VwGH 2002/18/0277

VwGH2002/18/027728.1.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerden

1. der A, geboren 1961, 2. der I, geboren 1972, beide vertreten durch Dr. Michael Kinberger und Dr. Alexander Schuberth, Rechtsanwälte in 5700 Zell am See, Salzachtal Bundesstraße 13, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg 1. vom 3. Oktober 2002, Zl. Fr-91/02, 2. vom 3. Oktober 2002, Zl. Fr-90/02, jeweils betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) vom 3. Oktober 2002 wurde gegen die Beschwerdeführerinnen, ungarische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 und 2 iVm §§ 37 und 38 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, jeweils ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Die Beschwerdeführerinnen seien am 4. Februar 2002 von Ungarn kommend über den Grenzübergang Nickelsdorf nach Österreich eingereist und hätten im Gasthof Brennerwirt Aufenthalt genommen, ohne sich bei der Meldebehörde anzumelden. Im Brennerwirt sei ein "Swinger-Club" etabliert. Darin werde auch der Prostitution nachgegangen. Bei einer Kontrolle durch Gendarmeriebeamte des Gendarmeriepostenkommandos in diesem Gasthof am 14. Februar 2002 sei den Beamten von den Beschwerdeführerinnen die Eingangstüre geöffnet worden. Auf Grund des bei der Kontrolle ermittelten Sachverhaltes seien gegen die Beschwerdeführerinnen nach dem Melde- und nach dem Fremdengesetz Anzeigen erstattet worden. Nach einer niederschriftlichen Einvernahme bei der Bezirkshauptmannschaft Zell am See am 15. Februar 2002 habe der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerinnen am 27. Februar 2002 ausgeführt, dass sie (im Gegensatz zur Annahme der erstinstanzlichen Behörde) keiner Tätigkeit als Servierkraft nachgegangen seien und ihr Aufenthalt in Österreich nur touristischen Zwecken diene.

Auf Grund zahlreicher Beschwerden aus der Bevölkerung sei der Swinger-Club im Gasthof Brennerwirt am 20. April 2002 erneut durch Gendarmeriebeamte kontrolliert worden. Dabei seien die Beschwerdeführerinnen - gemeinsam mit anderen Damen - mit schwarzen Spitzen bekleidet zwischen Gästen sitzend angetroffen worden. Der Zeuge R, welcher sich im Zeitpunkt der Kontrolle im Etablissement aufgehalten habe, habe bei seiner Einvernahme am 21. April 2002 angegeben, dass er am Abend des 19. April 2002 mit beiden Beschwerdeführerinnen "gegen Bezahlung Sex gehabt" habe. Demnach stehe fest, dass die Beschwerdeführerinnen im Gasthof Brennerwirt der illegalen Prostitution nachgegangen seien.

Auf Grund des dargestellten Gesamtfehlverhaltens - Übertretung nach dem Meldegesetz und Ausübung der Prostitution - sei die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt. Der von den Beschwerdeführerinnen ausgehenden Gefährdung könne nur durch Erlassung von Aufenthaltsverboten begegnet werden.

Durch die aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen die Erstbeschwerdeführerin finde kein relevanter Eingriff im Sinn des § 37 FrG statt, da diese über keine Bindung zum österreichischen Bundesgebiet verfüge. Wegen der zu erwartenden Eheschließung der Zweitbeschwerdeführerin werde durch die aufenthaltsbeendende Maßnahme zwar in deren Privatleben eingegriffen. Diese Maßnahme sei aber dringend geboten. Die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von dieser Maßnahme würden schwerer wiegen als deren Auswirkungen auf ihre Lebenssituation.

Im Hinblick auf das Fehlverhalten der Beschwerdeführerinnen sei ein Beobachtungszeitraum von fünf Jahren erforderlich, um für sie eine für einen beabsichtigten neuerlichen Aufenthalt im Bundesgebiet geeignete Prognose stellen zu können.

2. Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerden mit dem Begehren, die angefochtenen Bescheide aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges wegen zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und darüber erwogen:

1.1. Die Beschwerdeführerinnen bringen vor, sie hätten zum Beweis dafür, dass sie nicht als Prostituierte tätig geworden seien, neben vier Farbfotos auch die Einvernahmen von A (des Verlobten der Zweitbeschwerdeführerin), des Zeugen J (Eigentümer des "Swinger-Clubs" sowie der Unterkunft der Beschwerdeführerinnen), der Gendarmeriebeamten H, F und B sowie des Gemeindebediensteten G beantragt. Die Beschwerdeführerinnen seien normale Touristinnen gewesen. Sie hätten im "Swinger-Club" - wenn auch unter Verstoß gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz - als Servierkräfte gearbeitet. Die Einvernahme der Zeugen hätte ergeben, dass die Zweitbeschwerdeführerin die Lebensgefährtin des A sei und beabsichtigt habe, diesen im Mai 2002 zu heiraten, wenn nicht die Abschiebung zuvor gekommen wäre. Die Erstbeschwerdeführerin sei eine Freundin der Zweitbeschwerdeführerin. Aus all dem hätte abgeleitet werden können, dass die Beschwerdeführerinnen nicht der Prostitution nachgegangen seien, sondern lediglich einen Verstoß gegen das Meldegesetz zu verantworten hätten.

1.2. Dieses Vorbringen kann die Schlüssigkeit der beweiswürdigenden Überlegungen der belangten Behörde nicht erschüttern und zeigt auch keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens auf. Der Verwaltungsgerichtshof vermag der belangten Behörde im Rahmen der ihm zukommenden Überprüfung der Beweiswürdigung (vgl. zum Umfang der diesbezüglichen Prüfungsbefugnis insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) nicht entgegenzutreten, wenn sie aus der Aussage des einschlägig involvierten Zeugen R den Schluss gezogen hat, dass die Beschwerdeführerinnen in Österreich der illegalen Prostitution nachgegangen sind. Die Vernehmung der weiteren von den Beschwerdeführerinnen beantragten Zeugen war entbehrlich, da diese nach ihren Vorbringen lediglich hätten bestätigen können, dass die Erstbeschwerdeführerin eine Freundin der Zweitbeschwerdeführerin und diese wiederum die Lebensgefährtin des A sei, welcher seinerseits mit J, dem Eigentümer des Swinger-Clubs, befreundet sei. Das Vorliegen derartiger Umstände würde jedoch nichts an den von der belangten Behörde für glaubwürdig erachteten Angaben des Zeugen R ändern.

2.1. Als inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides machen die Beschwerdeführerinnnen der belangten Behörde zum Vorwurf, "keine ausreichenden Feststellungen für die Gefährlichkeitsprognose getroffen" zu haben. Bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 36 Abs. 1 FrG müsse ein den Bestimmungen des § 36 Abs. 2 FrG gleichzusetzender Verstoß vorliegen. § 36 Abs. 2 FrG stelle aber "insbesondere auf bereits rechtskräftige und vollstreckbare strafbare Handlungen" bzw. darauf ab, dass die Beschwerdeführerinnen wegen eines schwer wiegenden Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden sei (§ 36 Abs. 2 Z. 4 FrG). Die Ausführungen allein, die Beschwerdeführerinnen hätten gegen das Meldegesetz verstoßen und die Prostitution ausgeübt, würden die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht rechtfertigen können.

2.2. Auch diese Ausführungen sind verfehlt.

Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

  1. 1. die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet oder
  2. 2. anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Nach § 36 Abs. 1 leg. cit. ist somit Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes die auf bestimmte Tatsachen gestützte Prognose, dass der Aufenthalt eines Fremden die in Z. 1 oder die in Z. 2 genannten öffentlichen Interessen gefährdet.

Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist auch zulässig, wenn zwar keiner der in § 36 Abs. 2 FrG demonstrativ aufgezählten, jedoch andere triftige Gründe vorliegen, die in ihrer Gesamtheit die in § 36 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 14. April 2000, Zl. 99/18/0358, und vom 27. Februar 2001, Zl. 98/21/0321, jeweils mwH).

Das von der belangten Behörde festgestellte Gesamtfehlverhalten der Beschwerdeführerinnen, nämlich die illegale Ausübung der Prostitution und der (mehrfache) Verstoß gegen das Meldegesetz führt dazu, den Aufenthalt der Beschwerdeführerinnen im Bundesgebiet als Gefährdung der öffentlichen Ordnung erscheinen zu lassen (vgl. das hg., noch zur Rechtslage nach dem Fremdengesetz aus 1992 ergangene, aber auch vorliegend einschlägige Erkenntnis vom 18. Mai 1995, Zl. 94/18/0982). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die illegale Prostitution insbesondere die Gefahr der Verbreitung ansteckender Krankheiten mit sich bringt und damit das Grundinteresse der Gesellschaft an der Bekämpfung derartiger Krankheiten berührt.

3. Gegen die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass auf Grund fehlender bzw. sehr schwach ausgeprägter familiärer oder sonstiger Bindungen der Beschwerdeführerinnen in Österreich die Aufenthaltsverbote auch im Grund des § 37 FrG zulässig sind, bestehen keine Bedenken.

4. Da somit bereits der Beschwerdeninhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 28. Jänner 2003

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