Normen
AVG §58 Abs2;
FrPolG 2005 §21 Abs1 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §58 Abs2;
FrPolG 2005 §21 Abs1 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, stellte am 1. Februar 2008 bei der österreichischen Botschaft in Ankara den formularmäßigen Antrag auf Erteilung eines "Schengen-Visums" für die Dauer von 90 Tagen. Sie beabsichtige den Besuch ihres Sohnes (eines türkischen Staatsangehörigen) und seiner Ehefrau (einer österreichischen Staatsbürgerin), die sie eingeladen und jeweils am 9. Jänner 2008 Haftungserklärungen gemäß § 2 Abs. 1 Z 15 NAG abgegeben hätten. Aus dem Antrag ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin verwitwet und Hausfrau ist. Für die Reisekosten und die Kosten des Aufenthaltes werde ihr eben genannter Sohn aufkommen. Weiters wies die Beschwerdeführerin darauf hin, sich schon einmal im Jahr 1990 in Österreich aufgehalten zu haben.
Mit Schreiben vom 8. Februar 2008 teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit, keine weiteren Dokumente zu benötigen. Eine Prüfung habe jedoch ergeben, dass dem Antrag nicht stattgegeben werden könne, weil Grund zur Annahme bestehe, dass die Beschwerdeführerin das Bundesgebiet nach Ablauf der Gültigkeit des Visums nicht unaufgefordert verlassen werde (§ 21 Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG). Sie habe nämlich nicht überzeugend nachweisen können, dass sie feste familiäre, soziale oder wirtschaftliche Bindungen an ihren derzeitigen Wohnsitz in der Türkei habe. Vor einer endgültigen Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Visums werde ihr die Möglichkeit eingeräumt, eine abschließende Stellungnahme einzubringen.
Die - mittlerweile rechtsfreundlich vertretene - Beschwerdeführerin äußerte sich hiezu am 20. Februar 2008. Sie machte geltend, Mutter von sieben Kindern, von denen sechs in der Türkei lebten, zu sein. Ihren in Österreich verheirateten Sohn sowie seine Kinder wolle sie wieder einmal besuchen und sehen, wie diese jetzt lebten. In der Türkei, wo sich neben ihren weiteren Kindern auch ihre übrigen Enkel aufhielten, besitze sie ein Eigenheim und beziehe eine Pension. Schon im Jahr 2000 sei sie für zwei Wochen auf Besuch in Österreich gewesen, wobei sie sich "brav an das Ausreisedatum gehalten" habe. Die Annahme der belangten Behörde, dass sie nach Ablauf der Gültigkeit des Visums nicht unaufgefordert ausreisen werde, sei daher weder richtig noch nachvollziehbar. Sie erkläre sich bereit, durch eidesstättige Erklärung zu bekräftigen, nach Ablauf des Visums unaufgefordert Österreich zu verlassen. Auch könnte sie zur Not ihren Visumsantrag im Sinn eines nur einmonatigen Besuches reduzieren, wofür aber grundsätzlich keine Veranlassung bestehe.
Ungeachtet dieser Stellungnahme wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 22. Februar 2008 den Antrag auf Erteilung des begehrten Visums unter Verwendung eines formularmäßigen Vordrucks ab. Dabei wurde durch Ankreuzen des dafür vorgesehenen Feldes zum Ausdruck gebracht, dass die belangte Behörde die Erteilungsvoraussetzung nach § 21 Abs. 1 Z 2 FPG als nicht erfüllt erachtete.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde sowie Abgabe einer weiteren Äußerung durch die Beschwerdeführerin in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung nur mit dem Hinweis auf § 21 Abs. 1 Z 2 FPG begründet. Das allein stellt freilich vor dem Hintergrund der besonderen Regeln für das Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden noch keinen Begründungsmangel dar, genügt es demnach doch (vgl. § 11 Abs. 2 iVm Abs. 6 letzter Satz FPG), dass der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt zumindest im Akt nachvollziehbar ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Februar 2008, Zl. 2007/21/0207, mwN).
Dies ist jedoch nach dem eingangs skizzierten Gang des Verfahrens zu verneinen: Im Umfang der Erteilungsvoraussetzung nach § 21 Abs. 1 Z 2 FPG (die Wiederausreise des Fremden erscheine gesichert - vgl. dazu ausführlich etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2007, Zl. 2007/21/0104) ist es Sache der belangten Behörde, die ihr vorliegenden - für den Verdacht eines Verbleibens in Österreich über die Gültigkeitsdauer des Visums hinaus sprechenden - Indizien der Beschwerdeführerin zur Wahrung ihres Parteiengehörs konkret darzulegen. Der inhaltlichen Präzisierung eines solchen Vorhalts kommt gerade vor dem Hintergrund der den österreichischen Vertretungsbehörden eingeräumten Begründungserleichterung besondere Bedeutung zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2008, Zl. 2007/21/0229).
Erst nach Ergehen eines derartigen Vorhalts ist es Sache des Fremden, die sich daraus ergebenden Bedenken durch unter Beweis zu stellendes geeignetes Vorbringen zu zerstreuen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. November 2008, Zl. 2007/21/0514).
Dieser Verpflichtung ist die belangte Behörde - wie in der Beschwerde zu Recht gerügt wird - in ihrem Vorhalt vom 8. Februar 2008 nicht nachgekommen und hat insofern das Parteiengehör verletzt. Das gilt im vorliegenden Zusammenhang umso mehr, weil die Beschwerdeführerin nach ihrem wiedergegebenen Vorbringen von einer bereits im Jahr 2000 erfolgten freiwilligen Ausreise aus Österreich nach Erteilung eines Visums ausgeht und seither eingetretene (von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift lediglich pauschal behauptete, der Aktenlage aber nicht entnehmbare) in relevantem Ausmaß geänderte Umstände nicht ersichtlich sind. Dazu kommt, dass die - von der belangten Behörde unwidersprochen gebliebenen - familiären und persönlichen Anknüpfungspunkte der Beschwerdeführerin im Heimatstaat einen Verbleib in Österreich nicht indizieren. In der Beschwerdeschrift macht die Beschwerdeführerin darüber hinaus zur Dartuung der Relevanz dieses Verfahrensfehlers geltend, nach ausreichender inhaltlich konkretisierter Aufforderung in der Lage gewesen zu sein, ein "Rückkehrticket" vorzulegen.
Soweit sich die belangte Behörde (in ihrer Gegenschrift im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof) auf frühere Antragstellungen der Beschwerdeführerin vom 22. Oktober und 28. November 2007 bezieht, gehen diese weder aus den die hier gegenständliche Antragstellung vom 1. Februar 2008 betreffenden Verwaltungsakten noch aus dem Behördenvorhalt vom 8. Februar 2008 hervor.
Eine weiters von der belangten Behörde behauptete ungeklärte finanzielle Situation des die Beschwerdeführerin einladenden Sohnes und seiner Ehefrau in Österreich stehen schließlich mit der zur Begründung des angefochtenen Bescheides ausschließlich herangezogenen Erteilungsvoraussetzung des § 21 Abs. 1 Z 2 FPG in keinem erkennbaren Zusammenhang.
Nach dem Gesagten kann somit auch aus dem Akteninhalt der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt letztlich nicht nachvollzogen werden, sodass selbst die Mindestanforderungen des § 11 Abs. 2 FPG für den Bestand des angefochtenen Bescheides nicht erfüllt sind. Dieser war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 8. Juli 2009
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)