Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer der M. GmbH, über deren Vermögen mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 5. Juni 2000 der Konkurs eröffnet wurde.
Mit Schreiben vom 21. August 2003 teilte ihm das Finanzamt mit, es erwäge, seine Haftung für Abgabenrückstände der M. GmbH geltend zu machen, und ersuche ihn, u.a. anzugeben, was ihn an der Entrichtung der Abgaben gehindert habe und wie die Einnahmen verwendet worden seien.
Der Beschwerdeführer stellte mit Schriftsatz vom 27. August 2003 dar, durch welche wirtschaftlichen Schwierigkeiten die Abgabenrückstände entstanden seien, und brachte vor, über die Einhaltung bestehender Ratenvereinbarungen mit dem Finanzamt hinaus seien im Vorfeld der Konkurseröffnung noch Zahlungen zum Abbau des Abgabenrückstandes erfolgt, deren Anfechtung durch den Masseverwalter das Finanzamt anerkannt habe. Daraus sei ersichtlich, dass das Finanzamt im Vorfeld des Konkurses keineswegs schlechter behandelt worden sei als die anderen Gläubiger.
Mit Bescheid vom 19. November 2004 zog das Finanzamt den Beschwerdeführer zur Haftung für Umsatzsteuer 12/1999, 1/2000 und 3/2000 heran. Die Begründung des Bescheides enthielt keine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers.
In seiner Berufung gegen diesen Bescheid bestritt der Beschwerdeführer sein Verschulden an der Uneinbringlichkeit der Abgaben. Er verwies auf die Gründe für die gegen Jahresende 1999 eingetretenen Liquiditätsschwierigkeiten, auf die Ratenvereinbarungen und die an das Finanzamt geleisteten Zahlungen sowie auf die erfolgreiche Anfechtung solcher Zahlungen durch den Masseverwalter und führte aus, Zahlungen an das Finanzamt seien geleistet worden, soweit es die Liquidität zugelassen habe.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 4. Mai 2005 wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Die Begründung lautete wie folgt:
"Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz hat der Vertreter die Gläubiger anteilig zu befriedigen, wenn nicht genügend liquide Mittel zur Zahlung aller Schulden vorhanden sind. Vermag der Vertreter nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht erbracht, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden.
Eine ausdrückliche Einräumung einer Ratenzahlung bzw. eine Rückzahlung aufgrund einer Anfechtung an den Masseverwalter stellt keinen Nachweis im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes dar.
Ihre Berufung war daher abzuweisen."
Mit Schriftsatz vom 8. Juni 2005 beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage der Berufung an die Behörde zweiter Instanz. Er verband dies mit getrennten Ausführungen zur Gleichbehandlung der Gläubiger jeweils in Anknüpfung an die Fälligkeit der Beträge für Umsatzsteuer 12/1999, 1/2000 und 3/2000 am 15. Februar 2000, 15. März 2000 und 15. Mai 2000.
In Bezug auf die Umsatzsteuer 3/2000 legte er unter Anschluss einer Liste der geleisteten Zahlungen u.a. dar, "per Ende April" hätten - abgesehen von den Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt - Verbindlichkeiten in näher genannter Höhe bestanden, auf die laut Saldenliste insgesamt Zahlungen geleistet worden seien, aus denen sich eine Befriedigungsquote von 16,20 v.H. ergebe, wohingegen an das Finanzamt in der Zeit zwischen dem 15. Mai 2000 und der Konkurseröffnung am 5. Juni 2000 keine Zahlung mehr geleistet worden sei. In Bezug auf diesen Zeitraum liege daher, rein rechnerisch, eine Besserstellung der übrigen Gläubiger im Ausmaß von 16,20 v.H. vor.
Mit dem angefochtenen, ohne weiteres Ermittlungsverfahren erlassenen Bescheid zog die belangte Behörde den Beschwerdeführer wegen der der M. GmbH für die Umsatzsteuervorauszahlungen 12/1999 und 1/2000 gewährten Zahlungserleichterungen nur mehr zur Haftung für die Umsatzsteuer 3/2000, hinsichtlich dieser jedoch zur Gänze heran. Letzteres begründete sie in Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers wie folgt:
"Bei diesem Vorbringen übersieht der Bw., dass er die ihm zur Zahlung der Abgabenschuld zum Fälligkeitstag (zu ergänzen: zur) Verfügung gestandenen Mittel nicht dargestellt hat. Es wurde lediglich die Höhe der geleisteten Zahlungen im Zeitraum 15. Mai 2000 bis 5. Juni 2000 dargestellt, aus denen sich nicht ableiten ließ, welche Mittel dem Bw. zur Entrichtung der Umsatzsteuer 3/2000 am Fälligkeitstag (15. Mai 2000) tatsächlich zur Verfügung standen. Im Übrigen wurde auch die Höhe der aushaftenden Verbindlichkeiten nicht zum 15. Mai 2000, sondern per Ende Mai 2000 (laut Gegenschrift gemeint: Ende April 2000) bekanntgegeben.
Der zur Haftungsbeschränkung nach der oben zitierten Judikatur notwendige Nachweis wurde daher nicht angetreten."
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Der Beschwerdeführer verweist auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren, mit dem er dargelegt habe, welcher Betrag bei Gleichbehandlung aller Gläubiger an das Finanzamt abzuführen gewesen wäre. Die Verbindlichkeiten seien - wie dies vor Konkurseröffnung erfahrungsgemäß der Fall sei - im Lauf des Monats Mai 2000 weiter angewachsen, woraus sich im Verhältnis zu den geleisteten Zahlungen nur eine noch geringere Befriedigungsquote ergeben hätte. In Bezug auf den Vorwurf, er habe die am Fälligkeitstag vorhandenen Mittel nicht dargestellt, führt er aus, er habe den Betrag angeführt, der "insgesamt im Monat Mai 2000 zur Gläubigerbefriedigung vorhanden gewesen ist und dementsprechend für Zahlungen verwendet wurde". Auch dieser Betrag sei höher als der ihm nicht bekannte Betrag, der genau am 15. Mai 2000 zur Verfügung gestanden sei.
Die belangte Behörde vertritt in der Gegenschrift nicht mehr die Auffassung, der Beschwerdeführer habe den Nachweis der dem Abgabengläubiger vorenthaltenen Quote "nicht angetreten". Sie führt nun aus, die Mängel in seinem diesbezüglichen Vorbringen hätten es ihr "erlaubt, den Bw. so zu behandeln, als hätte er den Beweis für den Quotenschaden gar nicht angetreten," und der Beschwerdeführer gestehe "selbst zu - aus welchen Gründen auch immer - den Beweis für den Quotenschaden nicht erbringen zu können".
Letzteres trifft auf das Vorbringen des Beschwerdeführers - wenn man den Nachweis des Quotenschadens als solchen einer Begrenzung der Haftung nach oben versteht - nicht zu. Legt der zur Haftung herangezogene Vertreter eine konkrete Berechnung des Quotenschadens vor und ist die Berufungsbehörde der Meinung, Einzelheiten dieser Berechnung bedürften einer Änderung oder Ergänzung, um den Quotenschaden richtig zu berechnen, so steht es ihr aber auch nicht frei, den Vertreter so zu behandeln, als ob er den Nachweis gar nicht angetreten hätte. Es obliegt ihr in diesem Fall vielmehr, den Vertreter zu den notwendigen Präzisierungen aufzufordern (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 28. April 2009, Zl. 2004/13/0067, und vom 25. November 2009, Zl. 2008/15/0263, jeweils m.w.N.).
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten nicht über das Maß des Möglichen und Zumutbaren hinaus überspannt werden dürfen, was in Fällen wie dem vorliegenden sowohl für die laufende Neuberechnung der Quote im Rahmen der Vertretungstätigkeit als auch für die Mitwirkung an ihrer nachträglichen Feststellung von Bedeutung sein und unter Umständen auch eine überschlägige Ermittlung der Quote erfordern kann. Dies steht nicht im Widerspruch dazu, dass die Behörde nicht gehalten ist, im Wege einer Schätzung auf das Ausmaß der Ungleichbehandlung zu schließen, wenn dazu kein konkretes Vorbringen erstattet wird (vgl. im zuletzt genannten Sinn das zitierte Erkenntnis vom 25. November 2009).
Im vorliegenden Fall hatte der Beschwerdeführer eine konkrete Berechnung der Quote vorgelegt, über die sich die belangte Behörde nicht in der dargestellten Weise hinwegsetzen durfte. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 24. Februar 2010
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)