VwGH 2007/18/0161

VwGH2007/18/016117.12.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde der ÖV in W, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 27. Februar 2007, Zl. SD 1022/05, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Normen

ARB1/80;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z2;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
ARB1/80;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z2;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 27. Februar 2007 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Die Beschwerdeführerin habe am 7. Juli 2003 in der Türkei den österreichischen Staatsbürger M. geehelicht und anschließend einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" bei der österreichischen Botschaft in Ankara eingebracht, worauf der Aufenthaltstitel erteilt worden sei.

Am 16. November 2004 habe M. ein Schreiben an die Fremdenpolizei in T gerichtet, in dem er ausgeführt habe, dass er im Sommer 2003 "aus Geldmangel und aus seiner damaligen Drogensucht" eine Scheinehe mit einer Türkin eingegangen sei. Diese Ehe wolle er nunmehr mit Hilfe der Fremdenpolizei annullieren lassen.

Über Ersuchen der Behörde erster Instanz sei M. am 3. Jänner 2005 in der Justizanstalt Hirtenberg niederschriftlich vernommen worden. Er habe angegeben, die Beschwerdeführerin erst ca. eine Stunde vor der Eheschließung in der Türkei kennengelernt zu haben. Das Geld habe er wegen seiner Drogensucht gebraucht. Vom Vermittler, dem Onkel der Beschwerdeführerin, seien ihm EUR 5.000,-

- für die Ehe versprochen worden; tatsächlich habe er nur EUR 2.000,-- bekommen. Die Eheschließung sei am 7. Juli 2003 in der Türkei erfolgt. Er verstehe kein Türkisch. Die ganze Angelegenheit tue ihm sehr leid. Sie sei eine Folge seiner Drogenabhängigkeit und der damit verbundenen finanziellen Situation gewesen.

Bei seiner am 21. Jänner 2005 seitens der Bezirkshauptmannschaft Baden erfolgten niederschriftlichen Vernehmung als Zeuge habe der Ehemann der Beschwerdeführerin angegeben, seine Ehefrau am 7. Juli 2003, dem Tag ihrer Hochzeit, in der Türkei kennengelernt zu haben. Er sei am 5. Juli 2003 in die Türkei geflogen. Mit der Beschwerdeführerin habe er niemals Geschlechtsverkehr gehabt. Deren Onkel, den er 2003 in der Suchtgiftszene am Karlsplatz in W über seine damalige Lebensgefährtin, die ebenfalls eine Scheinehe mit einem Türken eingegangen sei, kennengelernt habe, habe die Ehe vermittelt. Der Vermittler habe ihm EUR 5.000,-- für das Eingehen der Scheinehe versprochen. M. habe ein Ehefähigkeitszeugnis beschaffen müssen. Er habe dann immer wieder, über einen Zeitraum von ca. zwei Monaten, Geld, insgesamt EUR 2.000,--, bekommen, das er für Suchtgift verwendet habe. Wenn er Geld gebraucht habe, habe er den Vermittler angerufen, worauf er gleich Geld erhalten habe. Das Flugticket in die Türkei habe er vom Vermittler bekommen. Einen gemeinsamen Haushalt mit der Beschwerdeführerin habe es nie gegeben. Er wisse nicht, ob die Beschwerdeführerin bei ihm mitversichert sei. Die restlichen EUR 3.000,-- habe er noch nicht bekommen, weil er immer wieder vom Vermittler vertröstet worden sei. Die Beschwerdeführerin habe er in Österreich nur zweimal gesehen. Er tätige diese Aussagen, weil er wieder ledig sein wolle, um seine Lebensgefährtin heiraten zu können.

In einem Schreiben vom 25. April 2005 habe die Beschwerdeführerin die Angaben ihres Ehemannes bestritten. Sie habe ihn ca. vier Monate vor der Eheschließung in der Türkei kennengelernt, als er dort auf Urlaub gewesen sei. Die Ehe sei nicht vermittelt worden. Sie habe für die Eheschließung kein Geld bezahlt. In Österreich habe es einen gemeinsamen Haushalt gegeben. Diesem Schreiben sei eine mit 22. August 2004 datierte Vollmacht beigelegt gewesen, in welcher M. die Beschwerdeführerin bevollmächtigt habe, alle seine Papiere und persönliche Habe in der Zeit, in der er noch in Haft sein müsse, "zu sich und an sich" nehmen zu dürfen. Weiters habe er ausgeführt, dass er seine Frau in allen Belangen unterstütze, weil er wolle, dass sie auch weiterhin bei ihm in Österreich bleiben dürfe und künftig auch seinen Nachnamen trage.

In ihrer Berufung vom 31. Mai 2005 habe die Beschwerdeführerin die Angaben ihres Ehemannes in der Niederschrift als unrichtig bestritten (und im Wesentlichen ihre Ausführungen vom 25. April 2005 wiederholt). Darüber hinaus habe sie ausgeführt, ihr Ehemann habe gewollt, dass sie zu ihm nach Österreich komme und bei ihm lebe. Für die Eheschließung sei nichts bezahlt worden. Es habe in W einen gemeinsamen Wohnsitz gegeben. Die Beziehung habe auch noch in den Anfängen der Strafhaft des Ehemannes gehalten. Auf Grund seiner Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Monaten habe sie die Beziehung zu ihm abgebrochen und sei aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Dies sei offensichtlich auch der Grund für seine nunmehrige Behauptung, eine Scheinehe mit ihr geschlossen zu haben. Die Angaben ihres Ehemannes stellten sich für sie als Racheakt dar, weil sie ihn verlassen habe.

Mit Schreiben vom 28. August 2005 habe M. die Bezirkshauptmannschaft Baden um Hilfe ersucht. Diesem Schreiben sei eine Kopie der Niederschrift vom 21. Jänner 2005 beigelegt gewesen. Er wolle, dass "die Angelegenheit schnellstens erledigt bzw. annulliert" werde und hoffe auf das Verständnis der Behörde.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, unter Bedachtnahme auf die Aussagen und Schriftstücke des österreichischen Ehemannes der Beschwerdeführerin sei davon auszugehen, dass die Ehe ausschließlich deshalb geschlossen worden sei, um der Beschwerdeführerin die Möglichkeit zu verschaffen, problemlos eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung und damit eine Anwartschaft auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erlangen.

Für die belangte Behörde bestehe kein Anlass, an der Richtigkeit der Zeugenaussagen des Ehemannes zu zweifeln. Dieser könne weder aus dem Fortbestand der Ehe noch aus einer allfälligen Scheidung bzw. Nichtigerklärung einen Nutzen ziehen. Die Beschwerdeführerin ihrerseits habe jedoch massives Interesse, das Eingehen einer sogenannten Scheinehe zu dementieren. Schließlich sichere ihr die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger das weitere Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet sowie den freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Ein weiteres Indiz für das Vorliegen einer Scheinehe stelle insbesondere der Umstand dar, dass M. ausführlich und genau dargelegt habe, wie das gesamte Procedere bis zur Heirat abgelaufen sei. Die Beschwerdeführerin hingegen vermöge lediglich lapidar zu behaupten, dass keine Scheinehe vorliege. Dem Einwand, das Vorliegen einer Vollmacht des Ehemannes zu Gunsten der Beschwerdeführerin spreche gegen das Vorliegen einer Scheinehe, sei insofern entgegenzutreten, als diese Vollmacht zu einem Zeitpunkt verfasst worden sei, zu dem M. noch nicht an die Behörden hinsichtlich eines Vorliegens einer Scheinehe herangetreten sei.

Angesichts der nachvollziehbaren und glaubwürdigen Aussagen ihres Ehemannes stehe sohin fest, dass die Beschwerdeführerin die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen habe, ohne mit ihrem Ehemann ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt zu haben und darüber hinaus, was allerdings keine Tatbestandsvoraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes mehr sei, für die Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet habe.

Der Missbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertige. Auf Grund der dargestellten Umstände seien die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 61 und 66 FPG - im Grunde des § 87 iVm § 86 FPG gegeben.

Der angesichts aller Umstände mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin sei zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, zur Verhinderung von Aufenthalts- bzw. Scheinehen - dringend geboten sei. Wer, wie die Beschwerdeführerin, zur Erlangung eines Aufenthaltstitels eine Aufenthalts- bzw. Scheinehe mit einem österreichischen Staatsbürger schließe, lasse ihre außerordentliche Geringschätzung maßgeblicher, in Österreich gültiger Rechtsvorschriften erkennen. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt Fremder regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Solcherart bestehe auch ein hohes öffentliches Interesse an der Verhinderung von Scheinehen. Gegen diese Interessen habe die Beschwerdeführerin gravierend verstoßen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG.

Die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes sei auch im Rahmen der gemäß § 66 Abs. 2 FPG gebotenen Interessenabwägung zu bejahen. Nur auf Grund der durch ihre Eheschließung mit einem österreichischen Staatsbürger bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz habe die Beschwerdeführerin eine unselbständige Beschäftigung eingehen können. Die durch den Aufenthalt erzielte Integration der Beschwerdeführerin werde durch die bewirkte Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens auf Grund des Eingehens einer Scheinehe wesentlich gemindert. Die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib im Bundesgebiet wögen keinesfalls schwerer als das öffentliche Interesse an der Erlassung dieser Maßnahme.

Mangels sonstiger besonderer, zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände habe die belangte Behörde angesichts des vorliegenden Sachverhaltes von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.

Der Gesetzgeber habe im Hinblick auf die erforderliche Bekämpfung der im stetigen Ansteigen begriffenen Aufenthaltsehen wegen des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenswesens und der Verhinderung des Eingehens von Aufenthaltsehen Anpassungen im FPG vorgenommen. Die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen Fremde, die eine Aufenthaltsehe geschlossen hätten, sei nun auch ohne Leistung eines Vermögensvorteils durch den Fremden möglich. Weiters sei im § 63 Abs. 1 FPG die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes im Falle der Erfüllung des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG mit zehn Jahren (gegenüber fünf Jahren nach der früheren Rechtslage) limitiert worden.

Ausgehend von dieser Rechtslage stehe die von der belangten Behörde vorgenommene Befristung des Aufenthaltsverbotes mit § 63 FPG im Einklang. In Anbetracht des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens der Beschwerdeführerin könne - selbst unter Bedachtnahme auf deren private Situation - ein Wegfall des für die Erlassung dieser Maßnahme maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des nunmehr festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gegen die Beschwerdeführerin als Familienangehörige eines - nach dem Inhalt des Verwaltungsaktes - nicht freizügigkeitsberechtigten Österreichers im Sinn des § 87 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 86 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne Weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Bei dieser Beurteilung kann auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. September 2010, Zl. 2007/18/0592, mwN). Nach § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.

2.1. Gegen die die Annahme einer Scheinehe tragenden Feststellungen und die diesbezügliche Beweiswürdigung der belangten Behörde wendet sich die Beschwerdeführerin mit den Ausführungen, im Verwaltungsverfahren vorgebracht zu haben, dass sie ihren Ehemann bereits vier Monate vor der Eheschließung in der Türkei kennengelernt, mit ihm einen gemeinsamen Haushalt geführt habe und es zum Zerwürfnis gekommen sei, als sie habe feststellen müssen, dass er Probleme mit der Polizei habe und in Haft genommen worden sei. Sie habe ihren Ehemann auch noch während der Haft eine Zeit lang finanziell unterstützt. Die von ihr vorgelegten Briefe ihres Ehemannes seien mit "Dein Mann" gefertigt gewesen. Mit all diesen Umständen habe sich die Behörde erster Instanz nicht auseinander gesetzt. Diese Umstände und die vorgelegten Beweismittel (mit Ausnahme der Vollmacht) seien von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht einmal erwähnt worden. Auch ihrem Antrag auf neuerliche Vernehmung ihres Ehemannes sei nicht stattgegeben worden, obwohl die belangte Behörde keinen persönlichen Eindruck von ihm habe bekommen können. Es sei zwar richtig, dass die Vollmacht ihres Ehemannes vor seiner ersten gegenüber der Behörde getätigten Aussage ausgestellt worden sei, doch spreche dies ebenso für ihre Angabe, dass ihr Ehemann nach dem Zerwürfnis als Rache angegeben habe, sie nur zum Schein geheiratet zu haben. Der Ehemann habe auch noch keinerlei Schritte unternommen, ihre Ehe zu scheiden oder für nichtig erklären zu lassen.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht war die belangte Behörde nicht verpflichtet, den Ehemann der Beschwerdeführerin - zusätzlich zu seinen im Verwaltungsakt aufliegenden schriftlichen und mündlichen Äußerungen, nämlich seinen Schreiben an die "Fremdenpolizei T" vom 16. November 2004 und an die Bezirkshauptmannschaft Baden vom 28. August 2005, der von der Justizanstalt Hirtenberg am 3. Jänner 2005 aufgenommenen Niederschrift sowie der Niederschrift über seine durch die Bezirkshauptmannschaft Baden am 21. Jänner 2005 als Zeuge erfolgte Vernehmung - persönlich zu befragen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 15. September 2010, Zl. 2007/18/0236, mwN).

Auf die von der belangten Behörde ihm Rahmen ihrer Beweiswürdigung angestellten Erwägungen betreffend den fehlenden Nutzen für M., das Vorliegen einer Scheinehe zu behaupten, und das massive Interesse der Beschwerdeführerin, eine solche zu bestreiten, geht die Beschwerde im Einzelnen ebenso wenig ein wie -

sieht man von ihrer Behauptung ab, M. bereits vier Monate vor der Eheschließung kennengelernt zu haben - auf die behördlichen Ausführungen zu den ausführlichen Darlegungen ihres Ehemannes betreffend das Procedere bis zur Heirat.

Abgesehen von ihrem durch keinen Beweis belegten Vorbringen, es habe mit ihrem Gatten einen gemeinsamen Haushalt gegeben, hat die Beschwerdeführerin keinen einzigen konkreten Lebenssachverhalt behauptet und durch ein entsprechendes Beweisanbot untermauert, der für die Führung eines gemeinsamen Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK spräche.

Vor diesem Hintergrund vermag im vorliegenden Zusammenhang auch das Beschwerdevorbringen, M. habe an die Beschwerdeführerin gerichtete Briefe - die Beschwerdeführerin legte mit ihrer Stellungnahme vom 25. April 2005 ein entsprechendes Briefkuvert vor - mit "Dein Mann" gefertigt, die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht zu erschüttern, handelt es sich doch bei dieser Fertigung nicht ohne weiteres um eine im Briefverkehr zwischen Ehegatten gewöhnliche Formulierung.

Der Inhalt der von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten Vollmacht ihres Ehegatten vom 22. August 2004 ist mit ihrem Vorbringen, ihren Ehemann auch während der Haft eine Zeit lang finanziell unterstützt zu haben, insoweit nicht in Einklang zu bringen, als M. in der Vollmacht (seinerseits) ausführte, seine Frau "in allen Belangen" zu unterstützen.

Selbst wenn man im Übrigen im Sinne des Beschwerdevorbringens davon ausginge, dass die vom Ehemann am 22. August 2004 ausgestellte "Vollmacht" bzw. der Zeitpunkt ihrer Unterfertigung sowohl das Vorbringen der Beschwerdeführerin als auch die gegenteiligen Ausführungen ihres Ehemannes unterstützen könnten, begegnet die Beweiswürdigung der belangten Behörde auf dem Boden der dargestellten Erwägungen im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.

2.3. Es ist somit davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin die Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen, aber mit ihren Ehemann ein gemeinsames Familienleben nie geführt hat.

Angesichts des hohen Stellenwertes, welcher der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zukommt, begegnet die Beurteilung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG (als "Orientierungsmaßstab") verwirklicht und auch die in § 86 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt seien, keinem Einwand (vgl. erneut das hg. Erkenntnis, Zl. 2007/18/0592, mwN).

Dieser Beurteilung steht auch nicht entgegen, dass sich die Beschwerdeführerin seit dem Eingehen einer Scheinehe, somit bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides über einen Zeitraum von etwas mehr als dreieinhalb Jahre, wohlverhalten habe.

Ferner trifft in diesem Zusammenhang der der belangten Behörde gemachte Beschwerdevorwurf einer lediglich auf allgemeine, generalpräventive Erwägungen gestützten Begründung nicht zu.

3.1. In Bezug auf die von der belangten Behörde durchgeführte Interessenabwägung nach § 66 Abs. 1 und 2 FPG bringt die Beschwerde vor, dass die Beschwerdeführerin Waise sei und in der Türkei keine Angehörigen mehr habe. Sie sei sozial integriert und arbeitstätig. Seit vier Jahren habe sie ihren privaten und wirtschaftlichen Lebensmittelpunkt in Österreich. Die belangte Behörde habe keinerlei persönliche Umstände zu ihrer Integration und ihren persönlichen Verhältnissen erhoben.

3.2. Auch dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg.

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht die behördlichen Erwägungen, wonach ihre unselbständige Beschäftigung nur auf Grund der durch ihre Eheschließung mit einem österreichischen Staatsbürger bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz möglich gewesen sei. Darüber hinaus hat die belangte Behörde zutreffend dargelegt, dass die durch den Aufenthalt im Bundesgebiet erzielte Integration der Beschwerdeführerin durch die Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens auf Grund des Eingehens einer Scheinehe wesentlich gemindert worden ist.

Die Beschwerdeführerin verweist darauf, in ihrem Heimatland keine Angehörigen mehr zu haben, kann jedoch unter Berücksichtigung der festgestellten Scheinehe auch keine familiären Bindungen im Bundesgebiet geltend machen. Welche fehlenden Feststellungen zu ihren persönlichen Verhältnisse die belangte Behörde zu einer anderen Beurteilung hätten führen müssen, legt die Beschwerdeführerin nicht dar. Den aus der Dauer ihres Aufenthaltes in Österreich im Ausmaß von weniger als vier Jahren ableitbaren persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin, kommt daher insgesamt kein allzu großer Stellenwert zu.

Im Hinblick auf das ihren geminderten persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet gegenüberstehende große öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und an der Verhinderung von Scheinehen, das die Beschwerdeführerin durch ihr Fehlverhalten erheblich beeinträchtigt hat, begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten sei und § 66 Abs. 1 und 2 FPG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegenstehe, keinem Einwand.

Das erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 29. September 2010 erstattete Vorbringen, die Beschwerdeführerin habe am 29. Juli 2010 einen österreichischen Staatsbürger geheiratet und der Ehe entstamme eine am 4. Jänner 2010 geborene Tochter, die die österreichische und die türkische Staatsbürgerschaft besitze, konnte vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen dieser Entscheidung nicht berücksichtigt werden (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).

4. Die belangte Behörde hat unter Hinweis auf das erhebliche Fehlverhalten der Beschwerdeführerin ausführlich und schlüssig begründet, weshalb sie gemäß § 63 FPG eine zehnjährige Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes für erforderlich erachte. Das dazu von der Beschwerdeführerin erstattete Vorbringen, seit der Eheschließung seien bereits vier Jahre vergangen, sie habe sich seither wohlverhalten, sei sozial integriert und arbeitstätig, zeigt in diesem Zusammenhang keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Im Übrigen irrt die Beschwerde, wenn sie die Ansicht vertritt, dass die Verhängung eines zehnjährigen Aufenthaltsverbotes nur dann zulässig sei, wenn - zusätzlich zur Erfüllung des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG - der Beschwerdeführerin noch "ein anderer Vorwurf der Rechtsuntreue" gemacht werden könnte.

Vor diesem Hintergrund ist für die Beschwerdeführerin mit ihren Ausführungen, die belangte Behörde habe in keiner Weise begründet, weshalb gegenüber der im erstinstanzlichen Bescheid noch festgelegten fünfjährigen Dauer eine Verdoppelung der Dauer des Aufenthaltsverbotes notwendig sein solle, schon deshalb nichts gewonnen, weil die belangte Behörde an die Beurteilung des erstinstanzlichen Bescheides nicht gebunden ist.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen war die belangte Behörde auch nicht gehalten, der Beschwerdeführerin "ihre Absicht", die Dauer des Aufenthaltsverbotes "zu verlängern", vorab mitzuteilen und dieser gesondert Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, dass ihr ein in die rechtliche Würdigung einbezogenes Sachverhaltselement nicht bekannt gewesen sei.

5. Der Verwaltungsgerichtshof kann auch nicht finden, dass der belangten Behörde ein (materieller) Ermessensfehler unterlaufen sei.

6. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, es komme ihr die Rechtsstellung im Sinne des Beschlusses Nr. 1/80 des durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten Assoziationsrates vom 1. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB) zu, weshalb der Unabhängige Verwaltungssenat Wien über ihre Berufung zu entscheiden gehabt hätte, zeigt schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil einem Fremden selbst in dem Fall, dass er den Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten hat, die Begünstigung nach dem ARB nicht zu Gute kommt, wenn er - wie hier - diesen Zugang rechtsmissbräuchlich im Wege einer Scheinehe erlangt hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. November 2010, Zl. 2010/18/0080, mwN). Gemäß § 9 Abs. 1 Z. 2 FPG hat die Sicherheitsdirektion somit zutreffend ihre Zuständigkeit wahrgenommen.

7. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

8. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 17. Dezember 2010

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte