VwGH 2009/18/0039

VwGH2009/18/003919.3.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer, Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des N F, vertreten durch Mag. Dr. Ralf Heinrich Höfler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Türkenstraße 25/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 7. Jänner 2009, Zl. E1/507.507/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 7. Jänner 2009 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen mazedonischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 und 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 und § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Rückkehrverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 12. April 2005 illegal nach Österreich eingereist sei und am 13. April 2005 beim Bundesasylamt einen Asylantrag eingebracht habe, der erstinstanzlich abgewiesen worden sei. Das Verfahren befinde sich derzeit im Stadium der Berufung. Dem Beschwerdeführer komme somit die Stellung eines Asylwerbers zu. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers sei nach den Bestimmungen des Asylgesetzes geduldet. Seit 27. April 2005 sei der Beschwerdeführer in Wien mit Hauptwohnsitz gemeldet. Er sei ledig und ohne Sorgepflichten.

Mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 18. März 2008 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 2 Z. 2 StGB und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, die unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei, verurteilt worden. Dem Urteil liege zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 17. September 2007 in Hagenbrunn im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zwei nicht mehr auszuforschenden Mittätern den R.S. am Körper verletzt habe, indem er ihm mit einem Schlagring in das Gesicht geschlagen und ihm Tritte versetzt habe, wodurch dieser ein Hämatom am rechten Oberarm und eine Rissquetschwunde unterhalb des rechten Auges erlitten habe. Überdies habe der Beschwerdeführer R.S. und G.S. gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er nach dem oben geschilderten Verhalten mit einem ca. 20 cm langen Messer Stechbewegungen in ihre Richtung angedeutet habe.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe der §§ 62 Abs. 1 und 2 und 60 Abs. 2 Z. 1 und 63 FPG - im Wesentlichen aus, dass die Voraussetzungen zur Erlassung eines Rückkehrverbotes vorlägen, weil zum einen aufgrund der eingangs erwähnten Verurteilung der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG eindeutig erfüllt sei und zum anderen die Annahme gerechtfertigt erscheine, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit gefährde und überdies anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen - nämlich insbesondere dem Schutz von Leib und Leben sowie der körperlichen Unversehrtheit Dritter, der Verteidigung der Ordnung und der Verhinderung von strafbaren Handlungen - zuwiderlaufe.

Im erstinstanzlichen Verfahren habe der Beschwerdeführer behauptet, dass er mit einer kroatischen Staatsangehörigen (welche um die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft angesucht habe) liiert sei. Im Berufungsverfahren habe er dagegen eine Lebensgemeinschaft mit einer bosnischen Staatsangehörigen namens D.C. behauptet, welche ihrerseits um die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft angesucht hätte; überdies wäre eine Eheschließung zwischen dem Beschwerdeführer und D.C. beabsichtigt. Weiters habe der Beschwerdeführer vorgebracht, in Bezug auf seine Person liege eine soziale Integration vor, ohne jedoch auszuführen, worin diese seiner Meinung nach konkret bestehe. Der Beschwerdeführer sei zudem ohne Beschäftigung und ohne Einkommen. Mit Ausnahme der Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer seit etwa April 2005 im Bundesgebiet aufhalte und eine Lebensgemeinschaft mit einer Drittstaatsangehörigen behauptet werde, könne das tatsächliche Ausmaß seiner Integration nur als relativ gering angesehen werden.

In Ansehung der Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer seit April 2005 im Bundesgebiet aufhalte, und des Vorbringens der behaupteten Lebensgemeinschaft mit einer Drittstaatsangehörigen sei dennoch von einem mit dem Rückkehrverbot verbundenen gewissen Eingriff in sein Privatleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG zu bejahen und in Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Gewaltkriminalität die Erlassung des Rückkehrverbotes zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - insbesondere des Schutzes von Leib und Leben sowie der körperlichen Unversehrtheit Dritter, der Verteidigung der Ordnung und der Verhinderung von strafbaren Handlungen - als dringend geboten zu erachten.

Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers verdeutliche augenfällig, dass er offenbar nicht in der Lage oder gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten. Eine Verhaltensprognose könne für den Beschwerdeführer schon in Hinblick auf den relativ kurzen Zeitraum seit der Tatbegehung und in Bezug auf die offenbare Aggressivität und Gewaltbereitschaft des Beschwerdeführers nicht positiv ausfallen.

Hinsichtlich der nach § 66 Abs. 2 FPG erforderlichen Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass einer allfälligen aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch sein strafbares Verhalten erheblich beeinträchtigt werde. Von daher gesehen hätten die privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den genannten, hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten.

Abgesehen davon gründe sich der gesamte Aufenthalt des Beschwerdeführers auf einen (in erster Instanz abgewiesenen) Asylantrag; eine aus der Tatsache des schlichten Aufenthalts allenfalls ableitbare Integration erfahre auch insofern eine Relativierung. Hinsichtlich des Vorbringens einer Lebensgemeinschaft mit D.C. werde angeführt, dass eine solche zwar bestehen möge, D.C. aber - laut Auszug aus dem zentralen Melderegister - erst mit 13. November 2007, und nur mit Nebenwohnsitz, an der Adresse des Beschwerdeführers angemeldet sei. Allein dieser Umstand stehe in einem gewissen Spannungsverhältnis zum Vorbringen der aufrechten Lebensgemeinschaft. Im Übrigen habe die Lebensgemeinschaft zu D.C. den Beschwerdeführer nicht davon abgehalten, straffällig zu werden. Diesen solcherart geschmälerten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet stünden die bereits angeführten gewichtigen öffentlichen Interessen gegenüber. Eine Gewichtung der widerstreitenden Interessen habe ein klares Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Erlassung eines Rückkehrverbotes gegen den Beschwerdeführer ergeben.

Angesichts des dargestellten Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers, der Schwere der ihm zur Last liegenden Straftaten sowie des Fehlens von besonders berücksichtigungswürdigen Umständen habe von der Erlassung des Rückkehrverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können.

Gemäß § 63 FPG könne ein Rückkehrverbot in den Fällen des § 60 Abs. 2 Z. 1, 5 und 12 bis 14 FPG unbefristet und sonst für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Rückkehrverbotes sei auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei eine aufenthaltsbeendende Maßnahme für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für ihre Verhängung weggefallen sein werde, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für ihre Verhängung nicht vorhergesehen werden könne.

Angesichts des dargestellten Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers, der Art und Schwere der ihm zur Last gelegten Straftat, insbesondere auch in Hinblick auf die offenbare Gewaltbereitschaft und Aggressivität des Beschwerdeführers könne ein Wegfall des für die Erlassung des Rückkehrverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der erheblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und der (körperlichen) Sicherheit Dritter durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, allenfalls Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Aufgrund der unstrittig feststehenden rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers ist der Tatbestand des § 62 Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 dritter Fall FPG erfüllt.

2.1. Nach den in der Beschwerde nicht bestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid hat der Beschwerdeführer am 17. September 2007 in H einen anderen Mann im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zwei Mittätern am Körper verletzt, indem er ihm mit einem Schlagring ins Gesicht schlug und ihm Tritte versetzte, wodurch dieser ein Hämatom am rechten Oberarm und eine Rissquetschwunde unterhalb des rechten Auges erlitt. Weiters hat der Beschwerdeführer zwei Männer gefährlich bedroht, indem er mit einem ca. 20 cm langen Messer Stechbewegungen in ihre Richtung andeutete.

2.2. In diesem Zusammenhang bringt die Beschwerde vor, dass sich der Beschwerdeführer ein einziges Mal zu einer Tathandlung aus "allgemein begreiflicher Gemütserregung" hinreißen habe lassen. Abgesehen von diesem Vorfall habe sich der Beschwerdeführer seit Beginn seines Aufenthaltes in Österreich wohlverhalten. Im Übrigen stelle die verhängte und noch dazu bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von acht Monaten einen "Grenzfall" dar, wo eben nicht zwingend von einer "dergestaltigen Maßnahme" auszugehen sei.

2.3. Diesem Vorbringen ist zu erwidern, dass die belangte Behörde das Fehlverhalten des Fremden eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts und unabhängig von den gerichtlichen Erwägungen über die Gewährung einer bedingten Strafnachsicht zu beurteilen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2008, Zl. 2008/18/0747, mwN). In Anbetracht des gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und des großen öffentlichen Interesses insbesondere an der Verhinderung von Gewaltkriminalität (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2008/18/0488) begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass für den Beschwerdeführer keine positive Prognose erstellt werden könne, weshalb die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand.

3.1. Der Beschwerdeführer bekämpft den angefochtenen Bescheid auch im Grund des § 66 FPG und bringt dazu vor, die aufrechte Lebensgemeinschaft mit der "bald österreichischen Staatsbürgerin" D.C. sei nachgewiesen. Die Interessenabwägung hätte daher zugunsten des Beschwerdeführers auszufallen gehabt.

3.2. Bei der im angefochtenen Bescheid vorgenommenen Interessenabwägung nach § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit April 2005 und die von ihm behauptete Lebensgemeinschaft mit einer Drittstaatsangehörigen berücksichtigt.

Angesichts des oben wiedergegebenen massiven Fehlverhaltens des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde allerdings zutreffend die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Rückkehrverbotes vorlägen, ist es doch zur Erlassung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Verhinderung von - weiteren - strafbaren Handlungen durch den Beschwerdeführer, Schutz der Rechte anderer) dringend geboten (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag).

Vor diesem Hintergrund kann auch das Ergebnis der von der belangten Behörde getroffenen Beurteilung, dass die privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den genannten öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten hätten, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Zu Recht hat die belangte Behörde die aus dem bisherigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers resultierende Integration in ihrer sozialen Komponente durch sein strafbares Verhalten als erheblich gemindert angesehen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 2009, Zl. 2008/18/0760, mwN). Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich werden in ihrem Gewicht weiters dadurch deutlich gemindert, dass sein bisheriger Aufenthalt - wie erwähnt - nur aufgrund seiner Stellung als Asylwerber und der damit verbundenen vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz rechtmäßig ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. März 2008, Zl. 2007/18/0483). Auch vermag die Absicht des Beschwerdeführers, seine Lebensgefährtin zu ehelichen, in Anbetracht seines gravierenden Fehlverhaltens seine persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich nicht entscheidend zu verstärken (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0449).

4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 19. März 2009

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte