Normen
FamLAG 1967 §8 Abs6 idF 2002/I/105;
FamLAG 1967 §8 Abs6 idF 2002/I/105;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 30. September 1930 geborene Beschwerdeführer beantragte durch seine Sachwalterin mit Schreiben vom 29. Juli 2004 die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe ab "29.7.1999".
In einem ärztlichen Gutachten vom 1. Dezember 2004 wurde dem Beschwerdeführer eine 50 %ige Behinderung sowie eine dauernde Erwerbsunfähigkeit rückwirkend ab 1. August 1995 bescheinigt.
Mit Bescheid vom 14. Jänner 2005 wies das Finanzamt den Antrag vom 29. Juli 2004 mit der Begründung ab, dass laut ärztlichem Sachverständigengutachten die Einschätzung des Grades der Behinderung auf Grund der vorgelegten Befunde erst ab 1. August 1995 möglich gewesen sei.
Am 2. Juni 2005 stellte der Beschwerdeführer durch seine Sachwalterin neuerlich einen Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe "ab Juni 2000" und führte dabei aus, dass ihm nunmehr Waisenpension zuerkannt worden sei.
In einem ärztlichen Gutachten vom 23. August 2005 wurde dem Beschwerdeführer eine 80 %ige Behinderung sowie dauernde Erwerbsunfähigkeit rückwirkend ab 1. August 1971 bescheinigt.
Mit Bescheid vom 31. August 2005 wies das Finanzamt diesen Antrag für die Zeit ab Juni 2000 ab.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung.
In einem weiteren ärztlichen Gutachten vom 15. November 2005 wurde dem Beschwerdeführer eine 50 %ige Behinderung sowie dauernde Erwerbsunfähigkeit rückwirkend ab 1. August 1995 bescheinigt. Dieses Gutachten wurde von der "leitenden Ärztin" am selben Tag insofern abgeändert, als dem Beschwerdeführer nunmehr eine 80 %ige Behinderung bescheinigt wurde sowie "auf Grund der vorgelegten relevanten Befunde" die rückwirkende Anerkennung der Einschätzung des Grades der Behinderung ab 1. September 1930 erfolgte. Weiters wurde im abändernden Gutachten ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine Waisenpension von der SVA der gewerblichen Wirtschaft erhalte und daher anzunehmen sei, dass die Behinderung seit Kindesalter bestehe und er für seinen Unterhalt nie habe selbst sorgen können.
Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung stellte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag.
Mit dem angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid vom 31. August 2005 insoweit ab, als der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages ab Jänner 2005 abgewiesen werde. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Sachwalterin habe vorgebracht, dass die Erkrankung des Beschwerdeführers bereits während der Beschäftigungszeiten im elterlichen Betrieb (Fleischhauerei) bestanden habe und daher davon auszugehen sei, dass sich der Beschwerdeführer nicht durch entsprechende Arbeitsleistung seinen Unterhalt hätte verschaffen können. Daraus ergebe sich aber nicht, dass der Beschwerdeführer aus therapeutischen oder karitativen Erwägungen ohne Erwartung einer Gegenleistung beschäftigt worden sei. Die Zuerkennung einer Waisenpension (seit 1. August 2004) spreche zwar dafür, dass der Beschwerdeführer bereits vor dem 21. Lebensjahr erwerbsunfähig gewesen sein könne, im Beschwerdefall stehe jedoch fest, dass seitens der untersuchenden Ärzte eine rückwirkende Einschätzung der Erwerbsunfähigkeit auf Grund der vorliegenden Befunde frühestens im Jahr 1971 habe vorgenommen werden können. Damals sei der Beschwerdeführer bereits 41 Jahre alt gewesen. Die leitende Ärztin habe eine Abänderung des maßgeblichen Stichtags ausschließlich auf die Zuerkennung der Waisenpension gestützt, ohne dass ihr sonstige Unterlagen vorgelegen seien, die dies hätten begründen können. Überdies habe der Beschwerdeführer den Antrag auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe erstmals im Alter von 73 Jahren gestellt. Da der relevante Sachverhalt mehr als 50 Jahre zurückliege, wäre es an der Sachwalterin gelegen gewesen, die von ihr behauptete Tatsache der bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretenen dauernden Unfähigkeit des Beschwerdeführers, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, zweifelsfrei nachzuweisen. Eine Bindung an den Bescheid über die Gewährung der Waisenpension bestehe im Beihilfenverfahren nicht. Der erstinstanzliche Bescheid sei jedoch insoweit abzuändern gewesen, als für den Zeitraum ab Juli 1999 ein rechtskräftiger Abweisungsbescheid vom 14. Jänner 2005 vorliege, sodass das Finanzamt den Antrag hinsichtlich des Zeitraums Juni 2000 bis Dezember 2004 wegen entschiedener Sache als unzulässig zurückweisen hätte müssen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. Er erachtet sich in seinem Recht auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe verletzt.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Beschwerdeführer erstattete dazu eine Äußerung nach § 36 Abs. 8 VwGG.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist ausschließlich strittig, ob der Beschwerdeführer iSd § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 infolge einer vor Vollendung seines 21. Lebensjahres eingetretenen Behinderung voraussichtlich dauernd außer Stande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Nach § 8 Abs. 6 leg. cit. in der - von der belangten Behörde bereits anzuwendenden - Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 105/2002 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtliche dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Das nach dieser Bestimmung abzuführende qualifizierte Nachweisverfahren durch ein ärztliches Gutachten (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Dezember 2007, B 700/07, und die hg. Erkenntnisse vom 27. April 2005, Zl. 2003/14/0105, und vom 20. Dezember 2006, Zl. 2003/13/0123) hat sich darauf zu erstrecken, ob der Beschwerdeführer wegen einer vor Vollendung seines 21. Lebensjahres (oder - für den Beschwerdefall offenbar nicht relevant - während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres) eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außer Stande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. November 2008, Zl. 2007/15/0019).
Dem ergänzten Gutachten vom 15. November 2005 ist zu entnehmen, dass die Behinderung des Beschwerdeführers "seit Kindesalter" bestehe und dieser voraussichtlich (auch weiterhin) dauernd außer Stande sein werde, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen.
Die belangte Behörde hat dennoch den Anspruch auf die (erhöhte) Familienbeihilfe verneint und sich dabei auf die vom Beschwerdeführer erworbenen Versicherungszeiten als Beschäftigter in der elterlichen Fleischhauerei und das Alter des Beschwerdeführers bei der erstmaligen Antragstellung gestützt und ist dem ergänzten Gutachten deshalb nicht gefolgt.
Diesen von der belangten Behörde ins Treffen geführten Umständen kommt aber nach dem klaren Wortlaut des § 8 Abs. 6 in der angeführten Fassung des FLAG 1967 keine Bedeutung zu. Die hg. Rechtsprechung, wonach eine mehrjährige berufliche Tätigkeit des Kindes die für den Anspruch auf Familienbeihilfe notwendige Annahme, das Kind sei infolge seiner Behinderung nicht in der Lage gewesen, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, widerlege, hat im Rahmen der durch das Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 105/2002, geschaffenen Rechtslage keinen Anwendungsbereich mehr (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. November 2008, Zl. 2007/15/0019).
Eine in § 8 Abs. 6 FLAG geforderte Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen ist in den vorgelegten Verwaltungsakten nicht enthalten. Dem angefochtenen Bescheid ist auch keine Feststellung zu entnehmen, wonach eine solche Bescheinigung der belangten Behörde zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung vorgelegen wäre. Schon deshalb erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig.
Dass die sonstigen Voraussetzungen für die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe im Beschwerdefall nicht erfüllt wären, etwa im Hinblick auf den eigenen Pensionsanspruch von einer Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers auszugehen wäre, hat die belangte Behörde nicht in einer den Bescheid tragenden Weise festgestellt.
Der angefochtene Bescheid ist demnach mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet und war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 21. September 2009
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