VwGH 2008/22/0445

VwGH2008/22/044515.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des D, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Juni 2007, Zl. 316.843/4-III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

NAG 2005 §47 Abs1;
NAG 2005 §47 Abs3 Z3;
NAG 2005 §47 Abs3;
NAG 2005 §47 Abs1;
NAG 2005 §47 Abs3 Z3;
NAG 2005 §47 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Erstantrag des Beschwerdeführers, eines serbischen Staatsangehörigen, vom 31. Juli 2006 auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der im Jahr 1975 geborene Beschwerdeführer begehre eine Niederlassungsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit seinen in Österreich niedergelassenen Eltern. Seine Mutter besitze die österreichische Staatsbürgerschaft und komme somit als Zusammenführende im Sinn des § 47 Abs. 1 NAG in Frage; sie habe sich auch zur Unterhaltsleistung an den Beschwerdeführer verpflichtet. Allerdings sei auf Grund der Aktenlage nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen hätte. Einer dem Antrag beiliegenden schriftlichen "Erklärung" könne entnommen werden, dass die Mutter dem Beschwerdeführer in den letzten Jahren monatlich EUR 300,-- überwiesen habe, ohne dass dies "mit entsprechenden Beweisen (z.B. Kontobewegungen)" unterlegt worden sei. Das Einkommen des Vaters des Beschwerdeführers könne nicht berücksichtigt werden, weil dieser serbischer Staatsangehöriger und somit kein Zusammenführender im Sinn des § 47 Abs. 1 NAG sei. Daher könne auch die "Erklärung", wonach der Vater dem Beschwerdeführer und seinen Kindern die volle Unterstützung garantiere, nicht herangezogen werden.

Die Einstellungszusage eines näher genannten Unternehmens könne deshalb nicht berücksichtigt werden, weil der Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel mit dem Aufenthaltszweck "Angehöriger" anstrebe, womit er nicht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit berechtigt sei. Die Vorlage der Einstellungszusage lasse den Schluss zu, "dass in der ggstde. Causa eine falsch deklarierte Zuwanderung" vorliege.

Anschließend prüfte die belangte Behörde das Vorliegen der Voraussetzungen zur Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit" und stellte in diesem Zusammenhang fest, dass die Mutter des Beschwerdeführers über ein monatliches Nettoeinkommen in der Höhe von EUR 1.250,20 und der Vater über ein solches von EUR 1.536,21 verfüge. Weiters seien Sparguthaben in der Höhe von etwa EUR 35.000,-- nachgewiesen worden. Diesbezüglich stellte die belangte Behörde fest, es sei nicht ersichtlich, ob die Beträge tatsächlich zur Bestreitung des Unterhaltes des Beschwerdeführers zur Verfügung stünden. Außerdem handle es sich dabei nicht um feste und regelmäßige Einkünfte.

Im Übrigen sei kein Nachweis eines Rechtsanspruches auf eine für Inländer ortsübliche Unterkunft erfolgt, weil es sich bei der als beabsichtigten Wohnsitz angegebenen Adresse um eine Dienstwohnung des Vaters des Beschwerdeführers handle, die im Fall einer Auflösung des Dienstverhältnisses des Vaters geräumt werden müsse. Weiters liege keine ausdrückliche Genehmigung für eine Zusatzmeldung einer weiteren Person vor. Somit liege auch ein "Versagungsgrund" gemäß § 11 Abs. 2 Z 2 NAG vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzustellen, dass der angefochtene Bescheid mit Blick auf den Zeitpunkt seiner Erlassung nach der Rechtslage des NAG idF BGBl. I Nr. 99/2006 zu prüfen ist.

Gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 NAG darf ein Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn dessen Aufenthalt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Gemäß Abs. 5 führt der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaft ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 ASVG entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung nicht zu berücksichtigen.

Der angefochtene Bescheid steht in mehrfacher Hinsicht mit dem Gesetz nicht in Einklang:

1. Die belangte Behörde legte dem angefochtenen Bescheid bei der Berechnung der notwendigen Unterhaltsmittel die Annahme zugrunde, der Beschwerdeführer strebe für seinen Aufenthalt im Bundesgebiet eine "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit" nach § 42 Abs. 1 NAG an, obwohl er - wovon die Behörde zunächst selbst ausgegangen ist - einen "Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für Angehöriger" gemäß § 47 Abs. 3 NAG gestellt hat. Diesbezüglich gleicht der vorliegende Fall jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 15. April 2010, 2008/22/0071, zugrunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird insoweit auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.

2. Soweit die belangte Behörde die Meinung vertritt, die dem Antrag beiliegende schriftliche "Erklärung" der Mutter des Beschwerdeführers über den tatsächlich an diesen geleisteten Unterhalt sei nicht zu berücksichtigen, weil die Unterhaltsleistungen nicht durch entsprechende Kontobewegungen belegt seien, verkennt sie, dass das Unterbleiben der - gar nicht abverlangten - Vorlage von Kontoauszügen allein den Schluss der belangten Behörde, es liege entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers kein Unterhaltsbezug durch seine Mutter vor, nicht in gesetzeskonformer Weise zu tragen vermag (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 2010, 2007/21/0557).

3. Aus den im hg. Erkenntnis vom 18. März 2010, 2008/22/0637 (vgl. Punkt 6.3. dieser Entscheidung), genannten Gründen hätte die belangte Behörde auch das Einkommen des Vaters des Beschwerdeführers in ihre Überlegungen miteinbeziehen müssen.

4. Die Beschwerde rügt auch zutreffend, die belangte Behörde habe das Sparguthaben der Ehefrau des Beschwerdeführers in Höhe von rund EUR 41.000,-- (laut übereinstimmenden Angaben im angefochtenen Bescheid und in der Berufung in Höhe von etwa EUR 35.000,--) nicht berücksichtigt. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits festgestellt hat, kommt der Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel auch durch Spareinlagen in Betracht. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird diesbezüglich auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnis vom 15. April 2010, 2008/22/0835, verwiesen.

5. Soweit die belangte Behörde in der Begründung - nicht jedoch im Spruch - des angefochtenen Bescheides auch auf das Vorliegen des "Versagungsgrundes" gemäß § 11 Abs. 2 Z 2 NAG verweist, ist ihr zu entgegnen, dass die erstinstanzliche Behörde ihrer Entscheidung diesen Mangel einer Erteilungsvoraussetzung nicht zugrunde gelegt hat; dem Verwaltungsakt ist auch nicht zu entnehmen, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer dazu Parteiengehör eingeräumt hätte. Die mit der Beschwerde vorgelegte Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag vom 28. August 2007, womit einer Zusatzanmeldung des Beschwerdeführers in der Dienstwohnung durch den Arbeitgeber des Vaters des Beschwerdeführers ausdrücklich zugestimmt werde, unterliegt daher nicht dem Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG). Das Fehlen des Erfordernisses einer ortsüblichen Unterkunft durfte die belangte Behörde daher für ihre Entscheidung nicht heranziehen.

Da die belangte Behörde somit in mehrfacher Hinsicht die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das über den in der genannten Verordnung enthaltenen Pauschalsatz für Schriftsatzaufwand hinausgehende Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer im Pauschalsatz bereits enthalten ist.

Wien, am 15. Juni 2010

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