VwGH 2007/08/0312

VwGH2007/08/031224.11.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des J L in E, gegen den Bescheid der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 20. November 2006, Zl. BMSG-323120/0001-II/A/3/2006, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. C S in L; 2. Oberösterreichische Gebietskrankenkasse in 4021 Linz, Gruberstraße 77;

3. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1; 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien, Adalbert Stifterstraße 65-67), zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §5 Abs1 Z14;
ASVG §5 Abs1 Z8;
ASVG §7 Z1 lite;
AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §5 Abs1 Z14;
ASVG §5 Abs1 Z8;
ASVG §7 Z1 lite;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass der Erstmitbeteiligte hinsichtlich seiner Tätigkeit als Dienstnehmer in der Rechtsanwaltskanzlei des Beschwerdeführers im Zeitraum vom 1. Juli 2002 bis 25. Juni 2004 der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterliege.

In ihrer Begründung stellte die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges und Zitierung der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen fest, es sei unstrittig, dass der Erstmitbeteiligte ab 1. Juli 2002 für den Beschwerdeführer entgeltlich tätig gewesen sei. Der Erstmitbeteiligte sei vom Beschwerdeführer am 3. Juli 2002 als "Konzipient" mit einem Bruttomonatslohn von EUR 1.987,13 bei einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich zur Pflichtversicherung bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse angemeldet worden. Das Dienstverhältnis sei laut Meldeverlauf am 25. Juni 2004 beendet worden. Als Dienstort sei die Kanzlei des Beschwerdeführers in E. vereinbart worden. Die Arbeitseinteilung, die Zuweisung der zu bearbeitenden Akten sowie die Terminvorgaben seien durch den Beschwerdeführer erfolgt. Das Beschäftigungsfeld des Erstmitbeteiligten habe neben den Tätigkeiten in der Kanzlei Klientenbesuche wie auch die Vornahme von Lokalaugenscheinen umfasst. Der Erstmitbeteiligte sei unter anderem dafür zuständig gewesen, die Akten der Kanzlei Dr. P., welcher von der Liste der Rechtsanwälte gestrichen worden sei, durchzuarbeiten und abzuklären, welche Prozesshandlungen zu tätigen seien. Der Beschwerdeführer habe im Einvernehmen mit dem Erstmitbeteiligten versucht, diesen in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter bei der Rechtsanwaltskammer eintragen zu lassen. Dies sei jedoch auf Grund der abgelegten Rechtsanwaltsprüfung des Erstmitbeteiligten im Jahr 1994 nicht möglich gewesen. Diese Tatsache sei durch den Beschluss der Abteilung II des Ausschusses der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 17. Juli 2002, den Bescheid des Ausschusses der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 25. September 2002 sowie den Bescheid der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter vom 2. Dezember 2002 bestätigt worden. Letztendlich sei diese Rechtsansicht auch vom Verfassungsgerichtshof rechtskräftig bestätigt worden, indem die gemeinsame Beschwerde des Beschwerdeführers und des Erstmitbeteiligten mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 23. September 2003, ZI. B 471/03-7, abgewiesen worden sei. In der Folge habe der Beschwerdeführer keine Eintragung des Erstmitbeteiligten in die Liste der Rechtsanwälte veranlasst, da er keinen Partner in seiner Rechtsanwaltskanzlei haben wollte. Der Beschwerdeführer habe den Erstmitbeteiligten lediglich in die Kranken- und Unfallversicherung, nicht jedoch zur Vollversicherung angemeldet. Bereits von März 1992 bis Jänner 1993 sei der Erstmitbeteiligte beim Beschwerdeführer als Konzipient beschäftigt gewesen, er habe seine Rechtsanwaltsprüfung im Jahr 1994 abgelegt und sei in der Folge vom 1. Oktober 1996 bis 30. September 1998 als Rechtsanwalt für die Rechtsanwaltskanzlei X. tätig und als solcher auch in der Liste der Rechtsanwälte bei der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragen gewesen. Mit 1. Oktober 1998 habe der Erstmitbeteiligte auf die weitere Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichtet und sei bis ins Jahr 2001 als Jurist in der Energiewirtschaft beim Dienstgeber L. beschäftigt gewesen, danach sei er arbeitssuchend gewesen. Es stehe außer Streit, dass der Erstmitbeteiligte im Zeitraum vom 1. Juli 2002 bis 25. Juni 2004 bei der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer weder in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter noch in jene der Rechtsanwälte eingetragen gewesen sei. Folglich habe er in der streitgegenständlichen Zeit auch an keiner Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer teilgenommen.

Beweiswürdigend legte die belangte Behörde dazu dar, dass sich die Sachverhaltsfeststellungen aus den vorliegenden Versicherungs- und Verwaltungsakten (insbesondere aus dem Schreiben der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 6. Oktober 2006 hinsichtlich der Eintragungszeiten) ergeben und im Wesentlichen unstrittig seien. Strittig sei lediglich die rechtliche Beurteilung, ob der Erstmitbeteiligte durch die ausgeübte Tätigkeit in der Rechtsanwaltskanzlei des Beschwerdeführers als Rechtsanwaltsanwärter anzusehen und in dieser Eigenschaft - nur - teilversichert gemäß § 7 Z. 1 lit. e ASVG oder vollversichert gewesen sei.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde dazu aus, dass alle wesentlichen Kriterien der Dienstnehmereigenschaft gemäß § 4 Abs. 2 ASVG erfüllt seien, zumal außer Streit stehe, dass der Erstmitbeteiligte in Ausübung seiner Tätigkeit für den Beschwerdeführer an Arbeitsort und Arbeitszeit gebunden gewesen sei. Des Weiteren habe er arbeitsbezogene Weisungen des Beschwerdeführers zu erfüllen gehabt und sei persönlich arbeitspflichtig gewesen wie auch die Betriebsmittel ausschließlich durch den Beschwerdeführer zur Verfügung gestellt worden seien. Darüber hinaus habe er auch ein über der Geringfügigkeitsgrenze liegendes Entgelt erhalten .

Entscheidungswesentlich sei somit lediglich die Frage, ob der Erstmitbeteiligte hinsichtlich seiner tatsächlich durchgeführten Tätigkeit in der Rechtsanwaltskanzlei des Beschwerdeführers der Vollversicherung sowie der Arbeitslosenversicherung unterlegen oder eine Ausnahme nach § 5 Abs. 1 Z. 8 oder Z. 14 ASVG (und in der Folge Teilversicherung nach § 7 ASVG) bestanden habe. Die Voraussetzung für die Ausnahme gemäß § 5 Abs. 1 Z. 14 ASVG (hinsichtlich einer Beschäftigung von Rechtsanwälten, die die Teilnahme an der Versorgungseinrichtung einer Rechtsanwaltskammer begründet) habe der Erstmitbeteiligte nachweislich nicht erfüllt. Auch gelte der Erstmitbeteiligte anhand der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 23. September 2003, ZI. B 471/03-7) durch die bereits früher geleistete Rechtsanwaltstätigkeit nicht als Rechtsanwaltsanwärter, sodass auch diese Ausnahme nicht zutreffe. Zum Einwand des Beschwerdeführers, wonach der Erstmitbeteiligte durch mehrjähriges Ruhen der Anwaltschaft wieder "auszubilden" und erst langsam in den Beruf des Rechtsanwaltes heranzuführen gewesen wäre, verwies die belangte Behörde auf das zitierte (abschlägige) Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 23. September 2003, womit die für das Verfahren zur Feststellung der Sozialversicherungspflicht wesentliche Vorfrage, nämlich ob der Erstmitbeteiligte als Rechtsanwaltsanwärter zu sehen sei, rechtskräftig entschieden worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof und gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG mit Beschluss vom 25. September 2007, B 52/07-7, abgetretene Beschwerde, in welcher die inhaltliche Rechtswidrigkeit, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen, jedoch beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie ebenfalls die Abweisung der Beschwerde beantragt. Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt hat mitgeteilt, dass sie auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet. Die übrigen mitbeteiligten Parteien haben sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.

Gemäß § 5 Abs. 1 leg. cit. sind von der Vollversicherung nach § 4 ASVG - unbeschadet einer nach § 7 oder nach § 8 eintretenden Teilversicherung - Rechtsanwaltsanwärter (Z. 8) sowie Rechtsanwälte hinsichtlich einer Beschäftigung, die die Teilnahme an der Versorgungseinrichtung einer Rechtsanwaltskammer begründet (Z. 14), ausgenommen.

Nach § 7 Z. 1 lit. e ASVG sind angestellte Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter teilversichert in der Kranken- und Unfallversicherung.

Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes ist gemäß § 4 Abs. 2 ASVG, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Ob bei einer Beschäftigung die Merkmale persönlicher Abhängigkeit des Beschäftigten vom Empfänger der Arbeitsleistung gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG gegeben ist, hängt nach der auf das grundlegende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Dezember 1957, VwSlg. Nr. 4495/A, gestützten ständigen Rechtsprechung davon ab, ob nach dem Gesamtbild dieser konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch diese Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung - nur beschränkt ist (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986, VwSlg. Nr. 12.325/A).

Die wirtschaftliche Abhängigkeit, die nach der zitierten Rechtsprechung ihren sinnfälligen Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die nach dem Einzelfall für den Betrieb wesentlichen Einrichtungen und Betriebsmittel findet, ist bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen die zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit.

2. Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die Annahme der belangten Behörde, dass die Tätigkeit des Erstmitbeteiligten - ausgehend von den unbestritten gebliebenen Feststellungen - eine Beschäftigung im Sinne von § 4 Abs. 2 ASVG darstelle, sondern vermeint - in Wiederholung seines bisherigen Standpunktes - dass der Erstmitbeteiligte als Rechtsanwaltsanwärter lediglich der Kranken- und Unfallversicherung gemäß § 7 Z. 1 lit. e ASVG unterliege.

Soweit die Beschwerde dazu ins Treffen führt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Einschätzung der Tätigkeit nur unvollständig berücksichtigt worden und auch nicht festgestellt worden sei, dass er tatsächlich für seine Kanzlei einen Rechtsanwaltswärter gesucht habe, vermag der Beschwerdeführer die Relevanz des dazu behaupteten Verfahrensmangels einer Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes nicht dazutun, da im vorliegenden Fall den Intentionen des Dienstgebers und des Dienstnehmers beim Abschluss der Beschäftigungsvereinbarung nur untergeordnete Bedeutung zukommt.

Entscheidend ist, dass der Erstmitbeteiligte bereits im Jahre 1994 die Rechtsanwaltsprüfung abgelegt und anschließend als Rechtsanwalt tätig gewesen ist, bevor ein mehrjähriges Ruhen seiner Anwaltschaft eingetreten ist, weshalb sein im Zusammenhang mit der gegenständlichen Tätigkeit an die zuständige Rechtsanwaltskammer gestellter Antrag zur Eintragung in die entsprechende Liste der Rechtsanwaltsanwärter rechtskräftig abgewiesen wurde.

Mangels dieser für den Status als Rechtsanwaltsanwärter erforderlichen (konstitutiven) Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter trifft es daher zu, wenn die belangte Behörde als Ergebnis der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung eine bloße Teilversicherungspflicht im Sinne des § 7 ASVG verneint und das Vorliegen einer Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG bejaht hat.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere der im § 3 Abs. 2.

Wien, am 24. November 2010

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