VwGH 2008/04/0113

VwGH2008/04/011317.9.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der A in B, vertreten durch Mag. Doris Einwallner, Rechtsanwältin in 1080 Wien, Buchfeldgasse 19a, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 19. Februar 2008, Zl. M63/000586/2008, betreffend Feststellung der individuellen Befähigung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
GewO 1994 §19;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
GewO 1994 §19;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 2. November 2007 beantragte die Beschwerdeführerin die Feststellung der individuellen Befähigung für das Gewerbe "Friseur (auch eingeschränkt auf 'Afro-Frisuren')".

Nach Einholung einer Stellungnahme der Wirtschaftskammer Wien vom 27. November 2007, die die Voraussetzungen für die beantragte Feststellung als nicht erfüllt erachtete, wies der Magistrat der Stadt Wien den Antrag der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 2. Jänner 2008 gemäß § 19 GewO 1994 ab. In der Begründung führte die Erstbehörde zusammengefasst aus, die Beschwerdeführerin habe eine aus dem Französischen übersetzte "Bescheinigung über die Beendigung der Ausbildung" zur Friseurin in einem nicht bekannten Staat sowie die Versicherungsverlaufsbestätigung und eine Anmeldung beigebracht, der zufolge sie knapp zwei Jahre bei dem Unternehmen X. mit einem Monatslohn von EUR 611,-- beschäftigt gewesen sei. Ein Dienstzeugnis dieses Unternehmens sei nicht vorgelegt worden, sodass Art und Umfang (bei dem angegebenen Monatslohn könne es sich nicht um eine hauptberufliche Beschäftigung handeln) der Beschäftigung unklar geblieben sei. Der Beschwerdeführerin sei die Stellungnahme der Wirtschaftskammer Wien zur Kenntnis gebracht worden; sie habe dazu weder eine Äußerung abgegeben noch weitere Beweismittel beigebracht. Die Erstbehörde sei daher zur Ansicht gelangt, dass auf Grund der hinsichtlich Art und Dauer nicht geklärten Ausbildung sowie der nicht durch ein Dienstzeugnis präzisierten Berufspraxis die für die selbständige Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nicht nachgewiesen worden seien.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom am 19. Februar 2008 gemäß § 19 GewO 1994 als unbegründet ab.

Zur Begründung führte sie nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens und der maßgebenden Rechtsvorschriften, darunter die Verordnung über die Zugangsvoraussetzungen für das Handwerk der Friseure und Perückenmacher (Stylist), BGBl. II Nr. 47 2003, aus, Voraussetzung für die Feststellung der individuellen Befähigung gemäß § 19 GewO 1994 sei das Vorliegen der vollen Befähigung, wobei die den Befähigungsnachweis festlegenden Vorschriften den Maßstab dafür bildeten, ob die Voraussetzungen der genannten Bestimmung vorliegen. Das Vorliegen der individuellen Befähigung dürfe sohin von Vornherein nur festgestellt werden, wenn mit Rücksicht auf den Bildungsgang und die bisherigen Tätigkeiten der Antragsteller über jenen Wissensstand verfüge, wie ihn eine Person nach Absolvierung einer Ausbildung und einschlägigen Tätigkeit entsprechend der Verordnung über die Zugangsvoraussetzungen zum betreffenden Gewerbe aufweise, im Beschwerdefall daher anhand der Verordnung BGBl. II Nr. 47/2003. Aus der Formulierung des § 19 GewO 1994 "durch die beigebrachten Beweismittel" ergebe sich eindeutig, dass es ausschließlich dem Antragsteller obliege, Unterlagen zum Nachweis seiner individuellen Befähigung vorzulegen und diesbezüglich keine amtswegige Ermittlungspflicht bestehe.

Die Beschwerdeführerin habe ihrem Ansuchen neben der Bescheinigung über die Beendigung ihrer Ausbildung auch eine Anmeldung bei der Wiener Gebietskrankenkasse durch die X. GmbH vorgelegt, aus der ersichtlich sei, dass sie ab 4. März 2005 mit 20 Stunden (EUR 611,25) angemeldet gewesen sei, sowie den Versicherungsdatenauszug der Österreichischen Sozialversicherung zum 22. Jänner 2007, aus dem ersichtlich sei, dass die Beschwerdeführerin vom 4. März 2005 bis 4. Jänner 2007 bei der X. GmbH als Arbeitnehmerin angemeldet gewesen sei. Wenn die Beschwerdeführerin die Ansicht vertrete, mit den vorgelegten Unterlagen den formellen Befähigungsnachweis zu erbringen, so übersehe sie die Bestimmungen der Verordnung BGBl. II Nr. 47/2003. Zur theoretischen Ausbildung der Beschwerdeführerin sei festzustellen, dass aus dem vorgelegten Zeugnis Umfang und Inhalt der Ausbildung nicht zu entnehmen sei. Es sei damit nicht nachgewiesen, dass sie eine einschlägige Vorbildung im Sinne der Verordnung BGBl. II Nr. 47/2003 bzw. der Friseurmeisterprüfungsordnung besitze. Was eine fachliche Tätigkeit betreffe, liege kein Zeugnis vor, aus der sich eine einschlägige Tätigkeit im Friseurgewerbe ergebe. Daraus, dass sie als "Coiffeuse" - in Abidjan - gearbeitet habe, ergebe sich nicht, dass sie Tätigkeiten ausgeführt habe, die Gegenstand des Friseurgewerbes in Österreich bildeten. Als Nachweis einer fachlichen Tätigkeit könne auch der angeführte Sozialversicherungsdatenauszug nicht dienen, da daraus nur hervorgehe, wer der Arbeitgeber in einem bestimmten Zeitraum gewesen sowie in welcher Eigenschaft man angemeldet gewesen, nicht aber, was Inhalt der Tätigkeit gewesen sei. Auch ein Erwerb von betriebswirtschaftlich-rechtlichen Kenntnissen etc. sei nicht nachgewiesen. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die Beschwerdeführerin seit 1. April 2007 die Gewerbeberechtigung für das Handels- und Handelsagentengewerbe besitze, weil erst eine ununterbrochene dreijährige Tätigkeit als Selbständiger die Unternehmerprüfung ersetze. Auf Grund der vorliegenden Beweismittel könne daher nicht angenommen werden, dass die Beschwerdeführerin über die gleichen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten verfüge wie jemand, der die Befähigungsprüfung bzw. Ausbildung und/oder fachliche Tätigkeit nach der obzitierten Verordnung absolviert habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie habe in ihrem Herkunftsland, der Elfenbeinküste, vom 1. September 1988 bis 9. Mai 1994 die Ausbildung zur Friseurin absolviert. Im Anschluss daran sei sie von 1994 bis 2001 in zwei Friseursalons in der Elfenbeinküste tätig gewesen. Darüber hinaus liege auch eine einschlägige berufliche Tätigkeit in Österreich im Zeitraum 3. Jänner 2005 bis 14. Dezember 2006 vor. Sie habe sich in ihrem Antrag ausdrücklich zu einem fachlichen Eignungstest bereit erklärt und sei der Ansicht, jedenfalls ausreichend die Beweismittel beigebracht zu haben, durch die die individuelle Befähigung - jedenfalls im Teilbereich Afro-Frisuren - nachgewiesen werde.

Die im Beschwerdefall maßgebenden Vorschriften der GewO 1994 lauten auszugsweise:

"§ 16. (1) Voraussetzung für die Ausübung von reglementierten Gewerben und von Teilgewerben ist ferner der Nachweis der Befähigung. ...

(2) Unter Befähigungsnachweis ist der Nachweis zu verstehen, dass der Einschreiter die fachlichen einschließlich der kaufmännischen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt, um die dem betreffenden Gewerbe eigentümlichen Tätigkeiten selbständig durchführen zu können.

...

§ 18. (1) Der Bundesminister für Wirtschaft hat für jedes reglementierte Gewerbe, .., durch Verordnung festzulegen, durch welche Belege - für sich allein oder in entsprechender Verbindung untereinander - die Zugangsvoraussetzungen zum betreffenden Gewerbe, gegebenenfalls für dessen eingeschränkte Ausübung, im Hinblick auf die hiefür erforderliche fachliche Befähigung jedenfalls als erfüllt anzusehen sind.

...

§ 19. Kann der nach § 18 Abs. 1 vorgeschriebene Befähigungsnachweis nicht erbracht werden, so hat die Behörde unter Bedachtnahme auf Vorschriften gemäß § 18 Abs. 4 das Vorliegen der individuellen Befähigung festzustellen, wenn durch die beigebrachten Beweismittel die für die jeweilige Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nachgewiesen werden. Die Behörde hat das Vorliegen der individuellen Befähigung mit der Beschränkung auf Teiltätigkeiten des betreffenden Gewerbes auszusprechen, wenn die Befähigung nur in diesem Umfang vorliegt. § 373c Abs. 7 ist sinngemäß anzuwenden.

§ 94. Folgende Gewerbe sind reglementierte Gewerbe:

...

22. Friseur und Perückenmacher (Stylist) (Handwerk)"

Die Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Zugangsvoraussetzungen für das Handwerk der Friseure und Perückenmacher (Stylist) (Friseure- und Perückenmacher-Verordnung), BGBl. II Nr. 47/2003, lautet:

"Auf Grund des § 18 Abs. 1 der Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 111/2002, wird verordnet:

Durch die im Folgenden angeführten Belege ist die fachliche Qualifikation des Handwerks der Friseure und Perückenmacher (§ 94 Z. 22 GewO 1994) als erfüllt anzusehen:

  1. 1. Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Meisterprüfung oder
  2. 2. Zeugnis über eine ununterbrochene, mindestens sechsjährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger oder Betriebsleiter (§18 Abs.3 GewO1994) oder

    3. Zeugnisse über

    a) die erfolgreich abgelegte Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Friseur und Perückenmacher (Stylist) und

    b) eine nachfolgende ununterbrochene, mindestens dreijährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger oder Betriebsleiter (§ 18 Abs. 3 GewO 1994) oder

    4. Zeugnisse über

    a) eine ununterbrochene, mindestens dreijährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger und

    b) eine mindestens fünfjährige einschlägige Tätigkeit als Unselbständiger."

    Die belangte Behörde ist mit ihrer Auffassung im Recht, dass die den Befähigungsnachweis gemäß § 18 Abs. 1 GewO 1994 festlegenden Vorschriften der Beurteilung den Maßstab geben, ob die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen durch die vom Antragsteller beigebrachten Beweismittel belegt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 2010, Zl. 2006/04/0095).

    Im Beschwerdefall ist daher diesbezüglich die wiedergegebene Friseure- und Perückenmacher-Verordnung, BGBl. II Nr. 47/2003, maßgebend.

    Die Auffassung der belangten Behörde, die von der Beschwerdeführerin beigebrachten Beweismittel seien nicht geeignet, die erforderliche fachliche Befähigung für die Feststellung der individuellen Befähigung für das angestrebte Friseurgewerbe nachzuweisen, ist nach Ausweis der im vorliegenden Verwaltungsakt befindlichen Unterlagen nicht als unschlüssig zu beanstanden, insbesondere ergibt sich entgegen dem Beschwerdevorbringen aus der mit der Berufung vorgelegten Arbeitsbestätigung nicht eine Tätigkeit als Friseurin in Abidjan für den Zeitraum 1994 bis 2001.

    In Anbetracht der Wortfolge "wenn ... nachgewiesen werden" in

    § 19 erster Satz GewO 1994 ist es Sache des Antragstellers, die für die jeweilige Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen initiativ nachzuweisen, sodass die Behörde in diesem Zusammenhang keine Ermittlungspflicht trifft. Die Behörde ist nicht verpflichtet, den Antragsteller anzuleiten, welche bestimmte Beweismittel beizubringen wären (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 2006, Zl. 2005/04/0163).

    Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin kann nicht entnommen werden, welche konkreten Umstände die belangte Behörde zu einer anderen Auffassung hätten führen müssen. Somit erweist sich die Annahme, die Beschwerdeführerin erfülle den individuellen Befähigungsnachweis für das angestrebte Gewerbe Friseur (auch eingeschränkt auf Afro-Frisuren) nicht, als frei von Rechtswidrigkeit.

    Die sich als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

    Wien, am 17. September 2010

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte