VwGH 2008/04/0093

VwGH2008/04/009320.5.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, in der Beschwerdesache der

1. X Wohnungsaktiengesellschaft, 2. Y Wohn- und Siedlungsgenossenschaft reg. GenmbH, 3. Z Wohnbau-Gesellschaft m. b.H., 4. P Bau-, Wohnungs- und Stadterneuerungsgesellschaft m. b.H, 5. Q Wohn- und Siedlungsgenossenschaft reg. GenmbH, 6. R Wohn- und Siedlungsgenossenschaft reg. GenmbH, alle in , sämtliche vertreten durch Graf & Pitkowitz, Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Stadiongasse 2, gegen das Schreiben der Bundeswettbewerbsbehörde vom 8. Mai 2008, Zl. BWB/K-128/252, betreffend Auskunft nach dem Auskunftspflichtgesetz, den Beschluss gefasst:

Normen

AuskunftspflichtG 1987 §1 Abs1;
AuskunftspflichtG 1987 §4;
B-VG Art20 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
WettbG 2002 §1 Abs1;
WettbG 2002 §20;
AuskunftspflichtG 1987 §1 Abs1;
AuskunftspflichtG 1987 §4;
B-VG Art20 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
WettbG 2002 §1 Abs1;
WettbG 2002 §20;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit "Antrag auf Auskunft nach dem Auskunftspflichtgesetz" vom 23. November 2007 begehrten die Beschwerdeführer bei der Bundeswettbewerbsbehörde (belangte Behörde) die Auskunft, ob diese aufgrund von ihr durchgeführter Ermittlungen Anhaltspunkte gewonnen habe, dass näher genannte Unternehmen, mit denen die Beschwerdeführer in einem Vertragsverhältnis stünden, unzulässige Preisabsprachen getroffen hätten. Für den Fall der Nichterteilung der Auskunft wurde die Gewährung von Akteneinsicht begehrt.

Mit E-Mail vom 18. Jänner 2008 teilte die belangte Behörde mit, dass sie die begehrte Auskunft "auf Grund des erheblichen Aktenumfangs nicht ohne Beeinträchtigung der übrigen Verwaltungsabläufe" erteilen könne und dass für die weiters beantragte Akteneinsicht keine rechtliche Grundlage bestehe.

Mit Schreiben vom 26. März 2008 ersuchten die Beschwerdeführer aus näher genannten Gründen um Revidierung der ablehnenden Stellungnahme der belangten Behörde, andernfalls "um Bestätigung Ihrer ablehnenden Stellungnahme in schriftlicher Form,

... sodass eine verbindliche Grundlage" vorliege.

Mit Schreiben vom 8. Mai 2008 gab die belangte Behörde bekannt, dass sie Auskünfte nach dem Auskunftspflichtgesetz nur in einem solchen Umfang zu erteilen habe, der die Besorgung der übrigen Aufgaben der Verwaltung nicht beeinträchtige. Im vorliegenden Fall sei der Verwaltungsakt, der das kartellgerichtliche Geldbußenverfahren und das im Vorfeld durchgeführte umfangreiche Ermittlungsverfahren umfasse, in Anbetracht des Zeitraumes und des Umfanges der Untersuchungen "äußerst umfangreich (ca. 250 Aktenstücke, die teilweise aus mehreren Aktenordnern bestehen; insgesamt umfasst der gesamte Akt mehrere tausend Seiten)". Die belangte Behörde ersuchte deshalb "abermals um Verständnis, in Anbetracht des Aktenumfanges keine

Ausarbeitungen zu den Akteninhalten ... vornehmen zu können".

Gegen dieses Schreiben richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde den Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat.

In ihrer Beschwerde erachten sich die Beschwerdeführer durch das Schreiben vom 8. Mai 2008, das in der Beschwerde als "angefochtener Bescheid" bezeichnet wird, in ihren Rechten auf Auskunftserteilung und Gewährung von Akteneinsicht verletzt.

Die belangte Behörde vertritt in der Gegenschrift u.a. den Rechtsstandpunkt, die Beschwerde sei unzulässig, weil das genannte Schreiben vom 8. Mai 2008 keinen Bescheid darstelle.

Die Frage, ob das Schreiben der belangten Behörde vom 8. Mai 2008 als Bescheid zu qualifizieren ist und - gegebenenfalls - ob das Ersuchen um Auskunftserteilung (bzw. Akteneinsicht) rechtmäßigerweise abgewiesen wurde, kann dahingestellt bleiben, weil jedenfalls der Instanzenzug nicht erschöpft ist:

Zur Frage der Erschöpfung des Instanzenzuges hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz VwGG den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mit Beschluss vom 24. Februar 2010, Zl. 2008/04/0093-7, die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend hat im Rahmen seiner Parteistellung gemäß § 21 Abs. 1 Z. 3 VwGG im Schreiben vom 13. April 2010 die Meinung vertreten, dass es gegen Bescheide der Bundeswettbewerbsbehörde - vor allem wegen deren Weisungsfreiheit und Unabhängigkeit - keinen Instanzenzug gebe. Diese Rechtsansicht wird vom Verwaltungsgerichtshof aus folgenden Gründen nicht geteilt:

Die belangte Behörde wurde durch das Wettbewerbsgesetz, BGBl. I Nr. 62/2002, eingerichtet, deren maßgebende Bestimmungen (hier in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2008) wie folgt lauten:

"Artikel I

Einrichtung der Bundeswettbewerbsbehörde

§ 1. (1) Beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit wird eine Bundeswettbewerbsbehörde mit dem Ziel eingerichtet,

a) funktionierenden Wettbewerb sicherzustellen und Wettbewerbsverzerrungen oder -beschränkungen im Sinne des KartG 2005, BGBl. I Nr. 62/2005, oder der Europäischen Wettbewerbsregeln (§ 4 Abs. 1) in Einzelfällen entgegenzutreten sowie

b) eine die Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht und den Zusammenhang mit Entscheidungen der Regulatoren (§ 4 Abs. 2) wahrende Anwendung des KartG 2005, BGBl. I Nr. 62/2005, zu gewährleisten.

(2) Die Bundeswettbewerbsbehörde wird vom Generaldirektor für Wettbewerb geleitet. Dieser wird im Verhinderungsfall vom Leiter der Geschäftsstelle vertreten. Der Generaldirektor für Wettbewerb hat eine Geschäftsordnung zu erlassen, in der insbesondere nähere Bestimmungen über die Aufgaben des Leiters der Geschäftsstelle zu treffen sind.

(3) Der Generaldirektor für Wettbewerb und im Verhinderungsfall der Stellvertreter sind bei der Besorgung der in § 2 genannten Aufgaben weisungsfrei und unabhängig.

Aufgaben der Bundeswettbewerbsbehörde

§ 2. (1) Zur Erreichung ihrer Ziele gemäß § 1 ist die Bundeswettbewerbsbehörde befugt zur Untersuchung und Bekämpfung vermuteter oder drohender Wettbewerbsverzerrungen oder - beschränkungen (§ 1), insbesondere durch Ausübung der in den folgenden Ziffern genannten Befugnisse:

1. Wahrnehmung der der Bundeswettbewerbsbehörde in Verfahren vor dem Kartellgericht und Kartellobergericht zukommenden Parteistellung nach § 40 KartG 2005,

2. Durchführung der Europäischen Wettbewerbsregeln in Österreich (§ 3),

3. allgemeine Untersuchung eines Wirtschaftszweigs, sofern die Umstände vermuten lassen, dass der Wettbewerb in dem betreffenden Wirtschaftszweig eingeschränkt oder verfälscht ist,

4. Leistung von Amtshilfe in Wettbewerbsangelegenheiten gegenüber Kartellgericht, Kartellobergericht, Gerichten und Verwaltungsbehörden einschließlich der Regulatoren sowie des Bundeskartellanwaltes,

5. Abgabe von Stellungnahmen zu allgemeinen Fragen der Wirtschaftspolitik,

6. Antragstellung nach § 7 Abs. 2 Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen, BGBl. Nr. 392/1977, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 62/2005 sowie

7. Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen nach § 14 Abs. 1 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 - UWG, BGBl. Nr. 448, in der jeweils geltenden Fassung, wobei die §§ 11 bis 14 WettbG keine Anwendung finden.

(2) Der Bundeswettbewerbsbehörde obliegt die Geschäftsführung für die Wettbewerbskommission (§ 16).

(3) Die Bundeswettbewerbsbehörde nimmt ihre Befugnisse von Amts wegen wahr.

(4) Die Bundeswettbewerbsbehörde veröffentlicht in regelmäßigen Zeitabständen, zumindest aber jedes Jahr, einen Bericht über ihre Tätigkeit. Dieser Bericht ist nach Anhörung der Wettbewerbskommission vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit unverzüglich dem Nationalrat vorzulegen.

...

Geschäftsstelle

§ 9. (1) Die administrative Unterstützung des Generaldirektors und seines Stellvertreters obliegt der Geschäftsstelle, für die der Generaldirektor eine Geschäftseinteilung zu erlassen hat.

(2) Die Geschäftsstelle besteht aus einem Leiter der Geschäftsstelle und der erforderlichen Anzahl von sonstigen Bediensteten. Dem Leiter obliegt die Leitung des inneren Dienstes. Die der Wettbewerbsabteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit zugewiesenen Bediensteten gehören mit In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes der Geschäftsstelle de Bundeswettbewerbsbehörde an.

(3) Die Bediensteten sind bei der Besorgung ihrer Aufgaben nur an die Anordnungen des Generaldirektors und im Verhinderungsfall des Stellvertreters gebunden.

...

Vollziehung

§ 20. Mit der Vollziehung

  1. 1. des § 14 ist der Bundesminister für Inneres,
  2. 2. der §§ 11 und 12 je nach ihrem Zuständigkeitsbereich der Bundesminister für Justiz und der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit und

    3. der übrigen Bestimmungen der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit - und zwar hinsichtlich des § 3 Abs. 2 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie - betraut."

    Das Auskunftspflichtgesetz, BGBl. Nr. 287/1987 in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998, lautet auszugsweise:

"§ 1. (1) Die Organe des Bundes sowie die Organe der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.

(2) Auskünfte sind nur in einem solchen Umfang zu erteilen, der die Besorgung der übrigen Aufgaben der Verwaltung nicht wesentlich beeinträchtigt; berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird. Sie sind nicht zu erteilen, wenn sie offenbar mutwillig verlangt werden.

...

§ 4. Wird eine Auskunft nicht erteilt, so ist auf Antrag des Auskunftswerbers hierüber ein Bescheid zu erlassen. Als Verfahrensordnung, nach der der Bescheid zu erlassen ist, gilt das AVG, sofern nicht für die Sache, in der Auskunft erteilt wird, ein anderes Verfahrensgesetz anzuwenden ist."

Das Auskunftspflichtgesetz enthält keine speziellen Regelungen über den Rechtsschutz. Wie der Verwaltungsgerichtshof zuletzt im Erkenntnis vom 11. November 2009, Zl. 2009/04/0224 (mit weiteren Verweisen auf die Vorjudikatur und Literatur), dargelegt hat, ist beim Rechtschutz in Auskunftssachen hinsichtlich der Zuständigkeit der Berufungsbehörde von einer organisatorischen Anknüpfung auszugehen. Der Instanzenzug in Auskunftssachen nach dem Auskunftspflichtgesetz (des Bundes) geht - da es sich notwendig um unmittelbare Bundesverwaltung handelt und (im Auskunftspflichtgesetz bzw. im AVG) nichts Gegenteiliges angeordnet ist - über die allenfalls vorhandene organisatorisch übergeordnete (und damit zweitinstanzliche) Bundesbehörde (im organisatorischen Sinn) bis zum sachlich zuständigen Bundesminister. Für diese Ansicht ist maßgebend, dass die allgemeine Auskunftspflicht nach Art. 20 Abs. 4 B-VG eine eigene Materie darstellt, deren Vollziehung nach Satz 2 der genannten Bestimmung an organisatorische Kriterien anknüpft (vgl. dazu Wieser in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, sowie das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1994, Zl. 93/04/0069).

Die Bundeswettbewerbsbehörde ist gemäß § 1 Abs. 1 Wettbewerbsgesetz beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit eingerichtet und hat hoheitliche Befugnisse (gemäß § 11 Abs. 2 leg. cit. hat die Bundeswettbewerbsbehörde u.a. § 19 und den

6. Abschnitt des I. Teiles des AVG anzuwenden). Gemäß § 20 Wettbewerbsgesetz ist der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit (nunmehr: Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend), abgesehen von hier nicht relevanten Ausnahmen, für die Vollziehung des Wettbewerbsgesetzes zuständig. Nach dem Gesagten folgt daher, dass Bescheide der Bundeswettbewerbsbehörde, die nach dem Auskunftspflichtgesetz erlassen werden, beim sachlich zuständigen Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend mit Berufung bekämpft werden können, sodass gegen solche Bescheide eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig ist.

Dem steht, anders als einerseits die Beschwerdeführer und andererseits der Bundesminister im Schreiben vom 13. April 2010 meinen, nicht entgegen, dass der Leiter der Bundeswettbewerbsbehörde gemäß § 1 Abs. 3 Wettbewerbsgesetz weisungsfrei und unabhängig ist wie dies etwa auch die ordentliche Gerichtsbarkeit zeigt. Entscheidend für die Frage der Erschöpfung des Instanzenzuges ist vielmehr, dass die Bekämpfung von Bescheiden der Bundeswettbewerbsbehörde im Verwaltungsweg gesetzlich nicht ausgeschlossen ist, weil das Gesetz eine diesbezügliche Regelung nicht enthält. Beim Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung ist nämlich nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 28. November 2001, B 2271/00, VfSlg. 16.369, mit weiteren Hinweisen, dem sich der Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom 30. April 2003, Zl. 2001/03/0036, und vom 17. Juni 2004, Zl. 2002/03/0036, angeschlossen hat) für die unmittelbare Bundesverwaltung vom grundsätzlich unbeschränkten administrativen Instanzenzug bis zum zuständigen Bundesminister auszugehen, wenn (was gegenständlich der Fall ist) die Behörde, gegen deren Entscheidung die Zulässigkeit eines Rechtsmittels fraglich ist, organisatorisch als Behörde des Bundes (und nicht - wie im zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg., 16.369 die Telekom-Control GmbH - als nicht staatlicher Verwaltungsträger) eingerichtet wurde. Im Übrigen ergibt sich aus Art. 20 Abs. 2 B-VG 1920 idF der Novelle BGBl. I Nr. 2/2008 in Bezug auf die dort genannten Organe, dass eine verfassungsrechtliche Verknüpfung von Weisungsfreistellung und letztinstanzlicher Entscheidungsbefugnis lediglich bei den in Z 3 erwähnten Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag erfolgt ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 leg. cit., in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 20. Mai 2010

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