaft mit der österreichischen Staatsbürgerin F, "der Existenz 2-er gemeinsamer Kinder und der nachgewiesenen schweren Erkrankung von (F)" auf fünf Jahre zu reduzieren gewesen. Da die Intensität der familiären Beziehungen zu der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers und den Kindern ausreichend gewürdigt worden sei, sei es entbehrlich gewesen, dazu ein psychologisches Gutachten einzuholen. Sowohl zu den beiden gemeinsamen Kindern als auch zum ältesten Sohn von Frau F habe der Beschwerdeführer ein "sehr gutes Verhältnis". Dieses sei bei der Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK "genügend" berücksichtigt worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde erwogen:

Der Beschwerdeführer richtet sich nicht gegen die Annahme der belangten Behörde, wonach im vorliegenden Fall die in § 60 Abs. 1 FPG festgelegte Gefährdungsprognose gerechtfertigt sei. Angesichts der unbestrittenen Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers, wodurch der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt ist, und den diesen zugrunde liegenden Handlungen begegnet die diesbezügliche Beurteilung der belangten Behörde keinen Bedenken.

Der Beschwerdeführer wendet sich ausschließlich unter dem Blickwinkel unrichtiger Feststellungen und mangelhafter Beweiswürdigung gegen die Ausführungen der belangten Behörde zur "Qualität der Beziehung" des Beschwerdeführers zu F und den Kindern.

Dem Beschwerdeführer ist zuzustimmen, dass sich der angefochtene Bescheid in diesem Punkt als nicht frei von Widersprüchen darstellt. Während die belangte Behörde einerseits ausführt, die Angaben des Beschwerdeführers und von F zum Bestehen einer Lebensgemeinschaft seien als Schutzbehauptungen anzusehen, und dies - in nicht nachvollziehbarer Weise - lediglich auf Einträge im Zentralen Melderegister zurückführt, ist dem angefochtenen Bescheid andererseits wiederum zu entnehmen, dass die belangte Behörde vom Bestehen einer seit November 2007 bestehenden Lebensgemeinschaft und einem innigen Verhältnis des Beschwerdeführers zu den - von der belangten Behörde sogar als "gemeinsam" bezeichneten (lt. Beschwerde aber bereits in den Jahren 2004 und 2006, sohin schon geraume Zeit vor Aufnahme der Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und F, geborenen) - Kindern ausgeht.

Dies führt allerdings im vorliegenden Fall nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat nämlich die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes auch für den Fall des Bestehens der behaupteten Lebensgemeinschaft geprüft und bejaht. Zutreffend hat die belangte Behörde in diesem Zusammenhang erkannt, dass selbst das Bestehen der vom Beschwerdeführer angeführten Lebensgemeinschaft die Erlassung des Aufenthaltsverbotes aus dem Grund des § 66 FPG nicht unzulässig macht. Angesichts der wiederholten und sich stetig steigernden Missachtung fremden Eigentums hat die belangte Behörde in im Ergebnis nicht rechtswidriger Weise den öffentlichen Interessen an der Verhinderung weiterer Straftaten durch den Beschwerdeführer mehr Gewicht beigemessen als den gegenläufigen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet. Diese würden auch dann kein überwiegendes Gewicht erlangen, wenn die angeführte Lebensgemeinschaft und die in der Beschwerde behauptete Beziehung zu F sowie zu den in den Jahren 2004 und 2006 geborenen Kindern von F bestünde. Zutreffend hat die belangte Behörde in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass das Familienleben zu einer Zeit - nämlich im November 2007 - entstanden ist, als der Beschwerdeführer mit einem Verbleib im Bundesgebiet nicht rechnen durfte, und auch die Intensität des Familienlebens bereits durch die für eine nicht unerhebliche Dauer erfolgte Inhaftierung des Beschwerdeführer eine Beeinträchtigung erfahren hat. Im Hinblick auf das vom Beschwerdeführer gesetzte Verhalten hat er die Trennung von seiner Lebensgefährtin und den Kindern im öffentlichen Interesse hinzunehmen. Dass sonst besondere Umstände ein Überwiegen der privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet herbeizuführen geeignet gewesen wären, kann der Beschwerde nicht entnommen werden. Insbesondere behauptet der Beschwerdeführer auch nicht, dass dies infolge der Krankheit von F der Fall sei. Sohin kam letztlich dem Mangel in der Begründung keine entscheidungserhebliche Relevanz zu, weil auch die vom Beschwerdeführer begehrten Feststellungen zu keinem anderen Ergebnis geführt hätten, sodass fallbezogen die mangelhafte Bescheidbegründung nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führt.

Dies gilt sinngemäß auch für die von der belangten Behörde vorgenommene - und vom Beschwerdeführer gerügte - Ermessensentscheidung, zumal sich der angefochtene Bescheid im Ergebnis auch in diesem Punkt nicht als rechtswidrig erweist. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang darauf hinweist, er habe sich einer "Suchttherapie unterzogen", ist ihm entgegenzuhalten, dass ihm die belangte Behörde eine allfällige Suchtmittelabhängigkeit gar nicht zum Vorwurf machte. Selbst wenn eine solche bestanden haben sollte, so entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass bei der Beurteilung des Wegfalles einer von einem Fremden ausgehenden Gefährdung sich nicht allein die erfolgreiche Absolvierung einer Therapie, sondern auch notwendigerweise das außerhalb einer Haft gezeigte Wohlverhalten als maßgeblich darstellt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. Juli 2009, 2008/22/0932, mwN). Weshalb aber die (allfällige) Absolvierung einer Therapie nun im vorliegenden Fall im Rahmen der Ermessensentscheidung die Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes gebieten würde, ist - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführer - nicht erkennbar.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren abzuweisen.

Wien, am 17. Dezember 2009

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