VwGH 2009/21/0263

VwGH2009/21/026329.4.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 5. August 2009, Zl. BMI-1019617/0005-II/3/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Berufungsbescheid vom 5. August 2009 erließ die im Devolutionsweg zuständig gewordene Bundesministerin für Inneres (die belangte Behörde) - in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides der Bundespolizeidirektion Wien vom 13. Februar 2007 - gegen den Beschwerdeführer, einen ägyptischen Staatsangehörigen, ein auf § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG gestütztes Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren.

In der Begründung stellte die belangte Behörde fest, der seinen Angaben zufolge im Besitz eines Visums Mitte Juli 2003 eingereiste Beschwerdeführer habe am 12. Jänner 2004 die österreichische Staatsbürgerin Nadine K. geheiratet. In der Folge (am 5. Februar 2004) habe er unter Berufung auf diese Ehe einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" gestellt. Am 18. August 2004 sei dem Beschwerdeführer sodann antragsgemäß die mit einem Jahr befristete Niederlassungsbewilligung erteilt worden. Zuletzt habe der Beschwerdeführer über eine vom 11. August 2006 bis zum 11. August 2007 gültige Niederlassungsbewilligung verfügt. Am 19. Juli 2007 habe er einen Verlängerungsantrag gestellt.

Ausgehend von ausführlich begründeten beweiswürdigenden Überlegungen kam die belangte Behörde zu dem Ergebnis, der Beschwerdeführer habe mit seiner österreichischen Ehefrau ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nie geführt. Das rechtsmissbräuchliche Eingehen einer Ehe zur Verschaffung fremdenrechtlicher Vorteile stelle eine tatsächliche und erhebliche Gefahr im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Der Beschwerdeführer halte sich nach seinen Angaben sechs Jahre durchgängig in Österreich auf und sei berufstätig. Hier lebe auch sein Bruder, sodass durch das Aufenthaltsverbot in das Privatleben des Beschwerdeführers eingegriffen werde. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers sei aber zunächst illegal gewesen und habe sich sodann auf die missbräuchlich erlangte Stellung als Angehöriger einer Österreicherin gestützt. Im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit des Privatlebens sei demnach zu bemerken, dass es in einem Zeitraum begründet worden sei, in dem der Beschwerdeführer angesichts des Vorliegens einer Scheinehe nicht von einem weiteren Aufenthalt hätte ausgehen dürfen. Deshalb sei auch die aus der Berufstätigkeit ableitbare Integration erheblich geschmälert, weil der Beschwerdeführer nur aufgrund der Scheinehe mit einer Österreicherin keine Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz benötigt habe. Zu seinem Bruder habe der Beschwerdeführer keine besondere Nahebeziehung; ein Abhängigkeitsverhältnis sei nicht behauptet worden. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer sämtliche Bindungen zu seinem Heimatland verloren habe. Insgesamt sei daher von einem Überwiegen des öffentlichen Interesses auszugehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Der Beschwerdeführer ist im Hinblick auf die aufrechte Ehe mit Nadine K. Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin. Für diese Personengruppe gelten jedenfalls - und zwar gemäß § 87 zweiter Satz FPG auch dann, wenn der österreichische Angehörige sein (gemeinschaftsrechtlich begründetes) Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat - die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 86 FPG. Nach § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass diese Voraussetzungen gegeben sind, wenn der Fremde - im Sinne des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG - eine sogenannte Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt und sich trotzdem für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf diese Ehe berufen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. September 2009, Zl. 2009/21/0167, mit weiteren Hinweisen).

In der Beschwerde wird in Bezug auf die behördliche Annahme, die genannten Voraussetzungen seien erfüllt, die Unrichtigkeit der Sachverhaltsfeststellungen und der Beweiswürdigung geltend gemacht. Der einzig gravierende Widerspruch zwischen den Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau bestehe darin, dass Nadine K. angegeben habe, sie hätte den Beschwerdeführer Mitte Dezember 2006 aus der Wohnung geworfen, während er ausgeführt habe, Weihnachten und Silvester noch mit seiner Ehefrau verbracht zu haben. Diesbezüglich habe der Beschwerdeführer aber bereits in der Berufung eingeräumt, die Angaben von Nadine K. seien richtig, dass er seit Dezember 2006 nicht mehr mit ihr zusammenlebe. Sie habe ihn tatsächlich aus der Wohnung geworfen, weil sie dahinter gekommen sei, dass er sie betrüge. Bei der Vernehmung am 9. Jänner 2007 sei er jedoch der Ansicht gewesen, es sei für ihn besser zu behaupten, dass er mit seiner Ehefrau noch zusammenlebe.

Dem hielt bereits die belangte Behörde entgegen, selbst wenn man dieser Rechtfertigung Glauben schenken wollte, würde dies nicht die "beiderseitig" bestehenden Wissenslücken hinsichtlich familiärer Umstände, Schulausbildung und Religion sowie die aufgetretenen Widersprüche im Hinblick auf das Kennenlernen und die Hochzeit erklären. Diesbezüglich führte die belangte Behörde sodann unter anderem beispielsweise ins Treffen, Nadine K. habe angegeben, der Beschwerdeführer habe sie in einem ägyptischen Lebensmittelgeschäft im 3. Bezirk in Wien mehrmals angesprochen bis sie eingewilligt habe, mit ihm etwas Trinken zu gehen, während der Beschwerdeführer behauptet habe, sie hätten einander auf der Kärntner Straße kennen gelernt und seien sogleich gemeinsam auf einen Kaffee gegangen. Weiters verwies die belangte Behörde auf widersprüchliche Angaben zur Ausstattung der angeblich gemeinsamen Wohnung, wobei der Beschwerdeführer insbesondere das Vorhandensein eines Balkons und eines Fensters im Wohnzimmer behauptete, während die Wohnung nach den Angaben von Nadine K. über keinen Balkon, jedoch zwei Fenster im Wohnzimmer verfügt habe.

Dieser Argumentation tritt die Beschwerde jedoch gar nicht entgegen. Sie bemängelt aber weiters, dass die belangte Behörde Omar A. (richtig: Omran A.) nicht als Zeugen vernommen habe. Dadurch wäre unschwer abzuklären gewesen, ob er in der Wohnung der Nadine K. tatsächlich nur Besucher gewesen sei oder dort gewohnt habe.

Damit bezieht sich die Beschwerde auf den von der belangten Behörde auch verwerteten Erhebungsbericht vom 24. August 2006, wonach der an der angeblich gemeinsamen Wohnadresse angetroffene Omran A. von Nachbarn als Lebensgefährte der Nadine K. bezeichnet worden sei. Omran A. sei bei diesen Erhebungen auch befragt worden und habe angegeben, dass er Nadine K. vor drei Jahren kennen gelernt habe. Demgegenüber habe Nadine K. später ausgeführt, ihn erst vor ca. einem Jahr kennen gelernt zu haben, was aufgrund der Tatsache wenig glaubwürdig sei, dass Omran A. als "unbeteiligte dritte Person" keine Gründe habe, die Unwahrheit in Bezug auf den Zeitraum des Bekanntseins mit der Ehefrau des Beschwerdeführers anzugeben. Auch ihre Behauptung, Omran A. mangels Unterkunft bei ihr angemeldet zu haben, erscheine unglaubwürdig, zumal der Beschwerdeführer, dessen Abwesenheit mit dem Holen einer Pizza aus einem nahe gelegenen Restaurant erklärt worden sei, auch nach einer Stunde nicht zurückgekehrt sei.

Vor diesem Hintergrund kann vom Verwaltungsgerichtshof nicht gesehen werden, dass die belangte Behörde - von Amts wegen - zu einer ergänzenden Befragung des Omran A. verpflichtet gewesen wäre, zumal in der Beschwerde die Unrichtigkeit des Erhebungsberichtes gar nicht behauptet wird. Im Übrigen lässt sich das Vorbringen in der Beschwerde, es hätte sich bei Omran A. um einen "Besucher" gehandelt, mit den Angaben des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau im Verwaltungsverfahren kaum in Einklang bringen. Danach habe es sich nämlich bei Omran A. um einen ehemaligen Arbeitskollegen des Beschwerdeführers gehandelt, der nach seiner Scheidung bei ihnen vorübergehend eingezogen sei. Dem hat die belangte Behörde aber zu Recht entgegen gehalten, dass die beiden - antragsgemäß vernommenen - Zeugen (Bruder und Schwiegermutter des Beschwerdeführers) übereinstimmend ausgesagt hätten, es habe nie einen Mitbewohner in der "ehelichen Wohnung" gegeben.

Entgegen der Auffassung in der Beschwerde ist aber auch daraus nichts zu gewinnen, dass die genannten Zeugen bei ihrer Vernehmung am 19. Juni 2009 "mit Eindeutigkeit deponiert (haben), dass keine Scheinehe gegeben ist". Die belangte Behörde hat den Angaben dieser Zeugen nämlich wegen mehrerer Widersprüche zueinander und im Verhältnis zu den Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau keinen maßgeblichen Beweiswert beigemessen. So führte die belangte Behörde in diesem Zusammenhang etwa ins Treffen, der Bruder des Beschwerdeführers habe - entgegen dem erwähnten Zugeständnis des Beschwerdeführers, im Dezember 2006 aus der Ehewohnung ausgezogen zu sein - behauptet, dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau "immer zusammen" gewohnt hätten, während die Schwiegermutter den Streit bestätigt und angegeben habe, dass der Beschwerdeführer in dieser Zeit bei seinem Bruder gewohnt habe.

Mit diesen von der belangten Behörde (unter anderem) dargelegten Widersprüchen setzt sich die Beschwerde nicht auseinander, sondern sie beschränkt sich auf die bloß auszugsweise und zusammengefasste Wiedergabe von Aussageinhalten. Damit vermag die Beschwerde aber weder eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung darzutun, noch diesbezüglich einen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen.

Es bestehen somit gegen die zusammenfassende Einschätzung der belangten Behörde, aus den widersprüchlichen und nicht zu einander passenden Angaben ergebe sich, dass der Beschwerdeführer lediglich versucht habe, eine zumindest anfangs harmonische Ehe vorzutäuschen, um in den Genuss der privilegierten Stellung eines Angehörigen einer Österreicherin zu kommen, im Ergebnis keine Bedenken.

Auf Basis der getroffenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid zur Schließung einer Aufenthaltsehe und zur Stellung eines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung unter Berufung auf diese Ehe durfte die belangte Behörde aber - wie erwähnt - davon ausgehen, dass die Gefährdungsannahme im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG gerechtfertigt ist. Das wird von der Beschwerde auch nicht in Abrede gestellt. In der Beschwerde wird auch die nach § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung und die Ermessensübung zum Nachteil des Beschwerdeführers nicht bekämpft und insbesondere nicht behauptet, durch das Aufenthaltsverbot werde ein unzulässiger Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers vorgenommen. Das ist im vorliegenden Fall auch nicht zu erkennen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 29. April 2010

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte