VwGH 2007/05/0174

VwGH2007/05/017416.11.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des X in Y, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Götz und Dr. Rudolf Tobler jun., Rechtsanwälte in 7100 Neusiedl/See, Untere Hauptstraße 72, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 5. Juni 2007, Zl. ND-02- 04-99-1-2007, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1. Gemeinde Y, vertreten durch Mag. Andreas Pazderka, Rechtsanwalt in 2460 Bruck/Leitha, Höfleinerstraße 36, 2. A in Y), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §42 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §42 Abs1;
AVG §42 idF 1998/I/158;
AVG §8;
BauG Bgld 1997 §21 Abs1 Z3;
BauG Bgld 1997 §21 Abs4;
BauG Bgld 1997 §21 Abs5;
BauG Bgld 1997 §21;
BauG Bgld 1997 §3 Z4;
BauG Bgld 1997 §5 Abs1;
BauRallg;
VwGG §28 Abs1 Z4;
AVG §42 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §42 Abs1;
AVG §42 idF 1998/I/158;
AVG §8;
BauG Bgld 1997 §21 Abs1 Z3;
BauG Bgld 1997 §21 Abs4;
BauG Bgld 1997 §21 Abs5;
BauG Bgld 1997 §21;
BauG Bgld 1997 §3 Z4;
BauG Bgld 1997 §5 Abs1;
BauRallg;
VwGG §28 Abs1 Z4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit Schreiben vom 16. März 2005 beantragte der Beschwerdeführer bei der mitbeteiligten Gemeinde die Baubewilligung zur Errichtung eines Zubaus zum Wohnhaus auf dem Grundstück in Y, U-straße 94, Grundstück Nr. 37, KG Y.

Dazu erstellte nach den vorgelegten Verwaltungsakten im Auftrag der mitbeteiligten Gemeinde ein Baumeister eine gutachtliche Stellungnahme vom 18. April 2005, aus der insbesondere hervorgeht, dass das beantragte Bauvorhaben dem generellen Ortsbild im Hinblick auf Objekt- und Dachform nicht entspreche, weshalb eine Umplanung erforderlich sei. Dies insbesondere deshalb, weil im Bereich der U-straße grundsätzlich (bis auf einige Ausnahmen) die zwingende Baulinie eingehalten und dadurch die Wahrung des Ortsbildes gewährleistet werde.

In seiner dazu erstatteten Stellungnahme vom 18. Mai 2005 erachtete der Beschwerdeführer diese gutachtliche Stellungnahme für unschlüssig und unbegründet und meinte, dass das Ortsbild durch den geplanten Zubau verbessert werde.

Bei der am 25. August 2005 durchgeführten mündlichen Verhandlung gemäß § 18 Burgenländisches Baugesetz (Bgld. BauG) gab der zweitmitbeteiligte Anrainer folgende Stellungnahme ab:

"1)

Es ist hiermit mit falschen Tatsachen verhandelt worden. Es geht hier um einen neuen Zubau des alten Zubaues. In Wirklichkeit besteht schon Fundament und Grundplatte. Wozu machen wir eine Verhandlung, wenn dies schon besteht.

2)

Ich wünsche keine Teilnehmer, die nicht eingeladen sind.

3)

Y ist ein Straßendorf, hat eine geschlossene Bauweise. Die Gesetze und Vorschriften sind schon 40 Jahre alt und älter. Leute in den umliegenden Häusern mussten unbedingt die Gesetze einhalten und an die Grundgrenze Bauen. Warum darf Herr X nach hinten bauen= Ich bin der Meinung, dass es eine Schädigung des Ortsbildes ist. Und ich will kein zahnlückiges Ortsbild. Baubehörde I. Instanz und Gemeinderat sind im Nu weg und das negative Ortsbild bleibt an uns hängen. Ich bin der Meinung, dass ..... der Bauwerber, die bestehenden Gesetze umgeht und Leute besticht und trotzdem bauen darf. Ich möchte sämtliche Unterlagen haben, damit ich mich sachlich, fachlich und rechtlich erkundigen kann. Die Einsichtnahme ist mir zu wenig. Weiters möchte ich auch, dass diese Unterlagen komplett an sämtliche Gemeinderäte, d.h. Baubehörde II. Instanz, an die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See und der Landesregierung zur Überprüfung geschickt wird. Ich möchte nur Fragen, wann kommt endlich der Hauptbau. Es wird immer nur von einem Zubau gesprochen.

4)

Ich bin der Meinung, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht und es sollte die Baubehörde II. Instanz und die Bezirkshauptmannschaft verständigt werden.

5)

Ich hätte gern den Bausachverständigen Baumeister ....., der die Geschicke in Y langjährig geleitet hat und der sie genau kennt.

6)

Weiters möchte ich erwähnen, dass es die Gemeinde verabsäumt hat, dem Bauwerber ..... bei der Errichtung des Fundamentes und der Grundplatte einen Baustopp zu verordnen.

7)

Ich bitte um die Bekanntgabe jener Behörde, die das Projekt besichtigt und genehmigt hat."

Die Vertreterin des bauwerbenden Beschwerdeführers wies darauf hin, dass die Einwendung betreffend das Ortsbild kein subjektives Recht betreffe. In der Verhandlungsschrift festgehalten wurde unter anderem auch, dass für das vorliegende Bauprojekt keine Bebauungsvorschriften bestünden.

Zu dieser Verhandlung am 25. August 2005 wurde u.a. der Zweitmitbeteiligte von der mitbeteiligten Gemeinde mit Schreiben vom 16. August 2005 unter Hinweis darauf geladen, dass nach § 42 AVG eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. Personen, die keine Einwendungen erheben wollen, brauchen nicht zur Verhandlung erscheinen. Mit diesem Text wurde zudem dieser Verhandlungstermin durch Aushang kundgemacht.

Mit Schreiben vom 14. Oktober 2005 teilte die mitbeteiligte Gemeinde dem Beschwerdeführer mit, dass im Bereich der U- und Ostraße Häuser in geschlossener und halboffener Bauweise mit zwingender Baulinie an der vorderen Grundstücksgrenze errichtet worden seien. Die mitbeteiligte Gemeinde werde im Bereich der Hauptstraße bzw. bei gleichgearteten Straßen Bebauungsrichtlinien im Sinn des bestehenden Ortsbildes schaffen. Es werde daher für das Grundstück Nr. 37 die geschlossene oder halboffene Bebauungsweise festgelegt. Für die halboffene Bebauungsweise werde festgelegt, dass an die rechte Grundgrenze anzubauen sei, ferner werde für diese Bebauungsweise eine zwingende Baulinie an der vorderen Grundgrenze festgelegt, an die anzubauen sei. Da das eingereichte Projekt nicht der vorgegebenen Bebauungsweise entspreche, werde keine Baubewilligung erteilt.

In seiner Stellungnahme vom 17. November 2005 führte der Beschwerdeführer dazu aus, dass für sein Grundstück keine zwingende Baulinie an der vorderen Grundgrenze vorgeschrieben und auf Grund der derzeit gegebenen Sach- und Rechtslage zu entscheiden sei. Es bestünden auch keine Normen, die für sein Grundstück die geschlossene oder halboffene Bebauungsweise festlegten. Der Amtssachverständige habe bei der Bauverhandlung am 25. August 2005 dargelegt, dass das eingereichte Projekt zu keiner wesentlichen Veränderung im Bezug auf das Ortsbild führe und aus sachverständiger Sicht keine Bedenken wegen des Bauvorhabens bestünden. Der Vorhalt, das eingereichte Projekt würde nicht der vorgegebenen Bebauungsweise entsprechen, sei aktenwidrig und unrichtig.

Mit Bescheid vom 29. November 2005 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dem Beschwerdeführer gemäß § 18 iZm § 30 Bgld. BauG die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Zubaus zum Wohnhaus auf dem in Rede stehenden Grundstück nach Maßgabe der mit einem Bewilligungsvermerk versehenen Baubeschreibung, der Plan- und Berechnungsunterlagen, sowie unter Vorschreibung von Bedingungen und Auflagen. Die Einwendungen des Zweitmitbeteiligten wurden ab- bzw. zurückgewiesen.

Dagegen erhob der Zweitmitbeteiligte mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2005 Berufung.

2. Das hg. Verfahren betreffend eine vom Beschwerdeführer gegen den Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde erhobene Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht wurde mit hg. Beschluss vom 19. September 2006, Zl. 2006/05/0149, gemäß § 36 Abs. 2 VwGG eingestellt, weil der versäumte Bescheid durch den genannten Gemeinderat innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof gesetzten Frist nachgeholt wurde.

3. Mit dem nachgeholten Berufungsbescheid vom 31. Mai 2006 wurde der Bewilligungsbescheid vom 29. November 2005 gemäß § 66 Abs. 2 AVG aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Baubehörde

I. Instanz zurückverwiesen. Die Begründung dieses Bescheides stützt sich vor allem darauf, dass in der bei der Bauverhandlung am 25. August 2005 verfassten Verhandlungsniederschrift wesentliche Bestandteile (insbesondere Befund und Gutachten des Bausachverständigen) fehlten, und das Verhandlungsergebnis deshalb nicht den Anforderungen des § 18 Abs. 7 BG entspreche. Weder der Bewilligungsbescheid noch die diesem zugrunde liegende Verhandlungsschrift enthalte eine nachvollziehbare Prüfung der gemäß § 3 BG maßgeblichen baupolizeilichen Interessen. Die neuerliche Durchführung einer Augenscheinsverhandlung sei unvermeidbar.

4. Der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde beschloss am 22. März 2006 eine Verordnung, mit der für den Bereich U-straße 98 bis O-straße 58 Bebauungsrichtlinien festgelegt werden. Normiert wurde grundsätzlich die geschlossene und halboffene Bebauung. Mit Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 21. April 2006 wurde die Verordnung des Gemeinderats der Gemeinde Y vom 22. März 2006 genehmigt. Aus diesem Bescheid ergibt sich Folgendes: Die auf der Grundlage einer Gestaltungsanalyse erstellten Bebauungsrichtlinien "im Bereich H-straße" legen die Einzelheiten der Bebauung für den Bereich "O-straße" (Grdst. Nr. 182/6-1329/3, KG Y) und für den Bereich "U-straße" (Grdst. Nr. 34-1781/1, KG Y) fest. Mit der Festlegung der vorderen Baulinie als zwingende Baulinie und der geschlossenen bzw. halboffenen Bebauungsweise kann erwartet werden, dass die für das Ortsbild prägende geschlossene Bebauungsstruktur auch weiterhin erhalten wird. Um die für das Ortsbild prägenden steilen Dachneigungen zu erhalten, wird bei eingeschossigen Gebäuden eine

Dachneigung zwischen 30 Grad und 45 Grad und bei

zweigeschossigen Gebäuden eine Dachneigung zwischen 20 Grad bis 40 Grad festgelegt. Weiters ist die Hauptfirstrichtung parallel zur Straßenfluchtlinie und vorderen Baulinie auszuführen. Die Bebauungsrichtlinien widersprechen nicht dem rechtswirksamen Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde.

Beeinträchtigungen der Nachbarn sind durch die festgelegten Bebauungsrichtlinien nicht zu erwarten.

5. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde als Baubehörde I. Instanz wurde das Bauansuchen des Beschwerdeführers aus dem Jahr 2005 mit Bescheid vom 8. November 2006 gemäß § 18 Abs. 4 iVm § 3 Z. 1 Bgld. BauG abgewiesen.

Begründet wurde dieser Bescheid vor allem damit, dass das eingereichte Projekt den erlassenen Bebauungsrichtlinien widerspreche. Laut Einreichunterlagen beabsichtigte der Beschwerdeführer die Errichtung des Zubaus zum bestehenden Einfamilienhaus, wobei die vordere Baulinie des Zubaus im Einreichplan mit einem Abstand von 8,59 m von der Straßenfluchtlinie eingezeichnet sei. Die genannte Verordnung sei in der Zeit vom 2. Mai 2006 bis zum 17. Mai 2006 nach den Bestimmungen des § 82 der Burgenländischen Gemeindeordnung durch Anschlag an der Amtstafel kundgemacht worden, die Rechtswirksamkeit dieser Verordnung habe mit dem auf den Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Tag begonnen.

6. Die dagegen gerichtete Berufung des Bauwerbers vom 24. November 2006 wurde vom Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde als Baubehörde II. Instanz mit Bescheid vom 19. Februar 2007 gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben.

7. Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung vom 9. März 2007 wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid abgewiesen.

Begründet wurde dieser Bescheid vor allem damit, dass "inmitten des Verfahrens der Baubehörde" die in Rede stehenden Bebauungsrichtlinien in Form der Verordnung des Gemeinderats der mitbeteiligten Gemeinde vom 22. März 2006 in Kraft getreten seien. Diese enthielten unter anderem Vorgaben dahin, dass die vordere Baulinie als zwingende Baulinie an der Straßenfluchtlinie festgelegt sei. Bestehende Vorgärten mit einer Tiefe von maximal 1,5 m dürften bei zukünftigen Bauvorhaben dann beibehalten werden, wenn das Gebäude zumindest an einer Stelle an der Straßenfluchtlinie errichtet und der einheitliche Verlauf der Gebäudefront nicht beeinträchtigt werde. Maßgebend sei die zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der Berufungsbehörde geltende Sach- und Rechtslage. Die Berufungsbehörde habe die zwischenzeitlich in Kraft getretenen Bebauungsrichtlinien anzuwenden gehabt. Der Beschwerdeführer hätte die Möglichkeit gehabt, sein Ansuchen dermaßen abzuändern, dass zu diesen Bebauungsrichtlinien kein Widerspruch mehr bestanden hätte. Dies habe er aber unterlassen.

8. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

9. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift. Auch die mitbeteiligte Gemeinde erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

10. Parallel zur Verwaltungsgerichthofbeschwerde richtete der Beschwerdeführer gegen den genannten Vorstellungsbescheid eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichthof mit Beschluss vom 3. Dezember 2009, B 1325/07, zur Entscheidung abtrat.

Diese Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 18. Mai 2010, Zl. 2010/06/0075, zurückgewiesen, weil das dem Beschwerdeführer gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG zustehende Beschwerderecht beim Verwaltungsgerichtshof bereits mit der gegenständlichen Beschwerde konsumiert worden war.

11. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

11.1. Gemäß § 18 Abs. 1 Bgld. BauG ist für Bauvorhaben, die nicht geringfügig sind (§ 16 Abs. 1), vor Baubeginn - sofern keine Bauanzeige gemäß § 17 erfolgt - bei der Baubehörde nach Maßgabe der folgenden Absätze um Baubewilligung anzusuchen. Nach Abs. 5 dieses Paragraphen hat die zuständige Baubehörde eine mündliche Bauverhandlung vorzunehmen und dazu die Parteien (§ 21) sowie die zur baupolizeilichen Beurteilung des Bauvorhabens erforderlichen Sachverständigen und Planverfasser zu laden. Gemäß Abs. 10 dieser Bestimmung hat die Baubehörde die Baubewilligung - erforderlichenfalls unter Auflagen, Bedingungen oder Befristungen - mit Bescheid zu erteilen, wenn die Prüfung des Bauvorhabens ergibt, dass die maßgeblichen baupolizeilichen Interessen gemäß § 3 Bgld. BauG nicht verletzt werden.

Gemäß § 21 Abs. 1 Z. 3 Bgld. BauG sind im Bauverfahren u. a. Parteien die Eigentümer jener Grundstücke, die von den Fronten des Baues weniger als 15 m entfernt sind (Nachbarn). Nach Abs. 2 dieses Paragraphen kann ein Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, dass er durch das Vorhaben in seinen Rechten verletzt wird. Abs. 4 des § 21 leg. cit hat folgenden Wortlaut:

"(4) Wird die Verletzung von Vorschriften dieses Gesetzes oder von sonstigen bau- und raumplanungsrechtlichen Vorschriften (zB Bauverordnung, Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan, Bebauungsrichtlinien) behauptet, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse des Nachbarn dienen (öffentlichrechtliche Einwendung), hat die Baubehörde hierüber im Bescheid zu erkennen und gegebenenfalls die Baubewilligung zu versagen oder die Einwendung als unbegründet abzuweisen und die Baubewilligung zu erteilen."

Aus der dargestellten Rechtslage hat der Verwaltungsgerichtshof gefolgert, dass das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt ist: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat. Dies gilt auch für den Nachbarn, der im Sinne des § 42 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1997 insoweit die Parteistellung behalten hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2009, Zl. 2008/05/0139, mwH).

11.2. Die Prüfungsbefugnis der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist im Falle von Rechtsmitteln einer Partei mit beschränktem Mitspracherecht, wie dies auf den Beschwerdeführer als Nachbarn gemäß § 21 Bgld. BauG zutrifft, auf jene Fragen beschränkt, hinsichtlich derer das Mitspracherecht als ein subjektiv-öffentliches Recht im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung besteht. Wegen dieser Einschränkung des Mitspracherechts können Nachbarn auch Verfahrensmängel nur soweit geltend machen, als sie dadurch in der Verfolgung ihrer subjektivöffentlichen Rechte beeinträchtigt werden können (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2009).

Bei öffentlichrechtlichen Einwendungen handelt es sich - wie in § 21 Abs. 4 Bgld. BauG klargestellt wird - um solche Einwendungen, die sich auf baurechtliche Bestimmungen beziehen, die (neben dem öffentlichen Interesse) auch den Interessen des Nachbarn dienen (vgl. Pallitsch/Pallitsch, Burgenländisches Baurecht2, 2006, S. 291, sowie nochmals das bereits erwähnt hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2009).

Im Bgld. BauG fehlt eine beispielhafte Aufzählung der Vorschriften, auf welche öffentlichrechtliche Einwendungen sich die Anrainer (Nachbarn) stützen können. Es ist daher vorweg zu prüfen, ob es sich bei den Einwendungen der Anrainer um öffentlichrechtliche Einwendungen im Sinne des § 21 Abs. 4 Bgld. BauG handelt, insbesondere ob die behauptete Verletzung von Vorschriften dieses Gesetzes oder von sonstigen bau- und raumplanungsrechtlichen Vorschriften nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse des Anrainers dienen. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil dem Anrainer im Hinblick auf seine im § 21 Abs. 4 Bgld. BauG normierte beschränkte Parteistellung nur ein Mitspracherecht hinsichtlich derjenigen materiellen Rechte zukommt, bezüglich deren öffentlichrechtliche Einwendungen erhoben werden können, und er diese Parteistellung gemäß § 42 AVG verliert, soweit er nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung solche Einwendungen erhebt (das Vorliegen der übrigen im § 42 Abs. 1 AVG genannten Voraussetzungen wird unterstellt). Zum Verlust der Parteistellung kommt es auch, wenn nur unzulässige Einwendungen erhoben werden, worunter vor allem solche Einwendungen zu verstehen sind, mit welchen Rechte geltend gemacht werden, für welche der Partei (hier: dem Anrainer) kein Nachbarrecht im Sinne obiger Ausführungen zuerkannt worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 2010, Zl. 2009/05/0187, mwH). Einer Einwendung des Nachbarn muss jedenfalls entnommen werden können, dass überhaupt eine Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend gemacht wird und ferner welche Art dieses Recht ist (vgl. Pallitsch/Pallitsch, a.a.O., S 287, unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2001, Zl. 2000/05/0063, Slg. Nr. 15.637/A). Dies bedeutet, dass aus dem Vorbringen des Nachbarn zu erkennen sein muss, in welchem vom Gesetz geschützten Recht er sich durch die beabsichtigte Bauführung verletzt erachtet (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2006, Zl. 2008/05/0166). Einwendungen müssen konkret gehalten sein, der Nachbar muss das Recht, in dem er sich verletzt erachtet, aber nicht ausdrücklich bezeichnen und auch nicht angeben, auf welche Gesetzesstelle sich seine Einwendung stützt, er muss seine Einwendung auch nicht begründen, es muss aus seinem Vorbringen nur erkennbar sein, welche Rechtsverletzung von ihm behauptet wird.

11.3. Im gegenständlichen Bauverfahren kam dem Zweitmitbeteiligten unstrittig die Stellung eines Nachbarn iSd § 21 Abs. 1 Z. 3 Bgld. BauG zu. Dieser erhob bei der ersten von der Baubehörde I. Instanz der mitbeteiligten Gemeinde durchgeführten mündlichen Verhandlung am 25. August 2000 die oben wiedergegebene Einwendung.

In diesen Einwendungen stellte er auf die Erhaltung bzw. Verbesserung des Ortsbildes ab. Diesbezüglich bezog er sich auch - da Bebauungsvorschriften zum Zeitpunkt dieser Bauverhandlung für das in Rede stehende Grundstück noch nicht existierten - darauf, dass Leute in den umliegenden Häusern an die Grundgrenze gebaut hätten. Mit seinem weiteren Verlangen (etwa auf Einsicht in die Unterlagen) wird keine davon abweichende Rechtsposition geltend gemacht.

Nach der ständigen hg. Rechtsprechung stellen aber Einwendungen betreffend die Wahrung des Orts- und Landschaftsbildes kein Nachbarrecht dar (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 28. Jänner 2009, Zl. 2008/05/0139, und vom 11. Mai 2010, Zl. 2007/05/0159, mwH).

Auf dem Boden der dargestellten Rechtslage war die Einwendung des zweitmitbeteiligten Nachbarn, der (wie dargestellt) zu der genannten mündlichen Verhandlung nach § 42 AVG geladen worden war, daher nicht geeignet, diesem die Parteistellung im Bauverfahren zu erhalten.

Seine Berufung gegen die dem Beschwerdeführer erteilte Baubewilligung von November 2005 hätte daher nicht zur Aufhebung dieser Bewilligung durch die Baubehörde II. Instanz mit Bescheid vom 31. Mai 2006 führen dürfen.

Auf diesem aufhebenden Bescheid beruhen aber die weiteren im gegenständlichen Bauverfahren erlassenen Bescheide einschließlich des Berufungsbescheides des Gemeinderats der mitbeteiligten Gemeinde vom 19. Februar 2007, gegen den die mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid abgewiesene Vorstellung gerichtet war.

Dies hat die belangte Behörde nicht erkannt und den angefochtenen Bescheid damit mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

11.4. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

11.5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 16. November 2010

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