VwGH 2008/10/0185

VwGH2008/10/018512.8.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde

1. des F M und 2. der M M, beide in Salzburg, beide vertreten durch Dr. Josef Dengg und Dr. Milan Vavrousek, Rechtsanwälte in 5600 St. Johann/Pongau, Pöllnstraße 2, sowie durch Mag. Thomas Hölber, Rechtsanwalt in 5440 Golling, Markt 5, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 14. Juli 2008, Zl. 21301-RI/777/2-2008, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens iA. naturschutzrechtliche Bewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §69 Abs1 Z2;
AVG §69 Abs2;
AVG §69 Abs1 Z2;
AVG §69 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 6. Februar 2007 beantragten die Beschwerdeführer die - nachträgliche - Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung für die Errichtung eines Carports und eines gepflasterten Zufahrtsplatzes auf dem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück Nr. 403/3, KG M.

Gemäß der Niederschrift über die vom Bürgermeister der Stadt Salzburg durchgeführte mündliche Verhandlung vom 28. März 2007 sei im Beisein der Beschwerdeführer und des naturkundlichen Amtssachverständigen Ing. E. das Carport und dessen Umgebung besichtigt worden.

Der naturkundliche Amtssachverständige führte in seiner Stellungnahme aus, das im Landschaftsschutzgebiet Leopoldskroner-Moos gelegene Carport weise eine Höhe von 3,30 m auf und nehme eine Grundfläche von 45,38 m2 in Anspruch. Es befinde sich am nordöstlichen Rand der Bebauung am S-Weg und sei Richtung Osten und Norden gut einsehbar. Da das in der Farbe "kastanienbraun" gehaltene Carport in der Moorlandschaft von L. einen unnatürlichen Farbton darstelle und diese Anlage zur weiteren Zersiedelung des Landschaftsraumes beitrage, sei eine naturschutzrechtliche Bewilligung aus naturkundlicher Sicht abzulehnen. Gleiches gelte auch für die mit Betonverbundsteinen auf einer Fläche von 128 m2 vorgenommene grau-rötliche Pflasterung, welche eine vielmähdrige Wiese (Obstbaumrasen) ersetzt habe, weil die Pflasterung auf Grund der Verdichtung des Bodens zu einem Verlust für den Naturhaushalt geführt habe. An Stelle der Untersagung des beantragten Vorhabens könne aber aus naturkundlicher Sicht die naturschutzrechtliche Bewilligung erteilt werden, wenn entlang des nördlichen Fahrbahnrandes des S-Weges im Abstand von 2,5 m zur asphaltierten Fahrbahn 11 Mostobstbäume mit Stammumfängen von jeweils mindestens 20/25 cm fachgerecht im Abstand von jeweils 10 m zueinander auf dem im Eigentum von A. S. stehenden Grundstück Nr. 403/5, KG M., gepflanzt würden. Dadurch würde eine wesentliche Verbesserung des Landschaftsbildes bewirkt werden, weil die Sichtbeziehung in Richtung Westen auf eine kastenförmig geschnittene Thujenhecke eingeschränkt werde.

Nach Ausweis der von den Beschwerdeführern unterschriebenen Verhandlungsschrift sei von diesen das "Verhandlungsergebnis zustimmend zur Kenntnis genommen" worden und die vom naturkundlichen Amtssachverständigen beschriebene Ausgleichsmaßnahme ausdrücklich "angeboten" worden.

Auch habe nach der Feststellung des Verhandlungsleiters die Eigentümerin des Grundstückes Nr. 403/5 der Pflanzung der 11 Mostobstbäume bei der Verhandlung ausdrücklich zugestimmt.

Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 28. März 2007 erteilte

der Bürgermeister der Stadt Salzburg gemäß § 18 Abs. 1 und 2,

§ 50 Abs. 2 und § 51 des Salzburger Naturschutzgesetzes 1999 iVm

§ 2 der Leopoldskroner-Moos-Landschaftsschutzverordnung 1981 und

§ 2 Z. 1 und 2 der Allgemeinen Landschaftsschutzverordnung 1995 den Beschwerdeführern (ua.) die nachträgliche naturschutzrechtliche Bewilligung für ein Carport und einen gepflasterten Zufahrtsplatz auf dem Grundstück Nr. 403/3 nach Maßgabe von Planunterlagen unter Vorschreibung von Auflagen und einer Ausgleichsmaßnahme, die wie folgt lautet (Wiedergabe im Original, Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Gemäß § 51 Salzburger Naturschutzgesetz 1999 sind entlang des nördlichen Fahrbahnrandes des S-Weges im Abstand von ca. 2,5 m elf Mostobstbäume mit Stammumfängen von jeweils mindestens 20/25 cm fachgerecht im Abstand von jeweils 10 m zueinander auf dem Grundstück 403/5 KG M. bis spätestens 30.4.2007 mit jeweils zwei Windsicherungen pro Baum zu pflanzen und auf Dauer im ungeschnittenen Zustand zu erhalten."

In der Begründung stützte sich der Bürgermeister auf die Stellungnahme des naturkundlichen Amtssachverständigen.

Die Beschwerdeführer gaben unmittelbar im Anschluss an die mündliche Verkündung einen Rechtsmittelverzicht ab.

Eine schriftliche Bescheidausfertigung vom 28. März 2007 wurde den Beschwerdeführern über ihr in der mündlichen Verhandlung gestelltes Begehren nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten zugestellt.

Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid wies die Salzburger Landesregierung den Antrag der Beschwerdeführer vom 22. August 2007 auf Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 28. März 2007 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens ab.

Nach der Begründung der Landesregierung hätten die Beschwerdeführer in ihrem Wiederaufnahmeantrag vorgebracht, der Erstbeschwerdeführer habe auf Grund seiner Schwerhörigkeit in der mündlichen Verhandlung vom 28. März 2007 die konkreten Vorschreibungen anlässlich der mündlichen Verkündung des Bescheides nicht verstehen können. Daher sei es diesem nicht bewusst gewesen, dass vom naturkundlichen Amtssachverständigen Bäume mit Stammumfängen im Ausmaß von mindestens 20/25 cm, deren unverhältnismäßig hohe Kosten den Beschwerdeführern in der Verhandlung nicht bekannt gewesen seien, vorgeschlagen worden seien. Da die Beschwerdeführer unter Zeitdruck gestanden seien, hätten sie auf die Durchsicht und Verlesung der Niederschrift verzichtet und einen Rechtsmittelverzicht abgegeben. Im Übrigen wüchsen die von den Beschwerdeführern eingepflanzten, einen Stammumfang von weniger als 20/25 cm aufweisenden Mostobstbäume deutlich besser an und würden in einigen Jahren ohnehin den geforderten Stammumfang von 20/25 cm aufweisen.

Nach Auffassung der Landesregierung hätten die Beschwerdeführer nicht dargelegt, weshalb es ihnen ohne ihr Verschulden nicht möglich gewesen sei, die im Wiederaufnahmeantrag geltend gemachten neuen Tatsachen bereits im mit Bescheid vom 28. März 2007 abgeschlossenen Verfahren geltend zu machen. Es liege daher nicht der Wiederaufnahmegrund der Z. 2 des § 69 Abs. 1 AVG vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die im Beschwerdefall maßgebende Bestimmung des § 69 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 lautet (auszugsweise) wie folgt:

"Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten ...

..."

2. Die Beschwerde ist unbegründet.

2.1. Die Beschwerdeführer bringen vor, sie hätten - ohne dass dies in die Niederschrift Eingang gefunden hätte - bereits in der Verhandlung vom 28. März 2007 dargelegt, sie wären nur bereit gewesen, junge Mostobstbäume zu pflanzen, weil diese leichter als Mostobstbäume mit großem Stammumfang anwüchsen. Die von den Beschwerdeführern unterfertigte Verhandlungsschrift sei auf Grund des auf ihrer Seite gelegenen Termindruckes von ihnen nicht genau durchgelesen worden. Im Zeitpunkt der Unterfertigung der Verhandlungsschrift habe es ihnen ohne ihr Verschulden nicht bewusst sein können, dass Mostobstbäume mit einem Stammumfang von mindestens 20/25 cm im Handel nur schwer und zu unverhältnismäßig hohen Kosten erhältlich seien. Ferner habe die bei der mündlichen Verhandlung nicht anwesende Eigentümerin des von der Ausgleichsmaßnahme betroffenen Grundstückes als Partei des naturschutzrechtlichen Bewilligungsverfahrens der Pflanzung der Mostobstbäume nicht wirksam zugestimmt. Entgegen der Auffassung des naturkundlichen Amtssachverständigen zeige sich aus den in der Beschwerde vorgelegten Lichtbildern, dass das Carport von Norden und Osten nicht gut einsehbar sei und dass die von den Beschwerdeführern mit einem geringeren als dem in der Ausgleichsnahme vorgeschriebenen Stammumfang gepflanzten Mostobstbäume, die ohnehin in einigen Jahren den Stammumfang von 20/25 cm erreichen würden, besser geeignet seien, die Sicht auf die vom Amtssachverständigen erwähnte Thujenhecke zu verdecken. Auch habe sich bei der Aushebung des Fundamentes für das Carport herausgestellt, dass dieses nicht auf einem Moorboden errichtet worden sei. Weiters habe die Pflasterung keine vielmähdrige Wiese, sondern einen wöchentlich gemähten Rasen ersetzt.

2.2. Mit diesem Vorbringen wird keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit aufgezeigt.

2.2.1. Das Wiederaufnahmeverfahren hat nicht den Zweck, allfällige Versäumnisse einer Partei in einem Ermittlungsverfahren oder die Unterlassung der Erhebung eines Rechtsmittels im Wege über eine Wiederaufnahme eines Verfahrens zu sanieren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juli 2001, Zl. 2000/07/0240, und in diesem Sinne auch das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2002, Zl. 2002/07/0055).

Konnten die Beschwerdeführer eine Tatsache bei gehöriger Aufmerksamkeit und gebotener Gelegenheit schon im Verwaltungsverfahren geltend machen, unterließen sie dies aber, so liegt ein ihnen zuzurechnendes Verschulden vor, das eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausschließt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2005, Zl. 2004/07/0209).

2.2.2. Die Beschwerdeführer wurden zur mündlichen Verhandlung vom 28. März 2007 geladen und nahmen daran auch teil. Dabei wurde gemeinsam mit dem naturkundlichen Amtssachverständigen das Carport und dessen Umgebung besichtigt. Ungeachtet der von den Beschwerdeführern ins Treffen geführten Behauptung, sie hätten sich bereits in der mündlichen Verhandlung vom 28. März 2007 nur zur Pflanzung junger Bäume bereit erklärt, welches Vorbringen allerdings in die Niederschrift über die Verhandlung keinen Eingang gefunden habe, bestätigten die Beschwerdeführer eine Niederschrift, wonach sie das "Verhandlungsergebnis zustimmend zur Kenntnis" genommen und die vom naturkundlichen Amtssachverständigen beschriebene Ausgleichsmaßnahme ausdrücklich "angeboten" hätten, durch Beisetzung ihrer eigenhändigen Unterschrift (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 9. Juli 1998, Zl. 98/03/0009) und gaben sogar einen Rechtsmittelverzicht ab.

2.2.3. Den ihrem Vorbringen nach in der Verhandlung unter Termindruck gestandenen Beschwerdeführern wäre es - insbesondere unter Bedachtnahme auf die behauptete Schwerhörigkeit des Erstbeschwerdeführers - jedenfalls freigestanden, unmittelbar nach der mündlichen Verkündung des Bescheides vom 28. März 2007 einen Rechtsmittelverzicht zu unterlassen. Im Zuge des Berufungsverfahrens hätten sie dann die Möglichkeit gehabt, all das vorzubringen, was vorzubringen ihnen vor Erlassung des Bescheides vom 28. März 2007 nicht möglich gewesen sei (vgl. in diesem Zusammenhang die hg. Erkenntnisse vom 5. Juli 1973, Zl. 239/73 und vom 18. Oktober 1990, Zl. 90/09/0101, welche einen Antrag auf Wiederaufnahme eines Verfahrens, das mit einen durch Rechtsmittelverzicht rechtskräftig gewordenen erstbehördlichen Bescheid abgeschlossen worden war, zum Gegenstand hatten).

2.2.4. In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass es weder einen Wiederaufnahmegrund darstellt, wenn der bereits im Verfahren bestellte Sachverständige später erklären sollte, sich bei seinen Schlussfolgerungen - ohne dass die Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG vorgelegen seien - geirrt zu haben und nunmehr zu anderen Schlussfolgerungen zu kommen, noch wenn ein anderer Sachverständiger auf Grund unveränderter Sachverhaltsgrundlage zu anderen Schlüssen kommen sollte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. August 2004, Zl. 2002/08/0074).

Mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer, der naturkundliche Amtssachverständige hätte zur Auffassung gelangten müssen, dass Mostobstbäume mit einem geringeren Stammumfang als 20/25 cm besser geeignet wären, eine wesentliche Verbesserung des Landschaftsbildes zu bewirken, werden aber neue Schlussfolgerungen geltend gemacht (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2007, Zl. 2004/18/0376).

2.2.5. Dass das auf dem Grundstück der Beschwerdeführer errichtete Carport nach ihrem Vorbringen nicht auf einem Moorboden und die Pflasterung nicht auf einer vielmähdrigen Wiese errichtet worden seien, musste diesen bereits zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 28. März 2007 bekannt gewesen sein (vgl. auch in diesem Zusammenhang das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2002, Zl. 2002/07/0055). Auch hätten die bei der Besichtigung der Umgebung des Carports anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 28. März 2007 anwesenden Beschwerdeführer bei gehöriger Aufmerksamkeit bereits zu diesem Zeitpunkt ein Vorbringen zur Einsehbarkeit des Carports erstatten können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. September 1995, Zl. 95/07/0117).

2.3.1. Da die belangte Behörde zutreffend das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG verneint hat, braucht auf die Frage, ob die Frist für die Einbringung des Antrages auf Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs. 2 AVG eingehalten wurde, nicht mehr eingegangen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2006, Zl. 2006/08/0194).

2.3.2. Dass im Sinne des § 289 StGB ein falsches Gutachten eines Sachverständigen erstattet worden sei und damit ein Wiederaufnahmegrund gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG vorliege, wird von der Beschwerde nicht konkret vorgebracht und ergeben sich dafür aus den vorgelegten Verwaltungsakten auch keine Anhaltspunkte.

2.4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 12. August 2010

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte