Normen
AVG §8;
BauG Vlbg 2001 §26 Abs1 litc;
BauG Vlbg 2001 §26 Abs1;
BauG Vlbg 2001 §26;
BauG Vlbg 2001 §8;
BauRallg;
RPG Vlbg 1996 §14 Abs2;
RPG Vlbg 1996 §14 Abs3;
VwRallg;
AVG §8;
BauG Vlbg 2001 §26 Abs1 litc;
BauG Vlbg 2001 §26 Abs1;
BauG Vlbg 2001 §26;
BauG Vlbg 2001 §8;
BauRallg;
RPG Vlbg 1996 §14 Abs2;
RPG Vlbg 1996 §14 Abs3;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die erst- und zweitmitbeteiligten Parteien sind Miteigentümer eines im Verwaltungsakt näher bezeichneten Grundstückes im Gemeindegebiet der drittmitbeteiligten Gemeinde. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines in nordöstlicher Richtung an das Grundstück der erst- und zweitmitbeteiligten Parteien angrenzenden Grundstücks.
Mit Eingabe vom 30. Juni 2008 suchten die erst- und zweitmitbeteiligten Parteien um Erteilung der Baubewilligung für die Erweiterung des ostseitigen Balkons auf ihrem Grundstück an (Verbreiterung um 0,80 m).
In der Verhandlungsschrift vom 22. Juli 2008 wurde festgehalten, dass der bisherige Balkon vollständig abgetragen werden und der neue Balkon ein Ausmaß von 8,10 m x 2,50 m haben solle. Der Balkon solle in Holzbauweise ausgeführt werden, abgestützt auf Holzständern von 0,14 m x 0,14 m. Im Obergeschoß werde der Balkon mit einem Holzrost samt Bretterboden versehen und mit einem umlaufenden Handlauf gegen Absturz gesichert. Die Balkonbrüstung werde im unteren Bereich mit Holzlatten und im oberen Bereich mit Holzstehern gestaltet. Dazwischen sollen Phenolplatten in brauner Farbe montiert werden.
Der Beschwerdeführer erhob mit Schreiben vom 16. Juli 2008 Einwendungen und wiederholte diese bei der mündlichen Verhandlung am 22. Juli 2008. Er führte im Wesentlichen aus, dass es durch das geplante Projekt zu einer ortsunüblichen Belästigung durch Lärm komme, es im Winter keine Sonneneinstrahlung auf sein Grundstück mehr geben werde und man zudem von diesem Balkon unmittelbar sein Wohnzimmer einsehen könne. Auch verletze das Bauprojekt die Abstandsbestimmungen und bewirke eine Wertminderung seiner Liegenschaft.
Mit Bescheid vom 19. August 2008 erteilte der Bürgermeister der drittmitbeteiligten Gemeinde die Baubewilligung für das beantragte Projekt unter Auflagen (Spruchpunkt III). Die Einwendungen des Beschwerdeführers wurden teilweise ab- und teilweise zurückgewiesen (Spruchpunkt II). (Mit Spruchpunkt I wurde eine hier nicht gegenständliche, weil gegen die Grundstücksgrenze eines anderen Nachbarn gerichtete, Ausnahmegenehmigung zur Verringerung des Mindest-Bauabstandes erteilt).
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde von der Berufungskommission der drittmitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 11. November 2008 abgewiesen.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Vorstellung, in der er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Verfahren vor den Baubehörden der Gemeinde wiederholte.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers ab. In der Bescheidbegründung führte sie im Wesentlichen aus, die Baubehörden der Gemeinde hätten richtig erkannt, dass es sich bei den Einwendungen des Beschwerdeführers betreffend die Beeinträchtigung der Sonneneinstrahlung und der freien Sicht sowie der Wertminderung seiner Liegenschaft und der Einsehbarkeit seines Wohnzimmers von dem Balkon aus um keine Einwendungen handle, die Nachbarrechte im Sinne des § 26 Abs. 1 des Vorarlberger Baugesetzes (BauG) zum Gegenstand hätten. Eine Verletzung des Nachbarrechtes gemäß § 26 Abs. 1 lit. b BauG durch Nichteinhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstandes von 3 m zur Nachbargrenze liege nicht vor, was sich aus dem Grundkataster und dem Einreichplan ergebe. Bezüglich der unzumutbaren Belästigung durch erhöhte Lärmimmissionen sei festzuhalten, dass die vom Bauvorhaben betroffenen Grundstücke im Flächenwidmungsplan als Baufläche-Kerngebiet ausgewiesen seien. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dürften Wohnbauten im Wohngebiet keinesfalls als Quelle von Belästigungen verstanden werden und diesbezügliche Immissionen seien vom Nachbarn hinzunehmen. Diese Rechtsprechung sei auch auf Wohnhäuser und Wohnungen im Kerngebiet anwendbar, da hier regelmäßig noch höhere Lärmimmissionen als in reinen Wohngebieten als typisch und somit als ortsüblich anzusehen seien. Besondere Umstände lägen nicht vor, denn es handle sich bloß um die Errichtung eines Balkons an einem bestehenden Wohngebäude. Daher habe die Einholung eines Sachverständigengutachtens betreffend Immissionen unterbleiben können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat. Das gilt weiterhin auch für den Nachbarn, der im Sinne des § 42 AVG idF seit der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 die Parteistellung behalten hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. April 2009, Zl. 2009/06/0015).
§ 6 Abs. 1 BauG, LGBl. Nr. 52/2001 idF Nr. 44/2007, lautet:
"§ 6
Mindestabstände
(1) Oberirdische Gebäude, ausgenommen kleine Gebäude nach § 19 lit. a bis c, müssen von der Nachbargrenze mindestens 3 m entfernt sein. Abweichend davon dürfen Bauteile nach § 5 Abs. 5 lit. b und c bis zu 2 m an die Nachbargrenze heranreichen."
§ 8 BauG hat folgenden Wortlaut:
"§ 8
Immissionsschutz
Bauwerke, ortsfeste Maschinen und sonstige ortsfeste technische Einrichtungen dürfen keinen Verwendungszweck haben, der eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder eine Gefährdung des Nachbarn erwarten lässt. Ob eine Belästigung das ortsübliche Ausmaß übersteigt, ist unter Berücksichtigung der Flächenwidmung am Standort des Bauvorhabens zu beurteilen."
§ 26 Bau lautet:
"§ 26
Nachbarrechte, Übereinkommen
(1) Der Nachbar hat im Verfahren über den Bauantrag das Recht, durch Einwendungen die Einhaltung der folgenden Vorschriften geltend zu machen:
a) § 4 Abs. 3, soweit mit Auswirkungen auf sein Grundstück zu rechnen ist;
- b) §§ 5 bis 7, soweit sie dem Schutz des Nachbarn dienen;
- c) § 8, soweit mit Immissionen auf seinem Grundstück zu rechnen ist.
(2) Einwendungen des Nachbarn, mit denen die Verletzung anderer als im Abs. 1 genannter öffentlich-rechtlicher Vorschriften behauptet wird, sind als unzulässig zurückzuweisen.
(3) Die im Zuge einer mündlichen Verhandlung getroffenen Übereinkommen sind von der Behörde in der Niederschrift zu beurkunden. Einwendungen, die sich auf das Privatrecht stützen und hinsichtlich derer ein Übereinkommen nicht zustandekommt, sind auf den Rechtsweg zu verweisen."
§ 14 Abs. 2 des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes (RPG), LGBl. Nr. 39/1996 in der Fassung LGBl. Nr. 43/1999, hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
"§ 14
Einteilung der Bauflächen
(1) Als Bauflächen sind nach Erfordernis und Zweckmäßigkeit gesondert festzulegen: Kerngebiete, Wohngebiete, Mischgebiete und Betriebsgebiete.
(2) Kerngebiete sind Gebiete in zentraler innerörtlicher Lage, die vornehmlich für Gebäude für Verwaltung, Handel, Bildungs- und andere kulturelle und soziale Einrichtungen, sonstige Dienstleistungen und Wohnungen bestimmt sind. Andere Gebäude und Anlagen sind zulässig, wenn der Charakter als Kerngebiet nicht gestört wird.
(3) Wohngebiete sind Gebiete, die für Wohngebäude bestimmt sind. Andere Gebäude und Anlagen dürfen in Wohngebieten errichtet werden, wenn dadurch das Wohnen und auch sonst der Charakter als Wohngebiet nicht gestört wird.
..."
Der Beschwerdeführer sieht sich in seiner Beschwerde in seinen Rechten verletzt, da es zu ortsunüblichen Lärmbelästigungen komme, da seiner Liegenschaft das Licht genommen werde, er im Winter keine Sonneneinstrahlung mehr habe und es zu einer erheblichen Wertminderung seiner Liegenschaft komme. Auf dem gegenständlichen offenen Balkon werde gesprochen, was zu ortsunüblichen Lärmimmissionen auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers führe. Bei Einholung eines lärmtechnischen Sachbefundes wäre dies unter Beweis gestellt worden. Weiters ergebe sich vom Balkon eine direkte Sicht in das Wohnzimmer des Beschwerdeführers und habe der Beschwerdeführer im Winter keine Sonneneinstrahlung mehr. Das Schlafzimmer des Beschwerdeführers befinde sich nur in einer Entfernung von 5 m vom Balkon.
Die belangte Behörde hat sich darauf gestützt, dass die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Lärmimmissionen als die von einem Wohnhaus im Wohngebiet typischerweise ausgehenden Immissionen anzusehen und daher vom Nachbarn hinzunehmen seien.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes enthält § 8 BauG keinen allgemeinen Immissionsschutz. Es handelt sich vielmehr um eine Ausnahmeregelung für Bauwerke, ortsfeste Maschinen und sonstige ortsfeste technische Einrichtungen mit einem aus dem Ortsüblichen herausfallenden Verwendungszweck. Ob eine Belästigung das ortsübliche Ausmaß übersteigt, ist nach dieser Bestimmung unter Berücksichtigung der Flächenwidmung am Standort des Bauvorhabens zu beurteilen (vgl. das
z. B. hg. Erkenntnis vom 17. November 2009, Zl. 2009/06/0174 bis 0180).
Das einen Balkon betreffende verfahrensgegenständliche Projekt führt zu keiner derartigen Verwendungsänderung des bestehenden Wohnhauses, dass eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder eine Gefährdung des Nachbarn zu erwarten wäre. Das Baugrundstück ist im Flächenwidmungsplan als Baufläche-Kerngebiet ausgewiesen. Gemäß der widmungsrechtlichen Regelung im RPG (§ 14 Abs. 2) ist dieses Gebiet vornehmlich für Gebäude für Verwaltung, Handel, Bildungs- und andere kulturelle und soziale Einrichtungen, sonstige Dienstleistungen und Wohnungen bestimmt.
Wie die belangte Behörde zu Recht ausführt, ist die zu § 14 Abs. 3 RPG (Wohngebiet) ergangene Rechtsprechung, wonach Immissionen, die sich im Rahmen des in einer Widmungskategorie üblichen Ausmaßes halten, als zumutbar anzusehen sind, und zwar auch dann, wenn sie z.B. das Ausmaß der in der unmittelbaren Nähe eines anderen Gebäudes feststellbaren Emissionen übersteigen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 5. Juli 2007, Zl. 2006/06/0224 mwN), auch auf § 14 Abs. 2 RPG zu übertragen. Der Beschwerdeführer hat vorgebracht, dass Lärm dadurch entstehen könnte, dass auf dem Balkon gesprochen werde. Dies kann jedoch in der Widmungskategorie Baufläche-Kerngebiet nicht als ortsunübliche Immissionen angesehen werden. Demnach ist beim vorliegenden Projekt keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gefährdung des Nachbarn zu erwarten.
Da damit zu Recht von im Rahmen der Widmungskategorie üblichen Lärmimmissionen auszugehen war, war die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht erforderlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 2009, Zl. 2007/06/0259).
Bezüglich der Sonneneinstrahlung ist festzuhalten, dass eine durch eine Bauführung bewirkte Verringerung des Lichteinfalles als solche nicht nach § 26 Abs. 1 BauG vom Nachbarn bekämpft werden kann. Vielmehr ist davon auszugehen, dass diejenigen Rechtsnormen einer ausreichenden Belichtung und Belüftung dienen, welche die Einhaltung eines bestimmten Abstandes oder einer bestimmten Gebäudehöhe zum Gegenstand haben (vgl. Hauer, Der Nachbar im Baurecht6, S. 290 und 323 ff). Einen darüber hinausgehenden Rechtsanspruch des Nachbarn, dass durch die Verwirklichung eines Bauprojektes die bestehenden Belichtungsverhältnisse nicht beeinträchtigt werden, kennt das BauG nicht.
Bei der Einwendung der Entwertung der Nachbarliegenschaft durch das bewilligte Bauvorhaben handelt es sich um eine privatrechtliche Einwendung, über die im Bauverfahren nicht in der Sache abzusprechen ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. März 2002, Zl. 2001/05/0031). Ein Recht auf Uneinsehbarkeit ist im § 26 BauG nicht normiert. Ein Vorbringen, wonach die Abstandsbestimmungen des § 6 BauG verletzt werden, wurde in der Beschwerde nicht mehr erhoben.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 25. Februar 2010
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)