VwGH 2009/21/0169

VwGH2009/21/016924.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des S, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 25. Mai 2009, Zlen. St 32/09, E 1/1799/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und aus dem mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich Folgendes:

Der im April 2001 nach Österreich gekommene Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, heiratete am 10. Mai 2004 die österreichische Staatsangehörige Nadine G. Unter Berufung auf diese Ehe stellte der Beschwerdeführer, der zuvor seinen in erster Instanz abgewiesenen, sich im Berufungsstadium befindlichen Asylantrag zurückgezogen hatte, am 12. Juli 2004 einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung mit dem Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher", der in der Folge bewilligt wurde. Die genannte Ehe wurde am 29. Mai 2007 geschieden. Am 12. Juli 2007 brachte der Beschwerdeführer einen (noch nicht erledigten) Antrag auf Verlängerung der ihm zuletzt erteilten Niederlassungsbewilligung "für jeglichen Aufenthaltszweck" ein.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 25. Mai 2009 erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (die belangte Behörde) - im zweiten Rechtsgang (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2008, Zl. 2007/18/0255) - gegen den Beschwerdeführer ein insbesondere auf § 60 Abs. 1 und 2 Z 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG gestütztes Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren.

In der Begründung gab die belangte Behörde zunächst die Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid, die sie für zutreffend erachtete, und das Vorbringen in der Berufung wörtlich wieder. Nach Zitierung der einschlägigen Rechtsvorschriften kam die belangten Behörde im Rahmen der fallbezogenen rechtlichen Beurteilung ausgehend von näher begründeten beweiswürdigenden Überlegungen zu dem Ergebnis, der Beschwerdeführer habe den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG - sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die geschlossene Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt - verwirklicht. Das Eingehen einer Ehe lediglich zur Erlangung eines Aufenthaltstitels in Österreich sei gesellschafts- und integrationspolitisch unerwünscht und stelle einen krassen Rechtsmissbrauch dar, sodass die Annahme gerechtfertig sei, das Verhalten des Beschwerdeführers stelle eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre.

Dem Beschwerdeführer sei zwar eine durch seinen Aufenthalt seit April 2001 erlangte Integration zuzubilligen. Zu berücksichtigen sei vor allem die legale Beschäftigung, eine neue partnerschaftliche Beziehung und der legale Aufenthalt insbesondere von zwei Schwestern des Beschwerdeführers sowie der weitgehende Verlust von Bindungen zu seinem Heimatland. Das Gewicht der integrationsbegründenden Umstände sei jedoch deshalb zu relativieren, weil der Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers sowohl während des Asylverfahrens als auch auf Basis der Scheinehe als "unsicher" anzusehen sei. Mit seinen Schwestern lebe der Beschwerdeführer nicht im gemeinsamen Haushalt und mit ihnen könne er von seinem Heimatland aus (per Telefon oder e-mail) Kontakt halten. Die mögliche Trennung von seiner Partnerin sei deshalb zu relativieren, weil sich der Beschwerdeführer beharrlich weigere, deren Identität den Behörden bekannt zu geben, sodass die Dauer und Intensität der Lebensgemeinschaft keiner Würdigung unterzogen werden könne. Der Beschwerdeführer habe in Indien in der Zeit von 1991 bis 1999 als Händler und Verkäufer im Stoffgeschäft eines Cousins gearbeitet, sodass eine Reintegration nicht unzumutbar erscheine. Angesichts dessen erachtete die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot im Grunde des § 66 FPG nach Abwägung der gegenläufigen Interessen als dringend geboten und zulässig. Auch das der Behörde eingeräumte Ermessen könne nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausgeübt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Als bestimmte - die erwähnte Gefährdungsprognose rechtfertigende - Tatsache hat (u.a.) zu gelten, wenn der Fremde im Sinne des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG eine sogenannte Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt und sich trotzdem für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf diese Ehe berufen hat.

In der Beschwerde wird in Bezug auf die behördliche Annahme, die genannten Voraussetzungen seien erfüllt, die Unrichtigkeit der diesbezüglichen Sachverhaltsfeststellungen und insoweit eine unrichtige Beweiswürdigung geltend gemacht. Die Annahme einer Scheinehe sei einzig und allein auf die Aussagen der ehemaligen Ehefrau des Beschwerdeführers gestützt worden, die jedoch "im Laufe des Verfahrens immer wieder widersprüchliche Angaben" gemacht habe. Im Gegensatz dazu habe der Beschwerdeführer "gleichbleibende Angaben" gemacht, sodass diese "bei weitem glaubwürdiger" seien.

Mit diesem - nur allgemein gehaltenen - Vorbringen gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, eine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung darzutun. Nadine G. hatte nämlich nicht nur bei ihrer ersten Befragung am 7. Juni 2005 das Vorliegen einer sogenannten "Scheinehe" zugestanden, sondern hielt diese Angaben auch bei der Vernehmung am 11. November 2008 vollinhaltlich aufrecht. Sie habe - so die von der belangten Behörde übernommene Argumentation der Erstbehörde - dabei erneut betont, dass sie mit dem Beschwerdeführer nie zusammengewohnt und nie ein gemeinsames Eheleben geführt habe; die Ehe sei nie vollzogen worden. Dementsprechend habe eine Erhebung im Mai 2005 an der angeblich gemeinsamen Adresse ergeben, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers dort nicht aufhältig gewesen sei, sondern dass sie damals bei Stefan P., den sie als Lebensgefährten bezeichnet und mittlerweile geheiratet habe, gewohnt habe. Dort sei Nadine G. auch am 27. Mai 2005 um 21.45 Uhr in Schlafbekleidung in Anwesenheit des Stefan P. angetroffen worden. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Hochzeitsfotos hätten keinen Beweiswert, weil diese - den Angaben von Nadine G. zufolge - von der "Familie" des Beschwerdeführers nur angefertigt worden seien, um sie in der Wohnung als Beweis für eine "echte" Ehe aufzuhängen. Dazu ergänzte die belangte Behörde, es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass derartige Angaben nicht leichtfertig gemacht würden, zumal sich die Zeugin bei deren Unrichtigkeit der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzen würde. Es sei daher den Angaben der Ehefrau des Beschwerdeführers mehr Gewicht beizumessen als dem gegenteiligen Vorbringen des Beschwerdeführers.

Diese beweiswürdigenden Überlegungen, die - wie schon oben bemerkt - in der Beschwerde nicht substanziiert bekämpft werden, begegnen im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Schlüssigkeitsprüfung keinen Bedenken, sodass für die weitere Beurteilung von den im angefochtenen Bescheid getroffenen Sachverhaltsfeststellungen zur Schließung einer Aufenthaltsehe und zur Stellung eines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung unter Berufung auf diese Ehe auszugehen ist. Auf dieser Basis hat die belangte Behörde aber zu Recht angenommen, dass der - wie erwähnt - die Gefährdungsannahme im Sinne des § 60 Abs. 1 FPG rechtfertigende Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG vorliegend verwirklicht wurde.

Bei der nach § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung hat die belangte Behörde ohnehin auf die bisherige Dauer des Aufenthalts von etwa acht Jahren und die siebenjährige Berufstätigkeit des Beschwerdeführers ausreichend Bedacht genommen. Dabei hat sie aber auch zutreffend berücksichtigt, dass die vom Beschwerdeführer erlangte Integration dadurch relativiert ist, weil sie nur auf einem zurückgezogenen Asylantrag und auf einer Aufenthaltsehe beruht (vgl. beispielsweise jüngst das Erkenntnis vom 29. September 2009, Zl. 2009/21/0167; siehe auch § 66 Abs. 2 Z 8 FPG in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle 2009, BGBl. Nr. I Nr. 29). Davon ausgehend ist es nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde dem privaten Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich kein höheres Gewicht beimaß als dem von ihm erheblich beeinträchtigten öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen. Daran kann weder die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers noch der Inlandsaufenthalt naher Verwandter, mit denen er allerdings nicht im gemeinsamen Haushalt lebt, etwas ändern. Weiters ist der Beschwerdeführer zu der vorgebrachten "neuen Beziehung" auf die zutreffenden behördlichen Ausführungen zu verweisen, dass er insoweit - auch in der Beschwerde - jede Konkretisierung schuldig geblieben ist. Es ist der Behörde aber auch darin zu folgen, dass dem Beschwerdeführer, der erst in seinem 25. Lebensjahr sein Heimatland verlassen hat, dort viele Jahre berufstätig war und mit seiner Mutter noch Familienanschluss besitzt, eine Reintegration zumutbar ist.

Schließlich ist auch die Ermessensübung nicht gesetzwidrig erfolgt, zumal keine besonderen Umstände ersichtlich sind, die unter diesem Gesichtspunkt eine Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verlangt hätten.

Soweit in der Beschwerde auch noch pauschal auf das Vorbringen im Verwaltungsverfahren und in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof im ersten Rechtsgang verwiesen wird, ist dies schon deshalb unbeachtlich, weil damit keine gesetzmäßige Darlegung der Beschwerdegründe vorgenommen wird (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 30. April 2009, Zl. 2009/21/0086, und vom 4. Juli 2000, Zl. 98/21/0225).

Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 24. November 2009

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