VwGH 2007/18/0881

VwGH2007/18/08813.11.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des AJ in S, geboren am 23. Oktober 1982, vertreten durch Mag. Laszlo Szabo, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Claudiaplatz 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 11. Oktober 2007, Zl. 2/4033/38/07, betreffend Entziehung eines Reisepasses, zu Recht erkannt:

Normen

11997E046 EG Art46;
11997E055 EG Art55;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art27;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art4;
EURallg;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litf;
PaßG 1992 §14;
PaßG 1992 §15 Abs1;
SMG 1997 §28 Abs6;
Suchtgift-GrenzmengenV 1997;
11997E046 EG Art46;
11997E055 EG Art55;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art27;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art4;
EURallg;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litf;
PaßG 1992 §14;
PaßG 1992 §15 Abs1;
SMG 1997 §28 Abs6;
Suchtgift-GrenzmengenV 1997;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 11. Oktober 2007 wurde dem Beschwerdeführer der am 6. Juli 1999 ausgestellte und bis 5. Juli 2009 gültige Reisepass gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f, Z. 4 und Abs. 3 Passgesetz 1992, BGBl. Nr. 839 (im Folgenden: PassG), entzogen.

Nach Zitierung der in Rede stehenden gesetzlichen Bestimmungen und unter Bezugnahme auf die Passgesetznovelle BGBl. Nr. 507/1995 führte die belangte Behörde zunächst in rechtlicher Hinsicht aus, dass die Versagung bzw. Entziehung eines Reisepasses nach dem Willen des Gesetzgebers keine zur bereits gerichtlich verhängten Strafe zusätzliche Strafe (Verwaltungsstrafe), sondern eine (vorbeugende) Sicherheitsmaßnahme zur Abwendung der Gefahr künftiger (Suchtgift-)Straftaten darstelle. Die Sicherungsmaßnahme sei keine Ermessensentscheidung. Bei der Prüfung der Frage, ob die vom Gesetz geforderte Annahme gerechtfertigt sei ("Zukunftsprognose"), dürfe die Behörde nicht von vagen Vermutungen ausgehen, sie müsse vielmehr feststellen, ob (bereits geschehene) Tatsachen vorlägen, die diese Annahme rechtfertigten. Der Verwaltungsgerichtshof habe in ständiger Judikatur in vergleichbaren Fällen erkannt, dass der durch rechtskräftige gerichtliche Verurteilung festgestellte (versuchte) Handel mit Suchtgift in großen Mengen eine Tatsache darstelle, die die Annahme rechtfertige, dass der Passinhaber seinen Reisepass in Hinkunft benützen wolle, um entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift einzuführen oder in Verkehr zu setzen, weshalb durch den Aufenthalt des Passinhabers im Ausland die innere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet werde.

Der Beschwerdeführer sei mit dem seit 7. Dezember 2006 rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 4. Dezember 2006 wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 Suchtmittelgesetz - SMG und des (wiederholten) Vergehens nach § 27 Abs. 1 SMG zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen und einer auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden.

Diesem Urteil sei zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer zu datumsmäßig nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten zwischen ca. 2003 und 23. Mai 2006 im Großraum I und an anderen Orten

a) den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs. 6 SMG), nämlich eine ziffernmäßig nicht mehr feststellbare große Menge an Cannabisprodukten (Haschisch und Marihuana im Bereich von jedenfalls mehreren hundert Gramm), sowie nicht mehr feststellbare Mengen an Kokain und Ecstasy-Tabletten durch Verkauf an drei näher genannte Personen in Verkehr gesetzt habe;

b) den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte erworben, besessen und anderen überlassen habe, und zwar 1. durch Erwerb von nicht mehr feststellbaren Mengen an Cannabisprodukten, Kokain, Ecstasy-Tabletten, Substitol und Subutex bei zwei näher genannten Personen für seinen eigenen Bedarf und deren Besitz;

2. dadurch, dass er zusammen mit einer näher genannten Person sowie einer mittlerweile verstorbenen Person und mit zumindest einer weiteren genannten Person Cannabisprodukte konsumiert habe, wobei er zumindest teilweise das Suchtgift zur Verfügung gestellt habe.

Das beschriebene Fehlverhalten gemäß oben genanntem Punkt a) des Urteils vom 4. Dezember 2006 (rechtswidriger Handel mit Suchtgift in einer großen Menge) sei eine Tatsache im Sinn des § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f, Z. 4 PassG und als solche eine geeignete Grundlage für die Erstellung einer - negativen - Zukunftsprognose über das zukünftige Verhalten des Beschwerdeführers in Bezug auf Delikte auf dem Suchtgiftsektor.

Gemäß § 14 Abs. 3 PassG sei bis zum Ablauf von drei Jahren nach der Tat jedenfalls von einem Versagungsgrund auszugehen, wobei Haftzeiten und Zeiten einer Unterbringung nach den §§ 21 bis 23 StGB außer Betracht zu bleiben hätten, wenn - wie im vorliegenden Fall - den in § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f und Z. 4 PassG genannten Tatsachen gerichtlich strafbare Handlungen zugrunde lägen. Frühestens ab Ende Mai 2009 könne der Beschwerdeführer - mit Aussicht auf Erfolg - bei der Passbehörde erster Instanz einen Antrag auf Ausstellung eines Reisedokuments stellen, sein Wohlverhalten auf dem Suchtgiftsektor bis zu dieser Zeit vorausgesetzt.

Zum Umstand, dass der Beschwerdeführer im gerichtlichen Strafverfahren vom Vorwurf der Aus- bzw. Einfuhr von Suchtgift zwischen Deutschland und Österreich freigesprochen worden sei, werde bemerkt, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung sei, ob der Betroffene seinen Reisepass bei der Begehung der ihm angelasteten Straftaten nach dem SMG verwendet habe.

Dass sich der Beschwerdeführer "derzeit erfolgreich einem Drogenersatzprogramm an der Innsbrucker Drogenambulanz" unterziehe, ändere nichts an seinem strafbaren Verhalten nach dem SMG gemäß dem Urteil vom 4. Dezember 2006. Es sei eine Erfahrungstatsache, dass bei Drogenentziehungen ein sehr großes Rückfallrisiko bestehe.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, dass seine Straftaten nach dem SMG "schon Jahre zurückliegen", werde auf das Urteil vom 4. Dezember 2006 und die dort festgestellte, zwischen ca. 2003 und 23. Mai 2006 liegende Tatzeit verwiesen. Hinsichtlich des Vorbringens, dass der Beschwerdeführer seinen Reisepass "in dieser langen Zeit niemals missbraucht" habe, werde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 2004, Zl. 2002/18/0071, verwiesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 14 Abs. 1 PassG (idF BGBl. Nr. 507/1995) ist die Ausstellung eines Reisepasses u.a. zu versagen, wenn (Z. 3 lit. f) Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen.

Gemäß § 14 Abs. 1 Z. 4 PassG ist die Ausstellung eines Reisepasses zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch den Aufenthalt des Passwerbers im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.

Nach § 15 Abs. 1 PassG ist ein Reisepass, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen.

2. Nach den in der Beschwerde nicht bekämpften Feststellungen des angefochtenen Bescheides hat der Beschwerdeführer - wie unter I.1. im Einzelnen dargestellt - im Zeitraum zwischen ca. 2003 und 23. Mai 2006 Suchtgift in einer großen Menge im Sinn des § 28 Abs. 6 SMG durch Verkauf an namentlich bekannte Personen in Verkehr gesetzt. Darüber hinaus hat er im genannten Zeitraum den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte erworben, besessen und anderen überlassen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in Fällen des Inverkehrsetzens einer großen Menge Suchtgift im Sinn des § 28 Abs. 6 SMG bereits mehrfach ausgesprochen, dass vor dem Hintergrund der bei solchen Suchtgiftdelikten besonders großen Wiederholungsgefahr die in § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG umschriebene Annahme regelmäßig auch dann gerechtfertigt ist, wenn der Betroffene seinen Reisepass bei der Begehung der der Verurteilung zugrunde liegenden Straftaten bisher nicht verwendet hat, ist es doch eine Erfahrungstatsache, dass der inländische Drogenmarkt und Drogenhandel in den meisten Fällen mit Suchtgiftimporten aus dem Ausland verknüpft sind. Ein Reisedokument würde - wie die belangte Behörde zutreffend ausführte - einen (weiteren) Handel mit Suchtgift jedenfalls erleichtern (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 3. Juli 2008, Zl. 2007/18/0440, und vom 11. Mai 2009, Zl. 2009/18/0081, jeweils mwN).

Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht des im angefochtenen Bescheid dargestellten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde zum Ergebnis gelangt ist, dass die in § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.

Das Vorbringen, der Beschwerdeführer sei im strafgerichtlichen Verfahren vom Vorwurf, Suchtgifte von Deutschland aus- und nach Österreich eingeführt zu haben, freigesprochen worden, zeigt aus den dargestellten Erwägungen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die belangte Behörde hat ihrer Beurteilung ein derartiges Fehlverhalten des Beschwerdeführers auch nicht zugrunde gelegt und damit im Ergebnis die diesbezügliche, mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 24. September 2007 erfolgte Berichtigung eines entsprechenden Schreibfehlers im Urteil vom 4. Dezember 2006 berücksichtigt.

Soweit der Beschwerdeführer darauf verweist, seit fast einem Jahr erfolgreich eine Drogentherapie zu absolvieren, ist ihm zu entgegnen, dass auch eine bereits begonnene Suchtgifttherapie keine Gewähr dafür bieten kann, dass er nicht erneut mit Suchtgift in einer großen Menge handeln und dazu - aus den oben genannten Erwägungen - auch den Reisepass missbrauchen werde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2008, Zl. 2006/18/0487). Angesichts des ca. dreijährigen Tatzeitraumes, dessen Ende nach den strafgerichtlichen Feststellungen etwa 17 Monate vor Erlassung des angefochtenen Bescheides lag, kann entgegen den Beschwerdeausführungen auch nicht davon gesprochen werden, dass die vom Beschwerdeführer zu verantwortenden Straftaten solange zurücklägen, dass die Annahme gemäß § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG nicht mehr gerechtfertigt wäre.

Auch die Beschwerdeausführungen, das Landesgericht Innsbruck sei nur deshalb "zu einer großen Menge Suchtgift gekommen", weil es den "Additionseffekt" angenommen habe, wodurch mehrfache Verstöße gegen das Suchtmittelrecht, die kleine Mengen betroffen hätten, addiert worden seien, führen zu keiner anderen Beurteilung. Zum einen ziehen weder § 14 PassG noch § 28 Abs. 6 SMG iVm der die Untergrenze einer großen Menge (Grenzmenge) festlegenden Suchtgift-Grenzmengenverordnung - SGV, BGBl. II Nr. 377/1997, eine zeitliche Grenze, innerhalb der eine große Menge Suchtgift in Verkehr gesetzt werden muss, um entsprechende Rechtsfolgen abzuleiten, zum anderen rechtfertigt auch der lange, etwa dreijährige Tatzeitraum vor dem Hintergrund der oben genannten Erwägungen zum inländische Drogenmarkt und Drogenhandel die in § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG normierte Annahme.

Wenn der Beschwerdeführer ausführt, dass er in geordneten sozialen Verhältnissen lebe und einen festen Arbeitsplatz habe, ist ihm zu entgegnen, dass bei der Entziehung eines Reisepasses auf die persönlichen und wirtschaftlichen Interessen des Betroffenen keine Rücksicht zu nehmen ist (vgl. erneut das hg. Erkenntnis, Zl. 2009/18/0081, mwN).

Schließlich führt auch das Vorbringen, der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft habe in seinem Urteil C-244/04 eindeutig ausgesprochen und gegründet auf seine ständige Rechtsprechung darauf verwiesen, dass die Entsendung von Arbeitnehmern in das Ausland Dienstleistungsfreiheit genieße, weshalb es nicht zulässig sei, dem Beschwerdeführer die Ausreise und Wiedereinreise nach Österreich als Arbeitnehmer zu verbieten, die Beschwerde nicht zum Erfolg.

Zunächst ist dazu festzuhalten, dass der an anderer Stelle der Beschwerde ausgeführte, jedoch mit dem genannten Vorbringen in thematischem Zusammenhang stehende Hinweis, der Beschwerdeführer werde als unselbständig Erwerbstätiger von seinem Arbeitgeber laufend in das EU-Ausland, insbesondere nach Deutschland, auf Montage entsendet, weshalb er zur Ausübung seines Berufes Reisedokumente für den innereuropäischen Verkehr benötige, gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu beachtende Neuerungsverbot verstößt (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).

Dessen ungeachtet definiert Art. 50 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) "Dienstleistungen" als Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen. Als Dienstleistungen gelten insbesondere gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten.

Vor diesem Hintergrund sei es dahingestellt, inwieweit der Beschwerdeführer im Verfahren über die Entziehung eines Reisepasses mit dem Hinweis auf eine grenzüberschreitende unselbständige Erwerbstätigkeit eine Verletzung in dem von ihm geltend gemachten Recht auf "Dienstleistungsfreiheit" mit Erfolg behaupten könnte (für die ebenfalls vorgebrachte Verletzung des Rechts auf Niederlassungsfreiheit findet sich in der Beschwerde keine Begründung). Inhaltlich betrifft das in Rede stehende Beschwerdevorbringen eine behauptete Einschränkung des mit der Dienstleistungsfreiheit als notwendiges Begleitrecht verbundenen Rechts auf Freizügigkeit, das in der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, näher geregelt ist.

Die Bestimmungen des Art. 55 iVm Art. 46 Abs. 1 EGV lassen grundsätzlich Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit zu. Die u.a. das Recht eines Unionsbürgers auf Ausreise, das Recht auf Einreise sowie das Recht auf Aufenthalt bis zu drei Monaten und für mehr als drei Monate regelnde RL 2004/38/EG (vgl. Art. 4 ff. der Richtlinie) konkretisiert in ihren Art. 27 ff. die Rechtfertigungsgründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit u.a. dahingehend, dass bei derartigen Maßnahmen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren ist und ausschließlich das persönliche Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend sein darf. Strafrechtliche Verurteilungen allein können ohne Weiteres diese Maßnahmen nicht begründen. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig (vgl. auch die zur Rechtslage vor der RL 2004/38/EG ergangenen hg. Erkenntnisse vom 24. Juli 2002, Zl. 99/18/0260, und vom 6. September 2007, Zl. 2004/18/0177, jeweils mwN). Bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen erweisen sich somit die Entziehung eines für einen Inländer ausgestellten Reisepasses und die damit allenfalls verbundene Einschränkung der - hier geltend gemachten - Dienstleistungsfreiheit (bzw. der Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union) als zulässig.

Der Beschwerdeführer hat durch seine gegen das SMG gerichteten Straftaten das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie der Gesundheit gravierend verletzt, hat er doch u.a. Suchtgift in einer großen Menge im Sinn des § 28 Abs. 6 SMG in Verkehr gesetzt, die geeignet ist, Gewöhnung hervorzurufen und in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen. Die Entziehung seines Reisepasses war daher - im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - auch aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht unbedenklich.

Gemäß dem in der Beschwerde zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 19. Jänner 2006, Rs C-244/04 , hat ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen aus Art. 49 EGV verstoßen, indem er sich nicht darauf beschränkt, die Entsendung von Arbeitnehmern, die Angehörige von Drittstaaten sind und in seinem Hoheitsgebiet Dienstleistungen erbringen sollen, von der vorherigen Abgabe einer einfachen Erklärung durch das in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Unternehmen, das die Entsendung dieser Arbeitnehmer plant, abhängig zu machen, und indem er verlangt, dass diese Arbeitnehmer seit mindestens einem Jahr bei diesem Unternehmen beschäftigt sind.

Es ist nicht ersichtlich und wird auch in der Beschwerde nicht näher begründet, aus welchen Gründen das zitierte Urteil der oben dargestellten Rechtslage im Bezug auf Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit entgegenstünde und die Entziehung des Reisepasses des Beschwerdeführers aus gemeinschaftsrechtlichen Überlegungen rechtswidrig gewesen wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht somit keine Veranlassung, im Sinne der Beschwerdeausführungen ein Vorabentscheidungsersuchen zur Frage, ob die von der belangten Behörde gesetzte Maßnahme dem Gemeinschaftsrecht widerspreche, an den EuGH zu richten.

3. Da der Entziehungsgrund gemäß § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f iVm § 15 Abs. 1 PassG aus den dargestellten Erwägungen vorliegt, braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob auch der Entziehungsgrund gemäß § 14 Abs. 1 Z. 4 iVm § 15 Abs. 1 leg. cit. erfüllt ist.

Die Beschwerde war schon deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 3. November 2010

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