VwGH 2008/18/0460

VwGH2008/18/04608.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des A K in W, geboren am 15. Mai 1970, vertreten durch Mag. Franz Paul, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Margaretenstraße 22/12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. März 2008, Zl. E1/154.882/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z2;
EMRK Art8 Abs2;
NAG 2005 §57;
VwGG §41 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z2;
EMRK Art8 Abs2;
NAG 2005 §57;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 19. März 2008 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 25. September 2001 illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe einen Asylantrag gestellt, der zunächst erstinstanzlich abgewiesen worden sei. Die dagegen eingebrachte Berufung habe der Beschwerdeführer zurückgezogen, nachdem er sich in der Türkei von seiner damaligen Frau scheiden habe lassen und am 26. März 2004 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet habe. Daraufhin sei ihm zunächst ein bis 31. Jänner 2006 befristeter Aufenthaltstitel erteilt worden.

Auf Grund eines anonymen Anrufes, dass der Beschwerdeführer eine Scheinehe eingegangen sein solle, seien von der Erstbehörde entsprechende Ermittlungen eingeleitet worden. An der angeblich ehelichen Wohnanschrift habe am 22. Juli 2005 niemand angetroffen werden können. Eine Nachbarin habe zwar die Ehefrau erkannt, diese jedoch seit längerem nicht gesehen. Der Beschwerdeführer sei auf einem vorgewiesenen Lichtbild von der Nachbarin nicht erkannt worden.

Die Ehefrau habe sich während der Erhebungen an einer anderen Adresse angemeldet. Am 11. Oktober 2005 habe sie dort angetroffen werden können. Sie habe anfänglich das Vorliegen einer Scheinehe bestritten. Während der Erhebungen sei jedoch ihr (österreichischer) Lebensgefährte nach Hause gekommen, woraufhin sie die einschreitenden Beamten im Hinblick auf ein Geständnis um Diskretion ersucht habe. Aktenkundig sei, dass dieser Lebensgefährte bereits seit 13. Jänner 2005 an dieser Wohnung, einer Gemeindewohnung, gemeldet gewesen sei.

Am 17. November 2005 sei die Ehefrau niederschriftlich vernommen worden. Sie habe angegeben, dass ihre Ehe mit dem Beschwerdeführer vermittelt worden sei. Sie sei damals öfter in einem Lokal in W gewesen, wo ihre Freundin Kellnerin gewesen sei. Auch diese sei eine Scheinehe eingegangen. Die Eheschließung sei dann arrangiert worden; den Beschwerdeführer habe sie einige Tage später kennen gelernt. Bei diesem Treffen sei auch der Vermittler anwesend gewesen. Ihr seien vom Vermittler EUR 2.000,-- bezahlt worden, EUR 1.000,-- bei der Aufgebotsbestellung und EUR 1.000,-- nach der Hochzeit. Weitere EUR 500,-- seien ihr vom Vermittler nach der Visumserteilung in Aussicht gestellt worden. Es habe zu keiner Zeit ein gemeinsamer Wohnsitz bestanden. Sie wisse, dass der Beschwerdeführer mit seiner geschiedenen Frau in W wohne, auch diese sei eine Scheinehe eingegangen.

Am 14. Dezember 2005 seien Erhebungen wegen des Verdachtes der Scheinehe der geschiedenen Gattin des Beschwerdeführers in deren Wohnhaus erfolgt. Die Tochter des Hausbesitzers habe dem einschreitenden Beamten gegenüber angegeben, dass sie auf Grund vorgelegter Lichtbilder den Beschwerdeführer, dessen geschiedene Gattin und das Kind wieder erkenne und diese Personen die Wohnung des Beschwerdeführers bewohnten. Aktenkundig sei weiters eine Niederschrift mit dem Ehemann der geschiedenen Gattin, der angegeben habe, dass seine "Frau" nach einem Streit im Oktober 2005 ausgezogen sei und mit ihrem Kind bei einer Freundin (die drei Tage vor der Eheschließung der Ehefrau ebenfalls einen türkischen Staatsbürger geheiratet habe, wobei die Ehefrau Trauzeugin gewesen sei) in W wohne.

In seiner dazu ergangenen Stellungnahme habe der Beschwerdeführer das Eingehen einer Scheinehe bestritten und die Angaben seiner Ehefrau auf einen Streit zurückgeführt.

Am 10. März 2006 sei bei der Erstbehörde ein von der Ehefrau unterschriebenes Schreiben eingelangt, wonach diese bei ihrer Niederschrift gelogen habe und ihre Aussagen ändern wolle. Sie habe mit dem Beschwerdeführer eine schöne und ernste Beziehung, der Beschwerdeführer habe eine Tochter, die bei deren Mutter wohne und die der Beschwerdeführer fast jeden Tag besuche. Aus Eifersucht und Rache habe sie falsche Aussagen gemacht.

Da der gegenständliche Verwaltungsakt irrtümlich dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Berufungsentscheidung vorgelegt worden sei, habe dieser am 27. Februar 2007 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Dabei seien der Beschwerdeführer, seine Ehefrau, die frühere Ehegattin sowie die Tochter des Hausbesitzers vernommen worden. Insbesondere zwischen den Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau hätten sich - im angefochtenen Bescheid näher dargestellte - erhebliche Differenzen, beispielsweise über den Zeitpunkt des Kennenlernens, des Entschlusses zur Heirat und des Zusammenziehens sowie über die angebliche Ehewohnung und den Tag der Vernehmung, ergeben. Der Ehefrau sei weiters der Erhebungsbericht vom 11. Oktober 2005 vorgehalten worden, wonach während der polizeilichen Erhebung ihr Lebensgefährte nach Hause gekommen sei. Sie habe bestritten, dass dieser ihr Lebensgefährte sei, er sei der Eigentümer der Wohnung, was jedoch mit den Eintragungen im Zentralen Melderegister nicht übereinstimme. Die Tochter des Hausbesitzers habe die stattgefundenen Erhebungen durch die Erstbehörde bestätigt und auch, dass ihr Fotos vorgelegt worden seien. Sie (und ihre Mitbewohnerin) hätten gesagt, dass der Beschwerdeführer ihres Wissens nach dort wohne, und auch, dass sie ein Kind und eine Frau gesehen hätten, jedoch nicht wüssten, ob es die Personen auf den Fotos seien. Sie habe diese nur im Vorbeigehen gesehen und nicht so genau angeschaut. Sie kenne sowohl die Ehefrau als auch die geschiedene Gattin, beide Frauen habe sie im Haus gesehen, könne jedoch nicht sagen, welche öfter. Beide habe sie jedoch sehr selten gesehen, sie sei doch untertags auch selten zu Hause.

(Das Verhandlungsprotokoll wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 27. März 2007 übermittelt. Mit Stellungnahme vom 13. April 2007 an die belangte Behörde bestritt der Beschwerdeführer nochmals unter Bezugnahme auf die mündliche Verhandlung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat das Vorliegen einer Scheinehe.)

Die Erstbehörde - so die belangte Behörde - habe zu Recht festgestellt, dass der Beschwerdeführer zur Erlangung eines Aufenthaltstitels eine Scheinehe eingegangen sei. Dies aus folgenden Gründen:

Zunächst sehe die belangte Behörde keine Veranlassung, dem niederschriftlichen Eingeständnis der Ehefrau vom 17. November 2005 keinen Glauben zu schenken. Diese Angaben seien ausführlich, konkret und schlüssig, weshalb an ihrem Wahrheitsgehalt nicht zu zweifeln sei. Dass die Ehefrau diese Angaben später widerrufen habe und als gelogen darstellen wolle, könne hingegen nicht überzeugen. Die Erklärung, sie habe aus Rache und Eifersucht falsche Angaben gemacht, sei nämlich nicht nachvollziehbar, weil die Angaben viel zu detailliert gewesen seien, um frei erfunden zu sein. Es sei auch nicht erklärbar, warum die Ehefrau wegen eines Streites mit dem Beschwerdeführer andere Personen der Scheinehe bzw. des Vermittelns von Scheinehen bezichtigen sollte. Für das Vorliegen einer Scheinehe spreche auch der sehr kurze Zeitraum zwischen Kennenlernen und Eheschließung unter Berücksichtigung der gegebenen kulturellen und sprachlichen Barrieren. Weiters sei zu beachten, dass sich die Eheleute in maßgeblichen Punkten bei der niederschriftlichen Vernehmung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat erheblich widersprochen hätten. Dies lasse den Schluss zu, dass die Eheleute bestrebt gewesen seien, ein gemeinsames Eheleben darzustellen. Der Beschwerdeführer habe während des Verfahrens auch keine Zeugen geltend machen können, die ein gemeinsames Ehe- und Familienleben hätten bezeugen können; die vorgelegten Fotos von der Eheschließung hätten keinerlei Beweiswert. Auch die Tatsache, dass die Ehefrau seit 13. Juli 2007 wieder in der Wohnung des Beschwerdeführers gemeldet sei, verhelfe diesem nicht zu mehr Glaubwürdigkeit.

Insgesamt sei als erwiesen anzusehen, dass der im § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG normierte Sachverhalt verwirklicht sei. Das dargestellte Fehlverhalten des Beschwerdeführers beeinträchtige die öffentlichen Interessen tatsächlich, gegenwärtig und erheblich und berühre ein Grundinteresse der Gesellschaft, weshalb kein Zweifel bestehen könne, dass die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 61 und 66 FPG - im Grunde des § 87 FPG gegeben seien.

Der Beschwerdeführer sei - wie dargestellt - verheiratet. Dass er für das Kind aus seiner Vorehe sorgepflichtig sei, könne angenommen werden. Sonstige familiäre Bindungen bestünden offenbar zu einem Bruder, der als Asylwerber in Niederösterreich wohnhaft sei.

Zwar sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiete des Fremdenwesens, zur Verhinderung von Scheinehen - dringend geboten sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses Interesse verstoße jedoch gravierend, wer zwecks Erlangung eines Aufenthaltstitels eine Scheinehe eingehe. Die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung sei von solchem Gewicht, dass sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes als dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG erweise.

Bei der gemäß § 66 Abs. 2 FPG durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Dieser Aufenthalt habe sich jedoch zunächst auf einen Asylantrag, der sich als unberechtigt erwiesen habe, und in weiterer Folge auf das dargelegte Fehlverhalten, sohin eine Scheinehe, gestützt. Auch der Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt sei dem Beschwerdeführer erst durch die Scheinehe möglich gewesen. Was die familiären Bindungen zu seinem Kind betreffe, seien diese insofern zu relativieren, als der Beschwerdeführer bereits vor Jahren Mutter und Kind verlassen habe, um nach Österreich zu kommen, für das Kind offenbar nicht obsorgeberechtigt sei und mit diesem auch nicht im gemeinsamen Haushalt lebe. Sofern es sich bei dem genannten Bruder tatsächlich um den Bruder des Beschwerdeführers handle (was nach der Aktenlage keineswegs hinreichend feststehe), so sei festzuhalten, dass der Beschwerdeführer mit diesem niemals gemeinsam gewohnt habe, beide längst volljährig seien und der Bruder im gegenständlichen Verfahren nie geltend gemacht worden sei. Solcherart erweise sich das dem Beschwerdeführer insgesamt zuzusprechende Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet zwar nicht als gering, keinesfalls jedoch als besonders ausgeprägt.

Dem stehe das hohe öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens und an der Verhinderung von Scheinehen gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlagen sei die belangte Behörde zu der Ansicht gelangt, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als das in seinem Fehlverhalten gegründete hohe öffentliche Interesse "an seinem Verlassen und Fernbleiben des Bundesgebietes". Dabei habe die belangte Behörde auch bedacht, dass der Beschwerdeführer den Kontakt zu seinen Familienangehörigen gegebenenfalls vom Ausland aus wahrnehmen könne, eine Einschränkung, die er im öffentlichen Interesse zu tragen haben werde. Auch könne er allfälligen Sorgepflichten vom Ausland aus nachkommen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich daher im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG als zulässig.

Ein Sachverhalt gemäß § 61 FPG sei nicht gegeben.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gegen den Beschwerdeführer als Familienangehörigen einer nicht freizügigkeitsberechtigten Österreicherin ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn aufgrund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafgerichtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Bei dieser Beurteilung kann auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. November 2009, Zl. 2008/18/0070, mwN). Nach § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.

2. Die Beschwerde wendet sich gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde hinsichtlich des Vorliegens einer Scheinehe und bringt dazu lediglich vor, der Vorwurf einer Scheinehe sei unzutreffend und müsse als Ergebnis einer unzureichenden Tatsachenfeststellung angesehen werden.

Damit gelingt es der Beschwerde nicht, eine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung aufzuzeigen.

Die belangte Behörde hat ihrer Beweiswürdigung die Angaben des Beschwerdeführers, die Aussagen der Ehefrau, Erhebungen an der Wohnadresse des Beschwerdeführers und der Ehefrau sowie die Aussagen der Tochter des Hausbesitzers zugrunde gelegt. Sie hat auch das Schreiben der Ehefrau, mit dem sie ihre Aussage vom 17. November 2005 revidieren wollte, berücksichtigt, diese Ergebnisse des Beweisverfahrens einer eingehenden Beweiswürdigung unterzogen und nachvollziehbar und plausibel Gründe für das Vorliegen einer Scheinehe dargelegt. Der Beschwerdeführer vermochte hingegen im Verwaltungsverfahren kein konkretes Verhalten, keine konkrete Begebenheit und keinen konkreten Umstand aufzuzeigen, die auch nur in Ansätzen für ein tatsächliches Familienleben sprechen würden. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde begegnet daher im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.

Auf Basis der getroffenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen, aber mit seiner Ehefrau ein gemeinsames Familienleben nie geführt hat. Daher begegnet die Beurteilung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG (als "Orientierungsmaßstab") verwirklicht sei, keinem Einwand.

Angesichts des hohen Stellenwertes, welcher der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zukommt, ist auch die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass die im § 86 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, unbedenklich (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2010, Zl. 2007/18/0733, mwN).

3. Die Beschwerde bringt außerdem vor, die belangte Behörde hätte prüfen müssen, welche konkreten Auswirkungen das verhängte Aufenthaltsverbot auf die Lebenssituation und das Privatleben des Beschwerdeführers habe, und feststellen müssen, dass die Erlassung eines zehnjährigen Aufenthaltsverbotes die Zerstörung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers zur Folge hätte. Hätte die belangte Behörde den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen erforscht, so hätte sie konkrete Feststellungen über das Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers sowie die Intensität der Bindungen zu dessen Freunden, Bekannten und zur Familie treffen müssen.

Dem ist zu erwidern, dass die belangte Behörde sehr wohl eine Interessenabwägung gemäß § 66 FPG vorgenommen und dabei die aus der Dauer des Aufenthalts im Inland ableitbare Integration des Beschwerdeführers und die familiären Beziehungen berücksichtigt hat. Zutreffend hat die belangte Behörde darauf hingewiesen, dass das Gewicht der privaten Interessen des Beschwerdeführers aufgrund seines bisherigen Aufenthaltes und seiner Berufstätigkeit jedoch dadurch entscheidend gemindert ist, dass sowohl sein Aufenthalt im Bundesgebiet als auch der Zugang zum Arbeitsmarkt erst durch die Scheinehe möglich geworden sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Juni 2009, Zl. 2009/18/0127, mwN). Weiters blieb unbestritten, dass der Beschwerdeführer weder mit seinem Kind noch mit seinem Bruder in einem gemeinsamen Haushalt lebt. Die belangte Behörde hat auch berücksichtigt, dass er den Kontakt zu diesen Verwandten - wenn auch eingeschränkt - vom Ausland aus aufrecht erhalten kann. Das Beschwerdevorbringen, dass sich nahezu die ganze Familie des Beschwerdeführers in Österreich aufhalte, kann schon im Hinblick auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG) nicht berücksichtigt werden.

Den somit relativierten Interessen des Beschwerdeführers steht das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Bei Abwägung dieser gegenläufigen Interessen kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), nicht als rechtswidrig erkannt werden.

4. Der Beschwerdeführer bestreitet auch die Zuständigkeit der belangten Behörde und bringt dazu vor, er sei aufgrund seiner langjährigen Beschäftigung in Österreich ein assoziationsintegrierter türkischer Staatsangehöriger; gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1 FPG sei der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über Rechtsmittel nach dem FPG auch im Fall von assoziationsintegrierten türkischen Staatsbürgern zuständig.

Diesem Vorbringen ist zu erwidern, dass einem Fremden die Begünstigung nach dem ARB nicht zugute kommt, wenn er den Zugang zum Arbeitsmarkt rechtsmissbräuchlich im Wege einer Scheinehe erlangt hat (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 20. Jänner 2009, Zl. 2006/18/0145, mwN, und vom 24. September 2009, Zl. 2006/18/0395). Gemäß § 9 Abs. 1 Z. 2 FPG war daher die Sicherheitsdirektion zur Entscheidung über die vorliegende Berufung zuständig.

Zu dem Vorbringen der vermeintlichen Schlechterstellung von Angehörigen nicht freizügigkeitsberechtigter Österreicher ist der Beschwerdeführer auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Dezember 2009, G 244/09 u.a., zu verweisen, worin der Verfassungsgerichtshof die in § 57 NAG getroffene Differenzierung zwischen Angehörigen von Österreichern, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben, und solchen, die keinen Freizügigkeitssachverhalt verwirklicht haben, als verfassungskonform beurteilt hat. Im Hinblick auf die jüngste Rechtsprechung des EuGH (vgl. das Urteil vom 25. Juli 2008, Rs C- 127/08 , "Metock", und den Beschluss vom 19. Dezember 2008, Rs C- 5512/07, "Sahin") sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht zu einem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH veranlasst.

5. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 8. Juni 2010

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