VwGH 2008/23/0316

VwGH2008/23/03168.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail sowie die Hofrätin Dr. Pollak und die Hofräte MMag. Maislinger, Dr. Hofbauer und Mag. Dr. Wurdinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stelzl, über die Beschwerden von 1. M, geboren 1984, 2. L, geboren 1959, beide in W und vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hahngasse 25/5, und 3. Z in W, geboren 1952, vertreten durch Dr. Brigitte Heaman-Dunn, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Schellinggasse 3, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates vom 1.) 26. Jänner 2007, Zl. 256.091/3E-XIX/62/06, 2.) 26. Jänner 2007, Zl. 256.135/4E-XIX/62/06, und

3.) 22. Jänner 2007, Zl. 301.774-C1/E1-XIX/62/06, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres),

I. zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §8 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs3;
AsylG 1997 §8 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs3;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden insoweit, als damit Spruchpunkt III. der erstinstanzlichen Bescheide (Ausweisung der erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien "aus dem österreichischen Bundesgebiet" bzw. Ausweisung des Drittbeschwerdeführers nach Georgien) bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerden abgelehnt.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind georgische Staatsangehörige. Die Zweitbeschwerdeführerin ist die Ehefrau des Drittbeschwerdeführers; diese sind die Eltern des volljährigen Erstbeschwerdeführers.

Die erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien beantragten am 7. September 2002 Asyl. Der Erstbeschwerdeführer sei am 8. März 2002 von unbekannten Männern entführt, geschlagen und nach zwei Tagen wieder freigelassen worden. Die Zweitbeschwerdeführerin habe für ihn Lösegeld gezahlt. Sie habe Georgien verlassen, weil sie als Mitglied der Arbeiterpartei verfolgt worden sei.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheiden vom 1. Dezember 2004 (Erstbeschwerdeführer) bzw. 30. November 2004 (Zweitbeschwerdeführerin) diese Asylanträge gemäß § 7 Asylgesetz 1997 ab (Spruchpunkt I.), erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien nach Georgien gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 idF der Novelle BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG) für zulässig (Spruchpunkt II.) und wies sie gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III.). Begründend führte es im Wesentlichen aus, das Vorbringen der erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien sei unglaubwürdig.

Mit den erst- und zweitangefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die dagegen erhobenen Berufungen der erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 AsylG ab.

Am 20. September 2004 beantragte der Drittbeschwerdeführer Asyl. Er habe Probleme wegen der politischen Tätigkeiten der Zweitbeschwerdeführerin und eines weiteren volljährigen Sohnes (Beschwerdeführer zur Zl. 2008/23/0331) gehabt.

Mit Bescheid vom 8. Mai 2006 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Drittbeschwerdeführers gemäß § 7 AsylG, ab (Spruchpunkt I.), erklärte seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Georgien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig (Spruchpunkt II.) und wies ihn gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Georgien aus (Spruchpunkt III.).

Mit dem drittangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Drittbeschwerdeführers gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 AsylG ab.

Begründend führte die belangte Behörde zur Ausweisung des Drittbeschwerdeführers im Wesentlichen aus, er sei mit der Zweitbeschwerdeführerin verheiratet und führe mit ihr ein gemeinsames Familienleben. Die Ausweisung stelle einen Eingriff in sein Familienleben dar. Zumindest seit August 2002 bis November 2004 habe kein gemeinsames Familienleben bestanden, sodass ihm die "vorübergehende Trennung" von der Zweitbeschwerdeführerin zumutbar sei. Zusätzlich seien die "fremdenrechtlichen Interessen" zu berücksichtigen. Er habe sich nur kurze Zeit im Bundesgebiet aufgehalten. Ihm habe klar sein müssen, dass sein Aufenthalt bei Abweisung seines Asylantrages nur vorübergehend sei. Der Eingriff in das Privat- und Familienleben sei zulässig, weil das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung deutlich überwiege und der Eingriff zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele erforderlich sei.

Über die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden, die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Entscheidung verbunden wurden, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

zu I.:

1. Bei der unveränderten Bestätigung der erstinstanzlichen Bescheide über die Ausweisung der erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien "aus dem österreichischen Bundesgebiet" (Spruchpunkt III. der erstinstanzlichen Bescheide) hat die belangte Behörde verkannt, dass die Asylbehörden in einem Fall wie dem vorliegenden nicht berechtigt sind, die Ausweisung eines Asylwerbers ohne Einschränkung auf den Herkunftsstaat auszusprechen. Hiezu kann gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2005/01/0625, und die dort angeführte Vorjudikatur verwiesen werden.

Die Bestätigung des Spruchpunktes III. der erstinstanzlichen Bescheide des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

2. In Anbetracht der teilweisen Aufhebung (Ausweisung) des die Ehefrau des Drittbeschwerdeführers betreffenden Bescheides und infolge der dieser Aufhebung innewohnenden ex tunc-Wirkung (§ 42 Abs. 3 VwGG) erweist sich auch die mit dem drittangefochtenen Bescheid erfolgte Bestätigung des Spruchpunktes

III. des erstinstanzlichen Bescheides (Ausweisung des Drittbeschwerdeführers nach Georgien) als verfehlt.

Mit der Asylgesetznovelle 2003 wurde das im Asylgesetz 1997 vorgesehene System der Asylerstreckung durch das sogenannte "Familienverfahren" abgelöst. Zur Darstellung der diesbezüglichen Regelungen und der damit verfolgten Intention des Gesetzgebers, die Position der Kernfamilie zu vereinheitlichen und dadurch die Familieneinheit zu stärken, wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Punkte 4. und 5. im hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 2007, Zl. 2007/19/1054, verwiesen.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde die erstinstanzliche Ausweisung des Drittbeschwerdeführers bestätigt, der als Ehemann in Österreich im Familienverband mit seiner Frau lebt. Die belangte Behörde hat zutreffend ausgeführt, dass seine Ausweisung in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Familienleben des Drittbeschwerdeführers eingreift. Da das Verwaltungsverfahren über die Ausweisung der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 mit der Wirkung ex tunc wieder offen ist, bedarf der Eingriff in das Familienleben des Drittbeschwerdeführers einer Rechtfertigung. Die belangte Behörde hat aber - auch unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen - keine ausreichenden Rechtfertigungsgründe nach Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführt. Dass der Drittbeschwerdeführer vor seiner Einreise in das Bundesgebiet über zwei Jahre kein gemeinsames Familienleben mit seiner Ehefrau führte, zeigt bei einem über zweijährigen gemeinsamen Familienleben in Österreich noch keinen ausreichenden Rechtfertigungsgrund auf. Dass die Trennung lediglich "vorübergehend" und zumutbar sei, wird begründungslos behauptet. Mit "fremdenrechtlichen Interessen" bzw. der "Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung" wird nur allgemein, ohne Bezug zum Drittbeschwerdeführer argumentiert. Die belangte Behörde hat daher nicht ausreichend dargelegt, warum öffentliche Interessen es erfordern würden, dass der Drittbeschwerdeführer Österreich schon vor einer Entscheidung über die Ausweisung seiner Ehefrau verlassen muss.

Die Bestätigung des Spruchpunktes III. des erstinstanzlichen Bescheides des Drittbeschwerdeführers war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

zu II.:

Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Beschwerden werfen - soweit sie sich auf die Bestätigung der Spruchpunkte I. und II. der erstinstanzlichen Bescheide beziehen - keine für die Entscheidung dieser Fälle maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung sprechen würden, liegen nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerden, soweit sie sich gegen die Bestätigung der Spruchpunkte I. und II. der erstinstanzlichen Bescheide richten, abzulehnen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 8. September 2009

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