VwGH 2005/01/0106

VwGH2005/01/010626.1.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Pelant, Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde der B A in G, geboren 1970, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 10. März 2005, Zl. 258.196/0- III/07/05, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
AVG §67d;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
AVG §67d;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist ihren Angaben zufolge Staatsangehörige von Kamerun, reiste am 3. Dezember 2004 in das Bundesgebiet ein und stellte an diesem Tag einen Asylantrag. Zu ihren Fluchtgründen gab sie bei den Einvernahmen am 13. Dezember 2004 und am 8. Februar 2005 zusammengefasst an, sie habe in Mujuka an "Leute" alkoholische Getränke verkauft, die anschließend zu lärmen begonnen und Parolen betreffend den Präsidenten Kameruns mit dem Namen "Bobia" (richtig: Paul Biya) gerufen hätten. Auf Grund dessen sei die Polizei eingeschritten, habe "die Leute" (darunter auch die Beschwerdeführerin) geschlagen und festgenommen. Die Beschwerdeführerin habe sich die nächsten vier Monate in Haft befunden, sei in dieser Zeit von einem Wachebeamten zu Zwecken sexueller Handlungen mehrmals in sein Haus geführt worden und es sei ihr schließlich bei einer dieser Gelegenheiten die Flucht gelungen. Im Falle ihrer Rückkehr fürchte sie, von der Polizei getötet zu werden, weil sie geflohen sei.

Mit Bescheid vom 9. Februar 2005 wies das Bundesasylamt den Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Kamerun gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig (Spruchpunkt II.) und wies die Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III.). Die Beschwerdeführerin sei - so die Begründung des Bundesasylamtes - nicht in der Lage gewesen, glaubhaft darzulegen, dass sie in Kamerun (ihrem Herkunftsstaat) einer Verfolgung ausgesetzt sein könnte.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung (ohne Durchführung einer Berufungsverhandlung) gemäß § 7 AsylG ab, stellte neuerlich fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 57 FrG zulässig sei und wies die Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus.

Begründend hielt die belangte Behörde fest, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung "keine Umstände für eine Neubewertung ihres Vorbringens ins Treffen geführt" habe. Bereits das Bundesasylamt habe zutreffend ausgeführt, dass es der Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen sei, "den Eindruck zu erwecken, dass ihre Angaben den Tatsachen bzw. der Wirklichkeit entsprechen." Die seitens der Beschwerdeführerin behauptete Herkunft aus Kamerun sowie das behauptete Verfolgungsszenario seien aus - näher dargestellten Gründen - nicht glaubhaft. So habe sie, die nach ihren Angaben ein Getränkegeschäft betrieben habe, nicht spontan die in ihrem angeblichen Heimatstaat geltende Währung benennen können. Darüber hinaus sei es ihr nicht möglich gewesen, den korrekten Namen des Staatsoberhauptes von Kamerun, Paul Biya, zu nennen. Es entstehe "der massive Eindruck, dass sie die vorgetragene Geschichte und Staatsangehörigkeit bloß oberflächlich eingelernt" habe. Bei einer Abwägung jener Gründe, die für die Glaubwürdigkeit der vorgebrachten Herkunft und Bedrohungssituation sprächen - dies sei hinsichtlich ihrer Herkunft der bloße Umstand, dass sie die Ortschaften Limbe, Boya, Yaounde und die Provinz Mujuka nennen konnte - und jener Gründe, die gegen ihre Glaubwürdigkeit sprächen, würden die für eine erfundene Geschichte und Herkunft sprechenden Argumente überwiegen. Auf Grund der Unglaubwürdigkeit der Angaben der Beschwerdeführerin hinsichtlich ihres Heimatlandes und des "folglich" ebenfalls unglaubwürdig erscheinenden Vorbringens hinsichtlich der von ihr "in diesem Land" ins Treffen geführten individuellen Verfolgungsgefahr, bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass dort - im Kontext mit der behaupteten Fluchtgeschichte - ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem Konventionsgrund bedroht wären. Weiters seien keine Umstände amtsbekannt, dass gleichsam jeder, der sich in dieses Land begebe, einer solchen Gefährdung ausgesetzt wäre.

Dagegen richtete sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die Beschwerde wendet sich gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde, wonach es der Beschwerdeführerin insbesondere nicht gelungen sei, die behauptete Herkunft aus Kamerun glaubhaft zu machen. Dass sie die Währung Kameruns bei ihrer Einvernahme nicht sofort nennen habe können, sei auf ihre Nervosität zurückzuführen gewesen. Den Namen des Präsidenten habe sie so angegeben wie er in ganz Kamerun geläufig sei. Der belangten Behörde sei eine Verletzung der Verhandlungspflicht vorzuwerfen, weil sie, obwohl von ihr sogar die Herkunft der Beschwerdeführerin aus Kamerun "bestritten" worden sei, den Sachverhalt zu Unrecht als geklärt angesehen habe.

Dieses Vorbringen führt der Beschwerde zum Erfolg.

Obwohl die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zunächst davon ausging, dass in der Berufung "keine Umstände für eine Neubewertung ihres Vorbringens ins Treffen geführt" worden seien, sah sie sich zu einer ergänzenden Beweiswürdigung veranlasst, bei der sie - anders als das Bundesasylamt - dem Umstand tragende Bedeutung beimaß, dass die Beschwerdeführerin - der behördlichen Einschätzung nach - nicht aus Kamerun stamme. Dass diesem Gesichtspunkt in der Argumentation der belangten Behörde besonderes Gewicht zukam, zeigt schon ihre zusammenfassende Bemerkung, wonach die Unglaubwürdigkeit der Angaben der Beschwerdeführerin hinsichtlich ihres Heimatlandes zur Folge hätten, dass auch ihrem weiteren Vorbringen zu den Fluchtgründen kein Glauben geschenkt werden könne. Eine solche Umwürdigung der Beweisergebnisse hätte von der belangten Behörde jedoch nicht ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung vorgenommen werden dürfen (vgl. dazu etwa das zur Rechtslage vor der AVG-Novelle BGBl. I Nr. 137/2001 ergangene, in seinen diesbezüglichen Überlegungen durch die Gesetzesänderung jedoch unberührt gebliebene hg. Erkenntnis vom 24. Juni 2004, Zl. 2001/20/0427, mwN).

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei Durchführung der zu Unrecht unterlassenen Berufungsverhandlung - unter Berücksichtigung der von der Beschwerde gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde vorgebrachten Überlegungen - ein anderes Verfahrensergebnis zu erzielen gewesen wäre, war der angefochtene Bescheid - schon aus diesem Grund zur Gänze - wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 26. Jänner 2006

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