VwGH 2008/18/0747

VwGH2008/18/074716.12.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer, Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des N A in A, geboren am 18. November 1987, vertreten durch Dr. Walter Eisl, Rechtsanwalt in 3300 Amstetten, Ardaggerstraße 14, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 23. Oktober 2008, Zl. E1/14438/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §55 Abs3 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §55 Abs3 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 23. Oktober 2008 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Pakistan, gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass sich der Beschwerdeführer seit September 2003 im Bundesgebiet aufhalte, wobei er über Aufenthaltstitel verfügt habe. Der Beschwerdeführer habe von September 2003 bis Juli 2008 mit seinen Eltern und seinen zwei Brüdern im gemeinsamen Haushalt gelebt. Vor 2003 habe er sich ohne seinen Vater in Pakistan aufgehalten. Vor seiner Inhaftierung sei der Beschwerdeführer mit einer Unterbrechung von einigen Monaten einer Erwerbstätigkeit als Arbeiter und Angestellter nachgegangen. Seit Mai 2008 sei er - nach seiner Entlassung aus der Haft im April 2008 - durchgehend als Arbeiter erwerbstätig.

Mit Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 24. April 2008 sei der Beschwerdeführer nach den §§ 15, 142 Abs. 1 StGB (Verbrechen des versuchten Raubes) und §§ 127, 129 Z. 1, 12 (dritter Fall), 15 StGB (Verbrechen des teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls durch Einbruch, teils als Beteiligter begangen) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren verurteilt worden, wovon 22 Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden seien.

Der Verurteilung liege zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 28. Juni 2007 in Amstetten im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit J.K. und M.J. versucht habe, der Angestellten einer Tankstelle durch Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar dadurch, dass M.J. die Frau an den Oberarmen gepackt, sie gegen eine Wand gedrückt, danach unter Bedrohung mit einer Spielzeugwaffe in einen Lagerraum gedrängt und zu ihr gesagt habe "Sei ruhig, sonst bring ich dich um", wobei J.K. gleichzeitig die Tür zugezogen und sich nach Bargeld umgesehen und der Beschwerdeführer im Außenbereich Aufpasserdienste geleistet habe. Die Täter seien in der Folge geflüchtet, weil die Alarmanlage angeschlagen habe.

Weiters liege dem Strafurteil zugrunde, dass der Beschwerdeführer in Amstetten im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit J.K. im Juli 2007 Verfügungsberechtigten eines Jugendzentrums Bargeld in der Höhe von mindestens EUR 106,--, einen Videobeamer und eine Videokamera im Gesamtwert von ca. EUR 1.000,-- durch Aufbrechen eines Fensters mit dem Vorsatz, sich durch die Zueignung dieser fremden beweglichen Sachen unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen habe; schließlich habe der Beschwerdeführer am 1. Juli 2007 dadurch, dass er J.K. unmittelbar vor einem von ihm am 1. Juli 2007 versuchten Einbruchsdiebstahl zwei Wagenheber zur Verwendung als Einbruchswerkzeug übergeben und ihn mit seinem Auto zum Tatort gebracht habe, zur Ausführung der strafbaren Handlung des J.K. beigetragen.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe der Bestimmungen der §§ 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 66 Abs. 1 und 2, 63 Abs. 1 und 2 FPG sowie des Art. 8 Abs. 2 EMRK - im Wesentlichen aus, dass die festgestellten Delikte gegen fremdes Vermögen, aber auch gegen die körperliche Integrität anderer Personen nachhaltig maßgebliche öffentliche Interessen gefährdeten und dass ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung derartiger Kriminalitätsformen bestehe. Aus den Straftaten des Beschwerdeführers - insbesondere aus dem versuchten Raub - sei ableitbar, dass von diesem eine massive Gefährdung ausgehe und eine große Wiederholungsgefahr bestehe. Es könne nicht mit genügender Sicherheit gesagt werden, dass die achtmonatige Haftstrafe bereits erzieherisch erfolgreich auf den Beschwerdeführer gewirkt habe, weil er sich erst seit April 2008 wieder in Freiheit befinde und somit sein Wohlverhalten in Freiheit erst etwa ein halbes Jahr gedauert habe. Diese Zeitspanne sei entschieden zu kurz, um daraus bereits eine für den Beschwerdeführer positive Zukunftsprognose ableiten zu können. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei nach § 60 Abs. 1 und 2 FPG jedenfalls gerechtfertigt; es sei zur Erreichung der Ziele des Art. 8 Abs. 2 EMRK - vor allem zum Schutz der Rechte und der Gesundheit anderer - dringend geboten.

Im Rahmen der gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG vorzunehmenden Interessenabwägung ging die belangte Behörde von einem Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes aus, führte aber aus, die Beziehungen des Beschwerdeführers zu seinen Eltern und zu seinen Brüdern würden dadurch relativiert, dass er seit Juli 2008 nicht mehr bei diesen lebe. Die Familienangehörigen könnten den Beschwerdeführer auch in Pakistan in regelmäßigen Zeitabständen besuchen. Das Gewicht der aus dem Aufenthalt des Beschwerdeführers seit September 2003 und aus seiner Erwerbstätigkeit ableitbaren Integration werde durch die Begehung der Straftaten im Jahr 2007 entscheidend gemindert; die Integration eines Fremden in seinem Gastland verlange nämlich auch die Bereitschaft, die Rechtsordnung des Gaststaates zu respektieren.

Aufgrund dieser Abwägungsgrundlagen könnten die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Eine solche Abstandnahme aufgrund einer Ermessenserwägung wäre wegen der Delinquenz des Beschwerdeführers und seiner noch relativ kurzen Aufenthaltsdauer nicht mit dem Sinn des Gesetzes vereinbar. Somit könne auch bei großzügiger Auslegung weder § 66 FPG noch die Ermessenbestimmung des § 60 Abs. 1 FPG zu Gunsten des Beschwerdeführers angewendet werden.

Die Befristung des Aufenthaltsverbotes mit zehn Jahren werde damit begründet, dass im Fall des Beschwerdeführers familiäre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet vorlägen und bei ihm doch erste Ansätze eines positiven Gesinnungswandels erkennbar seien. Nach einem Wohlverhalten von zehn Jahren könnte die angenommene Gefährdung entfallen sein; vor Ablauf von zehn Jahren sei für die belangte Behörde diese positive Prognose jedoch nicht möglich.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Aufgrund der unstrittig feststehenden strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe ist der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 (zweiter Fall) FPG erfüllt.

1.2. Nach den in der Beschwerde nicht bestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid hat sich der Beschwerdeführer am 28. Juni 2007 an einem Raubüberfall auf eine Tankstelle beteiligt, bei dem das Opfer unter Verwendung einer Waffenattrappe mit dem Umbringen bedroht wurde. Weiters nahm der Beschwerdeführer im Juli 2007 am Einbruchsdiebstählen teil.

Aus diesem gravierenden Fehlverhalten des Beschwerdeführers resultiert eine schwerwiegende Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Gewalt- und Eigentumskriminalität (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. April 2008, Zl. 2007/18/0911). Der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides seit der Enthaftung des Beschwerdeführers verstrichene Zeitraum von lediglich sechs Monaten ist jedenfalls zu kurz, um auf einen Wegfall oder auch nur eine erhebliche Minderung der von dem Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit schließen zu können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. März 2007, Zl. 2006/18/0087).

Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf die Reue des Beschwerdeführers und darauf hinweist, dass das Strafgericht den Großteil der verhängten Strafe bedingt nachgesehen habe, so ist dem zu erwidern, dass die belangte Behörde - wie diese richtig ausgeführt hat - das Fehlverhalten des Fremden eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts und unabhängig von den gerichtlichen Erwägungen betreffend die Strafbemessung oder die Gewährung bedingter Strafnachsicht zu beurteilen hatte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. März 2008, Zl. 2007/18/0489, mwN).

Aus diesen Gründen begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken.

2.1. Bei der gemäß § 60 Abs. 6 FPG durchgeführten Interessenabwägung nach § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde die Dauer des rechtmäßigen inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers seit 2003, seine Beziehungen zu den im Bundesgebiet lebenden Eltern und zwei Brüdern sowie seine Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers angenommen. Der belangten Behörde ist auch darin beizupflichten, dass die daraus abzuleitende Integration des Beschwerdeführers in ihrer sozialen Komponente durch die festgestellten Straftaten eine erhebliche Minderung erfährt (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 27. März 2007).

Den dennoch schwerwiegenden privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht die aus einem weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers resultierende - wie oben unter II.1.2. ausgeführt - schwerwiegende Gefährdung öffentlicher Interessen, insbesondere des gewichtigen Interesses an der Verhinderung von Gewalt- und Eigentumskriminalität, gegenüber. Unter gehöriger Abwägung all dieser Umstände kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, Schutz der Gesundheit) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), nicht als rechtswidrig erkannt werden.

2.2. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang vorbringt, dass der Beschwerdeführer in Pakistan keine Verwandten habe und dort allein auf sich gestellt sei, und auf die "äußerst unsichere politische und sicherheitsmäßige Lage in Pakistan" verweist, ist dem zu erwidern, dass mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht ausgesprochen wird, dass der Beschwerdeführer in ein bestimmtes Land auszureisen habe (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. September 2007, Zl. 2007/18/0648).

3. Aufgrund der Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines Verbrechens (§ 55 Abs. 3 Z. 1 erster Fall FPG) wäre eine auf einer Ermessensübung beruhende Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht im Sinn des Gesetzes gelegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. September 2008, Zl. 2007/18/0439).

4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 16. Dezember 2008

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