VwGH 2008/22/0192

VwGH2008/22/019227.1.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl, Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des Y, vertreten durch Dr. Brigitte Weiser, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Geologengasse 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. Juli 2007, Zl. 148.759/2-III/4/07, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §49 Abs1;
NAG 2005 §2 Abs1 Z9;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs2 Z1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §73;
NAG 2005 §81 Abs1;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §49 Abs1;
NAG 2005 §2 Abs1 Z9;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs2 Z1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §73;
NAG 2005 §81 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 2. Juli 2007 wurde ein am 11. Februar 2003 gestellter Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta.-Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gemäß §§ 47 Abs. 2, 2 Abs. 1 Z. 9 und 21 Abs. 1 und 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 11. Jänner 2002 im Besitz eines von der Österreichischen Botschaft Ankara ausgestellten Visums C mit Gültigkeit vom 8. Oktober 2002 bis 1. November 2002 in das Bundesgebiet eingereist sei. Am 28. Oktober 2002 habe er einen Antrag auf Gewährung von Asyl gestellt, den er am 17. Februar 2003 zurückgezogen habe. Seit Ablauf der Gültigkeitsdauer des Visums C halte sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet auf; aus dem Akt gehe allerdings nicht hervor, ob der Beschwerdeführer während seines Asylverfahrens nach dem Asylgesetz aufenthaltsberechtigt gewesen sei.

Am 29. Jänner 2003 habe er mit einer österreichischen Staatsbürgerin eine Ehe geschlossen, die allerdings mit Urteil des Bezirksgerichtes Leopoldstadt, rechtskräftig seit 26. März 2004, geschieden worden sei. Der Beschwerdeführer sei auch nach der Scheidung im Bundesgebiet verblieben.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe der Bestimmungen der §§ 47 Abs. 1 und 2, 2 Abs. 1 Z. 9, 21 Abs. 1 und 2, 74 und 72 Abs. 1 NAG - im Wesentlichen aus, dass der gegenständliche Antrag des Beschwerdeführers "schon allein aufgrund des § 21 Abs. 1 NAG abzuweisen" sei, weil der Beschwerdeführer mit der rechtskräftigen Scheidung von seiner österreichischen Ehefrau die durch § 21 Abs. 2 Z. 1 NAG Familienangehörigen von Österreichern (und damit auch deren Ehegatten; § 2 Abs. 1 Z. 9 NAG) eröffnete Möglichkeit, abweichend von § 21 Abs. 1 NAG die Entscheidung über den Antrag im Inland abzuwarten, verloren habe.

Humanitäre Gründe im Sinn des § 72 Abs. 1 NAG lägen nicht vor; die vom Beschwerdeführer in dieser Hinsicht geltend gemachten Umstände - nämlich sein Aufenthalt im Bundesgebiet sowie seine Erwerbstätigkeit - stellten dafür keine Grundlage dar, wobei insbesondere die Erwerbstätigkeit mangels Besitzes eines entsprechenden Aufenthaltstitels nicht mit den aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen im Einklang stehe.

Eine Inlandsantragstellung werde daher gemäß § 74 NAG nicht zugelassen.

Schließlich könne sich der Beschwerdeführer - entgegen den Ausführungen in der Berufung - auch nicht auf das Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei berufen, weil jenes Abkommen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann Anwendung finde, wenn die Beschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers im Einklang mit den aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des Mitgliedstaates gestanden sei. Dem Beschwerdeführer möge zwar für seine Erwerbstätigkeit eine "arbeitsrechtliche Bewilligung" erteilt worden sein, in Hinblick auf die aufenthaltsrechtliche Seite erfülle er aber die erforderlichen Voraussetzungen keinesfalls.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die Beschwerde führt zunächst aus, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Einbringung des gegenständlichen Antrages als damaliger Angehöriger einer österreichischen Staatsbürgerin jedenfalls zur Inlandsantragstellung berechtigt gewesen sei und die belangte Behörde ihre Entscheidung nicht auf § 21 NAG stützen hätte dürfen, weil der ursprüngliche Antrag aus 2003 datiere und Gesetze - sofern dies nicht ausdrücklich festgehalten sei - "nicht rückwirkend" seien.

Gemäß § 81 Abs. 1 NAG sind Verfahren auf Erteilung von Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen, die bei In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, nach den Bestimmungen des NAG zu Ende zu führen. Dem NAG ist weder ein Rückwirkungsverbot noch eine Regelung zu entnehmen, der zufolge auf vor dessen In-Kraft-Treten verwirklichte Sachverhalte Bestimmungen des - mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft getretenen - Fremdengesetzes 1997 (FrG) anzuwenden wären (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 2008, 2008/22/0645, mwN). Die belangte Behörde hat somit den vorliegenden, am 11. Februar 2003 gestellten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zu Recht nach den Bestimmungen des NAG beurteilt.

Die Beschwerde bestreitet nicht, dass der Beschwerdeführer bisher nicht über einen Aufenthaltstitel für die Republik Österreich verfügt hat und dass er von seiner österreichischen Ehefrau rechtskräftig am 26. März 2004 geschieden wurde. Mit der Scheidung stand dem Beschwerdeführer allerdings - worauf die belangte Behörde zutreffend hinweist - die in § 21 Abs. 2 Z. 1 NAG Familienangehörigen von Österreichern (und damit gemäß § 2 Abs. 1 Z. 9 NAG auch deren Ehegatten) eröffnete Möglichkeit, abweichend von § 21 Abs. 1 NAG - Rechtmäßigkeit des Aufenthalts vorausgesetzt - die Entscheidung über den gegenständlichen Antrag im Inland abzuwarten, nicht mehr offen; dasselbe galt im Übrigen nach der hg. Rechtsprechung auch unter dem Regime der §§ 14 Abs. 2, 49 Abs. 1 FrG (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 4. Oktober 2006, 2006/18/0282, sowie vom 13. Februar 2007, 2007/18/0036, jeweils mwN).

In Hinblick auf die Dauer der Ehe zwischen dem Beschwerdeführer und der österreichischen Staatsbürgerin (vgl. Art. 13 Abs. 2 lit. a der Richtlinie 2004/38/EG) ist der vorliegende Sachverhalt auch von den dem hg. Beschluss vom 2. Oktober 2008, A 2008/0041 (2008/18/0507), zugrunde liegenden gleichheitsrechtlichen Bedenken nicht betroffen.

Soweit die Beschwerde in ihrer Verfahrensrüge vermeint, die belangte Behörde hätte untersuchen müssen, ob nicht besonders berücksichtigungswürdige, die Gewährung eines Aufenthaltstitels rechtfertigende Gründe vorlägen, nimmt sie offenbar auf die Bestimmungen der §§ 72 Abs. 1 und 74 NAG Bezug.

Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG vor, so ist ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen, wobei die Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch besteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2008, 2008/22/0265 bis 0267, mwN).

Auch die Beschwerde kann in diesem Zusammenhang allerdings nur den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit 2002 und seine legale Erwerbstätigkeit hier ins Treffen führen; damit ist jedoch ein besonders berücksichtigungswürdiger humanitärer Grund in dem dargestellten Sinn nicht dargetan (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 2008), sodass der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht vorliegt.

Soweit die Beschwerde eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin erblickt, dass die belangte Behörde Art. 3 und8 EMRK "nicht beachtet" und "daher den Beschwerdeführer in seinen verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten auf Schutz der Integrität seiner Person und Schutz des Privatlebens" verletzt habe, so ist dem lediglich zu erwidern, dass für die belangte Behörde nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Administrativverfahren - insbesondere in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid - für Erhebungen und Ausführungen in diese Richtungen kein Anlass bestand (§ 41 Abs. 1 VwGG).

Sofern sich die Beschwerde schließlich - erkennbar - auf den Beschluss Nr. 1/80 des aufgrund des Assoziationsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei eingerichteten Assoziationsrates vom 19. September 1980 (im Folgenden: ARB Nr. 1/80) beruft, so setzt - worauf die belangte Behörde schon in Beantwortung der Berufung des Beschwerdeführers zu Recht hingewiesen hat - eine Berechtigung etwa nach Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position eines türkischen Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt des EU-Mitgliedstaates voraus; während der im Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 genannten Zeiträume muss sowohl die Beschäftigung des betroffenen türkischen Arbeitnehmers im Einklang mit den arbeitserlaubnisrechtlichen als auch sein Aufenthalt in Übereinstimmung mit den nicht nur eine vorübergehende Position sichernden aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates gestanden sein. Letzteres ist beim Beschwerdeführer, der noch nie über einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügt hat, nicht der Fall.

Eine nach Art. 7 ARB Nr. 1/80 geschützte Rechtsposition des Beschwerdeführers kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil dieser - was die Beschwerde nicht in Abrede stellt - mit einem Visum C in das Bundesgebiet eingereist ist und dieser Einreisetitel keine Genehmigung im Sinn des Art. 7 ARB Nr. 1/80 darstellt (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2008, mwN).

Die Abweisung des gegenständlichen Antrages gemäß § 21 Abs. 1 NAG durch die belangte Behörde erweist sich somit als unbedenklich, weshalb die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 27. Jänner 2009

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