VwGH 2007/18/0592

VwGH2007/18/059215.9.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde der J M in W, geboren am 8. September 1977, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/1/30, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 26. Juli 2007, Zl. E1/312.469/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

61999CJ0413 Baumbast VORAB;
62002CJ0200 Zhu und Chen VORAB;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
61999CJ0413 Baumbast VORAB;
62002CJ0200 Zhu und Chen VORAB;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 26. Juli 2007 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass die Beschwerdeführerin am 3. Dezember 2003 illegal in Begleitung ihres geschiedenen Ehemannes und ihres Lebensgefährten R.S. nach Österreich gelangt sei; sie sei zu diesem Zeitpunkt "mit ihrem Sohn T. schwanger" gewesen, der am 6. Jänner 2004 geboren worden sei.

Das Verfahren über einen von der Beschwerdeführerin am 4. Dezember 2003 gestellten Asylantrag sei am 24. Mai 2005 in erster Instanz rechtskräftig negativ abgeschlossen worden; seit diesem Zeitpunkt halte sich die Beschwerdeführerin unerlaubt im Bundesgebiet auf.

Am 12. November 2004 habe die Beschwerdeführerin den österreichischen Staatsbürger A.W.M. geheiratet und darauf gestützt die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Zweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - § 49 Abs. 1 FrG" beantragt. Diese Ehe habe die Beschwerdeführerin nur deshalb geschlossen, um sich fremdenrechtliche Vorteile und Berechtigungen zu verschaffen. Sie habe mit ihrem Ehemann nie ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt.

Die Ehe sei nach wie vor aufrecht.

Am 17. August 2005 sei ein Kind der Beschwerdeführerin

geboren worden.

Die Bundespolizeidirektion Wien (die Behörde erster Instanz) habe die folgenden Erhebungen wegen des Verdachts einer Scheinehe zwischen der Beschwerdeführerin und A.W.M. geführt:

Im Zuge einer Hauserhebung sei laut Erhebungsbericht vom 1. Juni 2005 an einer näher genannten Adresse in Wien 15 ermittelt worden, dass A.W.M. in der Wohnung dort mit Sicherheit alleine lebe. Die Beschwerdeführerin sei von keiner der befragten Hausparteien erkannt worden; diese hätten auch ausgeschlossen, dass in jener Wohnung ein einjähriges Kleinkind lebe. Weder die Beschwerdeführerin noch deren Kind sei in der betreffenden Hausanlage oder Wohnung je gesehen worden; auch alterstypisches Kindergeschrei oder Ähnliches sei dort nie wahrgenommen worden.

A.W.M. sei am 23. Mai 2005 als Zeuge vernommen worden. Nachdem er sich in zahlreiche Widersprüche verwickelt habe, habe er schließlich zugegeben, dass er eine Scheinehe eingegangen sei, und angegeben, dafür EUR 3.000,-- in bar erhalten zu haben. Die Scheinehe sei vermittelt worden. Nach der Eheschließung auf dem Standesamt in M. (Niederösterreich) habe er seine Ehefrau nur mehr gesehen, wenn Schriftstücke eingegangen oder Wege zu erledigen gewesen seien und sonst nur zwei oder drei Mal. Die Eheleute hätten nie zusammen gelebt und auch keinen gemeinsamen Haushalt geführt. Es sei ihm von Anfang an bewusst gewesen, dass er eine Scheinehe geschlossen habe. Der Grund dafür sei gewesen, dass er der Beschwerdeführerin und ihrem Kind den Aufenthalt in Österreich habe ermöglichen wollen.

A.W.M. habe im Zuge seiner Vernehmung als Zeuge angegeben, dass seine Ehefrau wahrscheinlich bei einer gewissen S.U. an einer näher genannten Adresse in Wien 2 wohne. Eine Hauserhebung dort habe ergeben, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich dort mit ihrem Kleinkind Unterkunft genommen habe.

Mit Schreiben der Behörde erster Instanz vom 31. Mai 2005 sei erstmals eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme betreffend die beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ergangen; diese sei ordnungsgemäß zugestellt worden. Mit Schreiben vom 11. Juli 2005 sei neuerlich eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme betreffend die beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes an den damaligen Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin zugestellt worden. In der Folge habe dieser mehrere Fristerstreckungsanträge gestellt, sich aber zur Sache selbst nicht geäußert.

In einer am 14. Juni 2006 an die Staatsanwaltschaft Wien erstatteten Anzeige wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen Ehevermittlung sei auch die hier gegenständliche Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und A.W.M. als gewerbsmäßig vermittelte Scheinehe qualifiziert worden.

In ihrer Berufung gegen den Bescheid erster Instanz habe die Beschwerdeführerin unter anderem vorgebracht, dass sie mit ihrem Ehemann und dem gemeinsamen Kind an einer näher bezeichneten Adresse lebe. Sie habe mit ihrem Mann ein gemeinsames Kind, weshalb der Hinweis auf eine mögliche Scheinehe wohl völlig verfehlt erscheine. Außerdem sei die Beschwerdeführerin noch nie strafrechtlich auffällig gewesen; von ihr, einer zweifachen Mutter, gehe auch keine erhebliche Gefahr aus.

Dazu führte die belangte Behörde beweiswürdigend aus, die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin mit A.W.M. ein eheliches Kind habe, stehe nicht im Widerspruch zu der von diesem eingestandenen Scheinehe, stelle doch die aus § 138 Abs. 1 ABGB abzuleitende widerlegbare Vermutung der Ehelichkeit des Kindes der Beschwerdeführerin eine Rechtsfolge dar, die sich allein aus dem unstrittigen formalen Bestand der Ehe und dem Tag der Geburt ergebe und daher - ohne Hinzutreten weiterer Umstände - keine Rückschlüsse auf das zwischen den Eheleuten geführte Familienleben ermögliche.

Aufgrund aller dargelegten Umstände sei die belangte Behörde zu der Überzeugung gelangt, dass die Beschwerdeführerin die Ehe mit A.W.M. geschlossen, aber mit diesem ein gemeinsames Familienleben nie geführt habe. Angesichts des wiedergegebenen chronologischen Ablaufs der Ereignisse sei es nicht realitätsfern, sondern sogar naheliegend anzunehmen, dass die Beschwerdeführerin die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger habe anstreben müssen, um ihren Aufenthalt in Österreich zu legalisieren, zumal wohl absehbar gewesen sei, dass ihr Asylverfahren negativ abgeschlossen werden würde. Eine solche Ehe habe aus damaliger Sicht nahezu den einzigen Weg für die Beschwerdeführerin dargestellt, ihren Aufenthalt zu sichern bzw. nachhaltig zu legalisieren.

Die Angaben des Zeugen A.W.M. seien lebensnah, widerspruchsfrei, detailliert und schlüssig, weshalb kein Anlass dafür bestehe, an ihrem Wahrheitsgehalt zu zweifeln. Darüber hinaus sei kein Grund ersichtlich, weshalb der Zeuge wahrheitswidrig eine Scheinehe zugeben bzw. die Beschwerdeführerin wahrheitswidrig belasten hätte sollen. Die Aussage des Zeugen werde durch das Ergebnis der Erhebungen an dem behaupteten gemeinsamen Wohnsitz untermauert.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Missbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstelle, welcher die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertige; dies habe der Gesetzgeber auch durch die Normierung des § 60 Abs. 1 (gemeint wohl: Abs. 2) Z. 9 FPG deutlich zum Ausdruck gebracht. Aufgrund der dargestellten Umstände seien die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 61 und 66 FPG - im Grunde des § 87 iVm § 86 FPG gegeben.

Zwar sei angesichts aller Umstände von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen erheblichen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin auszugehen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und zur Verhinderung von Aufenthalts- bzw. Scheinehen - dringend geboten sei.

Wer - wie die Beschwerdeführerin - zur Erlangung eines Aufenthaltstitels eine Aufenthalts- bzw. Scheinehe mit einem österreichischen Staatsbürger schließe, lasse seine außerordentliche Geringschätzung für maßgebliche, in Österreich geltende Rechtsvorschriften erkennen. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung jedoch ein besonders hoher Stellenwert zu. Solcherart bestehe auch ein hohes öffentliches Interesse an der Verhinderung von Scheinehen, gegen welches die Beschwerdeführerin gravierend verstoßen habe. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei somit dringend geboten und daher zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG.

Die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes sei auch im Rahmen der gemäß § 66 Abs. 2 "StG" (gemeint offensichtlich: FPG) gebotenen Interessenabwägung zu bejahen. Die durch den Aufenthalt im Bundesgebiet erzielte Integration der Beschwerdeführerin werde durch die bewirkte Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens aufgrund des Eingehens einer Scheinehe erheblich gemindert. Es möge zwar eine Integration durchaus stattgefunden haben, dennoch könne die Beschwerdeführerin auf keine maßgebliche, aus der Dauer ihres Aufenthaltes ableitbare Integration verweisen, sei doch ein erheblicher Teil dieses Aufenthaltes unrechtmäßig gewesen bzw. habe sich auf das dargestellte Fehlverhalten der Beschwerdeführerin gestützt.

Bei der Abwägung dieser Interessenlage gelange die belangte Behörde zu der Ansicht, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und "ihres Kindes" keinesfalls schwerer wögen als das im Fehlverhalten der Beschwerdeführerin gegründete hohe öffentliche Interesse an der Erlassung dieser Maßnahme. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich daher auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG als zulässig, dies auch unter dem Gesichtspunkt, dass keine Gründe vorlägen, welche "die Beschwerdeführerin darin hindern könnten, ihr Kind ins Ausland mitzunehmen".

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

Was die Gültigkeit des Aufenthaltsverbotes anlange (vgl. § 63 FPG), so erscheine die von der Behörde erster Instanz vorgenommene Befristung mit zehn Jahren gerechtfertigt; im Hinblick auf das dargelegte Gesamtfehlverhalten der Beschwerdeführerin könne - auch unter Berücksichtigung ihrer privaten und familiären Situation - ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen eines Zeitraumes von zehn Jahren erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichthof hat erwogen:

1. Gegen die Beschwerdeführerin als Familienangehörige eines -

nach dem Inhalt des Verwaltungsaktes - nicht freizügigkeitsberechtigten Österreichers im Sinn des § 87 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 86 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn aufgrund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Bei dieser Beurteilung kann auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2010, Zl. 2009/18/0506, mwN). Nach § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.

2.1. Die Beschwerde wendet sich gegen die den Feststellungen zur Ehe der Beschwerdeführerin mit A.W.M. zugrunde liegende Beweiswürdigung der belangten Behörde und bringt dazu im Wesentlichen vor, dass es diese verabsäumt habe, die zeitliche Reihenfolge der relevanten Daten zu würdigen; wäre es der Beschwerdeführerin lediglich darum gegangen, in Österreich ein Aufenthaltsrecht zu erlangen, so hätte sie bereits unmittelbar nach ihrer Eheschließung ihren Asylantrag zurückgezogen und sofort einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt.

Darüber hinaus sei die fragliche Ehe zwei Jahre nach der Vernehmung des Zeugen A.W.M. immer noch aufrecht; dass der Ehemann der Beschwerdeführerin dagegen nichts unternommen habe, weise darauf hin, dass "die Ehe bestehend war und ist". Zu der im angefochtenen Bescheid erwähnten Anzeige an die Staatsanwaltschaft Wien habe die belangte Behörde nicht ausgeführt, zu welchem Ergebnis die Staatsanwaltschaft Wien gelangt sei und ob es überhaupt zu einem Verfahren wegen Scheinehevermittlung und zu Verurteilungen gekommen sei. Allein der Verdacht und die Anzeige rechtfertigten noch nicht, dass die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und A.W.M. als Scheinehe qualifiziert werde. Der angefochtene Bescheid lege auch nicht dar, weshalb die Zeugenaussage des A.W.M. lebensnah, widerspruchsfrei, detailliert und schlüssig sei.

2.2. Damit gelingt es der Beschwerde allerdings nicht, eine Unschlüssigkeit der von der belangten Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung aufzuzeigen.

Die belangte Behörde hat ihrer Beweiswürdigung - neben der in der Beschwerde hervorgehobenen Erwähnung einer Anzeige an die Staatsanwaltschaft Wien wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen Scheinehevermittlung - die oben wiedergegebene eindeutige Aussage des Zeugen A.W.M. und die Ergebnisse von Erhebungen an Anschriften in Wien 15 und Wien 2 zugrunde gelegt, welche ergeben hatten, dass A.W.M. im Frühsommer 2005 - somit wenige Monate nach der Eheschließung - allein in der näher angeführten Wohnung in Wien 15 wohnte, während die Beschwerdeführerin bei einer Bekannten in Wien 2 lebte. Diese Ergebnisse des Beweisverfahrens sind auch durch die Beschwerdeausführungen, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin bisher weder die Scheidung angestrebt noch sich rechtlich gegen die Ehelichkeitsvermutung im Hinblick auf das Kind der Beschwerdeführerin gewandt habe, nicht zu entkräften.

Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht ist es durchaus nicht zwingend, dass eine eine Aufenthaltsehe abschließende Fremde unmittelbar nach der Eheschließung ein noch laufendes Asylverfahren (das ihr eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung verschafft) beendet und sofort einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels stellt, würde doch ein solches Vorgehen besonders rasch den Verdacht einer Scheinehe entstehen lassen.

Die die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nachvollziehbar und schlüssig behandelnde Beweiswürdigung der belangten Behörde begegnet daher im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.

2.3. Auf Basis der Feststellungen des angefochtenen Bescheides ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin die Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen, aber mit ihrem Ehemann ein gemeinsames Familienleben nie geführt hat. Daher begegnet die Beurteilung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG (als "Orientierungsmaßstab") verwirklicht sei, keinem Einwand.

Angesichts des hohen Stellenwertes, welcher der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zukommt, ist schließlich auch die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass die in § 86 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, unbedenklich (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2010, mwN).

2.4. Auf dem Boden des Gesagten sind auch die Verfahrensrügen, dass die belangte Behörde im Hinblick auf das Vorliegen einer Scheinehe entgegen §§ 37, 39 Abs. 2 AVG den entscheidungswesentlichen Sachverhalt nicht ermittelt habe und ihrer Begründungspflicht nach §§ 58 Abs. 2, 60 AVG nicht nachgekommen sei, nicht begründet.

3.1. Die Beschwerde bekämpft auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG vorgenommenen Interessenabwägung und bringt unter anderem vor, dass "das Kind" der Beschwerdeführerin aufgrund "seines österreichischen Vaters" österreichischer Staatsbürger sei. Dieser Umstand sei der Ausführung der belangten Behörde entgegenzuhalten, dass keinerlei Gründe vorlägen, welche die Beschwerdeführerin hindern könnten, "ihr Kind" ins Ausland mitzunehmen. Auch dazu hätte die belangte Behörde Ermittlungen durchführen müssen.

3.2. Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg.

Bereits in ihrer Berufung gegen den Bescheid erster Instanz hatte die Beschwerdeführerin vorgebracht, dass ihr am 17. August 2005 geborener - somit zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides knapp zwei Jahre alter - Sohn österreichischer Staatsbürger sei und dass sie "zweifache Mutter" sei. Ungeachtet dessen hat sich die belangte Behörde nicht mit den Auswirkungen der aufenthaltsbeendigenden Maßnahme auf die Lebenssituation der Familie der Beschwerdeführerin - insbesondere auf deren (österreichischen) Sohn im Kleinkindalter - auseinandergesetzt und ist im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 FPG von lediglich einem Kind der Beschwerdeführerin ausgegangen.

Dieser Verfahrensmangel ist relevant, könnte doch bei einem Angewiesensein eines Kindes mit österreichischer Staatsbürgerschaft auf die Pflege und Obsorge durch seine Mutter eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen die Mutter eine Verletzung nach Art. 8 EMRK darstellen, wenn dem Kind eine Ausreise mit der Mutter nicht zumutbar wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. September 2009, Zl. 2008/18/0131, mwN).

4. Da es dem Gerichtshof somit verwehrt ist, die Interessenabwägung des angefochtenen Bescheides nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 FPG überprüfen zu könne, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 15. September 2010

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