VwGH 2009/18/0229

VwGH2009/18/02297.7.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des U M in W, geboren am 31. März 1974, vertreten durch Mag. Heinz Wolfbauer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stubenbastei 2/3/8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 30. April 2009, Zl. E1/95.400/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

EheG §23;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
VwRallg;
EheG §23;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 30. April 2009 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen pakistanischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 iVm Abs. 2 und § 60 Abs. 2 Z. 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 9. Jänner 2002 in das Bundesgebiet gelangt und habe am selben Tag einen Asylantrag gestellt. Das Verfahren darüber sei derzeit beim Asylgerichtshof anhängig.

Am 25. Juni 2004 habe der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerin H. geheiratet und anschließend einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels eingebracht.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Horn vom 24. Juni 2005 (rechtskräftig seit 9. Dezember 2005) sei die am 25. Juni 2004 geschlossene Ehe für nichtig erklärt worden. Dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil sei Folgendes zu entnehmen:

"Die Staatsanwaltschaft begehrt die Nichtigerklärung der zwischen den Beklagten geschlossenen Ehe und brachte vor, dass die Eheschließung ausschließlich dem Zweck gedient habe, dem (Beschwerdeführer) eine Aufenthaltsbewilligung zu ermöglichen.

§ 23 Ehegesetz erfasse auch Eheschließungen, die in der Absicht geschlossen wurden, dadurch die unbeschränkte Aufenthaltsmöglichkeit und den ungehinderten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu erlangen.

(...)

Demnach steht folgender Sachverhalt fest:

(...)

Der (Beschwerdeführer) ist (...) Asylwerber und arbeitet bei

(M.) in W.

(...)

Die Beklagten hatten niemals vor, eine umfassende Lebensgemeinschaft zu führen. Sie wohnten nicht im gemeinsamen Haushalt und hatten auch keinen sexuellen Kontakt miteinander.

Dem (Beschwerdeführer) wurde eine Aufenthaltsberechtigungskarte für das laufende Asylverfahren ausgestellt, wobei der Asylantrag bereits 2002 abgewiesen wurde. Nach der Eheschließung wurde dem (Beschwerdeführer) über Antrag vom 27. Juli 2004 erstmals eine Erstniederlassungsbewilligung nach dem Fremdengesetz ausgestellt. Die Eheschließung diente ausschließlich dazu, dem (Beschwerdeführer) einen Aufenthalt und eine Arbeitsbewilligung in Österreich zu ermöglichen.

(...)

Das Gericht nahm aufgrund dieser Umstände als erwiesen an, dass beide Beklagte nach wie vor getrennt leben und von Anfang an nie vorgehabt haben, eine eheliche Gemeinschaft zu gründen.

(...)"

In einer Stellungnahme vom 4. Jänner 2008 habe der Beschwerdeführer u.a. vorgebracht, dass er in Pakistan keine Verwandten mehr hätte und sein Vater und einer seiner Brüder in Saudi-Arabien und sein zweiter Bruder in Großbritannien lebten. Seine Schwester wäre seit Jahren in Österreich wohnhaft und glaublich seit 2003 österreichische Staatsbürgerin.

In seiner Berufung vom 27. Februar 2008 gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 11. Februar 2008 mache er darüber hinaus geltend, dass seine Beschäftigung vom AMS Wien genehmigt worden wäre und die Eheschließung während des laufenden Asylverfahrens erfolgt wäre.

Begründend führte die belangte Behörde nach Hinweis auf die maßgeblichen Gesetzesbestimmungen weiter aus, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt sei. Das dargestellte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit in höchstem Maß, sodass sich (auch) die in § 62 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme als gerechtfertigt erweise. In einem solchen Fall könne gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn dem nicht die Bestimmung des § 66 leg. cit. entgegenstehe.

In Anbetracht der Widersprüchlichkeit der Aussagen stehe fest, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen habe, ohne mit seiner Ex-Gattin ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt zu haben, wobei er für die Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet habe. Der Missbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar. Zwar sei von einem mit dem "Aufenthaltsverbot" (gemeint: Rückkehrverbot) verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen gewesen, dieser Eingriff sei jedoch zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - somit zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - dringend geboten. Wer, wie der Beschwerdeführer, rechtsmissbräuchlich vorgehe, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein "Aufenthaltsverbot" zum Schutz der öffentlichen Ordnung notwendig erscheinen ließen.

Die Zulässigkeit dieser Maßnahme sei auch im Rahmen der gemäß § 66 FPG erforderlichen Interessenabwägung zu bejahen. Nur aufgrund der durch seine Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz habe der Beschwerdeführer eine unselbstständige Beschäftigung eingehen können. Die durch den Aufenthalt im Bundesgebiet erzielte Integration des Beschwerdeführers werde durch die Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens aufgrund des Eingehens einer Scheinehe wesentlich gemindert. Bei Abwägung der Interessen ergebe sich, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet keinesfalls schwerer wögen als das öffentliche Interesse an der Erlassung dieser Maßnahme.

Da sonst keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände gegeben gewesen seien, habe die belangte Behörde von der Erlassung des "Aufenthaltsverbotes" auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.

Die vorgenommene Befristung des Aufenthaltsverbotes stehe mit § 63 FPG im Einklang. In Anbetracht des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers könne - selbst unter Bedachtnahme auf dessen private Situation - ein Wegfall des für die Erlassung des Rückkehrverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde wendet sich gegen die Beurteilung der belangten Behörde im Grunde des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG und bringt vor, dass diese ihre Verpflichtung zur umfassenden amtswegigen Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes verletzt habe, indem sie sich ausschließlich auf das Urteil des Bezirksgerichtes Horn gestützt habe, ohne selbst Erhebungen gepflogen zu haben. Dieses Urteil, mit dem die Ehe des Beschwerdeführers mit H. (rückwirkend) für nichtig erklärt worden sei, entfalte entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde keine uneingeschränkte Bindungswirkung. Indem die Behörden insbesondere die (nochmaligen) Vernehmungen des Beschwerdeführers und seiner "Gattin" H. unterlassen hätten, seien elementare Grundsätze des Verwaltungsverfahrens verletzt worden.

1.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Nach ständiger hg. Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom 19. Juni 2008, Zl. 2006/18/0470, mwN) steht aufgrund eines rechtskräftigen Urteils, mit dem eine Ehe gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt wurde, in bindender Weise fest, dass die Ehegatten die Ehe ausschließlich zu den in diesem Urteil genannten Zwecken geschlossen haben, ohne dass eine eheliche Lebensgemeinschaft hätte begründet werden sollen oder diese begründet wurde, und sie kein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt haben (vgl. dazu etwa auch das Erkenntnis vom 2. Dezember 2008, Zl. 2007/18/0327, mwN).

Die Beschwerde stellt nicht in Abrede, dass die am 25. Juni 2004 geschlossene Ehe des Beschwerdeführers mit dem genannten Urteil vom 24. Juni 2005 - aufgrund des gemäß § 23 Ehegesetz gestellten Antrages der Staatsanwaltschaft - rechtskräftig für nichtig erklärt worden ist, wobei diesem Urteil als tragende Feststellungen (u.a.) zu Grunde liegt, dass die Eheschließung ausschließlich dazu gedient habe, dem Beschwerdeführer den Aufenthalt und die Erlangung einer Arbeitsbewilligung zu ermöglichen, die Ehegatten niemals vorhatten, eine umfassende Lebensgemeinschaft zu führen, und sie demzufolge nicht in einem gemeinsamen Haushalt wohnten und auch keine sexuellen Kontakte miteinander hatten.

Vor dem Hintergrund der genannten hg. Judikatur begründet es daher - entgegen der Beschwerdeansicht - keinen Verfahrensmangel, wenn die belangte Behörde den Beschwerdeführer und H. nicht selbst vernommen hat und ist darüber hinaus die Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt sei, nicht zu beanstanden.

1.3. Das Eingehen einer Ehe zu dem Zweck, fremdenrechtlich bedeutsame Berechtigungen zu erlangen, stellt eine gravierende Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dar (vgl. dazu etwa das bereits zitierte Erkenntnis, Zl. 2006/18/0470, mwN).

Wenn die Beschwerde vorbringt, dass das dem Beschwerdeführer angelastete Fehlverhalten mittlerweile bereits mehr als fünf Jahre zurückliege und nicht einzusehen sei, dass nicht bereits früher ein Rückkehrverbot verhängt worden sei, so ist auch dieses Vorbringen nicht zielführend. Abgesehen davon, dass im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch keine fünf Jahre verstrichen waren, seit der Beschwerdeführer die genannte Scheinehe eingegangen war und sich für die Erteilung von fremdenrechtlich relevanten Berechtigungen auf diese Ehe berufen hatte, käme, selbst wenn die Eheschließung bereits länger als fünf Jahre zurückgelegen wäre, diesem Umstand keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2008, Zl. 2008/18/0729, mwN).

2. Bei der Interessenabwägung nach § 62 Abs. 3 und § 66 FPG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 9. Jänner 2002 und seine unselbstständige Beschäftigung berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Rückkehrverbot verbundenen relevanten Eingriff in seine persönlichen Interessen angenommen. Das Gewicht dieser Interessen wird jedoch dadurch entscheidend relativiert, dass der inländische Aufenthalt des Beschwerdeführers nur aufgrund eines Asylantrages und darüber hinaus aufgrund der mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossenen Ehe, wobei es sich um eine Scheinehe (Aufenthaltsehe) gehandelt hat, ermöglicht war. Auch seiner Beschäftigung hat er nur aufgrund seiner durch die Eheschließung bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nachgehen dürfen.

Stellt man diesen Interessen das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber, so begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet keinesfalls schwerer wögen als das gegenläufige öffentliche Interesse und somit die Erlassung des Rückkehrverbotes gegen ihn zulässig sei, unter dem Blickwinkel des § 66 FPG (idF des BGBl. I Nr. 29/2009) keinem Einwand, dies auch dann, wenn man dieser Beurteilung das weitere Beschwerdevorbringen zugrunde legte, dass der Beschwerdeführer sich jahrelang "wohlverhalten" habe (offensichtlich gemeint: strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei).

3. Ferner zeigt die Beschwerde mit dem gegen die Gültigkeitsdauer des Rückkehrverbotes gerichteten Vorbringen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Der Beschwerdeführer hat sich in seinem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die von ihm geschlossene Scheinehe berufen und rechtsmissbräuchlich einen Aufenthaltstitel und den Zugang zum Arbeitsmarkt erlangt. In Anbetracht dieses Fehlverhaltens kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertreten hat, dass ein Wegfall des für die Erlassung des Rückkehrverbotes maßgeblichen Grundes nicht vor Verstreichen der mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzten Gültigkeitsdauer erwartet werden könne, und es zeigt die Beschwerde keine Umstände auf, die die Festsetzung einer kürzeren Dauer dieser Maßnahme geboten hätten.

4. Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass der belangten Behörde ein (materieller) Ermessensfehler unterlaufen sei, haben sich doch keine besonderen Umstände ergeben, die zu einer Ermessensübung nach § 62 Abs. 1 FPG zu Gunsten des Beschwerdeführers hätten führen müssen.

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 7. Juli 2009

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