VwGH 2008/22/0651

VwGH2008/22/065122.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des B, vertreten durch Dr. Max Pichler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausstraße 21, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Februar 2008, Zl. 150.039/2- III/4/07, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

NAG 2005 §23 Abs4;
NAG 2005 §46 Abs4;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §73 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
NAG 2005 §23 Abs4;
NAG 2005 §46 Abs4;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §73 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des im Jahr 2005 geborenen Beschwerdeführers auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "beschränkt" gemäß § 23 Abs. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Zur Begründung verwies die belangte Behörde darauf, dass der gegenständliche Antrag am 18. Jänner 2006 durch die Mutter des Beschwerdeführers gestellt worden sei. In der Berufung gegen den den Antrag abweisenden erstinstanzlichen Bescheid sei vorgebracht worden, dass - wie im Fall der Mutter - humanitäre Gründe für die Erteilung eines Aufenthaltstitels vorliegen würden, weil die Mutter des Beschwerdeführers nach der Scheidung aus einer Zwangsehe mit einem Kosovoalbaner einen in Österreich lebenden türkischen Staatsangehörigen geheiratet hätte. Deswegen wäre die Mutter des Beschwerdeführers von ihrer Familie im Kosovo verstoßen worden und sie müsste befürchten, dass auch dem Beschwerdeführer Gewalt angetan werden würde.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, dass sich das Aufenthaltsrecht des Beschwerdeführers gemäß § 23 Abs. 4 NAG nach dem Aufenthaltstitel der Mutter richte, diese aber über keinen Aufenthaltstitel für die Republik Österreich verfüge. Deren Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sei mit zweitinstanzlichem Bescheid vom 9. Mai 2007 abgewiesen worden. (Dieser Bescheid wurde mit hg. Erkenntnis vom 18. Juni 2009, 2008/22/0239, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.)

Am Schluss der Bescheidbegründung führte die belangte Behörde aus:

"In Anbetracht dessen und des bei der Behörde erster Instanz zur Entscheidung anhängigen Antrages gemäß § 73 Abs. 4 NAG war auf die von Ihnen in der Berufung relevierten humanitären Gründe nicht weiter einzugehen."

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage seitens der belangten Behörde erwogen:

Vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vom 24. Mai 2007, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 23 Abs. 4 NAG abgewiesen wurde, stellte der Beschwerdeführer, vertreten durch seine Mutter, einen Antrag gemäß § 73 Abs. 4 NAG unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 5. September 2006, 2006/18/0243 bis 0246. In diesem Antrag vom 8. März 2007 wurde auf den bereits am 18. Jänner 2006 gestellten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sowie zur Beschreibung der Lebenssituation und der familiären Verhältnisse auf die Berufung der Mutter des Beschwerdeführers verwiesen.

Gemäß § 73 Abs. 4 NAG (in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) kann der Fremde gleichzeitig mit der Einbringung eines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck der Familienzusammenführung gemäß § 46 Abs. 4 NAG oder während der Anhängigkeit eines Verfahrens hierüber zur Klärung der Vorfrage, ob humanitäre Gründe vorliegen, einen gesonderten Antrag auf Feststellung einbringen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem vom Beschwerdeführer bereits zitierten Erkenntnis 2006/18/0243 bis 0246 klargestellt, dass über den Antrag als Vorfrage zur Prüfung humanitärer Gründe gesondert zu entscheiden ist, wenn diesem Antrag nicht Rechnung getragen wird. Dem Gesetzgeber ist jedoch nicht zu unterstellen, er habe die Entscheidung über die ausdrücklich als solche bezeichnete Vorfrage nur für den Fall angeordnet, dass bereits in der Hauptsache (abweisend) entschieden worden ist.

Dies hat die belangte Behörde verkannt, indem sie bereits unter Hinweis auf § 23 Abs. 4 NAG den Antrag in der Hauptsache mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen und dabei bloß auf die Anhängigkeit des Antrages nach § 73 Abs. 4 NAG verwiesen hat. Bei richtiger Vorgangsweise hätte die belangte Behörde zuerst den Antrag nach § 73 Abs. 4 NAG prüfen müssen. Erst nach dessen (allfälliger) Abweisung ist über den Hauptantrag - unter einem oder in einem gesonderten Bescheid (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2008, 2007/18/0286) - zu entscheiden.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 22. September 2009

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