VwGH 2007/18/0611

VwGH2007/18/061117.12.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des L M in K, geboren am 22. September 1975, vertreten durch Dr. Hans Herwig Toriser, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, St. Veiter Straße 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 25. Juni 2007, Zl. 2/4033/26/07, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
FrPolG 2005 §59 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §62;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
NAG 2005 §11 Abs1 Z1;
VwRallg;
AVG §66 Abs4;
FrPolG 2005 §59 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60;
FrPolG 2005 §62;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
NAG 2005 §11 Abs1 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 25. Juni 2007 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, vom 5. März 2007 auf Aufhebung des gegen ihn mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 4. November 1994 erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbotes gemäß § 65 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 1, §§ 61, 66, 86 Abs. 1 und § 87 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, abgewiesen.

Diesem Aufenthaltsverbot liege zugrunde, dass der Beschwerdeführer in der Zeit von Ende Mai/Anfang Juni 1993 bis 31. Oktober 1993 in einer Reihe von Angriffen das Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, § 129 Z. 1 und 2, § 130 zweiter Satz erster Fall und § 15 StGB sowie am 2. November 1993 das Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 zweiter Fall leg. cit. begangen habe und deshalb vom Landesgericht Innsbruck am 4. Februar 1994 zu einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten und einer unbedingten Geldstrafe von 360 Tagessätzen verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer habe bei den Einbruchsdiebstählen, die er gemeinsam mit anderen Staatsangehörigen des ehemaligen Jugoslawien in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken verübt habe, eine führende Rolle gespielt.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/18/1126, sei die von ihm gegen den genannten Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 4. November 1994 erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen worden. (Zur näheren Darstellung der ihm zur Last gelegten Straftaten und des Aufenthaltsverbotes wird auf dieses Erkenntnis verwiesen.)

In der Folge habe der Beschwerdeführer das Bundesgebiet verlassen. Am 14. Jänner 2007 sei bei einer Polizeikontrolle in K festgestellt worden, dass er zwar im Besitz eines österreichischen, vom 31. Oktober 2006 bis 28. Februar 2007 gültigen Visums und eines vom 19. Oktober 2006 bis 18. Oktober 2007 gültigen, von der Niederlassungsbehörde in K ausgestellten Aufenthaltstitels für den Aufenthaltszweck "Familienangehöriger" sei, jedoch unter dem Namen N und den Alias-Identitäten (jeweils mit anderem Geburtsdatum) M M und R N in Deutschland mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot für das Schengener-Gebiet ausgeschrieben sowie unter dem Namen V mit dem genannten unbefristeten Aufenthaltsverbot belegt sei.

Da die Polizei in K zuvor eine Schein- bzw. Aufenthaltsehe mit der Österreicherin D M. vermutet habe, habe sie diese am 24. November 2005 vernommen. D M. habe das Vorliegen einer Schein- und Aufenthaltsehe in Abrede gestellt und zu Protokoll gegeben, dass sie ca. 2 1/2 Jahre vorher ihren Ehegatten "N" kennen gelernt hätte, sich seit 25 Jahren in Österreich befände und seit 1997 die österreichische Staatsbürgerschaft besäße. Seit ihrem Kennenlernen hätten sie einander zwei- oder dreimal getroffen. Nachdem sie beschlossen gehabt hätten zu heiraten, sei sie im März 2005 nach Bosnien gefahren, wo sie am 28. März 2005 geheiratet hätten. Nach der Eheschließung hätte sie versucht, ihren Ehegatten mit einem Touristenvisum nach Österreich einzuladen, dies wäre jedoch von der österreichischen Botschaft in Sarajevo abgelehnt worden. Da das Touristenvisum nicht erteilt worden wäre, hätten sie am 12. September 2005 den Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung bei der österreichischen Botschaft in Sarajevo gestellt.

Am 15. Februar 2007 sei der Beschwerdeführer von der Fremdenpolizeibehörde vernommen worden, wobei dessen Kusine als Dolmetscherin fungiert habe. Er habe im Wesentlichen zu Protokoll gegeben:

"Ich lege meinen bosnischen Personalausweis zur Einsichtnahme vor. Mein bosnischer Reisepass befindet sich bei meiner Gattin D M an ihrer Arbeitsstelle, wo sie als Reinigungskraft beschäftigt ist.

Ich habe am 28.3.2005 in Bosnien die Österreicherin D M geheiratet. Weil gegen mich unter dem Namen V ein Aufenthaltsverbot der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck aus dem Jahr 1994 besteht, habe ich im Wege eines bosnischen Gerichtes meinen Namen auf L N geändert. N war der Name meiner Großmutter. Auch habe ich meinen Vornamen aus eben diesem Grund geändert. Weil ich in meiner Heimat zu wenig zum Leben habe, wollte ich mit Hilfe dieser Namensänderung eine Aufenthaltsbewilligung für Österreich beantragen, um hier arbeiten zu können. Ich war auch im Besitze eines gültigen bosnischen Reisepasses lautend auf L N, geb. 22.9.1975. Ich habe nicht gewusst, dass das Aufenthaltsverbot mit unbefristeter Dauer ausgesprochen wurde, weil ich damals noch ein Kind gewesen bin.

Nach der Eheschließung habe ich bei der österreichischen Botschaft in Sarajevo einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck 'begünstigter Drittstaat-Ö' eingebracht, dies unter dem Namen M, früher N L, geb. 22.9.1975. Im Zuge dieser Antragstellung habe ich meinen früheren Namen N V nicht angegeben.

Nach meiner Namensänderung von N V auf L N konnte ich schließlich von der Behörde einen Aufenthaltstitel für Deutschland erlangen und bin ich schließlich im Jahr 2003 nach Deutschland gereist, wo ich mich für drei Monate aufgehalten habe. Auf Grund meines abgelaufenen Visums und Nichtausreise wurde gegen mich von den deutschen Behörden ein Aufenthaltsverbot ausgesprochen und wurde ich nach Bosnien abgeschoben.

Seitens der Behörde werde ich aufgefordert, Österreich umgehend zu verlassen."

Nach Darstellung des Vorbringens des Beschwerdeführers in seinem Aufhebungsantrag vom 5. März 2007 und seiner gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung führte die belangte Behörde aus, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich sei, um eine vom Beschwerdeführer ausgehende tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, abzuwenden. Diese von ihm ausgehende Gefahr ergebe sich aus seinem schweren Gesamtfehlverhalten, das zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt habe, und aus seinem Verhalten im Jahr 2003, wo er - um das Aufenthaltsverbot zu umgehen - in Bosnien eine gerichtliche Namensänderung (und zwar eine Änderung des Familiennamens und des Vornamens) von N V auf L N erfolgreich betrieben und in der Folge unter dem Namen L N ein deutsches Visum erhalten habe. Nachdem er in Deutschland mit einem Aufenthaltsverbot belegt und nach Bosnien abgeschoben worden sei, habe er schließlich im Jahr 2005 in Bosnien unter dem Namen L N die Österreicherin D M. geheiratet und deren Namen angenommen. In der Folge habe er erfolgreich die Einwanderung nach Österreich betrieben. Entgegen seiner Ansicht könne daher keine Rede davon sein, dass der Grund, der zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt habe, nämlich seine Gefährlichkeit für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, weggefallen sei oder dass sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zu seinen Gunsten geändert hätten.

Seine Strafkarte enthalte nach wie vor seine Verurteilung durch das Landesgericht Innsbruck vom 4. Februar 1994. Der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG sei daher im Beschwerdefall gegeben.

Mit der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes sei ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden. Dieser Eingriff sei jedoch auf Grund seiner bisher sichtbaren Neigung zur Missachtung der Rechtsordnung des Gastlandes und im Hinblick auf das gewichtige öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen sowie daran, dass andere in Rechten (insbesondere Vermögensrechten) nicht beeinträchtigt würden, zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele des Schutzes der öffentlichen Ordnung (auf dem Gebiet des Fremdenwesens) und zur Verhinderung (weiterer) Straftaten dringend geboten. Dem stünden die Auswirkungen der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes auf seine private und familiäre Lebenssituation gegenüber, die jedoch nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes.

Der Beschwerdeführer habe von 1992 bis zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Jahr 1994 in Österreich gelebt. In dessen Folge habe er das Bundesgebiet im Jahr 1995 verlassen. Er sei - dieser kurzen Zeit seines Aufenthaltes im Bundesgebiet entsprechend - integriert gewesen, wobei ein so kurzer Aufenthalt noch keinen hohen Integrationsgrad bewirke. Vor seiner Festnahme wegen der dem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 4. Februar 1994 zugrunde liegenden Straftaten habe er nicht gearbeitet. Seine Familienmitglieder seien bereits früher als er (und seine Mutter) nach Österreich gekommen, hätten bereits "seit geraumer Zeit" im Bundesgebiet gelebt und seien gut integriert. Sein Vater arbeite im Bundesgebiet. Eine intensive familiäre Bindung habe er damals naturgemäß zu seinen Verwandten in Österreich, insbesondere zu seinen Eltern und Geschwistern, mit denen er in einem gemeinsamen Haushalt gelebt habe, gehabt.

Im Jahr 1995 habe er das Bundesgebiet auf Grund des Aufenthaltsverbotes verlassen. 2003 sei er kurz in Deutschland gewesen, von wo er nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach Bosnien abgeschoben worden sei. Dort habe er im Jahr 2005 die Österreicherin D M geheiratet. Seit 2006 lebe er wieder in Österreich, wobei er das Bundesgebiet Anfang 2007 auf Druck der Fremdenpolizei im Hinblick auf das gegenständliche Aufenthaltsverbot verlassen habe. Er habe Anfang 2007 im Bundesgebiet noch keinen hohen Integrationsgrad aufgewiesen. Eine intensive familiäre Bindung habe er zu seiner österreichischen Ehegattin, mit der er seit 2006 in deren Wohnung in K gelebt habe. Mit ihr und deren zwei erwachsenen Kindern habe er eine Familie gebildet. Er habe in K auch gearbeitet.

Die Beeinträchtigung seiner Lebenssituation durch die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes trete angesichts der von ihm ausgehenden, aus seinem Vorleben erschließbaren großen Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit und angesichts der Kürze seines Aufenthaltes im Bundesgebiet sowie angesichts des Umstandes, dass seine Ehegattin niemand daran hindere, das Familienleben mit ihm in Bosnien zu führen, in den Hintergrund. Die dennoch erfolgte Beeinträchtigung seiner privaten und familiären Lebenssituation durch die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes einschließlich seiner Trennung von seiner Ehegattin müsse auf Grund des genannten schwerwiegenden öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes in Kauf genommen werden.

Vor diesem Hintergrund und im Hinblick darauf, dass keine, nicht bereits bei der Interessenabwägung berücksichtigten Umstände vorlägen, könne von der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des bei dieser Entscheidung von der Behörde zu übenden Ermessens Abstand genommen werden.

Entgegen dem Berufungsvorbringen sei das Aufenthaltsverbot durch den dem Beschwerdeführer erteilten Aufenthaltstitel keineswegs aufgehoben oder gegenstandslos geworden (vgl. § 65 Abs. 1 FPG). Der Niederlassungsbehörde in Klagenfurt sei auch kein Vorwurf zu machen, das Ermittlungsverfahren nicht ordentlich geführt bzw. übersehen zu haben, dass gegen ihn ein aufrechtes Aufenthaltsverbot bestehe, habe er der Behörde gegenüber doch seinen Namen, unter dem er seinerzeit mit dem Aufenthaltsverbot belegt worden sei, nicht angegeben. Dass er der Niederlassungsbehörde gegenüber seinen Namen nicht angegeben habe, habe er bei seiner Vernehmung am 15. Februar 2007 selbst gesagt. Eine Einsichtnahme in seinen damaligen Niederlassungsbewilligungsantrag zeige, dass er den Namen N V nicht angeführt habe. Als er die gerichtliche Namensänderung in Bosnien betrieben habe, habe er mit Sicherheit gewusst, dass er für das Gebiet der Republik Österreich bzw. der Europäischen Union mit einem Aufenthaltsverbot belegt sei. Auch könne keine Rede davon sein, dass er bei der Begehung der schweren Straftaten in Österreich noch ein Kind gewesen wäre.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot (oder ein Rückkehrverbot) auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

Nach der hg. Judikatur kann ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes (oder eines Rückkehrverbotes) nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes (oder des Rückkehrverbotes) eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Weiters kann bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes (oder eines Rückkehrverbotes) die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot (oder das Rückkehrverbot) erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 22. April 2008, Zl. 2006/18/0362, mwN).

Bei der Beurteilung nach § 65 Abs. 1 FPG kommt es im Übrigen darauf an, dass eine Gefährlichkeitsprognose auf Grund des - wegen der Heirat des Fremden mit einer österreichischen Staatsbürgerin maßgeblichen - § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes (oder des Rückkehrverbotes) erforderlich ist, weil auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Bei dieser Beurteilung kann auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Ferner ist für die Beurteilung nach § 65 Abs. 1 FPG maßgeblich, ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes (oder des Rückkehrverbotes) im Grunde des § 60 Abs. 6 iVm § 66 FPG und des § 61 leg. cit. zulässig ist. Darüber hinaus hat die Behörde bei der Entscheidung über einen Aufhebungsantrag das ihr in § 60 Abs. 1 iVm § 86 Abs. 1 leg. cit. eingeräumte Ermessen zu üben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2009, Zl. 2009/18/0368, mwN).

2.1. An seit der Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes geänderten Umständen bringt die Beschwerde vor, dass das Aufenthaltsverbot durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Aufenthaltszweck "Familienangehöriger" mit Gültigkeit vom 19. Oktober 2006 bis 18. Oktober 2007 aufgehoben bzw. gegenstandslos geworden sei. Der Beschwerdeführer habe völlig legal die Namensänderung durchgeführt. Hätte die Niederlassungsbehörde in K ein korrektes Ermittlungsverfahren durchgeführt, wären sämtliche Daten zur Person des Beschwerdeführers zu Tage getreten und wäre ihr die Tatsache, dass sein Name ursprünglich N V gelautet habe, jedenfalls aufgefallen. Der Vorwurf, dass er wissentlich diesen Namen nicht mitgeteilt und seinen Geburtsnamen bewusst verschwiegen habe, um sich den Aufenthaltstitel zu erschleichen, sei durch nichts belegt und bewiesen. Vielmehr habe er den nunmehr gültigen Aufenthaltstitel gutgläubig erworben.

Ein Aufenthaltsverbot dürfte gegen den Beschwerdeführer nicht mehr erlassen werden, zumal von ihm keine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr ausgehe, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Überdies lebe er mit seiner Ehegattin und deren drei Kinder als Familie im gemeinsamen Haushalt, wobei seine Ehegattin und er berufstätig seien und über ein Familieneinkommen von rund EUR 2.200,-- bis EUR 2.500,-- verfügten. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf seine Lebenssituation und die seiner Familie wögen daher schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dessen Aufrechterhaltung.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

2.2.1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid zur Aussage des Beschwerdeführers vom 15. Februar 2007 getroffenen Feststellungen und behauptet nicht, dass diese Aussage unrichtig wiedergegeben sei. Bei dieser Vernehmung hat der Beschwerdeführer zugegeben, dass er sowohl seinen Vornamen als auch seinen Familiennamen in Bosnien-Herzegowina hat ändern lassen, weil gegen ihn unter seinem Namen N V das Aufenthaltsverbot erlassen worden war. Weiters hat er zugegeben, dass er aus wirtschaftlichen Gründen mit Hilfe dieser Namensänderung eine Aufenthaltsbewilligung für Österreich erlangen wollte, um hier arbeiten zu können.

Ferner bestreitet die Beschwerde nicht, dass der Beschwerdeführer in Deutschland auch unter den Alias-Identitäten M M und R N (jeweils mit unterschiedlichem Geburtsdatum) aufgetreten ist und dort mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot für das Schengener-Gebiet belegt worden ist.

In Anbetracht dieser Ermittlungsergebnisse, insbesondere der genannten Aussage des Beschwerdeführers vom 15. Februar 2007, begegnet die Annahme der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer der Niederlassungsbehörde in K seinen früheren Namen Nemanja Vasiljkovic wissentlich nicht mitgeteilt und bewusst verschwiegen habe, um sich eine Niederlassungsbewilligung zu erschleichen, keinen Bedenken. Für diese Täuschungsabsicht spricht auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer nicht nur seinen Familiennamen, sondern auch seinen Vornamen geändert hat.

In Anbetracht dieses Täuschungsverhaltens des Beschwerdeführers kann von einem Wohlverhalten des Beschwerdeführers im obzitierten Sinn keine Rede sein. Die Ansicht der belangten Behörde, dass von einem Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit im Sinn des § 86 Abs. 1 (erster und zweiter Satz) FPG nicht ausgegangen werden könne, ist daher nicht zu beanstanden.

2.2.2. Entgegen der Beschwerdeansicht ist durch die Erteilung des Aufenthaltstitels im Jahr 2006 das Aufenthaltsverbot auch nicht gegenstandslos geworden oder außer Kraft getreten. Eine Regelung, wie sie § 59 Abs. 2 FPG für die Gegenstandslosigkeit einer Ausweisung auf Grund der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG vorsieht, ist für Aufenthaltsverbote im FPG nicht enthalten. Vielmehr bestimmt § 11 Abs. 1 Z. 1 NAG, dass Aufenthaltstitel - zwingend - einem Fremden nicht erteilt werden dürfen, wenn gegen ihn ein aufrechtes Aufenthaltsverbot (oder Rückkehrverbot) besteht. Dass es dem Beschwerdeführer auf Grund seines Täuschungsverhaltens gelungen ist, einen Aufenthaltstitel zu erlangen, führt nicht dazu, dass das Aufenthaltsverbot dadurch gegenstandslos geworden wäre.

2.2.3. Darüber hinaus stellt auch die von der Beschwerde ins Treffen geführte Verstärkung der persönlichen Bindungen und Interessen des Beschwerdeführers durch seine Eheschließung mit der österreichischen Staatsbürgerin im Jahr 2005 keinen Umstand dar, der die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 66 Abs. 1 und 2 FPG nach sich ziehen müsste. So hat der Beschwerdeführer die Ehe zu einem Zeitpunkt geschlossen, in dem er wusste, dass er nicht mit einem rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich rechnen durfte. Auch hielt er sich erst wieder seit 2006 in Österreich auf, sodass der bis zu seiner Ausreise Anfang 2007 nur verhältnismäßig kurze Aufenthalt - worauf die belangte Behörde zu Recht hingewiesen hat - noch keinen hohen Integrationsgrad bewirken konnte.

Die Auffassung der belangten Behörde, dass § 66 Abs. 1 und 2 FPG der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegenstehe, begegnet somit keinem Einwand.

3. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 17. Dezember 2010

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