VwGH 2008/22/0448

VwGH2008/22/04483.4.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des G, vertreten durch die Löffler Jelincic Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Kärntner Ring 14, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. August 2007, Zl. 315.250/2-III/4/06, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
NAG 2005 §1 Abs2 Z1;
NAG 2005 §21 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;
AVG §66 Abs4;
NAG 2005 §1 Abs2 Z1;
NAG 2005 §21 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, brachte am 10. November 2005 bei der Bundespolizeidirektion Wien einen Erstantrag auf Erteilung eines "Niederlassungsnachweises" zum Zweck "Familiengemeinschaft mit seiner Wahlmutter" ein, den er damit begründete, dass ihn eine österreichische Staatsbürgerin an Kindes statt angenommen habe. Mit Inkrafttreten des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, am 1. Jänner 2006 ist die Zuständigkeit an den Landeshauptmann von Wien übergegangen, weshalb der Antrag zuständigkeitshalber weitergeleitet wurde.

Der Landeshauptmann von Wien hat den Antrag als Erstantrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung Angehöriger" gewertet und mit Bescheid vom 13. Februar 2006 gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1 leg.cit. zurückgewiesen, da der Beschwerdeführer nach asylgesetzlichen Bestimmungen zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei und daher nicht dem Anwendungsbereich des NAG unterliege.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 28. August 2007 wies der Bundesminister für Inneres die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 8 Abs. 1 und § 47 NAG ab.

Unter Hinweis auf § 82 Abs. 1 NAG hat die belangte Behörde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer am 26. Juli 2005 illegal nach Österreich eingereist sei und am selben Tag beim Bundesasylamt einen Asylantrag gestellt habe, über den mit Bescheid vom 4. August 2006 zweitinstanzlich rechtskräftig negativ entschieden worden sei. Gleichzeitig sei gemäß § 8 Asylgesetz (AsylG) festgestellt worden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Heimat des Beschwerdeführers (Kosovo) zulässig sei.

Der Beschwerdeführer sei im Besitz einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG bis 4. August 2006 gewesen.

Am 7. Oktober 2005 sei er mit Beschluss des Bezirksgerichtes Favoriten von einer österreichischen Staatsbürgerin an Kindes statt angenommen worden.

Da die Wahlmutter des Beschwerdeführers am 14. Juni 2007 verstorben sei, könne er kein Aufenthaltsrecht von der Zusammenführenden, in seinem Fall von seiner verstorbenen Wahlmutter, gemäß § 47 NAG ableiten. Daher könne ihm der gewünschte Aufenthaltstitel nicht erteilt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Prozessgegenstand einer Berufungsentscheidung nach § 66 AVG ist jene Verwaltungssache, die zunächst der Behörde erster Instanz vorlag. Hat die Unterbehörde nur prozessual entschieden, so darf die Berufungsbehörde keine Sachentscheidung treffen, weil damit der Partei in der Sachfrage eine Instanz genommen wäre (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, zu § 66 AVG, Seite 1273 ff, angeführte hg. Rechtsprechung, sowie das hg. Erkenntnis vom 28. August 2008, 2008/22/0072).

Im gegenständlichen Fall wies die Behörde erster Instanz den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels lediglich aus Formalgründen, nämlich der von ihr konstatierten Unanwendbarkeit des NAG, zurück. Demnach lag ausschließlich ein verfahrensrechtlicher Bescheid vor, mit dem eine Entscheidung in der Sache, d.h. in der Angelegenheit, die den Inhalt des Antrages bildete, abgelehnt wurde (vgl. nochmals das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 28. August 2008, 2008/22/0072). Daher war die belangte Behörde als Berufungsbehörde lediglich zur Entscheidung darüber befugt, ob die von der erstinstanzlichen Behörde ausgesprochene Zurückweisung als rechtmäßig anzusehen war. Dies allein bildete den Gegenstand des Berufungsverfahrens. Da die belangte Behörde hingegen den von der erstinstanzlichen Behörde herangezogenen Zurückweisungstatbestand als nicht gegeben ansah und in weiterer Folge ungeachtet des Gegenstandes des Berufungsverfahrens eine inhaltliche Entscheidung traf, überschritt sie die ihr im Berufungsverfahren gesetzten Grenzen und belastete ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge ihrer Unzuständigkeit.

Der angefochtene Bescheid war daher aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 3. April 2009

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