VwGH 2007/18/0610

VwGH2007/18/061030.4.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde der J I in Wien, geboren am 9. Dezember 1981, vertreten durch Solicitor Edward W. Daigneault in 1170 Wien, Hernalser Gürtel 47/4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 26. April 2007, Zl. SD 1478/06, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z4;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
Gesundheitliche Überwachung von Prostituierten 1974 §1;
ProstG Wr 1984 §6 Abs1;
ProstG Wr 1984 §6;
ProstG Wr 1984 §8a Abs1 Z2;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z4;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
Gesundheitliche Überwachung von Prostituierten 1974 §1;
ProstG Wr 1984 §6 Abs1;
ProstG Wr 1984 §6;
ProstG Wr 1984 §8a Abs1 Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 26. April 2007 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine nigerianische Staatsangehörige, gemäß § 62 Abs. 1 und 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 4 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Rückkehrverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass die Beschwerdeführerin am 7. Mai 2005 illegal in das Bundesgebiet gelangt sei und am selben Tag einen Asylantrag gestellt habe, der in erster Instanz mit Bescheid vom 6. Dezember 2006 abgewiesen worden sei. Aufgrund einer dagegen erhobenen Berufung sei das Asylverfahren der Beschwerdeführerin beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig; die Beschwerdeführerin verfüge seit 29. Juni 2005 über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz.

Erstmals am 26. Juli 2005 sei die Beschwerdeführerin wegen Anbahnung der Prostitutionsausübung innerhalb der Verbotszone und unter anderem wegen Nichterfüllung der Meldepflicht nach dem Wiener Prostitutionsgesetz (im Folgenden: Wr. ProstG) und Nichtbeachtung der Untersuchungspflicht nach dem AIDS-Gesetz (1993) zur Anzeige gebracht worden. Sie sei daraufhin mit Strafverfügung vom 29. Juli 2005 wegen der Übertretung des § 4 Abs. 3 Wr. ProstG - sohin wegen Anbahnung der Prostitution innerhalb einer örtlichen Beschränkung (Verbotszone) - bestraft worden.

Am 27. Dezember 2005 sei sie abermals wegen des Verdachtes der gewerbsmäßigen Prostitution, des Nichtbeachtens der Meldepflicht, der Unterlassung der regelmäßigen amtsärztlichen Untersuchung und der Nichterfüllung der Untersuchungspflicht angezeigt worden. Mit Strafverfügung vom 19. Jänner 2006 (richtig: 18. Jänner 2006) sei die Beschwerdeführerin wegen der Übertretung des § 8 Abs. 2 Z. 2 Wr. ProstG (richtig: § 6 Abs. 1 iVm § 8a Abs. 1 Z. 2 Wr. ProstG) bestraft worden.

Der Beschwerdeführerin sei durch die Erstbehörde die Gelegenheit eingeräumt worden, ihre persönlichen Verhältnisse darzulegen, wovon sie allerdings keinen Gebrauch gemacht habe. Ihren Angaben im Asylverfahren zufolge sei sie ledig und habe keine Sorgepflichten. Auch in der Berufung würden weder berufliche noch familiäre Bindungen in Österreich geltend gemacht.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe der §§ 62 Abs. 1 und 60 Abs. 2 Z. 4 FPG - im Wesentlichen aus, dass aufgrund der Strafverfügung vom 18. Jänner 2006 ein schwerwiegender Verstoß gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt sei, im Sinn des § 60 Abs. 2 Z. 4 FPG vorliege. Die unrechtmäßige Ausübung bzw. Anbahnung der Prostitution stelle eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet der die Prostitution regelnden Vorschriften sowie auf dem Gebiet des Gesundheitswesens dar. Das Gesamtfehlverhalten der Beschwerdeführerin gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit in hohem Maße, sodass sich auch die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme als gerechtfertigt erweise.

In einem solchen Fall könne gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn dem nicht die Bestimmung des § 66 FPG entgegenstehe. Aufgrund des bisherigen inländischen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin sei von einem mit dem Rückkehrverbot verbundenen Eingriff in deren Privatleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG zu bejahen und zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Wahrung eines geordneten Prostitutionswesens und zum Schutz der Gesundheit Dritter - als dringend geboten zu erachten. Es bestehe ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung der unrechtmäßigen Ausübung der Prostitution, somit an der Einhaltung von Vorschriften, gegen die die Beschwerdeführerin bereits wiederholt verstoßen habe. Die solcherart von ihr ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung sei von solchem Gewicht, dass sich die Erlassung des Rückkehrverbotes als dringend geboten und daher als zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG erweise.

Im Hinblick auf § 66 Abs. 2 FPG sei zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihres inländischen Aufenthaltes in der Dauer von etwa zwei Jahren, der sich aber lediglich auf eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz stütze, auf keine maßgebliche Integration in Österreich verweisen könne. Auch unter Bedachtnahme auf den Mangel jeglicher familiärer Bindungen in Österreich sei das ihr insgesamt zu unterstellende Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet gering. Dem stehe jedoch das große öffentliche Interesse an der Verhinderung unrechtmäßig ausgeübter Prostitution gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlagen sei die belangte Behörde zur Auffassung gelangt, dass die Auswirkung eines Rückkehrverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin keinesfalls schwerer wöge als das in ihrem Fehlverhalten gegründete große öffentliche Interesse daran, dass sie das Bundesgebiet verlasse. Die Erlassung des Rückkehrverbotes erweise sich daher auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG als zulässig.

Dem Einwand der Beschwerdeführerin, dass sie die Tätigkeit als Prostituierte seit Mai 2006 aufgegeben habe, weshalb auch keine Gefährdungsprognose zu treffen sei, müsse entgegengehalten werden, dass der seit den Übertretungen verstrichene Zeitraum noch zu kurz sei, um auf einen Wegfall oder auch nur eine erhebliche Minderung der von der Beschwerdeführerin ausgehenden Gefährdung öffentlicher Interessen schließen zu können.

Angesichts des dargestellten Gesamtfehlverhaltens der Beschwerdeführerin könne von der Erlassung des Rückkehrverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden.

Was die Gültigkeitsdauer des Rückkehrverbotes (§ 63 FPG) anlange, so könne im Hinblick auf das dargelegte Gesamtfehlverhalten der Beschwerdeführerin und ihre Lebenssituation ein Wegfall des für die Erlassung des Rückkehrverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der erheblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch ihren Aufenthalt im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes von fünf Jahren erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah allerdings von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Gemäß § 62 Abs. 1 FPG kann gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt (Z. 1) die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder (Z. 2) anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Gemäß § 62 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinn des § 62 Abs. 1 FPG insbesondere jene des § 60 Abs. 2 Z. 1 bis 5, 8 bis 10 und 12 bis 14 FPG.

Gemäß § 60 Abs. 2 Z. 4 FPG hat als bestimmte Tatsache in diesem Sinn insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder im Inland wegen eines schwerwiegenden Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft oder im In- oder Ausland wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist.

1.2. Die Beschwerde stellt nicht in Abrede, dass die Beschwerdeführerin mit Strafverfügung vom 18. Jänner 2006 wegen Übertretung des § 6 Abs. 1 iVm § 8a Abs. 1 Z. 2 Wr. ProstG bestraft wurde, somit wegen Anbahnung oder Ausübung der Prostitution ohne Vorliegen der gemäß § 6 Abs. 1 Wr. ProstG erforderlichen Meldung bei der Behörde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass es sich bei Verstößen gegen § 6 Wr. ProstG um an sich schwerwiegende Verstöße im Sinn des § 60 Abs. 2 Z. 4 FPG handelt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2008, Zl. 2007/18/0632, mwN). Der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 4 FPG ist somit schon aufgrund der Strafverfügung vom 18. Jänner 2006 erfüllt.

1.3. Angesichts der mit der illegalen Ausübung von Prostitution verbundenen Gefahren, insbesondere auch jener der Verbreitung ansteckender Krankheiten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2003, Zl. 2002/18/0277), bestehen auch gegen die von der belangten Behörde getroffene Annahme gemäß § 62 Abs. 1 FPG keine Bedenken.

Soweit die Beschwerde ausführt, die Beschwerdeführerin gehe der Prostitution seit Mai 2006 nicht mehr nach (dies aber in der Folge dadurch relativiert, dass sie auf die mangelnde Möglichkeit der Prostitutionsausübung durch den mit dem Rückkehrverbot verbundenen Entzug des Aufenthaltsrechtes hinweist), so ist dem zu erwidern, dass der seit der Übertretung bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides verstrichene Zeitraum noch zu kurz ist, um auf einen Wegfall oder auch nur eine erhebliche Minderung der von der Beschwerdeführerin ausgehenden Gefährdung schließen zu können.

2. Die in der Beschwerde nicht bekämpfte Interessenabwägung gemäß § 66 FPG ist aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheides nicht zu beanstanden.

3. Die Beschwerde führt weiters aus, die mit dem Rückkehrverbot verbundene Auswirkung, dass die Beschwerdeführerin die Prostitution nicht mehr ausüben dürfe, verstoße gegen Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Jänner 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten. Ein derartiger Verstoß liegt allerdings schon deshalb nicht vor, weil Art. 11 Abs. 4 dieser Richtlinie den Mitgliedstaaten erlaubt, Drittstaatsangehörigen mit rechtmäßiger Aufenthaltserlaubnis hinsichtlich der Zulassung zum Arbeitsmarkt den Vorrang gegenüber Asylwerbern einzuräumen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2009, Zl. 2007/09/0033).

4. Entgegen der Beschwerdeansicht bestand für die belangte Behörde auch keine Veranlassung, vom dem ihr gemäß § 62 Abs. 1 FPG bei der Verhängung eines Rückkehrverbots eingeräumten Ermessen zu Gunsten der Beschwerdeführerin Gebrauch zu machen.

Die in diesem Zusammenhang in der Beschwerde gemachten Ausführungen, dass durch das gegenständliche Rückkehrverbot andere Personen veranlasst werden könnten, die Prostitution nur mehr ohne Meldung auszuüben, sind nicht schlüssig, beruht doch die Strafverfügung vom 18. Jänner 2006 gerade auf der Prostitutionsausübung unter Unterlassung der behördlichen Meldung.

5. Ferner bestehen gegen die festgesetzte Gültigkeitsdauer des Rückkehrverbotes - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung - keine Bedenken.

Nach der hg. Judikatur ist ein Aufenthalts- oder Rückkehrverbot - unter Bedachtnahme auf § 63 Abs. 1 FPG - für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird. Die Annahme der belangten Behörde, dass dies erst nach Ablauf von fünf Jahren der Fall sein werde, begegnet im Hinblick auf das wiederholte Fehlverhalten der Beschwerdeführerin keinen Bedenken. Auch zeigt die Beschwerde keine Umstände auf, die den Schluss zuließen, dass der Wegfall der für die Erlassung des Rückkehrverbotes maßgeblichen Gründe vor Ablauf dieses Zeitraumes erwartet werden könne (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Juni 2009, Zl. 2009/18/0175, mwN).

6. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

7. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 30. April 2010

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