Normen
ASVG §293;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §47 Abs3;
ASVG §293;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §47 Abs3;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 3.859,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit den angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden wies die belangte Behörde die am 20. April 2006 bei der Österreichischen Botschaft in Belgrad eingebrachten Anträge der Beschwerdeführer, alle serbische Staatsangehörige, jeweils auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gemäß § 47 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Der Drittbeschwerdeführer ist der Vater des Erst- und des Zweitbeschwerdeführers.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Großvater des Erst- und Zweitbeschwerdeführers bzw. Vater des Drittbeschwerdeführers, ein österreichischer Staatsbürger, sei Zusammenführender im Sinn des § 47 Abs. 3 NAG, von dem der angestrebte Aufenthaltstitel abgeleitet werden solle. Von diesem sei eine tragfähige Haftungserklärung sowie ein entsprechender Einkommensnachweis zu erbringen. Der Großvater bzw. Vater habe eine Haftungserklärung, datiert mit 26. Juni 2007, für fünf Jahre abgegeben, aus der sich ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von EUR 1.311,02 ergebe. Davon sei das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a Exekutionsordnung (EO), im vorliegenden Fall EUR 912,90, abzuziehen. Dem Großvater bzw. Vater verblieben lediglich EUR 398,12 im Monat, die er für Unterhaltsleistungen für seinen Sohn und seine beiden Enkelsöhne aufwenden könnte. Gemäß § 293 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) betrage der Richtsatz für den Erst- und den Zweitbeschwerdeführer jeweils EUR 78,29, für den Drittbeschwerdeführer EUR 747,--. Die vorhandenen finanziellen Mittel reichten daher für die Bestreitung des Lebensunterhaltes für die Beschwerdeführer nicht aus.
In der Berufung hätten die Beschwerdeführer angegeben, dass auch die Ehegattin des Großvaters bzw. Vaters, ebenfalls eine österreichische Staatsbürgerin, ein eigenes Einkommen beziehe. Der Aufenthaltstitel "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" könne - so die belangte Behörde - nur von einer Person abgeleitet werden, weshalb das Einkommen der Ehegattin des Großvaters bzw. Vaters nicht zu dessen Gehalt hinzugerechnet werden könne.
Da keine tragfähige Haftungserklärung vorliege, und es somit an einer besonderen Erteilungsvoraussetzung mangle, dürfe den Beschwerdeführern gemäß § 47 Abs. 3 NAG kein Aufenthaltstitel erteilt werden.
Ein sogenannter "Freizügigkeitssachverhalt" sei nicht behauptet worden, ein solcher sei aus dem vorliegenden Verwaltungsakt auch nicht erkennbar. Eine weitere Prüfung dahingehend sei daher entbehrlich gewesen.
Der Verfassungsgerichtshof hat die gegen diese Bescheide an ihn gerichteten Beschwerden nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 12. März 2008, B 408 bis 410/08-3, dem Verwaltungsgerichtshof über nachträgliche Anträge zur Entscheidung abgetreten.
Dieser hat über die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen, auftragsgemäß ergänzten Beschwerden nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG (in der Stammfassung) dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Nach § 11 Abs. 5 NAG (i.d.F. BGBl. I Nr. 157/2005) führt der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft im Sinn des § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG, wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 ASVG (i.d.F. BGBl. I Nr. 101/2007) entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a EO (i.d.F. BGBl. I Nr. 31/2003) nicht zu berücksichtigen.
Im gegenständlichen Fall begehren die Beschwerdeführer eine "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger", um mit ihrem Großvater bzw. Vater im gemeinsamen Haushalt zu leben.
Die Beschwerdeführer rügen zutreffend, dass die für sie notwendigen Unterhaltsmittel durch die Einkommen des Großvaters bzw. Vaters und dessen Ehegattin gesichert seien, weil beide für den Aufenthalt der Beschwerdeführer aufkämen und auch entsprechende Haftungserklärungen abgegeben hätten.
Dieses Vorbringen verhilft den Beschwerden zum Erfolg.
Der Rechtsirrtum der belangten Behörde liegt darin, dass sie das Einkommen der Großmutter bzw. Mutter der Beschwerdeführer gänzlich unberücksichtigt ließ, obwohl die Höhe ihres monatlichen Einkommens - zuletzt durch Vorlage der Bestätigungen vom 14. bzw. 16. Mai 2007 in Höhe von netto EUR 240,00 des Unternehmens J.N.I. und von EUR 830,27 netto (exklusive Sonderzahlungen) einer näher genannten Rechtsanwälte GmbH - nachgewiesen wurde. Es ist zwar richtig, dass die Beschwerdeführer in ihren Anträgen als Zusammenführenden den Großvater bzw. Vater namhaft gemacht haben und dieser nach § 47 Abs. 3 letzter Satz NAG eine Haftungserklärung abzugeben hatte. Die Existenz des Zusammenführenden ist allerdings auch dann gesichert, wenn einem im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepaar der so genannte "Haushaltsrichtsatz" zur Verfügung steht und das restliche Haushaltseinkommen zur Unterhaltsleistung an die Nachziehenden verwendet wird (vgl. das Erkenntnis vom 15. April 2010, 2008/22/0399). Dafür, dass im vorliegenden Fall kein Konsens zwischen den Großeltern bzw. Eltern der Beschwerdeführer bestehen könnte, mit dem den "Haushaltsrichtsatz" übersteigenden Einkommen diese zu unterstützen, gibt es angesichts der auch von der Großmutter bzw. Mutter vorgelegten Verpflichtungserklärung keine Anhaltspunkte.
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergeben sich aufzubringende Mittel von EUR 2.023,58 (EUR 1.120,-- Ausgleichszulagenrichtsatz für die im gemeinsamen Haushalt lebenden Großeltern bzw. Eltern zuzüglich je EUR 78,29 für den Erst- und Zweitbeschwerdeführer und EUR 747,-- für den Drittbeschwerdeführer). Laut Feststellungen im angefochtenen Bescheid verfügt der Großvater bzw. Vater der Beschwerdeführer über ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 1.311,02. Unter Berücksichtigung des nachgewiesenen Einkommens der Großmutter bzw. Mutter von zumindest EUR 1.070,27 monatlich netto (exklusive Sonderzahlungen) reicht das Haushaltsnettoeinkommen der Familie jedenfalls aus, um die erforderlichen Unterhaltsmittel für die Beschwerdeführer in der Höhe von insgesamt EUR 903,58 zu gewährleisten.
Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob die dem Großvater bzw. Vater ausbezahlten Zulagen als Einkommensbestandteile für die Berechnung ausreichender Unterhaltsmittel zu berücksichtigen sind, und ob gemäß § 11 Abs. 3 NAG (vgl. zur Notwendigkeit einer derartigen Prüfung in der vorliegenden Konstellation das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 2010, 2008/21/0558) ein Aufenthaltstitel zu erteilen gewesen wäre.
Indem die belangte Behörde dies verkannte, traf sie in weiterer Folge keine Feststellungen zum Einkommen der Großmutter bzw. Mutter der Beschwerdeführer und unterließ die nach § 11 Abs. 5 NAG erforderliche Berechnung anhand der gesetzmäßig festzustellenden Beträge.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 6. Juli 2010
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