VwGH 2007/13/0073

VwGH2007/13/007328.4.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des BR in W, vertreten durch Mag. Elisabeth Utri, Steuerberaterin in 6850 Dornbirn, Paracelsusweg 1/15, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 12. Juni 2007, GZ. RV/1270-W/07, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2004 und 2005, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §16 Abs1;
EStG 1988 §20;
EStG 1988 §16 Abs1;
EStG 1988 §20;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.286,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In den am 20. März 2006 beim Finanzamt eingelangten Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2004 und 2005 beantragte der Beschwerdeführer den Abzug von Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten in Höhe von 6.264 EUR (2004) und

6.450 EUR (2005). Das Finanzamt ersuchte den Beschwerdeführer um Vorlage der Belege über die doppelte Haushaltsführung und die Familienheimfahrten. Nachdem der Beschwerdeführer dieser Aufforderung entsprochen hatte, erkannte das Finanzamt (ohne weiteres Ermittlungsverfahren) die in Rede stehenden Werbungskosten nicht an.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. In dieser brachte er vor, er sei in Hohenems (im Folgenden: H.), Vorarlberg, angestellt, verrichte seine Arbeit aber in Ungarn, Rumänien, Deutschland und in anderen Ländern. Seinen Wohnsitz habe er "daher in Wien, wo ich auch mein Haus, meinen Sohn und meine Lebensgefährtin habe". Er nutze jede Gelegenheit, um nach Wien zu kommen. Normalerweise sei dies jedes Wochenende möglich, manchmal gelinge es ihm aber auch, auf der Durchreise einmal in der Woche in Wien zu übernachten. Da er jedoch regelmäßig in Ingolstadt (im Folgenden: I.), Deutschland, zu tun habe, sei er mit dem Arbeitgeber übereingekommen, dort eine kleine Wohnung anzumieten (siehe beiliegende Bestätigung). Diese Wohnung halte er nur aus beruflichen Gründen. Er ersuche daher, die Kosten für diesen beruflich bedingten zweiten Haushalt zu berücksichtigen.

In der in der Berufung erwähnten Bestätigung bekundete ein Vorstandsmitglied der B. AG, Zweigniederlassung H., dass der Beschwerdeführer über Aufforderung seines Arbeitgebers aus beruflichen Gründen eine Wohnung in I. unterhalte. Die Kosten für diese Wohnung würden vom Arbeitgeber nicht erstattet.

Im Rahmen der Beantwortung eines Ergänzungsersuchens des Finanzamtes, in dem der Beschwerdeführer u.a. um die Daten seiner Lebensgefährtin gefragt worden war, gab der Beschwerdeführer bekannt, dass er sämtliche Dienstreisen von Wien aus antrete und wieder nach Wien zurückkehre. Weil er den Firmenstandort in I. relativ häufig aufsuchen müsse, brauche er dort eine Wohnung, die er ausschließlich dienstlich nutze. Er verbringe durchschnittlich monatlich 10 bis 12 nicht zusammenhängende Tage in I. In einem weiteren Schreiben vom 15. Februar 2007 ergänzte der Beschwerdeführer, dass die B. AG in H., bei der er beschäftigt sei, eine Zweigniederlassung der B. AG in I. sei. Wegen der Konzernstruktur gebe es in I. Mitarbeiter, die dem Beschwerdeführer unterstellt seien. Neben seinen vielen Auslandsaufenthalten in den Produktionsstätten sei es erforderlich, dass er sich sowohl in Deutschland als auch in Österreich aufhalte.

Einem in den Verwaltungsakten einliegenden "Anstellungsvertrag" zwischen der B. AG, Zweigniederlassung H., und dem Beschwerdeführer vom 11. Dezember 2003 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer ab 1. Jänner 2004 für das (in der Textilindustrie tätige) Unternehmen als "Leiter Produktion/QM/Technische Entwicklung" beschäftigt ist.

In einem neuerlichen Ersuchen um Ergänzung der Berufung hielt das Finanzamt dem Beschwerdeführer vor, dass nach Ansicht des Finanzamtes keine Gründe vorlägen, welche die Beibehaltung der Wohnung in Wien rechtfertigten. Eine Unzumutbarkeit der Verlegung des Wohnsitzes von Wien nach I. läge nur dann vor, wenn der Beschwerdeführer mit seiner Lebensgefährtin oder seinem unterhaltsberechtigten Sohn (von dessen Mutter der Beschwerdeführer allerdings seit 1998 geschieden sei) in einem gemeinsamen Haushalt lebte. Die Nutzung der Wohnung in Wien aus Anlass von Dienstreisen stelle keine berufliche Notwendigkeit zur Beibehaltung dieses Wohnsitzes dar, "weil die Nächtigung an anderen Orten bzw. Unterkünften zumutbar ist".

Im Ergänzungsschriftsatz vom 15. April 2007 schilderte der Beschwerdeführer in Erwiderung des Vorhaltes des Finanzamtes nochmals den Sachverhalt. Im Rahmen der Umstrukturierung im Konzern seines Arbeitgebers habe er keine neuen Aufgaben übernommen. Auch im Jahr 2003 sei er bereits "des öfteren" in I. gewesen, um seine dort stationierten Mitarbeiter zu führen. Damals habe er dazu noch Tagesfahrten von seiner Wohnung in Vorarlberg aus gemacht oder in Hotels in I. genächtigt. Anfang des Jahres 2004 sei die Notwendigkeit eines Aufenthaltes in H. zum größten Teil weggefallen, weil die Produktion, die bereits zuvor zu einem Großteil in Ungarn, Rumänien und Bulgarien stattgefunden habe, zu diesem Zeitpunkt zur Gänze ausgelagert worden sei. Der Beschwerdeführer habe daher seine ausschließlich dienstlich genutzte Wohnung von Vorarlberg nach I. "verlegt". Er benutze die Wohnung in I. sehr wenig. Die Anmietung der Wohnung sei allerdings die preiswerteste Lösung gewesen, weil die Aufenthalte in Hotels in I. sehr teuer gewesen wären. Seine berufliche Position bringe es mit sich, dass er sehr flexibel sein müsse. Er könne sich an keinem Standort richtig niederlassen, denn "es kann jederzeit sein, dass ich wieder irgendwo anders Schwerpunkte habe". So sei es sehr wahrscheinlich, dass in absehbarer Zeit der Schwerpunkt seines Einsatzes in einem Kompetenzzentrum in Ungarn sein werde. Sein Hauptwohnsitz und Mittelpunkt der Lebensinteressen sei immer in Wien gelegen gewesen. In den Jahren 2002 und 2003 sei die doppelte Haushaltsführung auch steuerlich anerkannt worden. Mit Ausnahme der Adresse habe sich gegenüber den Vorjahren "nichts geändert". Der Beschwerdeführer habe in Wien einen gemeinsamen Haushalt mit seiner Lebensgefährtin, auch wenn er "formaltechnisch von ihr keine Wohnsitzmeldung vorlegen kann". Sein Sohn wohne ebenfalls im Haushalt, "wann immer wir in Wien sind" (seine geschiedene Ehefrau sei berufstätig und müsse ebenfalls viel reisen). Ebenso wie es keine Überlegung dahingehend gegeben habe, nach Vorarlberg zu übersiedeln, habe er auch keine Übersiedlung nach I. geplant gehabt ("für die paar Tage, die ich in I. bin, und die werden nun von Jahr zu Jahr weniger"). Er finde es "absolut unzumutbar", eine Übersiedlung nach I. zu fordern, zumal dies eine Trennung von seinem Sohn bedeuten würde und seine Lebensgefährtin ihren Beruf kündigen müsste (eine größere Wohnung in I. anzuschaffen, wäre finanziell auch ein großes Risiko, weil er nicht wisse, wie lang eine Wohnung in I. überhaupt Sinn mache). Außerdem würde dann sein Dienstverhältnis in ein deutsches Dienstverhältnis umgewandelt werden, sodass er in Deutschland versteuern müsste. Auch Funktionen bei der österreichischen Wirtschaftskammer könnte er nicht mehr ausüben.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Festzuhalten sei - so die belangte Behörde in ihren Erwägungsgründen -, dass der Beschwerdeführer seit 1. Mai 2002 bei der B. AG "vormals in H.", Vorarlberg, beschäftigt sei. Infolge einer Umstrukturierung im Konzern habe der Beschwerdeführer eine Wohnung in I. als weiteren Wohnsitz "geltend gemacht". Er halte sich auf Grund seiner Tätigkeit rd. 10 bis 12 nicht zusammenhängende Tage in I. auf und führe Geschäftsreisen nach Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Deutschland sowie Österreich etc. auch von Wien aus durch. Der Hauptwohnsitz liege jedoch weiterhin in Wien und stehe im Eigentum des Beschwerdeführers. Der Wohnsitz seiner Lebensgefährtin laute auf eine Adresse in Klosterneuburg. Der Beschwerdeführer sei geschieden. Für seinen Sohn sei dem Beschwerdeführer in den Streitjahren der Unterhaltsabsetzbetrag gewährt worden, sodass der Sohn "lt. Aktenlage" im Haushalt seiner Mutter lebe. Nach dem Berufungsvorbringen halte sich der Beschwerdeführer vor allem an den Wochenenden und auch bei Durchreisen an seinem Hauptwohnsitz in Wien auf, "gemeinsam mit dem Sohn und der Lebensgefährtin". Ein Nachweis für die Führung einer aufrechten Lebensgemeinschaft sei jedoch nicht erbracht worden. Der Wohnsitz der Lebensgefährtin befinde sich lt. Meldeamt nach wie vor in Klosterneuburg. Ein Familienwohnsitz im Sinne einer gemeinsamen Haushaltsführung sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden. Das vom Beschwerdeführer bewohnte und in seinem Eigentum stehende Haus "sowie lt. Angaben des Bw. der Sohn in Wien" ließen darüber hinaus auf eine private Veranlassung "und Beibehalten des Wohnsitzes in Wien schließen". Dass die auswärtige Berufsausübung zudem nur befristet gewesen sei, sei ebenfalls nicht vorgebracht worden. "Ergänzend" sei auszuführen, dass der Beschwerdeführer somit über keinen Familienwohnsitz außerhalb des Beschäftigungsortes verfüge. Bei "verheirateten" Steuerpflichtigen könne "damit" eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung nicht beruflich veranlasst sein, wohl aber eine vorübergehende. Die berufliche Veranlassung sei in diesem Fall dadurch begründet, dass die Beschaffung eines Wohnsitzes am Arbeitsort üblicherweise eine bestimmte Zeit in Anspruch nehme. Als Richtschnur sei dafür ein Zeitraum von zwei Jahren anzusehen. Da dem Beschwerdeführer bereits in den Jahren 2002 und 2003 die Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung zugestanden worden seien, finde sich für "eine diesbezügliche Voraussetzung kein Anhaltspunkt".

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Eine berufliche und damit zu Werbungskosten der betroffenen Aufwendungen führende Veranlassung einer doppelten Haushaltsführung liegt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn einem Arbeitnehmer die Verlegung des (Familien-)Wohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei eine solche Unzumutbarkeit die unterschiedlichsten Ursachen haben und beispielsweise in jeweils wechselnden Arbeitsorten gelegen sein kann (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 31. März 1987, 86/14/0165, vom 28. Mai 1997, 96/13/0129, vom 27. Jänner 2000, 96/15/0205, 0206, und vom 20. Dezember 2000, 97/13/0111). Die Unzumutbarkeit ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. Juni 2007, 2005/15/0079).

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die geltend gemachten Werbungskosten für eine doppelte Haushaltsführung des Beschwerdeführers in I. im Wesentlichen offensichtlich deshalb nicht anerkannt, weil er an seinem Hauptwohnsitz in Wien, der auch in seinem Eigentum stehe, nicht einen gemeinsamen Haushalt mit seiner Lebensgefährtin und seinem Sohn (aus der geschiedenen Ehe) führe.

Dabei übersieht die belangte Behörde aber, dass der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren in Bezug auf den Inhalt seiner Tätigkeit im Rahmen seines (unstrittig) inländischen Dienstverhältnisses ein Vorbringen erstattet hat, das die Verlegung seines (Haupt-)Wohnsitzes von Wien nach I. unabhängig davon als unzumutbar erscheinen lassen musste, ob seine Lebensgefährtin oder sein Sohn tatsächlich seinen Haushalt in Wien teilten. Davon, dass sich der Beschwerdeführer nur rd. 10 bis 12 nicht zusammenhängende Tage monatlich in I. aufgehalten und ansonsten seine Tätigkeit im Rahmen von Geschäftsreisen u.a. nach Ungarn, Rumänien, Bulgarien oder Deutschland auch von Wien aus ausgeübt hat, geht auch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus. Der Beschwerdeführer hat weiters - von der belangte Behörde unwidersprochen - betont, dass seine berufliche Position einen flexiblen Einsatzbereich erfordere (er sich somit an keinem Standort richtig niederlassen könne, die Tätigkeitstage in I. außerdem "von Jahr zu Jahr weniger" würden sowie in absehbarer Zeit der Schwerpunkt seines Einsatzes wahrscheinlich im Rahmen eines Kompetenzzentrums in Ungarn liegen werde). Damit lag aber insgesamt kein Sachverhalt vor, der eine Wohnsitzverlegung des Beschwerdeführers von Wien nach I. als zumutbar hätte erscheinen lassen. Der angefochtene Bescheid war somit bereits deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 28. April 2010

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