Normen
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
AVG §67d;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
AVG §67d;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, beantragte am 9. Februar 2004 Asyl. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, er befürchte, von den Dorfältesten seines Dorfes getötet zu werden, weil er es abgelehnt habe, seinem Vater in dessen Funktion als traditioneller König und Hüter des dörflichen Orakels nachzufolgen. Die Polizei habe sein Schutzersuchen abgewiesen und ihn aufgefordert, mit den Dorfältesten "zusammenzuarbeiten".
Mit Bescheid vom 8. Juni 2004 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers ab, gewährte ihm keinen Refoulementschutz und wies den Beschwerdeführer nicht zielstaatsbezogen aus dem österreichischen Bundesgebiet aus. Beweiswürdigend führte das Bundesasylamt zusammengefasst aus, der Beschwerdeführer habe den Sachverhalt vage geschildert und sich auf Gemeinplätze beschränkt, sodass er keinen Bezug zu seiner Person herstellen und nicht glaubhaft machen habe können, dass er das von ihm Geschilderte tatsächlich selbst erlebt hätte. Sein Vorbringen zu den Fluchtgründen sei vage, nicht plausibel nachvollziehbar, allgemein gehalten, durch keinerlei Beweismittel gestützt und als nicht glaubhaft zu bezeichnen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab, gewährte gemäß § 8 Abs. 1 AsylG keinen Refoulementschutz und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG nach Nigeria aus. Sie schloss sich den Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid vollinhaltlich an und erhob sie zum Inhalt ihrer Entscheidung. Darüber hinaus führte die belangte Behörde mehrere neue Argumente für die von ihr angenommene Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers an, wie etwa unschlüssige Angaben zur langen Zeitspanne zwischen erstmaliger Information und erneuter Aufforderung zum Antritt der Nachfolge und "massive Widersprüche" betreffend den Zeitpunkt, zu dem der Beschwerdeführer erstmals darüber informiert worden sei, dass er die Stellung seines Vaters einnehmen solle. Es sei "evident, dass es sich beim Vorbringen des Asylwerbers lediglich um eine oberflächlich eingelernte Rahmengeschichte, nicht aber um selbst erlebte Umstände (handle), da jener andernfalls zweifellos imstande gewesen wäre, übereinstimmende Angaben zu erstatten". Ferner wurde "(d)er
Vollständigkeit halber ... angemerkt", dass der Beschwerdeführer
unschlüssige Angaben bezüglich des von ihm behaupteten erforderlichen Alters zur Übernahme des Amts eines Königs gemacht habe.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen hat:
Die Beschwerde macht unter anderem als Verfahrensmangel eine Verletzung der Verhandlungspflicht der belangten Behörde geltend und ist damit im Recht.
Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass die Voraussetzung eines aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärten Sachverhalts gemäß Art. II Abs. 2 Z. 43a EGVG, der eine Berufungsverhandlung entbehrlich macht, dann nicht erfüllt ist, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in entscheidenden Punkten nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante und zulässige Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 11. Juni 2008, Zlen. 2008/19/0216, 0217, und vom 15. Jänner 2009, Zl. 2007/01/0352, jeweils mwN).
Die belangte Behörde führte zunächst aus, das Bundesasylamt habe "die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen (...) klar und übersichtlich zusammengefasst", weshalb sie sich "den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid" vollinhaltlich anschließe und diese "zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides" erhebe. Das Bundesasylamt hatte seine Bewertung der Angaben des Beschwerdeführers als vage, unplausibel und allgemein gehalten aber durch keinerlei konkrete, auf die Aussagen des Beschwerdeführers Bezug nehmende Ausführungen untermauert, weshalb diese Argumente die Beweiswürdigung nicht zu tragen vermögen. An der Mangelhaftigkeit des Verfahrens ändert auch die von der belangten Behörde ergänzend vorgenommene, umfangreiche Bewertung der vom Bundesasylamt für seine Beweiswürdigung nicht herangezogenen Aussagen des Beschwerdeführers nichts. Ihre eigene Beweiswürdigung hätte die belangte Behörde nämlich nicht ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung vornehmen dürfen (vgl. hiezu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 15. Jänner 2009, sowie die hg. Erkenntnisse vom 26. Jänner 2006, Zl. 2005/01/0106, und vom 9. Mai 2006, Zl. 2006/01/0096).
Ist die solcher Art nicht in einem mängelfreien Verfahren zu Stande gekommene Asyl- und Refoulemententscheidung aufzuheben, dann fehlt schon aus diesem Grund der bestätigten Entscheidung über die Ausweisung des Beschwerdeführers die Grundlage.
Insoweit im angefochtenen Bescheid die Begründung der erstinstanzlichen Ausweisungsentscheidung übernommen wurde, ließ die belangte Behörde dabei zudem unberücksichtigt, dass der Beschwerdeführer am 25. November 2006 eine österreichische Staatsangehörige geheiratet hat und mit ihr in Österreich zusammen lebt. Die belangte Behörde wurde nach der Aktenlage bereits am 15. Mai 2006 von der beabsichtigten Eheschließung des Beschwerdeführers in Österreich informiert; auch aus der von der belangten Behörde am 13. Februar 2007 - somit vor Erlassung des angefochtenen Bescheides - eingeholten ZMR-Abfrage ergab sich, dass der Beschwerdeführer verheiratet und bei seiner Ehefrau gemeldet war.
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 15. September 2010
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