VwGH 2008/22/0835

VwGH2008/22/083515.4.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl, Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des H, vertreten durch Mag. Petra Trauntschnig, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schubertring 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Mai 2008, Zl. 318.209/2-III/4/2008, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §293;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §42 Abs1 Z3;
ASVG §293;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §42 Abs1 Z3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 15. Mai 2008 wurde ein am 10. Oktober 2007 bei der Österreichischen Botschaft Skopje eingebrachter Antrag des aus dem Kosovo stammenden Beschwerdeführers auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gemäß § 47 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG abgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der österreichische Vater des Beschwerdeführers (als der Zusammenführende im Sinn des § 47 Abs. 1 NAG) eine mit 20. September 2007 datierte Haftungserklärung für fünf Jahre vorgelegt und sich dadurch verpflichtet habe, für den Unterhalt, die Unterkunft und die Krankenversicherung des Beschwerdeführers sowie sonstige Kosten, die einer Gebietskörperschaft durch dessen Aufenthalt im Bundesgebiet entstehen könnten, aufzukommen.

Der Vater des Beschwerdeführers beziehe eine monatliche Pension in der Höhe von EUR 1.353,48. Er sei für seine Ehefrau und das minderjährige Kind des Beschwerdeführers, das er adoptiert habe, sorgepflichtig. Der Beschwerdeführer habe mit Bestätigung einer Bank vom 20. September 2007 ein Sparguthaben über EUR 8.021,11 nachgewiesen.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass dem Vater des Beschwerdeführers - unter Berücksichtigung seines pfändungsfreien Existenzminimums von EUR 1.192,50 - lediglich EUR 160,98 im Monat verblieben; "laut Ausgleichszulagenrichtsätze ab 1.1.2008" müsse für eine erwachsene Person aber ein monatlicher Betrag von EUR 747,-- für Unterhaltsmittel gemäß § 293 ASVG zur Verfügung stehen.

Die Bankbestätigung vom 20. September 2007 dokumentiere "lediglich den Saldostand und nicht die bereits erfolgten regelmäßigen monatlichen Einkünfte" des Vaters des Beschwerdeführers; damit lägen feste Einkünfte nicht vor, weshalb die Bestätigung nicht als Nachweis für den gesicherten Lebensunterhalt geeignet sei. Mangels tragfähiger Haftungserklärung mangle es an einer besonderen Erteilungsvoraussetzung gemäß § 47 Abs. 3 NAG.

Der Beschwerdeführer erfülle auch nicht die in der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Freizügigkeitsrichtlinie), festgelegten Voraussetzungen und könne daher auch kein Recht auf Freizügigkeit gemäß den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften in Anspruch nehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der angefochtene Bescheid in Hinblick auf den Zeitpunkt seiner Erlassung nach der Rechtslage des NAG vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 zu prüfen ist.

Soweit die Beschwerde verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf eine "ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von EWR-Bürgern bzw. deren Angehörigen" äußert, ist auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Dezember 2009, G 244/09 u.a., zu verweisen.

Mit dem gegenständlichen, am 10. Oktober 2007 in Mazedonien gestellten Antrag strebt der Beschwerdeführer die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" an; der Verwaltungsakt enthält eine Haftungserklärung des in Wien lebenden österreichischen Vaters des Beschwerdeführers.

§ 11 und § 47 NAG haben - auszugsweise - den folgenden Wortlaut:

"§ 11. (...)

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

(...)

4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

(...)

(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z. 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z. 3) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, nicht zu berücksichtigen.

(...)

§ 47. (1) Zusammenführende im Sinne der Abs. 2 bis 4 sind Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und denen das Recht auf Freizügigkeit nicht zukommt.

(2) (...)

(3) Angehörigen von Zusammenführenden im Sinne des Abs. 1 kann auf Antrag eine quotenfreie 'Niederlassungsbewilligung - Angehöriger' erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

1. Verwandte des Zusammenführenden oder seines Ehegatten in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen tatsächlich Unterhalt geleistet wird;

2. Lebenspartner sind, die das Bestehen einer dauerhaften Beziehung im Herkunftsstaat nachweisen und ihnen tatsächlich Unterhalt geleistet wird; oder

3. sonstige Angehörige des Zusammenführenden sind,

a) die vom Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen haben;

b) die mit dem Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben und Unterhalt bezogen haben oder

c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege durch den Zusammenführenden zwingend erforderlich machen.

Unbeschadet eigener Unterhaltsmittel hat der Zusammenführende jedenfalls auch eine Haftungserklärung abzugeben."

Die Beschwerde bringt unter anderem vor, dass die belangte Behörde bei der Berechnung des monatlichen Einkommens des Vaters des Beschwerdeführers die zwei jährlichen Sonderzahlungen übersehen habe und dass der allenfalls noch verbleibende Differenzbetrag zum erforderlichen Richtsatz des § 293 ASVG durch das einzubeziehende Sparguthaben von EUR 8.021,11 abgedeckt werde.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

Zunächst trifft es zu, dass der angefochtene Bescheid - ausgehend von dem im Verwaltungsakt ersichtlichen, am 24. August 2007 überwiesenen (monatlichen) Pensionsbetrag von damals EUR 1.353,48 - bei der Berechnung der dem Vater des Beschwerdeführers zur Verfügung stehenden Pension die Sonderzahlungen vernachlässigt, während die Erstbehörde diese noch ("anteilig") mit einbezogen hat und zu einer monatlichen Pension von EUR 1.579,06 gelangt ist.

Der nach § 11 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 5 NAG zu fordernde Unterhalt muss für die beabsichtigte Dauer des Aufenthalts des Fremden gesichert sein, wobei diese Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen dürfen. Entgegen der wiedergegebenen Ansicht der belangten Behörde kommt allerdings der Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel auch durch Spareinlagen in Betracht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. September 2009, 2008/22/0659, mwN).

Der beantragte Aufenthaltstitel wäre gemäß § 20 Abs. 1 NAG für die Dauer von zwölf Monaten auszustellen. Auch wenn man mit der belangten Behörde einen Betrag von EUR 1.192,50 annimmt, der dem Vater des Beschwerdeführers aufgrund seiner weiteren Unterhaltspflichten als pfändungsfreies Existenzminimum verbleiben müsste, so ist die in Hinblick auf die erforderlichen EUR 747,-- (§ 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 101/2007) verbleibende Differenz auf ein Jahr hochgerechnet durch das vorhandene Sparguthaben des Vaters des Beschwerdeführers gedeckt.

Somit hätte die belangte Behörde das Vorhandensein ausreichender Unterhaltsmittel nicht verneinen dürfen, weshalb sie der vom Beschwerdeführer vorgelegten Haftungserklärung zu Unrecht die Tragfähigkeit abgesprochen hat. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 15. April 2010

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